Mathematik II für Studierende der Physik Vicente Cortés Department Mathematik Universität Hamburg Hamburg, Sommersemester 20071 1 last update: October 31, 2007 1 / 255 Inhaltsverzeichnis I Hermitesche Vektorräume Die unitäre Gruppe Normalform unitärer Abbildungen Normalform orthogonaler Endomorphismen Selbstadjungierte Endomorphismen Normalform selbstadjungierte Endomorphismen Normalform Hermitescher Formen Hauptachsentransformation Normale Endomorphismen Vollständigkeit Vervollständigung Hilberträume Quadratisch summierbare Folgen Orthogonalprojektion Orthonormale Familien Hilbertbasen 2 / 255 Inhaltsverzeichnis II Darstellungssatz von Riesz Topologische Grundbegriffe Kompaktheit Differenzialrechnung im kartesischen Raum Partielle Ableitungen Grundbegriffe der Vektoranalysis Differenzierbarkeit Kettenregel Mittelwertsatz Niveaumengen und lokale Extrema Taylorentwicklung Hessematrix und lokale Extrema Umkehrsatz Satz über implizite Funktionen Abbildungen von konstantem Rang Untermannigfaltigkeiten des kartesischen Raums 3 / 255 Inhaltsverzeichnis III Tangentialraum Extrema mit Nebenbedingungen Gewöhnliche Differenzialgleichungen Parameterabhängige Integrale Anwendung auf gew. DGLn Fourier-Reihen 4 / 255 Hermitesche Formen Definition I Eine Hermitesche Form auf einem komplexen Vektorraum V ist eine Abbildung h·, ·i : V × V → C, die C-linear im ersten Argument ist und hv , w i = hw , v i für alle v , w ∈ V erfüllt. Bemerkung Daraus folgt, dass h·, ·i : V × V → C konjugiert-linear im zweiten Argument ist, d.h. hu, λv + µw i = λhu, v i + µhu, w i für alle u, v , w ∈ V , λ, µ ∈ C. 5 / 255 Hermitesche Skalarprodukte Definition I Eine Hermitesche Form h·, ·i : V × V → C heißt positiv definit, wenn für alle v ∈ V \ 0 hv , v i > 0. I Ein (Hermitesches) Skalarprodukt auf V ist eine positiv definite Hermitesche Form V × V → C. I Ein Hermitescher Vektorraum ist ein komplexer VR zusammen mit einem Hermiteschen Skalarprodukt darauf. (Hermitescher Vektorräume werden manchmal auch unitäre Vektorräume genannt.) 6 / 255 Hermitesche Vektorräume Beispiel I Das kanonische (Hermitesche) Skalarprodukt von Cn ist definiert durch n X zi wi , hz, w i := i=1 wobei z = Pn i=1 z ie i und w = Pn i=1 w ie i. 7 / 255 Cauchy-Schwarzsche Ungleichung Satz I Sei h = h·, ·i ein Hermitesches SKP auf einem C-VR V. (i) Dann gilt für alle v , w ∈ V : (∗) |hv , w i| ≤ kv k · kw k, wobei kv k := p hv , v i. (ii) Gleichheit in (∗) gilt genau dann, wenn v und w linear abhängig sind. 8 / 255 Beweis der CSU für Hermitesche Skalarprodukte Beweis. (i) Wir können annehmen, dass hv , w i = 6 0 und setzen λ := I hv , w i . |hv , w i| Dann gilt |λ| = 1 und somit: (1) |hv , w i| = |λhv , w i| = λhv , w i = hλv , w i. I Die CSU für das Euklidische SKP g = Reh liefert weiter p p (2) hλv , w i = g (λv , w ) ≤ g (λv , λv ) g (w , w ) = kv k·kw k. (ii) Gleichheit in (2) und somit in (∗) gilt genau dann, wenn λv und w linear abhängig über R und somit v und w linear abhängig über C sind. 9 / 255 Hermitesche Vektorräume als normierte C-Vektorräume Satz I Sei V ein komplexer VR. Jedes Hermitesche Skalarprodukt h·, ·i auf V definiert eine Norm k · k auf V : kv k := p hv , v i, v ∈ V. Beweis. Vgl. entsprechenden Beweis für Euklidische Skalarprodukte. 10 / 255 Unitäre Basen Definition I Sei V ein endlichdimensionaler Hermitescher VR. I Eine unitäre Basis von V ist eine Basis (b1 , . . . , bn ) mit hbi , bj i = δij . (Dieser Begriff ist analog zum Begriff der Orthonormalbasis im Fall Euklidischer Vektorräume.) Übungsaufgabe Zeigen Sie, dass jeder endlichdimensionale Hermitesche VR eine unitäre Basis besitzt. 11 / 255 Die unitäre Gruppe Definition I Sei (V , h·, ·i) ein Hermitescher VR. I Ein surjektiver2 Endomorphismus F : V → V heißt unitär, wenn (∗) hF (v ), F (w )i = hv , w i für alle I v, w ∈ V . ÜA: Die unitären Endomorphismen bilden eine Untergruppe U(V ) ⊂ Aut(V ), die sogenannte unitäre Gruppe. Beispiel t A ∈ U(n) := U(Cn ) ⇐⇒ A A = 1n . Übungsaufgabe Zeigen Sie, dass U(n) als eine Untergruppe der orthogonalen Gruppe O(2n) aufgefasst werden kann. 2 Falls dim V < ∞, so folgt die Surjektivität aus (*). 12 / 255 Normalform unitärer Endomorphismen Satz (i) Eigenwerte unitärer Endomorphismen sind komplexe Zahlen vom Betrag 1. (ii) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten stehen senkrecht aufeinander. (iii) Sei V ein endlichdimensionaler Hermitescher Vektorraum. Zu jedem unitären Endomorphismus F ∈ U(V ) gibt es eine unitäre Basis von V bestehend aus Eigenvektoren von F . Beweis. (i) Sei v ein Eigenvektor eines unitären Endomorphismus F und λ ∈ C der zugehörige Eigenwert. I Aus 0 6= hv , v i = hFv , Fv i = hλv , λv i = λλhv , v i ergibt sich |λ| = 1. 13 / 255 Normalform unitärer Endomorphismen Weiter im Beweis: (ii) Seien v , w ∈ V Eigenvektoren von F zu den Eigenwerten λ bzw. µ 6= λ. Wegen (i) gilt λµ 6= 1. I Aus hv , w i = hFv , Fw i = λµhv , w i folgt daher hv , w i = 0. 14 / 255 Normalform unitärer Endomorphismen Weiter im Beweis: (iii) Beweis durch Induktion nach n = dim V . Der Fall n = 1 ist klar. I Sei dim V ≥ 2. Nach dem Fundamentalsatz der Algebra hat jedes nicht-konstante komplexe Polynom eine Nullstelle. Insbesondere hat das charakteristische Polynom von F eine Nullstelle und F mithin einen Eigenwert λ1 . I Wir wählen einen zugehörigen Eigenvektor b1 ∈ V der Länge 1 und betrachten W := b1⊥ . I Es gilt dim W = n − 1 und FW ⊂ W , denn aus w ∈ W folgt 0 = hb1 , w i = hFb1 , Fw i = λ1 hb1 , Fw i I und somit Fw ∈ W . (Wg. (i) ist λ1 6= 0.) Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine unitäre Basis (b2 , . . . , bn ) von W bestehend aus Eigenvektoren von F und (b1 , b2 , . . . , bn ) ist die gesuchte unitäre Basis von V . 15 / 255 Normalform orthogonaler Endomorphismen Folgerung (i) Eigenwerte orthogonaler Endomorphismen sind reelle Zahlen vom Betrag 1. (ii) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten stehen senkrecht aufeinander. (iii) Sei V ein endlichdimensionaler Euklidischer Vektorraum. Jeder orthogonale Endomorphismus F ∈ O(V ) besitzt eine Orthonormalbasis, bez. der F durch eine Blockdiagonalmatrix folgender Art dargestellt wird diag(λ1 , . . . , λp , Dϕ1 , . . . , Dϕq ), wobei λi ∈ {±1}, Dϕ = cos ϕ − sin ϕ sin ϕ cos ϕ , ϕj ∈ R und p + 2q = dim V . 16 / 255 Normalform orthogonaler Endomorphismen Beweis. (i-ii) Gleicher Beweis wie für unitäre Endomorphismen. (iii) Da die Eigenräume V±1 von F : V → V senkrecht aufeinander stehen, existiert eine ONB (b1 , . . . , bp ) von U := V1 ⊕ V−1 bestehend aus Eigenvektoren. I F bildet das orthogonale Komplement W := U ⊥ in sich ab und W enthält keine Eigenvektoren von F . I Insbesondere hat W gerade Dimension m = 2q, denn sonst hätte das charakteristische Polynom der Einschränkung F |W eine reelle Nullstelle. I Es genügt zu zeigen, dass W eine ONB besitzt, bez. der die darstellende Matrix von F |W die Gestalt diag(Dϕ1 , . . . , Dϕq ) hat . 17 / 255 Normalform orthogonaler Endomorphismen Weiter im Beweis: I I I Durch Wahl einer ONB von W können wir annehmen, dass W = Rm der Euklidische Raum ist und F |W = A ∈ O(m). Wenn wir A als komplexe Matrix auffassen, so gilt offenbar t A ∈ U(m), denn aus At A = 1m und A = A folgt A A = 1m . Daher gibt es eine unitäre Basis (β1 , . . . , βq , β1 , . . . , βq ) von Cm = C2q bestehend aus Eigenvektoren von A ∈ U(m) mit zugehörigen Eigenwerten (µ1 , . . . , µq , µ1 , . . . , µq ). I Die Eigenwerte µj = e iϕj (ϕj ∈ R) treten in Paaren auf, denn die komplexe Konjugation bildet den Eigenraum zum Eigenwert µ isomorph auf den Eigenraum zum Eigenwert µ ab: Av = µv =⇒ Av = Av = µv = µ · v . 18 / 255 Normalform orthogonaler Endomorphismen Weiter im Beweis: I Wir setzen βj0 = βj00 = 1 √ (βj + βj ) 2 i √ (βj − βj ). 2 I (β10 , β100 , . . . , βq0 , βq00 ) ist eine ONB von Rm . (Das Euklidische SKP von Rm ist die Einschränkung des Hermiteschen SKP von Cm .) I Die darstellende Matrix von A bez. dieser Basis ist diag(Dϕ1 , . . . , Dϕq ). 19 / 255 Selbstadjungierte Endomorphismen Definition I Sei F ein Endomorphismus eines Euklidischen oder Hermiteschen Vektorraums V . I Ein Endomorphismus F ad ∈ End(V ) heißt zu F adjungiert, wenn hFv , w i = hv , F ad w i für alle v , w ∈ V . I (Man überlegt sich leicht, dass F ad eindeutig ist und für endlichdimensionale Vektorräume auch existiert.) I F heißt selbstadjungiert, wenn F ad existiert und F = F ad . I (Selbstadjungierte Endomorphismen eines Euklidischen bzw. Hermiteschen Vektorraums heißen auch symmetrische bzw. Hermitesche Endomorphismen.) 20 / 255 Selbstadjungierte Endomorphismen Beispiel 1) Wir betrachten V = Cn mit dem kanonischen Hermiteschen SKP. hz, w i = z t w , z, w ∈ Cn . I Dann gilt für A ∈ End(Cn ): t Aad = A , denn für alle z, w ∈ Cn gilt t t hAz, w i = (Az)t w = z t At w = z t A w = hz, A w i. 2) Ebenso Aad = At für Endomorphismen des Rn . 21 / 255 Selbstadjungierte Endomorphismen Satz I Sei F ein Endomorphismus eines Euklidischen oder Hermiteschen Vektorraums V . I Dann gilt Kern F Kern F ad = (Bild F ad )⊥ = (Bild F )⊥ Beweis. Das folgt unmittelbar aus der definierenden Gleichung hFv , w i = hv , F ad w i, v, w ∈ V . 22 / 255 Selbstadjungierte Endomorphismen Satz I Sei V ein endlichdimensionaler Euklidischer oder Hermitescher VR und A die darstellende Matrix eines Endomorphismus F von V bez. einer orthonormalen bzw. unitären Basis. I Die darstellende Matrix von F ad ist Aad . Somit gilt F selbstadjungiert ⇐⇒ A = Aad . Beweis. Sei (e1 , . . . , en ) eine orthonormale bzw. unitäre Basis und A = (aji ) bzw. B = (bji ) die darstellenden Matrizen von F bzw. F ad . Dann gilt j aji = hFej , ei i = hej , F ad ei i = hF ad ei , ej i = b i , t d.h. B = A = Aad . 23 / 255 Normalform selbstadjungierte Endomorphismen Satz I Sei V ein Euklidischer oder Hermitescher VR. (i) Die Eigenwerte selbstadjungierter F ∈ End(V ) sind reell. (ii) Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten von F stehen senkrecht aufeinander. (iii) Falls dim V < ∞, so besitzt V eine orthonormale bzw. unitäre Basis bestehend aus Eigenvektoren von F . Beweis. (i) Aus Fv = λv , kv k = 1, folgt λ = hFv , v i = hv , Fv i = λ. (ii) v , w seien Eigenvektoren zu verschiedenen Eigenwerten λ, µ ∈ R. Dann folgt aus λhv , w i = hFv , w i = hv , Fw i = µhv , w i hv , w i = 0. 24 / 255 Normalform selbstadjungierte Endomorphismen Weiter im Beweis: (iii) Es genügt zu zeigen, dass F einen Eigenvektor v besitzt. F erhält dann das orthogonale Komplement W := v ⊥ : hv , w i = 0 =⇒ hv , Fw i = hFv , w i = 0. Somit ist ein Induktionsbeweis möglich. I Nach dem Fundamentalsatz der Algebra hat das charakteristische Polynom von F eine komplexe Nullstelle λ. I λ ist wegen (i) reell. Also hat F auch im Fall eines reellen Vektorraums V einen Eigenvektor v ∈ V . 25 / 255 Normalform Hermitescher Formen Folgerung I Sei V ein endlichdimensionaler komplexer VR und h eine Hermitesche Form auf V . (i) Dann existiert eine Basis von V , bez. der die darstellende Matrix von h folgende Gestalt hat: diag(1r+ , −1r− , 0 · 1r0 ). (ii) Die Zahlen r+ , r− und r0 hängen nicht von der Wahl der Basis ab. Beweis. (i) Wir wählen ein Hermitesches SKP h·, ·i auf V I und definieren H ∈ End(V ) durch h(v , w ) = hHv , w i, v, w ∈ V . 26 / 255 Normalform Hermitescher Formen Weiter im Beweis I Dann ist H selbstadjungiert: hHv , w i = h(v , w ) = h(w , v ) = hHw , v i = hv , Hw i. I I I Es gibt daher eine unitäre Basis (u1 , . . . , un ) aus Eigenvektoren von H mit zugehörigen Eigenwerten λ1 , . . . , λn . Sei r+ bzw. r− die Anzahl der positiven bzw. negativen λi und r0 = dim Kern (H). Durch Multiplikation von ui mit √1 , falls λi 6= 0 und |λi | Umordnung erhalten wir eine Basis mit der gewünschten Eigenschaft. (ii) Aus V0 = Kern H = Kern h := {v |h(v , w ) = 0 für alle w ∈ V} folgt die Unabhängigkeit von r0 = dim V0 von allen Wahlen. 27 / 255 Normalform Hermitescher Formen Weiter im Beweis I Es bleibt zu zeigen, dass auch die Zahlen r± unabhängig von allen Wahlen sind. Wir zeigen das z.B. für r+ . I Sei V+ bzw. V− die Summe der Eigenräume zu den positiven bzw. negativen Eigenwerten von H. I h ist auf V+ positiv definit und auf dem Komplement V− ⊕ V0 negativ semi-definit, d.h. h(v , v ) ≤ 0 für alle v ∈ V− ⊕ V0 . I Sei W ⊂ V ein UR, auf dem h positiv definit ist. I Dann gilt W ∩ (V− ⊕ V0 ) = 0 und somit dim W ≤ r+ . I Also r+ = max{dim W |W ⊂ V , h auf W positiv-definit}. I Das beweist die Unabhängigkeit. 28 / 255 Hauptachsentransformation Folgerung I Sei V ein endlichdimensionaler Euklidischer VR und s eine symmetrische Bilinearform auf V . (i) Dann existiert eine orthogonale Basis (b1 , . . . , bn ) von V , bez. der die darstellende Matrix von s folgende Gestalt hat: diag(1r+ , −1r− , 0 · 1r0 ). (Die Geraden Rbi heißen Hauptachsen von s.) (ii) Die Zahlen r+ , r− und r0 hängen nicht von der Wahl der Basis ab. Beweis. Siehe Beweis des vorhergehenden Satzes. (Aussage (i) ist bekannt als Satz von der Hauptachsentransformation, (ii) als Trägheitssatz von Sylvester.) 29 / 255 Hauptachsentransformation Beispiel I Sei V = R2 und 0 x x s , = 5xx 0 + 5yy 0 + 3xy 0 + 3yx 0 . y y0 I Für die Basis b1 = 14 (e1 + e2 ), b2 = 12 (e1 − e2 ) gilt s(bi , bj ) = δij . I Insbesondere sind die Hauptachsen von s die Diagonalen y = x und y = −x. I Das sind genau die Hauptachsen der Ellipse x s(v , v ) ≤ 1 E= v= . y I Es gilt s(v , v ) = 5x 2 + 5y 2 + 6xy = 4(x + y )2 + (x − y )2 . 30 / 255 Normale Endomorphismen Definition I Sei V ein Hermitescher VR und F ∈ End(V ). I F heißt normal, wenn F ◦ F ad = F ad ◦ F . Beispiele I Unitäre Endomorphismen erfüllen F ad = F −1 und sind daher normal. I Hermitesche (F ad = F ) und schief-Hermitesche (F ad = −F ) Endomorphismen F sind normal. 31 / 255 Normale Endomorphismen Satz I Sei V ein endlichdim. Hermitescher VR und F ∈ End(V ). I V besitzt genau dann eine unitäre Basis bestehend aus Eigenvektoren von F , wenn F normal ist. Beweis. =⇒ Sei A = diag(λ1 , . . . , λn ) die darstellende Matrix von F bez. einer unitären Basis von Eigenvektoren. Dann gilt Aad = diag(λ1 , . . . , λn ). I Daher kommutieren A und Aad und somit auch F und F ad . ⇐= Die Rückrichtung beweisen wir durch Induktion nach n = dim V . Wegen des Fundamentalsatzes der Algebra hat F einen Eigenvektor. Sei 0 6= Vλ ⊂ V der zugehörige Eigenraum. 32 / 255 Normale Endomorphismen Weiter im Beweis: I Es genügt zu zeigen, dass FVλ⊥ ⊂ Vλ⊥ , denn dann können wir nach Induktion eine unitäre Basis von Vλ⊥ aus Eigenvektoren von F wählen und diese durch eine unitäre Basis von Vλ zu der gewünschten Basis von V ergänzen. I Dazu benutzen wir folgenden Hilfssatz: Lemma Sei F ein normaler Endomorphismus eines Hermiteschen Vektorraums. Dann gilt Kern F = Kern F ad . Beweis (des Lemmas). Für v ∈ V gilt hFv , Fv i = hv , F ad Fv i = hv , FF ad v i = hFF ad v , v i = hF ad v , F ad v i und somit Fv = 0 ⇐⇒ F ad v = 0. 33 / 255 Normale Endomorphismen Weiter im Beweis: I Wir wenden das Lemma auf den normalen Endomorphismus G := F − λId an und erhalten Vλ = Ker G = Ker G ad = (Bild G )⊥ I und somit Vλ⊥ = Bild G . I Daraus folgt wie gewünscht FVλ⊥ ⊂ Vλ⊥ , denn FGv = GFv , v ∈ V. 34 / 255 Normale Matrizen Folgerung I Für eine Matrix A ∈ Mat(n, C) sind folgende Bedingungen äquivalent: t t (i) A ist normal, d.h. AA = A A. t (ii) Es gibt S ∈ U(n), so dass S AS eine Diagonalmatrix ist. Beweis. =⇒ Da A normal ist, existiert eine unitäre Basis b1 , . . . , bn ∈ Cn mit Abi = λi bi , i = 1, 2, . . . , n. I Sei S die unitäre Matrix mit den Spalten b1 , . . . , bn . I Für jede unitäre Matrix gilt S = S −1 und daher t t t t S ASei = S Abi = λi S bi = λi S −1 bi = λi ei . I t Das zeigt, dass S AS eine Diagonalmatrix ist. 35 / 255 Normale Matrizen Weiter im Beweis: ⇐= Sei nun umgekehrt S eine unitäre Matrix derart, dass t D = S AS eine Diagonalmatrix ist. t I D = S AS = S −1 AS ist genau die darstellende Matrix von A bez. der unitären Basis (b1 , . . . , bn ) mit bi := Sei . I Die Normalität von A folgt daher aus D ad D = DD ad . 36 / 255 Vollständigkeit Definition I Sei (X , d) ein metrischer Raum. I Eine Folge xn ∈ X heißt Cauchy-Folge, wenn es zu jedem > 0 ein N ∈ N gibt, so dass d(xm , xn ) < für alle m, n ≥ N. I (X , d) heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge in X gegen einen Grenzwert x ∈ X konvergiert. I Ein reeller bzw. komplexer Hilbertraum ist ein Euklidischer bzw. Hermitescher Vektorraum, der bez. der vom SKP abgeleiteten Metrik vollständig ist. I Ein Banachraum ist ein normierter Vektorraum, der bez. der von der Norm abgeleiteten Metrik vollständig ist. 37 / 255 Vollständigkeit Beispiele 1) Aus der Vollständigkeit von K = R, C folgt unmittelbar, dass (Kn , k · kmax ) ein Banachraum ist. 2) Endlichdimensionale Euklidische und Hermitesche Vektorräume sind vollständig. I Insbesondere ist Rn mit dem Euklidischen und Cn mit dem Hermiteschen SKP ein reeller bzw. komplexer Hilbertraum. I Das folgt aus 1) und den Ungleichungen √ kxkmax ≤ kxk ≤ nkxkmax , x ∈ Rn . 38 / 255 Vollständigkeit Satz Je zwei Normen k · k und k · k0 auf einem endlichdimensionalen reellen oder komplexen VR V sind äquivalent, d.h. es gibt positive konstanten c, C , so dass ckv k ≤ kv k0 ≤ C kv k für alle v ∈ V . Folgerung Jeder endlichdimensionale normierte Vektorraum ist vollständig. 39 / 255 Vollständigkeit Beweis (des Satzes). I I Sei B := (b1 , . . . , bn ) eine Basis von V . P Für x = ni=1 x i bi ∈ V definieren wir kxkmax := max{|x 1 |, . . . , |x n |}. I Wir zeigen, dass jede Norm auf V äquivalent zu k · kmax ist. I Für jede Norm k · k auf V gilt nach der Dreiecksungl. kxk = k n X i=1 x i bi k ≤ n X i=1 |x i |·kbi k ≤ C kxkmax , C := n X kbi k. i=1 40 / 255 Vollständigkeit Weiter im Beweis: I I I I I I Wir nehmen an, es gäbe kein c > 0 mit ck · kmax ≤ k · k. P Dann gibt es für alle k ∈ N einen Vektor xk = ni=1 xki bi ∈ V mit 1 kxk kmax > kxk k. k Wir können annehmen, dass kxk kmax = 1. Nach Bolzano-Weierstraß hat jede der beschränkten Zahlenfolgen (xki )k∈N , i = 1, . . . , n, eine konvergente Teilfolge. Wir können daher annehmen, dass (xk ) bez. der Norm P k · kmax gegen x = ni=1 x i bi ∈ V konvergiert. Es gilt dann kxk ≤ kx − xk k + kxk k ≤ C kx − xk kmax + I 1 (k→∞) −→ 0. k Also x = 0 und somit 0 = kxkmax = limk→∞ kxk kmax , im Widerspruch zu kxk kmax = 1. 41 / 255 Vervollständigung Satz I b die Menge der Sei (X , d) ein metrischer Raum und X Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen (xk )k∈N in X , bez. der Äquivalenzrelation (xk ) ∼ (xk0 ) :⇐⇒ lim d(xk , xk0 ) = 0. k→∞ b ein vollständiger metrischer Raum mit der Metrik (i) Dann ist X b k ), (x 0 )) := lim d(xk , x 0 ). d((x k k k→∞ b , die x ∈ X die konstante Folge (ii) Die Abbildung I : X → X k 7→ xk = x zuordnet, ist abstandstreu: b (x), I (y )) = d(x, y ) für alle d(I x, y ∈ X . (iii) Für jede Cauchy-Folge (xk ) in X gilt: (xk ) = lim`→∞ I (x` ). 42 / 255 Vervollständigung Beweis. (i) Aus der Dreiecksungleichung folgt die Ungleichung |d(x, z) − d(y , z)| ≤ d(x, y ) I für alle x, y , z ∈ X und somit |d(xk , xk0 ) − d(x` , x`0 )| ≤ |d(xk , xk0 ) − d(x` , xk0 )| + |d(x` , xk0 ) − d(x` , x`0 )| ≤ d(xk , x` ) + d(xk0 , x`0 ) I Diese Ungleichung zeigt, dass k 7→ d(xk , xk0 ) eine Cauchy-Folge ist und somit konvergiert. I Der Grenzwert hängt nur von den Äquivalenzklassen von (xk ) und (xk0 ) ab. b ×X b → [0, ∞) Man überprüft nun leicht (ÜA), dass, db : X I eine Metrik ist und die Eigenschaften (ii) und (iii) erfüllt. 43 / 255 Vervollständigung Weiter im Beweis: I I I b , d) b zu beweisen. Es bleibt noch die Vollständigkeit von (X b , k ∈ N, eine Cauchy-Folge, xk = (xk (i))i∈N . Sei xk ∈ X Da die Folge i 7→ xk (i) eine Cauchy-Folge ist, existiert Nk ∈ N, so dass d(xk (i), xk (j)) ≤ I 1 k für alle i, j ≥ Nk . Wir setzen x(k) := xk (Nk ). Dann ist x = (x(k))k∈N eine Cauchy-Folge in X , denn für i ≥ max{Nk , N` } gilt d(x(k), x(`)) ≤ d(x(k), xk (i)) +d(xk (i), x` (i)) +d(x` (i), x(`)). | {z } | {z } | {z } ≤1/k I (i→∞) b k ,x` ) −→ d(x ≤1/` Sei > 0. Da x eine Cauchy-Folge ist, existiert N() ∈ N mit d(x(k), x(`)) ≤ für alle k, ` ≥ N(). 44 / 255 Vervollständigung Weiter im Beweis: I Wir behaupten x = limk→∞ xk . I Für k ≥ M() := max{N( 2 ), 2 } und i ≥ max{N( 2 ), Nk } gilt d(x(i), xk (i)) ≤ d(x(i), x(k)) + d(x(k), xk (i)) ≤ I 1 + ≤ . 2 k Daraus folgt b xk ) = lim d(x(i), xk (i)) ≤ d(x, i→∞ für alle k ≥ M() I b xk ) = 0. und somit limk→∞ d(x, 45 / 255 Vervollständigung normierter Räume Satz/ÜA I Sei (V , k · k) ein normierter VR, d die induzierte Metrik und b , d) b die Vervollständigung des metrischen Raums (V , d). (V I Dann definiert b x), kxkb := d(0, b, x ∈V b und es gilt eine Norm auf V b y ) = kx − y kb für alle d(x, b. x, y ∈ V Definition b , k · kb) heißt Vervollständigung des normierten Der Banachraum (V Vektorraumes (V , k · k). 46 / 255 Vervollständigung von Vektorräumen mit SKP Satz I I Sei (V , h·, ·i) ein Euklidischer oder Hermitescher VR, k · k die b , k · kb) die Vervollständigung des induzierte Norm und (V normierten Raums (V , k · k). b , k · kb) in kanonischer Weise ein Hilbertraum. Dann ist (V Beweis. I Aus der Parallelogrammgl. für die Norm von V folgt durch b. Grenzübergang die Parallelogrammgl. für die Norm von V I Somit bestimmt die Norm k · kb ein Euklidisches SKP g . I Falls V ein komplexer Vektorraum ist, so gilt b und deshalb definiert g (ix, iy ) = g (x, y ) für alle x, y ∈ V h(x, y ) := g (x, y ) + ig (x, iy ), b, x, y ∈ V b. ein Hermitesches SKP auf V 47 / 255 Quadratisch summierbare Folgen Satz I Der VR der quadratisch summierbaren komplexen Zahlenfolgen ) ( ∞ X 2 2 |x(n)| < ∞ ` = x : N → C n=1 I mit dem Hermiteschen SKP (siehe Übungsaufgaben) hx, y i = ∞ X x(n)y (n) n=1 ist ein Hilbertraum. 48 / 255 Quadratisch summierbare Folgen Beweis. I Wir beweisen die Vollständigkeit von `2 . I Sei (xk )k∈N eine Cauchy-Folge in `2 . I Dann ist jede der Komponentenfolgen (xk (n))k∈N eine Cauchy-Folge und konvergiert daher gegen einen Grenzwert x(n) := limk→∞ xk (n). I Wir behaupten x ∈ `2 und x = limk→∞ xk . I Da (xk ) eine Cauchy-Folge ist, gibt es zu > 0 ein N ∈ N mit m X |xk (n) − x` (n)|2 < 2 n=1 I für alle k, ` ≥ N und alle m ∈ N. P 2 2 Grenzübergang k → ∞ liefert: m n=1 |x(n) − x` (n)| ≤ für alle ` ≥ N und alle m ∈ N, d.h. kx − x` k ≤ . 49 / 255 Quadratisch summierbare Folgen Bemerkung I Die Folgen x ∈ `2 mit x(n) ∈ Q + iQ ⊂ C für alle n ∈ N und x(n) = 0 für fast alle n ∈ N bilden eine abzählbare dichte Teilmenge S, d.h. jedes Element x ∈ `2 ist Grenzwert einer Folge xk ∈ S. I Metrische Räume, die eine abzählbare dichte Teilmenge enthalten heißen separabel. I Wir werden noch sehen, dass jeder unendlichdimensionale separable komplexe Hilbertraum (V , h·, ·iV ) isomorph zu `2 ist, I d.h. es gibt einen Isomorphismus von Vektorräumen φ : V → `2 , der hφ(x), φ(y )i`2 = hx, y iV für alle x, y ∈ V erfüllt. 50 / 255 Orthogonalprojektion Satz I Sei V ein Euklidischer oder Hermitescher VR und U ⊂ V ein vollständiger Unterraum. (i) Dann existiert zu jedem x ∈ V genau ein xU ∈ U mit kleinstem Abstand zu x, d.h. kx − xU k ≤ kx − y k für alle y ∈ U. (ii) Das Element xU ∈ U ist durch x − xU ∈ U ⊥ charakterisiert. (iii) Es gilt V = U ⊕ U ⊥ . (iv) Die Zuordnung x 7→ xU definiert eine stetige lineare Abbildung P : V → U (die sogenannte orthogonale Projektion auf U). 51 / 255 Orthogonalprojektion Beweis. (i) Sei yn ∈ U eine Folge mit limn→∞ kx − yn k = d := inf y ∈U kx − y k. I (yn ) ist eine Cauchy-Folge, denn wg. der Parallelogrammgl. gilt kyn − ym k2 = k(yn − x) − (ym − x)k2 = 2kyn − xk2 + 2kym − xk2 − k(yn − x) + (ym − x)k2 yn + ym − xk2 = 2kyn − xk2 + 2kym − xk2 − 4k 2 ≤ 2kyn − xk2 + 2kym − xk2 − 4d 2 (m,n→∞) −→ 0 I Wg. der Vollständigkeit von U konvergiert (yn ) in U, xU := limn→∞ yn ∈ U, I und kx − xU k = d, wg. der Stetigkeit der Norm. 52 / 255 Orthogonalprojektion Weiter im Beweis: I Aus xU , xU0 ∈ U mit kxU − xk = kxU0 − xk = d folgt wie oben kxU − xU0 k2 = 2kxU − xk2 + 2kxU0 − xk2 − kxU + xU0 − 2xk2 = 4d 2 − kxU + xU0 − 2xk2 ≤ 4d 2 − 4d 2 = 0. Das beweist die Eindeutigkeit. (ii) Für alle y ∈ U, t ∈ R gilt mit z = x − xU : I kzk2 ≤ kz + ty k2 = d 2 + 2tRe hz, y i + t 2 ky k2 . I I Das ist nur möglich, wenn Re hz, y i = 0 für alle y ∈ U, d.h. wenn z ⊥ U. Umgekehrt folgt aus u ∈ U und z = x − u ⊥ U: kzk2 ≤ kz + y k2 = kzk2 + ky k2 für alle y ∈ U, d.h. u = xU . 53 / 255 Orthogonalprojektion Weiter im Beweis: (iii) In (i-ii) haben wir gezeigt, dass jeder Vektor x ∈ V eine eindeutige Darstellung x = xU + (x − xU ) besitzt mit xU ∈ U und x − xU ∈ U ⊥ . I Das beweist V = U ⊕ U ⊥ . (iv) Die Linearität der Abbildung x 7→ xU folgt aus der Charakterisierung (ii). I Aus der Orthogonalität der Zerlegung V = U ⊕ U ⊥ folgt kxU k ≤ kxk und somit die Stetigkeit von P. 54 / 255 Orthonormale Familien Satz I Sei V ein separabler Euklidischer oder Hermitescher VR. I Dann ist jede orthonormale Familie (vi )i∈I abzählbar. Beweis. √ I Für alle i, j ∈ I mit i 6= j gilt kvi − vj k = I Sei A ⊂ V eine abzählbare dichte Teilmenge. I Zu jedem i ∈ I existiert a(i) ∈ A mit kvi − a(i)k < I Wir zeigen, dass die Zuordnung I → A, i 7→ a(i), injektiv ist: 2. √ 2 2 . ka(i) − a(j)k = kvi − vj + a(i) − vi + vj − a(j)k ≥ kvi − vj k − ka(i) − vi k − kvj − a(j)k > 0 für alle i, j ∈ I mit i 6= j. 55 / 255 Besselsche Ungleichung Satz I Sei V ein Euklidischer oder Hermitescher VR und (v1 , v2 , . . .) eine (endliche oder unendliche) orthonormale Familie. I Dann gilt für alle x ∈ V : X |hx, vk i|2 ≤ kxk2 . k I Gleichheit gilt genau dann, wenn X x= hx, vk ivk . k 56 / 255 Besselsche Ungleichung Beweis. I Wir betrachten den endlichdimensionalen und somit vollständigen UR UN := span{v1 , v2 , . . . , vN } ⊂ V . I Sei xN ∈ UN die Orthogonalprojektion von x in UN . PN P Es gilt xN = N k=1 hx, vk ivk , denn x − k=1 hx, vk ivk ⊥ UN . I Aus der orthogonalen Zerlegung x = xN + (x − xN ) folgt dann I N X |hx, vk i|2 = kxN k2 ≤ kxk2 . k=1 I Daraus folgt die Besselsche Ungl. P und die absolute Konvergenz der Reihe x∞ := k hx, vk ivk . I Für x∞ gilt x∞ ⊥ x − x∞ und somit kxk2 − kx∞ k2 = kx − x∞ k2 = 0 ⇐⇒ x = x∞ . 57 / 255 Hilbertbasen Definition I Sei V ein Euklidischer oder Hermitescher VR. I Eine orthonormale Familie (v1 , v2 , . . .) heißt P Hilbertbasis, wenn jeder Vektor x ∈ V eine Darstellung x = k hx, vk ivk besitzt. Beispiele (i) Falls dim V < ∞, so sind Hilbertbasen nichts anderes als orthonormale bzw. unitäre Basen. (ii) Sei V = `2 der Hilbertraum der quadratisch summierbaren Folgen x : N → C. I Die Folgen ej ∈ `2 mit ej (k) = δjk (j, k ∈ N) bilden eine Hilbertbasis (ej )j∈N , die sogenannte kanonische Hilbertbasis von `2 . I (ej )j∈N ist aber keine Vektorraumbasis, denn die lineare Hülle der ej ist {x : N → C|x(i) = 0 für fast alle i ∈ N} ( `2 . 58 / 255 Hilbertbasen Satz I Für eine orthonormale Familie B = (b1 , b2 , . . .) von Vektoren eines Euklidischen oder Hermiteschen VR V sind folgende Aussagen äquivalent: (i) span{b1 , b2 , . . .} ist dicht in V. (ii) B ist eine Hilbertbasis. (iii) Für alle x, y ∈ V gilt hx, y i = X hx, bk ihy , bk i. k (iv) Für alle x ∈ V gilt die Parsevalsche Gleichung X kxk2 = |hx, bk i|2 . k 59 / 255 Hilbertbasen Beweis. I (i)=⇒(ii): Zu x ∈ V existiert xi ∈ span{b1 , b2 , . . .} mit x = limi→∞ xi . I Wir können annehmen, dass xi ∈ Ui := span{b1 , . . . , bNi }, I wobei Ni ∈ N eine monoton wachsende Folge ist. P i Für die orthogonale Projektion xi0 = N k=1 hx, bk ibk von x in Ui gilt kx − xi0 k ≤ kx − xi k P und somit x = limi→∞ xi0 = k hx, bk ibk . 60 / 255 Hilbertbasen Weiter im Beweis: I (ii)=⇒(iii): Wenn B = (b1 , b2 , . . .) eine Hilbertbasis ist, so können wir x, y ∈ V schreiben als X X x= x i bi , y = y j bj , i I j wobei x i = hx, bi i, y j = hy , bj i. Daraus folgt X X hx, y i = h x i bi , y i = x i hbi , y i i hbi , y i = hbi , i X j y bj i = j I X y j hbi , bj i = y i j und somit hx, y i = X xiyi. i 61 / 255 Hilbertbasen Weiter im Beweis: I (iii)=⇒(iv): Setze x = y . I (iv)=⇒(i): Aus der Parsevalschen Gleichung folgt P x = k hx, bk ibk für alle x ∈ V . I Das beweist (i). 62 / 255 Hilbertbasen Satz Jeder unendlichdimensionale separable Hilbertraum V besitzt eine abzählbare unendliche Hilbertbasis B = (b1 , b2 , . . .). Folgerung Jeder unendlichdimensionale separable Hilbertraum V über K = R oder K = C ist isomorph zum Hilbertraum ) ( X |x(k)|2 < ∞ `2 (K) = x : N → K k der quadratisch summierbaren Folgen mit Werten in K . Beweis. Jede Hilbertbasis B = (b1 , b2 , . . .) definiert einen Isomorphismus X X φB : `2 (K) → V , x = x k ek 7→ φB (x) = x k bk . k k 63 / 255 Zornsches Lemma I I Für den Beweis des Satzes benötigen wir das Zornsche Lemma, das aus dem Auswahlaxiom der Mengenlehre folgt. (Mit dem Zornschen Lemma beweist man auch, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt.) Definition I Eine Relation ≤ auf einer Menge X heißt Ordnungsrelation, wenn folgenden Eigenschaften für alle x, y , z ∈ X erfüllt sind: I I I x ≤ x, aus x ≤ y und y ≤ x folgt x = y und aus x ≤ y und y ≤ z folgt x ≤ z. I Die Ordnungsrelation heißt total, wenn für alle x, y ∈ X eine der beiden Ungleichungen x ≤ y oder y ≤ x gilt. I x ∈ X heißt maximal, wenn es kein y ∈ X mit x < y gibt (d.h. mit x ≤ y und x 6= y ). I x ∈ X heißt eine obere Schranke von Y ⊂ X , falls y ≤ x für alle y ∈ Y . 64 / 255 Zornsches Lemma Lemma I Auf der Menge X sei eine Ordnungsrelation ≤ gegeben, derart dass jede total geordnete Teilmenge Y ⊂ X eine obere Schranke besitzt. I Dann hat X ein maximales Element. Beweis (des Satzes). I Wir wissen bereits, jede orthonormale Familie in einem separablen Hilbertraum V abzählbar ist. I Wir zeigen, dass sich jede orthonormale Familie F0 zu einer Hilbertbasis ergänzen läßt. 65 / 255 Hilbertbasen Weiter im Beweis: I Sei X die Menge aller orthonormale Familien in V , die F0 enhalten. I X ist durch Inklusion ⊂ geordnet und die Vereinigung ∪F ∈Y F einer total geordneten Teilmenge Y ⊂ X ist eine obere Schranke für Y . I Nach dem Zornschen Lemma hat X ein maximales Element B = (b1 , b2 , . . .). I Aus der Maximalität folgt für alle y ∈ V y ⊥ bi I I für alle i ∈ N =⇒ y = 0. Daraus erhalten wir, dass B eine Hilbertbasis ist, P denn aus y := x − k hx, bk ibk ⊥ bi für alle i ∈ N folgt y = 0. 66 / 255 Stetige lineare Abbildungen, Operatornorm Bemerkungen/ÜA I Eine lineare Abbildung F : V1 → V2 zwischen normierten Vektorräumen (V1 , k · k1 ) und (V2 , k · k2 ) ist genau dann stetig, wenn kFxk2 kF k := sup < ∞. 06=x∈V1 kxk1 I Stetige lineare Abbildungen heißen daher auch beschränkte Operatoren. Die Zahl kF k heißt Operatornorm von F . I Durch die Operatornorm wird der VR Lb (V1 , V2 ) := {F ∈ L(V1 , V2 )| kF k < ∞} der beschränkten Operatoren zu einem normierten VR. I Insbesondere ist V 0 := Lb (V , K) ein normierter VR für jeden normierten K-Vektorraum V . Hierbei ist K (= R oder C) durch den Betrag normiert. 67 / 255 Darstellungssatz von Riesz Satz I Sei V ein Hilbertraum über K (= R oder C) und V 0 der Vektorraum aller stetigen linearen Abbildungen V → K. I Dann ist durch φ(x) := h·, xi, x ∈ V, ein konjugiert-linearer Isomorphismus normierter Vektorräume φ : V → V 0 gegeben. Beweis. I Die Stetigkeit der Linearform φ(x) : V → K ergibt sich aus der CSU: |φ(x)(y )| = |hy , xi| ≤ kxk · ky k für alle y ∈ V. 68 / 255 Darstellungssatz von Riesz Weiter im Beweis: I I I I I I I I I Die CSU liefert zunächst kφ(x)k ≤ kxk. Für y = x erhalten wir Gleichheit in der CSU und somit kφ(x)k = kxk. Daraus folgt die Injektivität von φ. Es ist klar, dass φ konjugiert-linear ist, denn das SKP ist konjugiert-linear im zweiten Argument. Es bleibt noch die Surjektivität von φ zu zeigen. Sei dazu α ∈ V 0 und v ∈ V mit α(v ) = 1. Wg. der Stetigkeit von α ist U = Kern α ⊂ V vollständig und V = U ⊕ U ⊥. Wir setzen x0 := v − vU ∈ U ⊥ , wobei vU ∈ U die Orthogonalprojektion von v in U ist. Dann gilt α(x0 ) = 1 und für alle y ∈ V ist daher y = (y − α(y )x0 ) + α(y )x0 ∈ U ⊕ U ⊥ . I Somit hy , x0 i = α(y )kx0 k2 und α = φ( kxx00k2 ). 69 / 255 Topologische Grundbegriffe Definition I Eine Topologie auf einer Menge X ist eine Familie O von Teilmengen von X mit folgenden Eigenschaften: (i) ∅, X ∈ O. (ii) U, V ∈ O =⇒ U ∩ V ∈ O. (iii) Für jede Familie (Ui )i∈I von Teilmengen von X gilt: Ui ∈ O für alle i ∈ I =⇒ ∪i∈I Ui ∈ O. I Ein topologischer Raum (X , O) ist eine mit einer Topologie ausgestattete Menge X . I Eine Teilmenge U ⊂ X heißt offen, wenn U ∈ O. I Eine Teilmenge A ⊂ X heißt abgeschlossen, wenn X \ A offen ist. I Eine Teilmenge V ⊂ X heißt Umgebung eines Punktes x ∈ X , wenn es eine offene Teilmenge U ⊂ X mit x ∈ U ⊂ V gibt. 70 / 255 Topologische Grundbegriffe Inneres, Abschluss Definition I Sei X ein topologischer Raum und A ⊂ X . (i) Die offene Teilmenge ◦ [ A := B B⊂A offen heißt Inneres von A. (ii) Die abgeschlossene Teilmenge \ A := B B⊃A abgeschl. heißt Abschluss von A. ◦ (iii) ∂A := A \ A heißt Rand von A. 71 / 255 Beispiel: Metrische Räume (i) Sei (X , d) ein metrischer Raum. Br (x) := {y ∈ X |d(y , x) < r } heißt Kugel (oder Ball) vom Radius r und Mittelpunkt x. Eine Teilmenge U ⊂ X heißt offen, wenn es zu jedem x ∈ U ein r > 0 gibt, so dass Br (x) ⊂ U. I Das definiert eine Topologie O auf X . I Die Kugel Br (x) ⊂ X ist offen, denn aus y ∈ Br (x) und r 0 < r − d(y , x) folgt Br 0 (y ) ⊂ Br (x). (ii) ÜA: Der Abschluss der offenen Kugel Br (x) ⊂ Rn im Euklidischen Raum ist die abgeschlossene Kugel I B r (x) = {y ∈ Rn |d(y , x) ≤ r }. I Der Rand der Kugel ist die Sphäre: ∂Br (x) = Sr (x) := {y ∈ Rn |d(y , x) = r }. 72 / 255 Topologische Grundbegriffe Konvergenz und Stetigkeit Definition I Sei X ein topologischer Raum. Eine Folge xk ∈ X , k ∈ N, heißt konvergent mit dem Grenzwert x ∈ X , wenn es zu jeder Umgebung U von x ein N ∈ N gibt, so dass xk ∈ U für alle k ≥ N. I Eine Abbildung F : X → Y zwischen topologischen Räumen X und Y heißt stetig, wenn die Urbilder F −1 (U) ⊂ X offener Teilmengen U ⊂ Y offen sind. I F : X → Y heißt stetig in x ∈ X , wenn das Urbild F −1 (U) ⊂ X jeder Umgebung U von F (x) ∈ Y eine Umgebung von x ist. 73 / 255 Topologische Grundbegriffe Konvergenz und Stetigkeit Übungsaufgaben: 1) F : X → Y ist genau dann stetig, wenn F in allen Punkten x ∈ X stetig ist. 2) Sei F : X → Y stetig in x und xk ∈ X eine Folge mit Grenzwert x. Dann konvergiert F (xk ) gegen F (x). 3) Für metrische Räume (X , d) gilt auch die Umkehrung: I Wenn für jede Folge xk ∈ X mit Grenzwert x die Bildfolge F (xk ) ∈ Y gegen F (x) konvergiert, dann ist F in x stetig. 74 / 255 Abgeschlossene Teilmengen von metrischen Räumen Satz I Für eine Teilmenge A ⊂ X eines metrischen Raumes X sind folgende Bedingungen äquivalent: (i) A ist abgeschlossen. (ii) Für alle x ∈ X gilt: Wenn x ∈ X Grenzwert einer konvergenten Folge von Elementen von A ist, so gilt x ∈ A. Beweis. I (i) =⇒ (ii): Sei xk ∈ A eine Folge mit Grenzwert x ∈ X . Wenn x 6∈ A, so wäre (wg. der Abgeschlossenheit von A) U = X \ A eine Umgebung von x. Das steht im Widerspruch zur Konvergenz der Folge xk ∈ A gegen x. Also gilt x ∈ A. 75 / 255 Abgeschlossene Teilmengen von metrischen Räumen Weiter im Beweis: I (ii) =⇒ (i): Sei x ∈ X \ A. Wir zeigen, dass es r > 0 gibt mit Br (x) ⊂ X \ A. Sonst gibt es eine Folge xk ∈ B1/k (x) ∩ A. Da diese Folge gegen x konvergiert, folgt x ∈ A, im Widerspruch zu x ∈ X \ A. Bemerkung Der Beweis zeigt, dass für jeden topologischen Raum (i) =⇒ (ii). 76 / 255 Abgeschlossene Teilmengen von metrischen Räumen Folgerung (i) Jede (bez. der induzierten Metrik) vollständige Teilmenge A eines metrischen X Raumes ist abgeschlossen. (ii) Jede abgeschlossene Teilmenge A eines vollständigen metrischen Raumes X ist vollständig. Beweis. (i) Sei xk ∈ A konvergent mit Grenzwert x ∈ X . Dann ist (xk ) eine Cauchy-Folge und somit x ∈ A (A ist vollständig). (ii) Sei xk ∈ A eine Cauchy-Folge. Dann konvergiert (xk ) gegen x ∈ X (X ist vollständig) und somit x ∈ A (A ist abgeschlossen). 77 / 255 Kompaktheit Definition I Sei X ein topologischer Raum. (i) X heißt Hausdorffsch, wenn es zu allen x, y ∈ X mit x 6= y Umgebungen U von x und V von y mit U ∩ V = ∅ gibt. (ii) Eine (offene) Überdeckung einer Teilmenge A ⊂ X ist eine Familie (Ui )i∈I von (offenen) Teilmengen Ui ⊂ X mit A ⊂ ∪i∈I Ui . (iii) Eine Teilmenge A ⊂ X eines Hausdorffschen topologischen Raumes heißt kompakt, wenn es zu jeder offenen Überdeckung (Ui )i∈I von A eine endliche Teilüberdeckung (Ui1 , Ui2 , . . . , Uik ), i1 , . . . , ik ∈ I , gibt. Beispiel Metrische Räume sind Hausdorffsch, denn Br (x) ∩ Br (y ) = ∅, wenn r ≤ d(x, y )/2. 78 / 255 Kompaktheit Satz I Sei X ein Hausdorffscher topologischer Raum und A ⊂ X eine kompakte Teilmenge. I Dann hat jede Folge in A eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in A. Beweis. I Sei xk ∈ A, k ∈ N, eine Folge. I Wenn (xk )k∈N keine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in A hat, dann gibt es zu jedem a ∈ A eine offene Umg. Ua , die nur endlich viele Glieder der Folge xk enthält. I (Ua )a∈A ist eine offene Überdeckung der kompakten Menge A und besitzt daher eine endliche Teilüberdeckung Ua1 , Ua2 , . . . , Uar . I Nach Konstruktion enthält ∪ri=1 Uai ⊃ A nur endlich viele Glieder der Folge, im Widerspruch zu xk ∈ A. 79 / 255 Kompaktheit Folgerung (i) Jede kompakte Teilmenge A ⊂ X eines Hausdorffschen topologischen Raumes X ist abgeschlossen. (ii) Jede kompakte Teilmenge A ⊂ X eines metrischen Raumes X ist vollständig. Beweis. (i) Sei xk ∈ A eine konvergente Folge mit Grenzwert x ∈ X . Wir müssen zeigen, dass x ∈ A. I Nach dem vorigen Satz hat xk eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert in A. Daraus folgt x ∈ A. (ii) Sei xk ∈ A eine Cauchy-Folge. I Nach dem vorigen Satz hat xk eine konvergente Teilfolge mit Grenzwert a ∈ A. I Also konvergiert (xk ) gegen a. 80 / 255 Kompaktheit Satz Jede kompakte Teilmenge A ⊂ X eines metrischen Raumes X ist vollständig (mithin abgeschlossen) und beschränkt. Beweis. I Die Vollständigkeit wurde im vorigen Satz bewiesen. I Die Beschränktheit bedeutet, dass es x ∈ X und R > 0 gibt, so dass A ⊂ BR (x). I Für alle x ∈ X ist (Bk (x))k∈N eine offene Überdeckung von X und somit von A. I Also existiert eine endliche Teilüberdeckung Bk1 (x), . . . , Bkr (x) I und mit R = max{k1 , . . . , kr } erhalten wir A ⊂ BR (x). 81 / 255 Kompaktheit Satz X kompakt, A ⊂ X abgeschlossen =⇒ A kompakt. Beweis. I Sei (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von A. I Dann ist (X \ A, (Ui )i∈I ) eine offene Überdeckung des Kompaktums X . I Also gibt es eine endliche Teilüberdeckung (X \ A, Ui1 , . . . , Uik ) von X . I (Ui1 , . . . , Uik ) ist eine endliche Teilüberdeckung von A. Folgerung I Sei X ein metrischer Raum, in dem die abgeschlossenen Kugeln B r (x) kompakt sind. I Die kompakten Teilmengen von X sind dann genau die abgeschlossenen beschränkten Teilmengen. 82 / 255 Satz von Heine-Borel Satz Eine Teilmenge A ⊂ Rn ist genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen und beschränkt ist. Beweis. I Wg. der Folgerung genügt es zu zeigen, dass die abgeschlossenen Kugeln B r (x) ⊂ Rn kompakt sind. I Da alle Normen auf Rn sind äquivalent sind, können wir z.B. die Maximumsnorm zu Grunde legen. I Außerdem können wir x = 0 (Translationsinvarianz des Abstands) und r = 1 (Homogenität) annehmen, d.h. B r (x) = B 1 (0) = [−1, 1]n =: W . I Sei (Ui )i∈I eine offene Überdeckung des Würfels W = W0 . I Wir nehmen an, es gibt keine endliche Teilüberdeckung und führen diese Annahme zum Widerspruch. 83 / 255 Satz von Heine-Borel Weiter im Beweis: I I I I I I I Wir konstruieren durch sukzessive Halbierung der Kantenlängen eine Folge von Würfeln Wk der Kantenlänge 21−k , so dass keiner der Wk durch endlich viele der Ui überdeckt wird. Halbierung der Kanten führt zu einer Zerlegung des Würfels Wk in 2n Teilwürfel, von denen mindestens einer nicht durch endlich viele Ui überdeckt werden kann (sonst könnte man Wk durch endlich viele Ui überdecken). Sei xk ∈ Wk . Dann ist xk eine Cauchy-Folge. Wg. der Abgeschlossenheit von Wi gilt x = limk→∞ xk ∈ Wi , denn xk ∈ Wi für alle k ≥ i. Daraus folgt x ∈ ∩i Wi ⊂ W . Also existiert ein i0 mit x ∈ Uio und somit B (x) ⊂ Uio , wenn > 0 klein genug ist. Daraus ergibt sich Wk ⊂ B (x) ⊂ Uio , wenn 21−k < . Ein Widerspruch! (Hierbei haben wir benutzt, dass kx − y kmax ≤ 21−k für alle y ∈ Wk .) 84 / 255 Kompaktheit Satz I Sei F : X → Y eine stetige Abbildung zwischen Hausdorffschen topologischen Räumen und A ⊂ X sei kompakt. I Dann ist F (A) ⊂ Y kompakt Beweis. I Sei (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von F (A). I Dann bilden die Vi := F −1 (Ui ) eine offene Überdeckung des Kompaktums A. I Also gibt es eine endliche Teilüberdeckung (Vi1 , . . . , Vik ) und (Ui1 , . . . , Uik ) überdeckt dann F (A). 85 / 255 Kompaktheit Folgerung I Sei f : X → R eine stetige Funktion und X kompakt. I Dann ist f beschränkt und nimmt ihr Minimum und Maximum in X an. Beweis. Nach dem vorigen Satz ist f (X ) kompakt und somit beschränkt und abgeschlossen. 86 / 255 Kompaktheit Satz I Jede stetige Abbildung F : X → Y von einem kompakten metrischen Raum X in einen metrischen Raum Y ist gleichmäßig stetig, I d.h. für alle > 0 existiert δ > 0, so dass für alle x, x 0 ∈ X gilt d(x, x 0 ) < δ =⇒ d(F (x), F (x 0 )) < . Beweis. I Für alle x ∈ X existiert δ(x) > 0, so dass d(x, x 0 ) < δ(x) =⇒ d(F (x), F (x 0 )) < . 2 87 / 255 Kompaktheit Weiter im Beweis: I Da die offenen Kugeln Ux := Bδ(x)/2 (x) das Kompaktum X überdecken, gibt es x1 , . . . , xk ∈ X mit X = ∪ki=1 Uxi . I Seien nun x, x 0 ∈ X mit d(x, x 0 ) < δ := min δ(xi )/2. i=1,...,k I Dann gibt es xi mit x ∈ Uxi , d.h. d(x, xi ) < δ(xi )/2, und somit d(x 0 , xi ) < δ(xi ). I Daraus ergibt sich d(F (x), F (xi )) < /2 und und somit d(F (x), F (x 0 )) < . d(F (x 0 ), F (xi )) < /2 88 / 255 Richtungsableitung Definition I Sei U ⊂ Rn eine offene Teilmenge und v ∈ Rn ein Vektor. (i) Eine Funktion f : U → R heißt an der Stelle x ∈ U in Richtung v differenzierbar, I wenn die Funktion g : (−, ) → R, g (t) := f (x + tv ), bei t = 0 differenzierbar ist. (Hierbei ist > 0 so klein, dass x + tv ∈ U für alle t ∈ (−, ).) (ii) Die Zahl d (∂v f )(x) := g (0) = f (x + tv ) dt t=0 0 heißt Ableitung von f an der Stelle x in Richtung v . 89 / 255 Beispiel: Partielle Ableitungen I I I Sei (e1 , . . . , en ) die kanonische Basis des Rn , U ⊂ Rn offen und f : U → R. Die Funktion f heißt an der Stelle x ∈ U partiell differenzierbar, wenn f an der Stelle x in alle Koordinatenrichtungen ei differenzierbar ist. Die Zahl (∂i f )(x) := (∂ei f )(x), I I I i = 1, 2, . . . n, heißt i-te partielle Ableitung von f an der Stelle x. f heißt partiell differenzierbar, wenn f in allen Punkten x ∈ U partiell differenzierbar ist. Die Funktion ∂i f : U → R heißt i-te partielle Ableitung von f . Man schreibt dafür auch ∂f . ∂x i 90 / 255 Partielle Ableitungen Bemerkung I Die i-te P partielle Ableitung (∂i f )(x) an der Stelle x = nj=1 x j ej ist genau die Ableitung der Funktion h(t) := f (x 1 , . . . , x i−1 , t, x i+1 , . . . , x n ) an der Stelle t = x i : d f (x 1 , . . . , x i−1 , x i +t, x i+1 , . . . , x n ) = h0 (x i ). (∂i f )(x) = dt t=0 I Beim Berechnen der i-ten partiellen Ableitung sind also die Variablen x j für j 6= i als Konstanten zu behandeln. Differenziert wird nach der Variablen x i . Beispiel Die Funktion f : Rn → R, f (x) = kxk2 = differenzierbar und ∂f (x) = 2x i . ∂x i Pn j=1 (x j )2 , ist partiell 91 / 255 Höhere Ableitungen Definition I Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R. (i) Für k ≥ 2 definiert man rekursiv: f heißt k-mal partiell differenzierbar, wenn f partiell differenzierbar ist und die partiellen Ableitungen ∂i f (k-1)-mal partiell differenzierbar sind. (f heißt einmal partiell differenzierbar, wenn f partiell differenzierbar ist.) (ii) f heißt k-mal stetig differenzierbar, wenn f k-mal partiell differenzierbar ist und alle partiellen Ableitungen ∂k f := ∂i1 ∂i2 · · · ∂ik f ∂x i1 ∂x i2 · · · ∂x ik der Ordnung k stetig sind. 92 / 255 Lemma von Schwarz Satz I Sei f : U → R (U ⊂ Rn offen) zweimal stetig differenzierbar. I Dann gilt für alle i, j ∈ {1, 2, . . . , n}: ∂i ∂j f = ∂j ∂i f . Beweis I Da es nur um zwei Koordinatenrichtungen ei und ej geht, können wir annehmen, dass n = 2. I Wir berechnen die zweiten partiellen Ableitungen an der Stelle (x0 , y0 ) ∈ U. I Wir können annehmen, dass (x0 , y0 ) = (0, 0) und dass U ein Quadrat Q = {(x, y )| |x| < und |y | < } enthält ( > 0). 93 / 255 Lemma von Schwarz Weiter im Beweis: I Nach dem Mittelwertsatz angewendet auf die Funktion g (x) = f (x, y ) − f (x, 0) gibt es zu (x, y ) ∈ Q ein ξ ∈ (−|x|, |x|) mit (1) g (x) − g (0) = xg 0 (ξ) = x(∂1 f (ξ, y ) − ∂1 f (ξ, 0)). I Anwendung des MWS auf y 7→ ∂1 f (ξ, y ) liefert η ∈ (−|y |, |y |) mit (2) ∂1 f (ξ, y ) − ∂1 f (ξ, 0) = y ∂2 ∂1 f (ξ, η). I Aus (1) und (2) ergibt sich (3) g (x) − g (0) = xy ∂2 ∂1 f (ξ, η). I Analog ergibt sich mit h(y ) = f (x, y ) − f (0, y ) (30 ) ˜ η̃), h(y ) − h(0) = xy ∂1 ∂2 f (ξ, ˜ < |x| und |η̃| < |y |. wobei |ξ| 94 / 255 Lemma von Schwarz Weiter im Beweis: I Aus (3) und (3’) erhalten wir wg. g (x) − g (0) = h(y ) − h(0): ˜ η̃). (4) ∂2 ∂1 f (ξ, η) = ∂1 ∂2 f (ξ, I Die Stetigkeit der zweiten partiellen Ableitungen erlaubt nun den Grenzübergang (x, y ) → (0, 0) in (4), woraus sich ∂2 ∂1 f (0, 0) = ∂1 ∂2 f (0, 0) ergibt. 95 / 255 Gradient Definition I Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R an der Stelle x ∈ U partiell differenzierbar. I Der Spaltenvektor grad f (x) := ∂1 f (x) ∂2 f (x) .. . ∂n f (x) heißt Gradient von f an der Stelle x. 96 / 255 Gradient Beispiel I Sei r = r (x) = kxk die Euklidische Norm von x ∈ Rn und f : R+ → R eine differenzierbare Funktion. I Dann ist die rotationssymmetrische Funktion x 7→ f (r ) = f (r (x)) auf U = Rn \ {0} partiell differenzierbar. I Die partiellen Ableitungen erhält man mittels der Kettenregel: ∂i f (r ) = f 0 (r )∂i r √ ∂i r 2 xi ∂i r = ∂i r 2 = = . 2r r I Der Gradient ist somit x grad f (r ) = f 0 (r )grad r = f 0 (r ) , r 97 / 255 Divergenz Definition I Sei U ⊂ Rn offen. P i m (i) Eine Abbildung f = m i=1 f ei : U → R heißt (in x) partiell differenzierbar, wenn Ihre Komponentenfunktionen f i , i = 1, 2, . . . m, (in x) partiell differenzierbar sind. (ii) Ein Vektorfeld auf U ⊂ Rn ist eine Abbildung v : U → Rn . (iii) Die Divergenz eines P in x ∈ U partiell differenzierbaren Vektorfeldes v = i=1 v i ei : U → Rn is die Zahl div v (x) := n X ∂i v i (x). i=1 98 / 255 Divergenz Beispiel I Der Gradient einer zweimal partiell differenzierbaren Funktion f : U → R ist ein partiell differenzierbares Vektorfeld grad f : U → Rn . I Somit definiert ∆f := div grad f = n X ∂i2 f i=1 eine Funktion U → R. I Der Differentialoperator ∆ heißt Laplace-Operator. I Die partielle Differentialgleichung ∆f = 0 heißt Potenzialgleichung. Die Lösungen dieser Gleichung heißen harmonische Funktionen. 99 / 255 Beispiel: rotationssymmetrische Potenziale I Sei f : R+ → R eine zweimal differenzierbare Funktion und f (r ) die zugehörige rotationssymm. zweimal partiell differenzierbare Funktion auf Rn \ {0}. I Dann gilt ∂i f (r ) = f 0 (r )x i /r und δji r − x i x j /r xjxi 0 ∂j ∂i f (r ) = f (r ) 2 + f (r ) r r2 00 I Daraus folgt ∆f (r ) = f 00 (r ) + n−1 0 r f (r ). Differentialgleichung f 00 (r ) I 0 Jede Lösung der + n−1 r f (r ) = 0 definiert somit eine rotationssymm. harmonische Funktion. 100 / 255 Beispiel: rotationssymmetrische Potenziale Lösung der Differentialgleichung I I I I I Für n = 1 erhalten wir f (r ) = ar + b. Unter der Voraussetzung, dass h(r ) := f 0 (r ) keine Nullstellen hat, können wir die DGL an f für n ≥ 2 wie folgt umformen: n−1 (ln |h(r )|)0 = − r ln |h(r )| = −(n − 1) ln r + c ec |h(r )| = n−1 . r a Somit ist f (r ) = r n−2 + b falls n > 2 und f (r ) = a ln r + b für n = 2. Für n = 3 erhalten wir mit b = 0 das Newtonsche Gravitationspotenzial − GM r einer im Nullpunkt konzentrierten Masse M. (Hierbei ist G > 0 die Gravitationskonstante.) Das elektrische Potenzial einer Punktladung Q ist ebenfalls von der Form ar , wobei a = kQ und k > 0 eine Naturkonstante ist. 101 / 255 Das Newtonsche Gravitationsfeld I I Jede partiell differenzierbare Funktion V : U → R auf einer offenen Teilmenge U ⊂ Rn definiert ein Vektorfeld −gradV . Für das Newtonpotenzial V (r ) = − GM r erhalten wir GM x , x ∈ R3 \ {0}, r2 r das Newtonsche Gravitationsfeld. Die auf eine Probemasse m im Punkt x wirkende Kraft ist GmM x F = −mgradV = − 2 . r r Die Gravitationskraft ist also immer anziehend. Die Bewegung der Probemasse t 7→ x(t) genügt der (von m 6= 0 unabhängigen!) Differenzialgleichung x F = mẍ ⇐⇒ ẍ = −GM 3 . r −gradV = − I I I 102 / 255 Das elektrostatische Feld I Für das elektrische Potenzial V (r ) = entsprechend E = −gradV = kQ x , r2 r kQ r ergibt sich x ∈ R3 \ {0}, als elektrisches Feld. I Die auf eine Probeladung q im Punkt x wirkende Kraft ist F = qE = kqQ x . r2 r I Die elektrische Kraft ist also abstoßend, wenn qQ > 0 und anziehend wenn qQ < 0. I Die Bewegung einer Probeladung t 7→ x(t) der Masse m genügt der Differenzialgleichung F = mẍ, d.h. ẍ = kqQx mr 3 (m 6= 0). 103 / 255 Das Vektorprodukt Definition Das Vektorprodukt (oder Kreuzprodukt) von x = P und y = 3i=1 y i ei ∈ R3 ist der Vektor 2 3 x y − x 3y 2 x × y := x 3 y 1 − x 1 y 3 . x 1y 2 − x 2y 1 P3 i=1 x ie i ∈ R3 104 / 255 Eigenschaften des Vektorprodukts Satz Für alle x, y ∈ R3 gilt: (i) x × y = −y × x. (ii) x × y ist senkrecht zu x und y . (iii) kx × y k2 = kxk2 ky k2 − hx, y i2 . (iv) kx × y k = kxk · ky k sin ϕ, wenn x, y ∈ R3 \ {0} und ϕ = ∠(x, y ) ∈ [0, π]. (v) x × y = 0 ⇐⇒ x und y linear abhängig. (vi) Wenn x und y linear unabhängig sind, dann ist (x, y , x × y ) eine positiv orientierte Basis. (vii) Wenn x und y orthonormal sind, dann ist (x, y , x × y ) eine positiv orientierte Orthonormalbasis. Beweis. Übungsaufgabe 105 / 255 Spatprodukt Satz Für alle x, y , z ∈ R3 gilt: (∗) hx × y , zi = det(xyz). Beweis. I Es genügt die Gleichung (*) für x, y , z ∈ {e1 , e2 , e3 } zu überprüfen. I Offenbar ist hei × ej , ek i = 0 = det(ei ej ek ), wenn zwei der drei Indizes übereinstimmen. I Sei (i, j, k) eine Permutation von (1, 2, 3). Da (ei , ej ) orthonormal ist, gilt ei × ej = ijk ek , wobei ijk das Vorzeichen der Permutation ist. I Also hei × ej , ek i = ijk = det(ei ej ek ) für jede Permutation. 106 / 255 Spatprodukt Bemerkung I Die alternierende Trilinearform (x, y , z) 7→ hx × y , zi heißt Spatprodukt. I |hx × y , zi| ist das Volumen3 des durch x, y , z aufgespannten Parallelepipeds oder Spats: P = {ax + by + cz|a, b, c ∈ [0, 1]}. 3 Berechnung von Volumina wird in der Vorlesung Mathem. für Phys. III behandelt 107 / 255 Rotation Definition I P Sei v = 3i=1 v i ei ein partiell differenzierbares Vektorfeld auf einer offenen Teilmenge U ⊂ R3 . I Das Vektorfeld ∂2 v 3 − ∂3 v 2 rot v := ∂3 v 1 − ∂1 v 3 ∂1 v 2 − ∂2 v 1 heißt Rotation von v . 108 / 255 Beziehungen zwischen Gradient, Divergenz und Rotation Bemerkung I Wir können den Gradienten als vektorwertigen Differentialoperator auffassen: ∂1 grad = ∂2 . ∂3 I Daraus ergibt sich formal: div v = hgrad, v i, I rot v = grad × v . Weiterhin folgt formal (das ist kein Beweis!): rot grad f div rot v = grad × grad f = 0 = hgrad, grad × v i = 0. 109 / 255 Beziehungen zwischen Gradient, Divergenz und Rotation Satz (Übungsaufgabe) I Sei U ⊂ R3 offen und f : U → R, v : U → R3 zweimal stetig differenzierbar. I Dann gilt rot grad f = 0 und div rot v = 0. 110 / 255 Differenzierbarkeit Definition I Sei U ⊂ Rn offen und F : U → Rm . (i) F heißt im Punkt x ∈ U differenzierbar, wenn es eine lineare Abbildung A : Rn → Rm gibt, so dass F (x + ξ) = F (x) + Aξ + ϕ(ξ), I wobei ϕ(ξ) = 0. ξ→0 kξk lim (ii) Die lineare Abbildung dFx := A heißt dann Differenzial (oder Ableitung) von F im Punkt x. (iii) F : U → Rm heißt differenzierbar, wenn F in allen Punkten x ∈ U differenzierbar ist. 111 / 255 Differenzierbarkeit Beispiel I f : Rn → R, f (x) = kxk2 , ist überall differenzierbar, I denn f (x + ξ) = f (x) + 2hx, ξi + f (ξ) I und f (ξ)/kξk = kξk → 0 (ξ → 0). I Das Differenzial dfx ∈ (Rn )∗ = Mat(1 × n, R) ist gegeben durch: dfx ξ = 2hx, ξi = 2x t ξ, ξ ∈ Rn . I Also dfx = 2x t (Zeilenvektor). 112 / 255 Differenzierbarkeit Satz I Sei U ⊂ Rn offen und F = differenzierbar. Dann gilt: Pm j=1 F je j : U → Rm in x (i) F ist in x stetig. (ii) F ist in x partiell differenzierbar und ∂1 F 1 (x) · · · ∂n F 1 (x) .. .. dFx = . . m m ∂1 F (x) · · · ∂n F (x) Beweis (i) Aus limξ→0 ϕ(ξ)/kξk = 0 folgt limξ→0 ϕ(ξ) = 0 und somit ξ→0 F (x + ξ) = F (x) + Aξ + ϕ(ξ) −→ F (x). 113 / 255 Differenzierbarkeit Weiter im Beweis: (ii) Aus der Differenzierbarkeit von F in x folgt komponentenweise F j (x + ξ) = F j (x) + Aj ξ + ϕj (ξ), P j j j j wobei ϕ = m j=1 ϕ ej und A = (A1 , . . . , An ) die j-te Zeile der Matrix A = dFx ist. I Mit ξ = tei erhalten wir F j (x + tei ) − F j (x) ϕj (tei ) = Aji + , t t I woraus wg. limξ→0 ϕ(ξ)/kξk = 0 die partielle Differenzierbarkeit von F j in x folgt und ∂i F j (x) = Aji . 114 / 255 Differenzierbarkeit Folgerung I Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R eine differenzierbare Funktion. I Dann ist f partiell differenzierbar und df = (∂1 f , . . . , ∂n f ) = (grad f )t : U → (Rn )∗ , x 7→ dfx . Beispiel I Für die Koordinatenfunktionen f (x) = x j haben wir grad(x j ) = ej und somit dx j = e j = ejt . I Man schreibt daher für jede differenzierbare P Funktion f auf n einer offenen Teilmenge U ⊂ R auch df = ni=1 ∂i fdx i . 115 / 255 Differenzierbarkeit Satz I Sei U ⊂ Rn offen und f : U → R eine in x differenzierbare Funktion. I Dann existiert für alle v ∈ Rn die Richtungsableitung ∂v f (x) und es gilt (∗) ∂v f (x) = dfx v = hgrad f (x), v i. Beweis. I Wir wissen bereits, dass dfx v = hgrad f (x), v i. I Aus f (x + tv ) = f (x) + tdfx v + ϕ(tv ) folgt mit limξ→0 ϕ(ξ)/kξk = 0 die Differenzierbarkeit von f an der Stelle x in Richtung v und ∂v f (x) = dfx v . 116 / 255 Differenzierbarkeit Satz I P j m U ⊂ Rn sei offen, F = m j=1 F ej : U → R partiell differenzierbar und die partiellen Ableitungen ∂i F j seien an der Stelle x ∈ U stetig. I Dann ist F in x differenzierbar. Beweis I Wir können o.B.d.A. annehmen, dass m = 1. I Sei P > 0 so klein, dass B (x) ⊂ U und ξ = ni=1 ξ i ei ∈ B (0). P Wir setzen xk := x + ki=1 ξ i ei ∈ B (x) ⊂ U (=⇒ x0 = x, xn = x + ξ). I I Dann existiert wg. des MWS ein θk ∈ [0, 1] mit F (xk ) − F (xk−1 ) = ξ k ∂k F (yk ), yk := xk−1 + θk ξ k ek . 117 / 255 Differenzierbarkeit Weiter im Beweis: I Somit F (x + ξ) − F (x) = n X F (xk ) − F (xk−1 ) = k=1 = n X n X ξ k ∂k F (yk ) k=1 ξ k ∂k F (x) + ϕ(ξ) k=1 ϕ(ξ) = n X ξ k (∂k F (yk ) − ∂k F (x)). k=1 I Aus ξ → 0 folgt yk → x und somit, wg. der Stetigkeit von ∂k F in x, limξ→0 ϕ(ξ)/kξk = 0. 118 / 255 Kettenregel Satz I Seien U ⊂ Rn , V ⊂ Rm offen, F : U → Rm , F (U) ⊂ V und G : V → Rk . I Wenn F in x und G in y = F (x) differenzierbar sind, dann ist G ◦ F : U → Rk in x differenzierbar und d(G ◦ F )x = dGy ◦ dFx . Beweis I Wir haben F (x + ξ) = F (x) + Aξ + ϕ(ξ), G (y + η) = G (y ) + Bη + ψ(η), A = dFx , B = dGy , wobei limξ→0 ϕ(ξ)/kξk = limη→0 ψ(η)/kηk = 0. 119 / 255 Kettenregel Weiter im Beweis: I Mit η = F (x + ξ) − y = Aξ + ϕ(ξ) erhalten wir (G ◦ F )(x + ξ) − (G ◦ F )(x) = G (y + η) − G (y ) = Bη + ψ(η) = BAξ + Bϕ(ξ) + ψ(η) I Es genügt also zu zeigen, dass limξ→0 ψ(η)/kξk = 0. I Aus der Definition von η erhält man leicht die Existenz von C > 0 und δ > 0, so dass kηk ≤ C kξk I für alle ξ ∈ Bδ (0). Also folgt aus ξ → 0 zunächst η → 0 und dann ψ(η)/kξk ≤ C ψ(η)/kηk → 0. 120 / 255 Kettenregel in Komponenten Folgerung I Seien U ⊂ Rn , V ⊂ Rm offen, F : U → Rm , F (U) ⊂ V und G : V → R. Desweitern sei F in x und G in y = F (x) differenzierbar. I Dann ist G ◦ F : U → R in x differenzierbar und ∂i (G ◦ F )(x) = m X ∂j G (y )∂i F j (x), i = 1, 2, . . . , n. j=1 121 / 255 Kettenregel Beispiele (i) Sei c : (−, ) → Rn ( > 0) eine im Nullpunkt differenzierbare Kurve, c(0) = x, c 0 (0) = v . I Ferner sei f : U → R eine in einer offenen Umgebung U ⊂ Rn von x definierte und in x differenzierbare Funktion. I Dann gilt für die Ableitung der Funktion f ◦ c : (−, ) → R: (f ◦ c)0 (0) = dfc(0) c 0 (0) = dfx v = ∂v f (x). (ii) Für A ∈ Mat(n × n, R) sei F (A) = A2 und G (A) = spurA. I F und G sind auf Mat(n × n, R) differenzierbar mit dFA B = AB + BA, I dGA B = spurB, A, B ∈ Mat(n × n, R). Somit ist G ◦ F : A 7→ spur(A2 ) differenzierbar und d(G ◦F )A B = dGF (A) ◦dFA B = spur(AB +BA) = 2spur(AB). 122 / 255 Mittelwertsatz Satz I Sei U ⊂ Rn offen und F : U → Rm stetig differenzierbar. I Dann gilt Z (∗) F (x + ξ) − F (x) = 1 ∂ξ F (x + tξ)dt, 0 I wobei x ∈ U, ξ ∈ Rn , so dass x + tξ ∈ U für alle t ∈ [0, 1]. Beweis I Wenn F stetig diff. ist, dann auch g (t) := F (x + tξ) und Z 1 g (1) − g (0) = g 0 (t)dt. 0 I Das ist (*), denn g 0 (t) = d ds s=0 g (t + s) = ∂ξ F (x + tξ). 123 / 255 Mittelwertsatz Folgerung Unter den Voraussetzungen des vorhergehenden Satzes gilt mit C := maxt∈[0,1] kdFx+tξ k: kF (x + ξ) − F (x)k ≤ C kξk. Beweis. I Es gilt k∂ξ F (x + tξ)k = kdFx+tξ ξk ≤ kdFx+tξ k · kξk ≤ C kξk. I Daraus folgt 1 Z kF (x + ξ) − F (x)k = k Z ≤ 0 ∂ξ F (x + tξ)dtk 0 1 k∂ξ F (x + tξ)kdt ≤ C kξk. 124 / 255 Mittelwertsatz I Hierbei haben wir folgenden Satz verwendet. Satz Sei c : [0, 1] → Rn eine stetige Kurve. Dann gilt Z 1 Z 1 ≤ kc(t)kdt. c(t)dt 0 0 Beweis. I R1 Es genügt das Integral 0 c(t)dt als Grenzwert Riemannscher Summen zu schreiben, die Dreiecksungleichung auf die Summen anzuwenden und anschließend zum Grenzwert überzugehen. 125 / 255 Niveaumengen und Gradient Satz I Sei U ⊂ Rn offen, f : U → R stetig differenzierbar. I Dann steht grad f senkrecht auf den Niveaumengen Nf (k) := {x ∈ Rn |f (x) = k}, d.h. für jede in Nf (k) verlaufende differenzierbare Kurve c : (a, b) → Rn gilt grad f |c(t) ⊥ c 0 (t) für alle t ∈ (a, b). Beweis. Das folgt durch Ableiten der Gleichung f ◦ c = k: 0 = dfc ◦ c 0 = hgrad f , c 0 i. 126 / 255 Gradient und Anstieg Bemerkung I Wenn grad f (x) 6= 0 ist, so gibt der Gradient die Richtung des stärksten Anstiegs der Funktion f im Punkt x ∈ U an, I denn für jeden Einheitsvektor v ∈ Rn gilt ∂v f (x) = hgrad f (x), v i ≤ kgrad f (x)k mit Gleichheit genau dann, wenn v = grad f (x) kgrad f (x)k . 127 / 255 Lokale Extrema Definition I Sei U ⊂ Rn , f : U → R eine Funktion und x ∈ U. I Man sagt, dass f in x ein lokales Maximum (bzw. ein lokales Minimum) annimmt, falls es > 0 gibt, derart dass f (x) ≥ f (ξ) (bzw. f (x) ≤ f (ξ)) für alle ξ ∈ U mit kx − ξk < . I Lokale Minima und Maxima heißen auch lokale Extrema. I Man spricht von einem isolierten lokalen Extremum, falls zusätzlich f (ξ) 6= f (x) für alle ξ ∈ U \ {x} mit kx − ξk < . 128 / 255 Lokale Extrema Satz I f : U → R sei an der Stelle x ∈ U partiell differenzierbar (U ⊂ Rn offen). I Wenn f an der Stelle x ∈ U ein lokales Extremum annimmt, dann gilt grad f (x) = 0. Beweis. I Die Funktion t 7→ g (t) := f (x + tei ) ist im Nullpunkt differenzierbar und hat dort ein lokales Extremum. I Demnach gilt 0 = g 0 (0) = ∂i f (x). 129 / 255 Taylorentwicklung Satz Sei f : I → R eine (m + 1)-mal stetig differenzierbare Funktion auf einem Intervall I ⊂ R. Dann gilt 1 1 f (x+ξ) = f (x)+f 0 (x)ξ+ f 00 (x)ξ 2 +· · ·+ f (m) (x)ξ m +Rm+1 (x, ξ), 2 m! Z ξ m+1 1 Rm+1 (x, ξ) = (1 − t)m f (m+1) (x + tξ)dt, m! 0 für alle x, ξ ∈ R, so dass {x + tξ|t ∈ [0, 1]} ⊂ I . Beweis (durch Induktion nach m) I Der Fall m = 0 ist der Fundamentalsatz der Differenzial- und Integralrechnung: Z f (x +ξ)−f (x) = x+ξ 0 Z f (s)ds = ξ x 1 f 0 (x +tξ)dt = R1 (x, ξ). 0 130 / 255 Taylorentwicklung Weiter im Beweis: Induktionschritt I Wir gehen aus von: Rm (x, ξ) = I Partielle Integration ergibt − I ξm (m − 1)! Z 1 (1 − t)m−1 f (m) (x + tξ)dt. 0 R1 0 (1 − t)m−1 f (m) (x + tξ)dt = 1 1 (1 − t)m f (m) (x + tξ)|10 + m m Z 1 (1 − t)m f (m+1) (x + tξ)ξdt. 0 und somit ξ m (m) ξ m+1 Rm (x, ξ) = f (x) + m! m! Z 1 (1 − t)m f (m+1) (x + tξ)dt. 0 131 / 255 Taylorentwicklung Restglied Satz Unter den Voraussetzungen des letzten Satzes existiert τ ∈ [0, 1] mit ξ m+1 (m+1) f (x + τ ξ). Rm+1 (x, ξ) = (m + 1)! Beweis I I Sei k bzw. K das Maximum bzw. Minimum der stetigen Funktion t 7→ f (m+1) (x + tξ) auf dem Intervall [0, 1]. R1 Dann gilt mit I := 0 (1 − t)m dt: Z kI ≤ 1 (1 − t)m f (m+1) (x + tξ)dt ≤ K I. 0 I Nach dem Zwischenwertsatz existiert daher τ ∈ [0, 1] mit R1 m (m+1) (x + tξ)dt = f (m+1) (x + τ ξ)I. 0 (1 − t) f 132 / 255 Taylorentwicklung Weiter im Beweis: I Insgesamt ergibt sich Rm+1 (x, ξ) = = = I Z ξ m+1 1 (1 − t)m f (m+1) (x + tξ)dt m! 0 ξ m+1 (m+1) f (x + τ ξ)I m! ξ m+1 (m+1) f (x + τ ξ), (m + 1)! denn Z I= 0 1 1 (1 − t)m+1 1 (1 − t) dt = − = . m + 1 0 m + 1 m 133 / 255 Taylorentwicklung Notation: Multiindizes I I Um die Taylorentwicklung für Funktionen von mehreren Veränderlichen kompakt schreiben zu können, führen wir die folgenden Abkürzungen ein. P Für α1 , α2 , . . . , αn ∈ N und x = ni=1 x i ei ∈ Rn setzen wir α := (α1 , α2 , . . . , αn ) |α| := α1 + α2 + · · · + αn α! := α1 !α2 ! · · · αn ! x α := (x 1 )α1 (x 2 )α2 · · · (x n )αn ∂ α := ∂1α1 ∂2α2 · · · ∂nαn 134 / 255 Taylorentwicklung Satz I Sei U ⊂ Rn offen, f : U → R eine (m + 1)-mal stetig differenzierbare Funktion, x ∈ U und ξ ∈ Rn , so dass {x + tξ|t ∈ [0, 1]} ⊂ U. I Dann existiert τ ∈ [0, 1], so dass f (x + ξ) = X 1 ∂ α f (x)ξ α + α! |α|≤m X |α|=m+1 1 α ∂ f (x + τ ξ)ξ α . α! Beweis I Wir führen den Satz auf den Fall n = 1 zurück. I Dazu betrachten wir die (m + 1)-mal stetig differenzierbare Hilfsfunktion t 7→ g (t) := f (x + tξ). 135 / 255 Taylorentwicklung Lemma I Für die partiellen Ableitung der Ordnung k ≤ m + 1 der Funktion g : [0, 1] → R, g (t) = f (x + tξ), gilt g (k) (t) = k! X 1 ∂ α f (x + tξ)ξ α . α! |α|=k I Der Satz folgt nun mit Hilfe des Lemmas aus der Taylorentwicklung von g im Nullpunkt: m X 1 1 (k) g (0) + g (m+1) (τ ) f (x + ξ) = g (1) = k! (m + 1)! k=0 X 1 X 1 = ∂ α f (x)ξ α + ∂ α f (x + τ ξ)ξ α . α! α! |α|≤m |α|=m+1 136 / 255 Taylorentwicklung Beweis des Lemmas: I I Wir beweisen das Lemma durch Induktion nach k. Für k = 0 ist nichts zu zeigen. Wir berechnen g (k+1) (t) aus g (k) (t) = k! X 1 ∂ α f (x + tξ)ξ α . α! |α|=k I Mit der Kettenregel erhalten wir: n X d α ∂ f (x + tξ) = ∂i ∂ α f (x + tξ)ξ i dt i=1 I und somit g (k+1) (t) = k! n X X 1 ∂i ∂ α f (x + tξ)ξ α ξ i . α! i=1 |α|=k 137 / 255 Taylorentwicklung Weiter im Beweis: I Daraus ergibt ich weiter: g (k+1) (t) = k! = k! n X X 1 ∂i ∂ α f (x + tξ)ξ α ξ i α! i=1 |α|=k n X X i=1 |β|=k+1 = (k + 1)! βi β ∂ f (x + tξ)ξ β β! X |β|=k+1 I denn Pn i=1 βi = |β| = k + 1. 1 β ∂ f (x + tξ)ξ β , β! 138 / 255 Taylorentwicklung Folgerung I Sei U ⊂ Rn offen, f : U → R eine m-mal stetig differenzierbare Funktion und x ∈ U. I Dann existiert δ > 0 und ϕ : Bδ (0) → R, so dass Bδ (x) ⊂ U und X 1 f (x + ξ) = ∂ α f (x)ξ α + ϕ(ξ) α! |α|≤m I für alle ξ ∈ Bδ (0), wobei ϕ(ξ) = 0. ξ→0 kξkm lim 139 / 255 Taylorentwicklung Beweis (der Folgerung). I Da U offen ist, existiert Bδ (x) ⊂ U und aus der Taylorentwicklung der Ordnung m − 1 folgt für ξ ∈ Bδ (0): X f (x + ξ) = |α|≤m−1 X 1 1 α ∂ f (x)ξ α + ∂ α f (x + τ ξ)ξ α , α! α! |α|=m mit τ ∈ [0, 1]. I Wir setzen ϕ(ξ) := X 1 (∂ α f (x + τ ξ) − ∂ α f (x))ξ α . α! |α|=m 1 α α |α|≤m α! ∂ f (x)ξ P I Dann gilt f (x + ξ) = + ϕ(ξ) und I limξ→0 ϕ(ξ)/kξkm = 0, denn die m-ten partiellen Ableitungen von f sind stetig. 140 / 255 Taylorentwicklung zweiter Ordnung Beispiel I Sei U ⊂ Rn offen, f : U → R zweimal stetig differenzierbar und x, ξ ∈ Rn derart, dass {x + tξ|t ∈ [0, 1]} ⊂ U. I Dann gilt f (x + ξ) = f (x) + n X i=1 I n 1 X ∂i f (x)ξ + ∂i ∂j f (x)ξ i ξ j + ϕ(ξ), 2 i i,j=1 wobei limξ→0 ϕ(ξ)/kξk2 = 0. 141 / 255 Taylorentwicklung zweiter Ordnung Definition Die symmetrische Matrix Hess f (x) := (∂i ∂j f (x))i,j=1,2,...,n heißt Hessematrix von f im Punkt x. Nachtrag zum letzen Beispiel: Die obige Gleichung läßt sich nun indexfrei schreiben: 1 f (x + ξ) = f (x) + hgrad f (x), ξi + hHess f (x)ξ, ξi + ϕ(ξ). 2 142 / 255 Hessematrix und lokale Extrema Definition (i) Eine symmetrische Bilinearform α auf einem reellen VR heißt positiv semi-definit, wenn α(v , v ) ≥ 0 für alle v ∈ V. (ii) α heißt negativ definit (bzw. negativ semi-definit), wenn −α positiv definit (bzw. positiv semi-definit) ist. (iii) α heißt indefinit, wenn α weder positiv noch negativ semi-definit ist. (iv) Ein symmetrischer Endomorphismus A eines Euklidischen VR heißt positiv definit (bzw. positiv semi-definit, indefinit etc. ) , wenn die zugehörige symmetrische Bilinearform α(v , w ) = hv , Aw i, v, w ∈ V , positiv definit (bzw. positiv semi-definit, indefinit etc. ) ist. 143 / 255 Hessematrix und lokale Extrema Satz I Sei U ⊂ Rn offen, f : U → R zweimal stetig differenzierbar. (i) Wenn f an der Stelle x ∈ U ein lokales Minimum (bzw. Maximum) hat, dann ist grad f (x) = 0 und Hess f (x) ist positiv (bzw. negativ) semi-definit. (ii) Wenn der Gradient von f an der Stelle x ∈ U verschwindet und Hess f (x) positiv (bzw. negativ) definit ist, dann hat f in x ein isoliertes lokales Minimum (bzw. Maximum). 144 / 255 Hessematrix und lokale Extrema Beweis. (i) f habe in x z.B. ein lokales Minimum. Wir wissen bereits, dass grad f (x) = 0 und mit h(ξ) := hHess f (x)ξ, ξi gilt f (x) ≤ f (x + ξ) = f (x) + h(ξ) + ϕ(ξ). I Daraus folgt h(ξ) ≥ −ϕ(ξ) und somit mit t ∈ R∗ : ξ h(ξ) h(tξ) ϕ(tξ) t→0 h = = ≥− −→ 0. 2 2 kξk kξk ktξk ktξk2 I Das impliziert h(y ) ≥ 0 für alle Einheitsvektoren y , d.h. h ≥ 0. (ii) Sei nun umgekehrt grad f (x) = 0 und h(ξ) > 0 für alle ξ 6= 0. I Dann ist m = minky k=1 h(y ) > 0 und es gibt zu 0 < < m ein δ > 0, so dass |ϕ(ξ)| < kξk2 für alle 0 6= ξ ∈ Bδ (0). Aus der Taylorentwicklung folgt dann f (x + ξ) = f (x) + h(ξ) + ϕ(ξ) > f (x) + mkξk2 − kξk2 > f (x). 145 / 255 Umkehrsatz Satz I Sei U ⊂ Rn offen, f : U → Rn stetig differenzierbar und p ∈ U. I Wenn dfp ∈ L(Rn , Rn ) invertierbar ist, so existieren offene Umgebungen V ⊂ U von p und W von q := f (p), so dass f |V : V → W bijektiv ist und (f |V )−1 : W → V stetig differenzierbar ist. Beweis. 1) Wir können o.B.d.A. annehmen, dass p = q = 0 und dfp = Id. I Die Abbildung U 3 x 7→ ϕ(x) := f (x) − x ∈ Rn ist stetig differenzierbar mit ϕ(0) = 0 und dϕ0 = 0. I Also existiert δ > 0, so dass B δ (0) ⊂ U und kdϕx k ≤ 1 2 für alle x ∈ B δ (0). 146 / 255 Umkehrsatz Weiter im Beweis: I Nach dem MWS gilt dann für alle x, x 0 ∈ B δ (0): I 1 (∗) kϕ(x) − ϕ(x 0 )k ≤ kx − x 0 k 2 und somit (wg. f (x) = x + ϕ(x)) 1 (∗∗) kf (x)−f (x 0 )k ≥ kx −x 0 k−kϕ(x)−ϕ(x 0 )k ≥ kx −x 0 k. 2 I Das beweist die Injektivität von f auf B δ (0). 2) Als Nächstes zeigen wir, dass f (B δ (0)) ⊃ B δ/2 (0). I Sei b ∈ B δ/2 (0). Gesucht ist a ∈ B δ (0) mit f (a) = b, d.h. a = b − ϕ(a). I Wir definieren rekursiv x0 := 0, I xk := b − ϕ(xk−1 ), k ∈ N. Das definiert eine Folge in B δ (0), denn aus xk−1 ∈ B δ (0) folgt wg. (*) ϕ(xk−1 ) ∈ B δ/2 (0) und somit xk ∈ B δ (0). 147 / 255 Umkehrsatz Weiter im Beweis: I Aus (*) folgt desweiteren, dass (xk ) eine Cauchy-Folge ist: 1 kxk+m − xk k = kϕ(xk+m−1 ) − ϕ(xk−1 )k ≤ kxk+m−1 − xk−1 k 2 1 δ ≤ · · · ≤ k kxm − x0 k ≤ k . 2 2 I Grenzübergang in der Rekursionsformel xk = b − ϕ(xk−1 ) liefert für a = limk→∞ xk ∈ B δ (0): a = b − ϕ(a), d.h. f (a) = b. 3) Das Argument zeigt, dass f (x) ein innerer Punkt von f (U) ist, wenn x ∈ U und dfx invertierbar ist. I Insbesondere ist f (V ) offen, wenn V ⊂ U offen ist und dfx für alle x ∈ V invertierbar ist. 148 / 255 Umkehrsatz Weiter im Beweis: I Da f stetig differenzierbar ist und df0 invertierbar ist, existiert eine offene Umgebung V ⊂ Bδ (0) von 0, so dass dfx für alle x ∈ V invertierbar ist. I Die Bildmenge W := f (V ) ⊂ Rn ist dann offen und f |V : V → W ist stetig und bijektiv. I g := (f |V )−1 : W → V ist stetig, denn f |V bildet offene Menge in offene Mengen ab. 4) Wir zeigen, dass g in jedem Punkt q ∈ W differenzierbar ist. I Sei wieder o.B.d.A. q = f (0) = 0, df0 = Id und δ > 0 wie oben, so dass B δ/2 (0) ⊂ f (B δ (0)) ⊂ W . I Wir setzen ψ(y ) := g (y ) − y , y ∈ W . 149 / 255 Umkehrsatz Weiter im Beweis: I I I Für y ∈ B δ/2 (0) ⊂ f (B δ (0)) gilt mit x = g (y ), y = f (x): 1 ky k = kf (x)k ≥ kxk, siehe 2 Also folgt aus y → 0 auch x = g (y ) → 0. Somit gilt mit 0 6= y → 0: (∗∗). kψ(y )k kg (y ) − y k kx − f (x)k kϕ(x)k kϕ(x)k = = = ≤2 → 0. ky k ky k ky k ky k kxk Das beweist die Differenzierbarkeit von g . 5) Aus der Differenzierbarkeit von f , g folgt mit der Kettenregel I dgf (x) dfx = Id für alle I I x ∈ V. Also ist dgy = dfg−1 (y ) für alle y ∈ W . Die Abbildung x 7→ dfx−1 ist stetig, denn f ist stetig differenzierbar und GL(n) 3 A 7→ A−1 ∈ GL(n) ist stetig (sogar rational). 150 / 255 Umkehrsatz Weiter im Beweis: I Aus der Stetigkeit von x 7→ dfx−1 und g folgt nun die Stetigkeit von y 7→ dgy = dfg−1 (y ) . I Das beweist die stetige Differenzierbarkeit von g = (f |V )−1 . Bemerkung: I g ist sogar k-mal stetig differenzierbar, wenn f k-mal stetig differenzierbar ist (k ∈ N). I Die Gleichung dgy = dfg−1 (y ) zeigt nämlich, dass g k-mal stetig differenzierbar ist, wenn f k-mal und g (k − 1)-mal stetig differenzierbar ist. 151 / 255 Umkehrsatz Beispiel (ebene Polarkoordinaten) I Die Abbildung 2 2 f :R →R , r ϕ 7→ x y = r cos ϕ r sin ϕ , ist unendlich oft differenzierbar. I Ihr Differenzial ist df = ∂x ∂r ∂y ∂r ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ ! = cos ϕ −r sin ϕ sin ϕ r cos ϕ I Da det df = r , gibt es zu jedem Punkt p = (r0 , ϕ0 ) ∈ R∗ × R eine offene Umgebung U ⊂ R∗ × R, so dass f U bijektiv auf eine offene Menge V = f (U) ⊂ R2 abbildet mit unendlich oft differenzierbarer Umkehrabbildung (f |U )−1 : V → U. I Z.B. U = R+ × (ϕ0 − π, ϕ0 + π) (→ Zeichnung). 152 / 255 Satz über implizite Funktionen Satz I Sei U ⊂ Rm × Rn offen, f : U → Rn k-mal stetig differenzierbar (k ≥ 1) und (a, b) ∈ U, so dass f (a, b) = 0. I Das Differenzial der Abbildung y → f (a, y ) sei im Punkt y = b invertierbar. I Dann gibt es offene Umgebungen V ⊂ Rm von a und W ⊂ Rn von b mit V × W ⊂ U und eine k-mal stetig differenzierbare Abbildung g : V → W , so dass für alle (x, y ) ∈ V × W : f (x, y ) = 0 ⇐⇒ y = g (x). Beweis. I Wir betrachten F : U → Rm × Rn , F (x, y ) := (x, f (x, y )). I Das Differenzial von F berechnet sich wie folgt aus dem Differenzial dx f der Abbildung x 7→ f (x, y ) und dem Differenzial dy f der Abbildung y 7→ f (x, y ). 153 / 255 Satz über implizite Funktionen Weiter im Beweis: I dF = 1m dx f 0 dy f I Da dy f im Punkt (a, b) invertierbar ist, ist auch dF im Punkt (a, b) invertierbar. I Nach dem Umkehrsatz gibt es offene Umgebungen V1 ⊂ Rm von a und V2 ⊂ Rn von b, so dass V1 × V2 ⊂ U ⊂ Rm × Rn durch F bijektiv auf eine offene Umgebung Ω ⊂ Rm × Rn von F (a, b) = (a, f (a, b)) = (a, 0) abgebildet wird, I und zwar so, dass die Umkehrabbildung G = (G1 , G2 ) : Ω → V1 × V2 k-mal stetig differenzierbar ist. 154 / 255 Satz über implizite Funktionen Weiter im Beweis: I Aus Ω 3 (x, y ) = F (G (x, y )) = (G1 (x, y ), f (G1 (x, y ), G2 (x, y ))) folgt G1 (x, y ) = x und f (x, G2 (x, y )) = y . I Insbesondere gilt mit g (x) := G2 (x, 0) für alle (x, 0) ∈ Ω: f (x, g (x)) = 0. I V := {x ∈ V1 |(x, 0) ∈ Ω} ist eine offene Umg. V ⊂ V1 von a. Wir setzen W := V2 . I Aus g (V ) = G2 (V × {0}) ⊂ V2 = W folgt g : V → W . I Umgekehrt folgt aus (x, y ) ∈ V × W und f (x, y ) = 0: F (x, y ) = (x, f (x, y )) = (x, 0) und somit (x, y ) = G (F (x, y )) = G (x, 0) = (G1 (x, 0), G2 (x, 0)) = (x, g (x)), d.h. y = g (x). 155 / 255 Satz über implizite Funktionen Beispiel (zweischaliges Hyperboloid) I Die Funktion f : R3 = R2 × R → R, f (x, y , z) := x 2 + y 2 − z 2 + 1, erfüllt ∂f ∂z = −2z 6= 0 für alle (x, y , z) ∈ H := f −1 (0). I Nach dem Satz über implizite Funktionen definiert die Gleichung f (x, y , z) = 0 also lokal eine unendlich oft differenzierbare Funktion (x, y ) 7→ z = g (x, y ). I Diese kann man durch Auflösen der Gleichung f (x, y , z) = 0 nach z berechnen: p g± (x, y ) = ± x 2 + y 2 + 1. I Der Graph von g+ : R2 → R (bzw. g− ) ist die obere (bzw. untere) Schale des Hyperboloids H. 156 / 255 Satz über implizite Funktionen Bemerkung I Unter den Voraussetzungen des Satzes über implizite Funktionen läßt sich das Differenzial der durch die Gleichung f (x, y ) = 0 implizit definierten Abbildung x 7→ g (x) wie folgt berechnen. I Ableiten der Gleichung f (x, g (x)) = 0 liefert nach der Kettenregel: 0 = dx f + dy fdg =⇒ dg = −(dy f )−1 dx f , I Hierbei ist dg an der Stelle x und dx f , dy f an der Stelle (x, g (x)) auszuwerten: dg |x = − dy f |(x,g (x)) −1 dx f |(x,g (x)) . 157 / 255 Rang einer differenzierbaren Abbildung Definition I U ⊂ Rm sei offen und f : U → Rn differenzierbar. (i) Der Rang von f im Punkt p ∈ U ist definiert als rg(f )p := rg dfp ≤ min{m, n}. I Das definiert eine Funktion rg(f ) : U → {0, 1, 2, . . . , min{m, n}}. (ii) f heißt Immersion, wenn rg(f ) = m. (iii) f heißt Submersion, wenn rg(f ) = n. (iv) k-mal stetig differenzierbare Abbildungen heißen auch von der Klasse C k oder C k -Abbildungen, k ∈ N ∪ {∞}. (v) U ⊂ Rm , V ⊂ Rn seien offen. Eine C k -Abbildung f : U → V heißt C k -Diffeomorphismus, wenn f bijektiv ist und f −1 von der Klasse C k ist. 158 / 255 Rang einer differenzierbaren Abbildung Beispiele (i) Sei m ≤ n. Rm 3 (x 1 , . . . , x m ) 7→ (x 1 , . . . , x m , 0, . . . , 0) ∈ Rm ×Rn−m = Rn ist eine Immersion. (ii) Sei m ≥ n. Rm 3 (x 1 , . . . , x m ) 7→ (x 1 , . . . , x n ) ∈ Rn ist eine Submersion. (iii) Sei r ≤ min{m, n}. Rm 3 (x 1 , . . . , x m ) 7→ (x 1 , . . . , x r , 0, . . . , 0) ∈ Rr × Rn−r = Rn hat konstanten Rang r . 159 / 255 Rang einer differenzierbaren Abbildung Beispiele (iv) Der Rang eines Diffeomorphismus f : U → V (U ⊂ Rm , V ⊂ Rn offen) ist konstant gleich m = n. I Durch Ableiten der Gleichungen f −1 ◦ f = Id U und f ◦ f −1 = Id V folgt nämlich, dass dfp für alle p ∈ U invertierbar ist, d.h. m = n = rg (f ). I Umgekehrt besagt der Umkehrsatz, dass jede C k -Abbildung f : U → V vom Rang n zwischen offenen Mengen des Rn lokal ein C k -Diffeomorphismus ist. 160 / 255 Immersionen Satz I Sei U ⊂ Rm offen, p ∈ U und f : U → Rn eine C k -Abbildung mit rg(f )p = m. I Dann existiert eine offene Umgebung V von f (p) und ein C k -Diffeomorphismus ϕ : V → ϕ(V ) ⊂ Rn , so dass (ϕ ◦ f )(x 1 , . . . , x m ) = (x 1 , . . . , x m , 0, . . . , 0) in einer Umg. von p. Beweis I Nach eventueller Umnummerierung der Koordinaten im Rn können wir annehmen, dass die ersten m Zeilen der (n × m)-Matrix dfp linear unabhängig sind. 161 / 255 Immersionen Weiter im Beweis: I Betrachte F : U × Rn−m → Rn , F (x, y ) = f (x) + (0, y ). I F ist von der Klasse C k und dF(p,y ) = dfp 0 1n−m . I Da insbesondere dF(p,0) invertierbar ist, existiert nach dem Umkehrsatz eine offene Umgebung W von (p, 0) ∈ Rn , so dass F |W : W → F (W ) ein Diffeomorphismus auf eine offene Umg. V = F (W ) von F (p, 0) = f (p) ist. I Der Diffeomorphismus ϕ := (F |W )−1 : V → W erfüllt dann, wie gewünscht, (x, 0) = ϕ(F (x, 0)) = ϕ(f (x)). 162 / 255 Submersionen Satz I Sei U ⊂ Rm offen, p ∈ U und f : U → Rn eine C k -Abbildung mit rg(f )p = n. I Dann existiert eine offene Umgebung V ⊂ U von p und ein C k -Diffeomorphismus ϕ : V → ϕ(V ) ⊂ Rm , so dass (f ◦ ϕ−1 )(x 1 , . . . , x m ) = (x 1 , . . . , x n ) auf ϕ(V ). Beweis I Nach eventueller Umnummerierung der Koordinaten im Rm können wir annehmen, dass die ersten n Spalten der (n × m)-Matrix dfp linear unabhängig sind. 163 / 255 Submersionen Weiter im Beweis: I Betrachte F : U → Rm , F (x 0 , x 00 ) = (f (x 0 , x 00 ), x 00 ), wobei (x 0 , x 00 ) ∈ U ⊂ Rn × Rm−n , x 0 = (x 1 , . . . , x n ), x 00 = (x n+1 , . . . , x m ). I F ist von der Klasse C k und dFp = dfp 0 1m−n . I Da dFp invertierbar ist, existiert nach dem Umkehrsatz eine offene Umgebung V ⊂ U von p ∈ Rm , so dass ϕ := F |V : V → F (V ) ein Diffeomorphismus ist. I ϕ erfüllt dann für alle (x 0 , x 00 ) ∈ ϕ(V ): (x 0 , x 00 ) = F (ϕ−1 (x 0 , x 00 )) und somit, wie gewünscht, f (ϕ−1 (x 0 , x 00 )) = x 0 . 164 / 255 Allgemeine Abbildungen von konstantem Rang Satz I Sei U ⊂ Rm offen, p ∈ U und f : U → Rn eine C k -Abbildung mit rg(f ) = r auf U. I Dann existieren offene Umgebungen V ⊂ U von p und W ⊂ Rn von f (p) und C k -Diffeomorphismen ϕ : V → ϕ(V ) ⊂ Rm , ψ : W → ψ(W ) ⊂ Rn , so dass (ψ ◦ f ◦ ϕ−1 )(x 1 , . . . , x m ) = (x 1 , . . . , x r , 0, . . . , 0) auf ϕ(V ). Beweis I Nach eventueller Umnummerierung der Koordinaten im Rm und Rn können wir annehmen, dass die Matrix i ∂f (p) A= invertierbar ist. ∂x j i,j=1,...,r 165 / 255 Allgemeine Abbildungen von konstantem Rang Weiter im Beweis: I I I I I I Betrachte F (x) = (f 1 (x), . . . , f r (x), x r +1 , . . . , x m ). Da A ∗ dFp = 0 1m−r invertierbar ist, existiert eine offene Umgebung V ⊂ U von p, so dass ϕ := F |V : V → ϕ(V ) ein Diffeomorphismus ist. Aus F ◦ ϕ−1 (x) = x folgt dann f i (ϕ−1 (x)) = x i für alle i ≤ r und x ∈ ϕ(V ). Wir können also o.B.d.A. annehmen, dass f i (x) = x i für alle i ≤ r. Somit ist i ∂f 1r 0 dfp = , B= . ∗ B ∂x j i,j≥r +1 und aus rg(f ) = r folgt nun B = 0, d.h. f hängt nur von (x 1 , . . . , x r ) ab. 166 / 255 Allgemeine Abbildungen von konstantem Rang Weiter im Beweis: I Wir haben gezeigt, dass f von der Form f (x) = (x 0 , f 00 (x 0 )) ist, wobei x 0 = (x 1 , . . . , x r ) und f 00 = (f r +1 , . . . , f n ). I Sei nun U 0 ⊂ Rr die Projektion von U ⊂ Rr × Rm−r . I W := U 0 × Rn−r ist eine offene Umgebung von f (p) = (p 0 , f 00 (p 0 )), wobei p 0 ∈ Rr die Projektion von p = (p 0 , p 00 ) ∈ U ⊂ Rr × Rm−r ist. I Es genügt nun folgenden Diffeomorphismus ψ : W → ψ(W ) ⊂ Rn zu verwenden: ψ(x) = (x 0 , x 00 − f 00 (x 0 )), I x = (x 0 , x 00 ) ∈ W = U 0 × Rn−r . In der Tat gilt, wie gewünscht, ψ(f (x)) = ψ(x 0 , f 00 (x 0 )) = (x 0 , f 00 (x 0 ) − f 00 (x 0 )) = (x 0 , 0). 167 / 255 Allgemeine Abbildungen von konstantem Rang Beispiel I Die Abbildung f : Mat(n, R) → Mat(n, R), A 7→ f (A) = At A, hat auf der offenen Teilmenge GL(n) ⊂ Mat(n, R) konstanten Rang r = n(n+1) , wie im Folgenden gezeigt wird. 2 I Wir können f als Abbildung f : Mat(n, R) → Sym(n, R) in den Unterraum Sym(n, R) ⊂ Mat(n, R) der symmetrischen Matrizen auffassen. I Das Differenzial dfA : B 7→ B t A + At B, Mat(n, R) → Sym(n, R), ist für A ∈ GL(n) surjektiv: I Sei C ∈ Sym(n, R). dfA bildet B = 12 (A−1 )t C auf 1 t 2 (C + C ) = C ab. I Daraus folgt rg(f )A = dim Sym(n, R) = 1 + 2 + · · · + n = n(n+1) . 2 168 / 255 Induzierte Topologie Bemerkung I Sei Y ⊂ X eine Teilmenge eines topologischen Raumes (X , O). I Das Teilmengensystem OY := {U ∩ Y |U ∈ O} ist eine Topologie auf Y , die sogenannte induzierte Topologie. I Jede Teilmenge eines topologischen Raumes ist somit in kanonischer Weise wieder ein topologischer Raum. Beispiel Die obere Halbsphäre {(x, y , z) ∈ S1 (0)|z > 0} ist eine offene Teilmenge der zweidimensionalen Einheitssphäre S 2 = S1 (0) = {(x, y , z) ∈ R3 |x 2 + y 2 + z 2 = 1}. 169 / 255 Homöomorphismen Definition Eine bijektive stetige Abbildung f : X → Y zwischen topologischen Räumen X und Y heißt Homöomorphismus, wenn f −1 : Y → X stetig ist Beispiel I Die Abbildung f : [0, 2π) → S 1 = {z ∈ C||z| = 1}, f (ϕ) = e iϕ , ist stetig und bijektiv, aber kein Homöomorphismus. (zn = f (2π − n1 ) ∈ S 1 konvergergiert gegen 1 aber f −1 (zn ) = 2π − n1 ∈ [0, 2π) konvergiert nicht gegen f −1 (1) = 0.) I Die Einschränkung von f auf das offene Intervall (0, 2π) definiert jedoch einen Homöomorphismus von (0, 2π) auf die offene Teilmenge S 1 \ {1} der Einheitskreislinie S 1 . 170 / 255 Untermannigfaltigkeiten Definition I Eine Teilmenge M ⊂ Rn heißt m-dimensionale C k -Untermannigfaltigkeit, wenn es zu jedem p ∈ M offene Teilmengen U ⊂ Rm , p ∈ V ⊂ Rn gibt und eine C k -Immersion F : U → Rn , die U homöomorph auf F (U) = V ∩ M abbildet. I F heißt lokale Parametrisierung von M. I Zweidimensionale Untermannigfaltigkeit heißen Flächen. I (m − 1)-dimensionale Untermannigfaltigkeiten von Rm heißen Hyperflächen. 171 / 255 Untermannigfaltigkeiten Beispiel I Sei U ⊂ Rm offen und f : U → Rr eine C k -Abbildung. I Dann ist der Graph von f Γf = {(x, y ) ∈ U × Rr |y = f (x)} eine m-dimensionale C k -Untermf. von Rn , wobei n = m + r . I Die C k -Immersion F : U → Rn , F (x) = (x, f (x)), bildet U homöomorph auf F (U) = Γf ab. 172 / 255 Untermannigfaltigkeiten Beispiel I Die Sphäre S 2 ist eine C ∞ -Fläche. I Sie besitzt nämlich eine Überdeckung durch 6 Halbsphären Hi± := {x = (x 1 , x 2 , x 3 ) ∈ S 2 | ± x i > 0} I und jede der Halbsphären ist ein Graph. Z.B. ist 2 H1+ = {(f p(u), u)|u ∈ U} mit f : U = {u ∈ R |kuk < 1} → R, f (u) = 1 − kuk2 . 173 / 255 Untermannigfaltigkeiten Satz I Sei U ⊂ Rm offen und f : U → Rn eine C k -Abbildung von konstantem Rang r und q ∈ f (U). I Dann ist M = f −1 (q) ⊂ U eine C k -Untermf. der Dimension m − r . Beweis. I Sei p = (p 1 , . . . , p m ) ∈ M. Wg. der Normalform von Abbildungen von konstantem Rang, können wir annehmen, dass f : (x 1 , . . . , x m ) 7→ (x 1 , . . . , x r , 0, . . . , 0) auf einer offenen Umg. V = V1 × V2 ⊂ U ⊂ Rr × Rm−r von p. I Dann ist aber V2 3 y 7→ (p 1 , . . . , p r , y ) ∈ V = V1 × V2 eine Immersion, die V2 homöomorph auf M ∩ V abbildet. 174 / 255 Untermannigfaltigkeiten Beispiele (i) Die Abbildung f : GL(n) → Sym(n, R), A 7→ At A, hat überall den Rang n(n + 1)/2. I Somit ist O(n) = f −1 (1n ) ⊂ Mat(n, R) eine (kompakte) C ∞ -Untermf. der Dimension n(n − 1)/2. (ii) Zeigen Sie auf ähnliche Weise, dass U(n) ⊂ Mat(n, C) eine kompakte C ∞ -Untermf. der Dimension n2 ist. (iii) Sei p ∈ Rn+1 . Die Abbildung f : Rn+1 → R, f (x) = kx − pk2 , definiert eine Submersion von Rn+1 \ {p} auf R+ . I Die n-dimensionalen Sphären Sr (p) = f −1 (r ) ⊂ Rn (r > 0) sind also C ∞ -Hyperflächen. 175 / 255 Untermannigfaltigkeiten Satz I Eine Teilmenge M ⊂ Rn ist genau dann eine m-dimensionale C k -Untermf., wenn es zu jedem p ∈ M eine Umg. V ⊂ Rn gibt und eine C k -Submersion f : V → Rr (r = n − m), so dass M ∩ V = f −1 (0). Beweis. I “=⇒” Sei F : U → V ⊂ Rn eine lokale Parametrisierung, wobei U ⊂ Rm und p ∈ F (U) = M ∩ V . I Wg. der Normalform von Immersionen können wir annehmen, dass F : (x 1 , . . . , x m ) 7→ (x 1 , . . . , x m , 0, . . . , 0). I f : V → Rr , f (x 1 , . . . , x n ) = (x m+1 , . . . , x n ), ist dann die gesuchte Submersion. I Die Umkehrung haben wir schon gezeigt. 176 / 255 Tangentialvektoren Definition I Sei M ⊂ Rn eine C 1 -Untermf. und p ∈ M. I Ein Vektor v ∈ Rn heißt Tangentialvektor an M in p, wenn es eine C 1 -Kurve c : (−, ) → M ⊂ Rn gibt mit v = c 0 (0) ( > 0). I Sei Tp M die Menge aller Tangentialvektoren an M in p. 177 / 255 Tangentialraum Satz (i) Tp M ist ein Vektorraum der Dimension m = dim M. (ii) Sei F : U → V eine lok. Parametrisierung von M, u ∈ U mit p = F (u). I Dann bilden die Vektoren ∂1 F (u), . . . , ∂m F (u) eine Basis von Tp M. (iii) Sei V eine offene Umg. von p und f = (f 1 , . . . , f r ) : V → Rr (r = m − n) eine C 1 -Submersion, so dass M ∩ V = f −1 (q), wobei q = f (p). I Dann ist Tp M = Kern(dfp ) = ∩rj=1 (grad f j (p))⊥ . (iv) Insbesondere gilt Tp M ⊥ = span{grad f 1 (p), . . . , grad f r (p)}. 178 / 255 Tangentialraum Beweis. I Da m + r = n, genügt es zu zeigen, dass (∗) span{∂1 F (u), . . . , ∂m F (u)} ⊂ Tp M I und grad f j (p) ⊥ Tp M für alle j = 1, . . . , r . P i m Sei v = m i=1 v ei ∈ R . Dann definiert c(t) := F (u + tv ) 1 eine C -Kurve (−, ) → F (U) ⊂ M mit c 0 (0) = dFp v = m X v i ∂i F (u). i=1 Das beweist (*). I Für jede C 1 -Kurve c : (−, ) → = p gilt F (U) ⊂ M mit c(0) d 0 f (c(t)) = q und somit 0 = dt t=0 f (c(t)) = dfp c (0). I Das zeigt Tp M ⊂ Kern(dfp ) = ∩rj=1 (grad f j (p))⊥ . 179 / 255 Extrema mit Nebenbedingungen Satz I Sei M ⊂ Rn eine Untermf., U ⊂ Rn offen und f : U → R im Punkt p ∈ M ∩ U differenzierbar (i) Wenn F = f |U∩M im Punkt p ein lokales Extremum annimmt, so ist (∗) Tp M ⊂ Kern dfp = (grad f (p))⊥ . (ii) (*) gilt genau dann, wenn es Konstanten λ1 , . . . , λr ∈ R (sogenannte Lagrangemultiplikatoren) gibt mit grad f (p) = r X λj grad hj (p), j=1 wobei r = m − n und h = (h1 , . . . , hr ) : U → Rr eine C 1 -Submersion ist, so dass M ∩ U = h−1 (0). 180 / 255 Extrema mit Nebenbedingungen Beweis. I Sei c : (−, ) → M ∩ U ⊂ Rn eine C 1 -Kurve mit c(0) = p. I f ◦ c : (−, ) → R hat ein lokales Extremum in 0 und somit d f (c(t)) = dfp c 0 (0) = hgrad f (p), c 0 (0)i. 0= dt t=0 I Das beweist (i) und (ii) folgt nun aus Tp M ⊥ = span{grad h1 (p), . . . , grad hr (p)}. 181 / 255 Extrema mit Nebenbedingungen Beispiel I Wir beweisen (die bereits bekannte Tatsache), dass jeder symm. Endomorphismus A eines endlichdim. Euklidischen Vektorraums V einen Eigenvektor hat. I Da die Einheitssphäre S = S1 (0) ⊂ V kompakt ist, nimmt die stetige Fkt. (genauer quadratische Form) x 7→ q(x) := hx, Axi in einem Punkt p ∈ S ihr Minimum an. I Nach dem vorigen Satz gilt also grad q(p) = 2Ap ∈ (Tp S)⊥ = Rp, d.h. p ist ein Eigenvektor von A. 182 / 255 Gewöhnliche Differenzialgleichungen I I Sei Ω ⊂ R2 und f : Ω → R eine stetige Funktion. Wir betrachten die Differenzialgleichung erster Ordnung (∗) y 0 = f (x, y ). Unter einer Lösung der DGL (∗) versteht man eine auf einem (nicht entarteten) Intervall I ⊂ R differenzierbare Funktion ϕ : I → R, so dass (i) der Graph Γϕ ⊂ Ω und (ii) ϕ0 (x) = f (x, ϕ(x)) für alle x ∈ I . I Geometrische Interpretation: I f definiert eine Verteilung von Geraden Ω 3 p 7→ L(p), wobei L(p) die Gerade durch p mit Steigung f (p) ist. I Die Bedingung (ii) ist gleichbedeutend mit: Für alle p ∈ Γϕ ist L(p) die Tangente an Γϕ im Punkt p. 183 / 255 Differenzialgleichungen mit getrennten Variablen I I Seien I , J ⊂ R offene Intervalle und f : I → R, g : J → R \ {0} stetige Funktionen. Wir betrachten auf Ω = I × J ⊂ R2 die DGL (∗) y 0 = f (x)g (y ). I Sei (x0 , y0 ) ∈ Ω. Wir definieren F : I → R, G : J → R durch: Z x Z y du F (x) := . f (t)dt, G (y ) := g (u) x0 y0 I Die Funktion G : J → G (J) ist streng monoton, denn G 0 (y ) = g (y )−1 6= 0. Satz I Sei I0 ⊂ F −1 (G (J)) ein Intervall, so dass x0 ∈ I0 . I Dann ist G −1 ◦ F |I0 : I0 → R die eindeutig bestimmte Lsg. ϕ : I0 → R von (∗) mit der Anfangsbedingung ϕ(x0 ) = y0 . 184 / 255 Differenzialgleichungen mit getrennten Variablen Beweis. I Sei ϕ : I0 → R eine Lsg. von (∗) mit ϕ(x0 ) = y0 . I Aus ϕ0 (t) = f (t)g (ϕ(t)), t ∈ I0 , folgt mit Hilfe der Substitution u = ϕ(t): Z ϕ(x) G (ϕ(x)) = y0 du = g (u) Z x x0 ϕ0 (t)dt = g (ϕ(t)) Z x f (t)dt = F (x). x0 I Also gilt ϕ(x) = G −1 (F (x)). Das beweist die Eindeutigkeit. I Wir müssen noch überprüfen, dass ϕ := G −1 ◦ F |I0 : I0 → R tatsächlich eine Lsg. von (∗) mit ϕ(x0 ) = y0 ist. I Es gilt G −1 (F (x0 )) = G −1 (0) = y0 und für alle x ∈ I0 : (G −1 ◦ F )0 (x) = 1 G 0 (G −1 (F (x))) F 0 (x) = g (ϕ(x))f (x). 185 / 255 Differenzialgleichungen mit getrennten Variablen Beispiel I Sei −∞ ≤ a < b ≤ ∞ und v : (a, b) → R, x → 7 v (x), ein stetiges nirgends verschwindendes Vektorfeld auf (a, b). I Gesucht ist eine Parametrisierung ϕ : (c, d) → (a, b) mit ϕ0 (t) = v (ϕ(t)) für alle t ∈ (c, d) und ϕ(t0 ) = x0 , wobei −∞ ≤ c < t0 = 0 < d ≤ ∞ und x0 ∈ (a, b). I Die Methode der getrennten Variablen führt auf den C 1 -Diffeomorphismus Z x du −1 , ϕ := ψ , ψ : (a, b) → (c, d), ψ(x) := x0 v (u) wobei c = inf ψ und d = sup ψ. I ÜA: Sei c : (a, b) → Rn eine C 1 -Kurve mit c 0 (t) 6= 0 für alle t ∈ (a, b). Zeigen Sie, dass ein C 1 -Diffeo. ϕ : (c, d) → (a, b) existiert, so dass die Geschwindigkeit von c̃ = c ◦ ϕ ein Einheitsvektorfeld ist. 186 / 255 Systeme von gewöhnliche Differenzialgleichungen Definition I Sei Ω ⊂ R × Rn und f : Ω → Rn stetig. I (∗) y 0 = f (x, y ) ist ein System von n gewöhnlichen DGLn erster Ordnung. I Unter einer Lösung versteht man eine diffb. Kurve ϕ : I → Rn , so dass (i) der Graph Γϕ ⊂ Ω und (ii) ϕ0 (x) = f (x, ϕ(x)) für alle x ∈ I . Geometrische Interpretation: I Sei L(p) die Gerade durch p ∈ Ω mit Richtungsvektor (1, f (p)) ∈ R × Rn . I (ii) ⇐⇒ Für alle p ∈ Γϕ ist L(p) die Tangente an Γϕ im Punkt p. 187 / 255 Systeme von gewöhnlichen Differenzialgleichungen Beispiel 1) Sei U ⊂ Rn und v : U → Rn , x 7→ v (x), ein stetiges Vektorfeld. I Gesucht ist eine Kurve c : I → U mit c 0 (t) = v (c(t)) für alle t ∈ I, I d.h. eine Lsg. des Systems DGLn 1. Ordnung. dx dt = v (x) von n gewöhnlichen 2) Sei Ω ⊂ R2 , f : Ω → R und v = (1, f ) : Ω → R2 . I Die gew. DGL 1. Ordnung y 0 = f (x, y ) ist äquivalent zu folgendem System d (x, y ) = v (x, y ) = (1, f (x, y )). dt 188 / 255 Lipschitzbedingung Satz I Sei Ω ⊂ Rm × Rn und f : Ω → Rk , (x, y ) 7→ f (x, y ). I f heißt auf Ω bez. y Lipschitzstetig mit der Lipschitzkonstanten L ≥ 0, wenn (∗) kf (x, y1 ) − f (x, y2 )k ≤ Lky1 − y2 k für alle (x, y1 ), (x, y2 ) ∈ Ω. I f heißt auf Ω bez. y lokal Lipschitzstetig, wenn es zu jedem p ∈ Ω eine Umgebung U von p gibt, so dass (∗) für alle (x, y1 ), (x, y2 ) ∈ U ∩ Ω mit einer von U abhängigen Konstanten L. 189 / 255 Lipschitzbedingung Satz I Sei Ω ⊂ Rm × Rn offen und f : Ω → Rk , (x, y ) 7→ f (x, y ), von der Klasse C 1 . I Dann ist f auf Ω bez. y lokal Lipschitzstetig. Beweis. I Sei U ⊂ Ω eine kompakte Umg. von p ∈ Ω. I Da f stetig diffb. ist, existiert L ≥ 0 mit kdy f k ≤ L auf U. I Aus dem MWS folgt dann für alle (x, y1 ), (x, y2 ) ∈ U: kf (x, y1 ) − f (x, y2 )k ≤ Lky1 − y2 k. 190 / 255 Eindeutigkeitssatz Satz I Sei Ω ⊂ R × Rn , f : Ω → Rn stetig und bez. y lokal Lipschitzstetig. I Seien ϕ, ψ : I → Rn zwei Lösungen von y 0 = f (x, y ) mit ϕ(x0 ) = ψ(x0 ) =: y0 für ein x0 ∈ I . I Dann gilt ϕ = ψ. Beweis. I Sei U ⊂ R × Rn eine Umgebung von (x0 , y0 ), so dass f auf U Lipschitzstetig mit der Lipschitzkonstanten L > 0 ist. I Desweiteren sei > 0 so klein, dass (t, ϕ(t)), (t, ψ(t)) ∈ U für alle t ∈ B (x0 ) ∩ I . 191 / 255 Eindeutigkeitssatz Weiter im Beweis: I Für alle x ∈ I gilt Z x ϕ(x) − ψ(x) = ϕ0 (t) − ψ 0 (t) dt. x0 I Für alle t ∈ B (x0 ) ∩ I gilt: kϕ0 (t) − ψ 0 (t)k = kf (t, ϕ(t)) − f (t, ψ(t))k ≤ Lkϕ(t) − ψ(t)k. I Daraus folgt für alle x ∈ B (x0 ) ∩ I : kϕ(x) − ψ(x)k ≤ L sup kϕ − ψk. B (x0 )∩I I Für < 1 L folgt daraus ϕ(x) = ψ(x) für alle x ∈ B (x0 ) ∩ I . 192 / 255 Eindeutigkeitssatz Weiter im Beweis: I Aus dem Bisherigen folgt: (∗) Wenn x1 ∈ I und ϕ(x1 ) = ψ(x1 ), so existiert > 0, so dass ϕ(x) = ψ(x) für alle x ∈ B (x1 ) ∩ I . I Sei nun b = sup{x1 ∈ I |ϕ(x) = ψ(x) für alle x ∈ [x0 , x1 )}. I Es genügt zu zeigen, dass b = sup I . Wir nehmen an, dass b < sup I . I Aus der Stetigkeit von ϕ, ψ folgt ϕ(b) = ψ(b) I und somit wg. (∗), dass ϕ(x) = ψ(x) für alle x ∈ B (b) ∩ I . Das steht im Widerspruch zur Definition von b. 193 / 255 Existenzsatz Satz I Sei Ω ⊂ R × Rn offen, f : Ω → Rn stetig und bez. y lokal Lipschitzstetig. I Dann existiert zu jedem (x0 , y0 ) ∈ Ω ein > 0 und eine Lösung ϕ : (x0 − , x0 + ) → Rn von (∗) y 0 = f (x, y ), y (x0 ) = y0 . Beweis Der Beweis, der auf Picard und Lindelöf zurückgeht, benutzt das folgende Iterationsverfahren, das wir auch schon beim Beweis des Umkehrsatzes verwendet haben. 194 / 255 Banachscher Fixpunktsatz Satz I Sei (X , d) ein vollständiger metrischer Raum und F : X → X eine Kontraktion, d.h. es existiert 0 ≤ θ < 1, so dass d(F (p), F (q)) ≤ θd(p, q) für alle p, q ∈ X . I Dann konvergiert die rekursiv definierte Folge x0 := a, xk+1 = F (xk ), für alle Anfangswerte a ∈ X gegen die eindeutig bestimmt Lsg. der Gleichung F (x) = x. Beweis. Einfache Übungsaufgabe. 195 / 255 Beweis des Existenzsatzes I Für jede Lösung ϕ : I := [x0 − , x0 + ] → Rn von (∗) gilt für alle x ∈ I : Z x Z x ϕ(x) = y0 + ϕ0 (t)dt = y0 + f (t, ϕ(t))dt =: F (ϕ)(x). I Somit ist ϕ ein Fixpunkt der Abbildung F . Sei nun U ⊂ Ω ⊂ R × Rn eine Umgebung von (x0 , y0 ), so dass f auf U Lipschitzstetig mit der Lipschitzkonstanten L > 0 ist und , δ > 0 seien so klein, dass I × B δ (y0 ) ⊂ U. Dann ist F auf X := {ψ ∈ C (I , Rn )| kψ − y0 kI ≤ δ} definiert und X ist als abgeschlossene Teilmenge des Banachraums C (I , Rn ) vollständig. Sei C := max{kf (p)k |p ∈ I × B δ (y0 )} und so klein, dass C < δ. Dann gilt F (X ) ⊂ X , denn für alle ψ ∈ X , x ∈ I gilt: Z x kF (ψ)(x) − y0 k ≤ kf (t, ϕ(t))kdt ≤ C < δ. x0 I I I I x0 x0 196 / 255 Beweis des Existenzsatzes Ende des Beweises: I Wir müssen noch zeigen, dass F eine Kontraktion ist. I Für ϕ, ψ ∈ X und x ∈ I gilt: Z x kF (ϕ)(x) − F (ψ)(x)k ≤ kf (t, ϕ(t)) − f (t, ψ(t))kdt x0 ≤ Lkϕ − ψkI und somit kF (ϕ) − F (ψ)kI ≤ Lkϕ − ψkI . 1 L I Für < ist F also eine Kontraktion. I Nach dem Banachschen Fixpunktsatz hat F einen Fixpunkt ϕ ∈ X und aus ϕ(x) = F (ϕ)(x) folgt durch Ableiten bzw. Auswerten an der Stelle x0 , dass ϕ eine Lsg. von (∗) ist. 197 / 255 Lineare DGLn Satz I Sei I ⊂ R ein Intervall, A : I → Mat(n, R), b : I → Rn seien stetig und (x0 , y0 ) ∈ I × Rn . I Dann hat das System (∗) y 0 = A(x)y + b(x) inhomogener linear DGLn genau eine globale Lösung ϕ : I → Rn mit ϕ(x0 ) = y0 . Beweis I f (x, y ) = A(x)y + b(x) ist offenbar Lipschitzstetig bez. y auf J × Rn für jedes kompakte Intervall J ⊂ I . I Die zugehörige Lipschitzkonstante ist L = supx∈J kA(x)k. I Daraus folgt bereits die Eindeutigkeit. 198 / 255 Lineare DGLn Weiter im Beweis: I I I Das Picard-Lindelöfsche Iterationsverfahren liefert die Folge Rx ϕ0 = y0 , ϕk+1 (x) = y0 + x0 f (t, ϕk (t))dt. Wir zeigen, dass die Folge ϕk auf jedem kompakten Intervall x0 ∈ J ⊂ I gleichmäßig gegen die Lösung von (∗) konvergiert. Behauptung: kϕk+1 (x) − ϕk (x)k ≤ CLk I |x − x0 |k k! für alle x ∈ J, wobei C = kϕ1 − y0 kJ . Für k = 0 ist nichts zu zeigen. Induktionsschritt: Z x kϕk+1 (x) − ϕk (x)k ≤ kf (t, ϕk (t)) − f (t, ϕk−1 (t))kdt x0 Z ≤ x kϕk (t) − ϕk−1 (t)kdt L x0 ≤ Ind.vor . k Z x CL x0 |t − x0 |k−1 |x − x0 |k dt = CLk (k − 1)! k! 199 / 255 Lineare DGLn Weiter im Beweis: I Aus der Behauptung folgt mit r = maxx∈J |x − x0 |: ∞ X kϕk+1 (x) − ϕk (x))k ≤ C exp(L|x − x0 |) ≤ C exp(Lr ) k=0 I I und somit die gleichmäßige Konvergenz der Folge ϕk = (ϕk − ϕk−1 ) + · · · + (ϕ1 − ϕ0 ) + y0 gegen eine stetige Abbildung ϕ : J → Rn . Grenzübergang in der Rekursionsformel Z x ϕk+1 (x) = y0 + f (t, ϕk (t))dt x0 Rn I zeigt, dass ϕ : J → eine Lsg. von (∗) ist. Da jeder Punkt von I in einem kompakten Intervall J ⊂ I mit x0 ∈ J enthalten ist, erhalten wir so die gesuchte Lsg. ϕ : I → Rn . 200 / 255 Lineare DGLn Satz I Sei I ⊂ R ein Intervall und A : I → Mat(n, R) sei stetig. I Dann bilden die Lösungen ϕ : I → Rn des homogenen Systems (∗) y 0 = A(x)y einen n-dimensionalen VR. Beweis. I Der Lösungsraum L ist der Kern der linearen Abbildung ϕ 7→ ϕ0 − Aϕ und somit ein Unterraum von C 1 (I , Rn ). I Sei x0 ∈ I . Die Auswertung ϕ 7→ ϕ(x0 ) definiert eine lineare Abbildung ev : L → Rn . I Wegen der Existenz und Eindeutigkeit der Lösungen zu gegebenen Anfangsbedingungen ist ev surjektiv und injektiv. 201 / 255 Lineare DGLn Satz I Sei I ⊂ R ein Intervall, A : I → Mat(n, R) und b : I → Rn seien stetig. I Dann bilden die Lösungen ϕ : I → Rn des inhomogenen Systems (∗) y 0 = A(x)y + b(x) einen n-dimensionalen affinen Raum L + ψ, I wobei ψ eine spezielle Lsg. von (∗) ist und L der Lösungsraum des zugehörigen homogenen Systems y 0 = A(x)y . Beweis. Das folgt daraus, dass die Differenz zweier Lösungen von (∗) eine Lösung des homogenen Systems ist. 202 / 255 Variation der Konstanten I I I I I I Eine spezielle Lsg. ψ der inhomog. DGL y 0 = A(x)y + b(x) kann wie folgt bestimmt werden. Sei Φ := (ϕ1 , . . . , ϕn ) eine Basis des Lösungsraums L der homog. DGL y 0 = A(x)y . Die Matrix Φ erfüllt die Matrixgleichung Φ0 = AΦ. Jedes Element ϕ ∈ L besitzt eine Darstellung der Form ϕ = Φu, wobei u ∈ Rn . Der unter dem Namen Variation der Konstanten bekannte Ansatz besteht darin, den konst. Vektor u ∈ Rn durch eine zu bestimmende diffb. Abb. u : I → Rn , x 7→ u(x), zu ersetzen. Einsetzen von ψ = Φu in die inhomogene DGL liefert mit ψ 0 = Φ0 u + Φu 0 = AΦu + Φu 0 : ψ 0 = AΦu + Φu 0 = Aψ + b = AΦu + b I und somit u 0 = Φ−1 b. Das führt auf die Formel Z x u(x) = Φ(t)−1 b(t)dt + const. x0 203 / 255 Beispiel: Lineare DGLn mit konstanten Koeffizienten Sei A ∈ Mat(n, R), b ∈ Rn und (x0 , y0 ) ∈ R × Rn . a) Es gibt genau eine Lsg. ϕ : R → Rn des homogenen Systems y 0 = Ay mit der Anfangsbedingung ϕ(x0 ) = y0 , und zwar I ϕ(x) = e (x−x0 )A y0 , e A := ∞ X Ak k=0 k! . b) Es gibt genau eine Lsg. ψ : R → Rn des inhomogenen Systems y 0 = Ay + b mit der Anfangsbedingung ψ(x0 ) = y0 , und zwar Z x xA ψ(x) = ϕ(x) + ψ0 (x), ψ0 (x) = e e −tA bdt. x0 I I Rx Wenn A invertierbar ist, so ist x0 e −tA bdt = −A−1 e −tA b|xx0 und somit ψ0 (x) = −A−1 b + e (x−x0 )A A−1 b. Beachte, dass −A−1 b eine (konstante) Lsg. von y 0 = Ay + b ist. 204 / 255 Lineare DGLn mit konstanten Koeffizienten Beispiel I Sei nun A diagonalisierbar und (v1 , . . . , vn ) eine Basis von Rn bestehend aus Eigenvektoren von A: Avi = λi vi . I Wir setzen ϕi (x) := e λi x vi . Dann bilden die ϕi : R → Rn eine Basis des Lösungsraums des homog. Systems y 0 = Ay . I Eine spezielle Lsg. des inhomog. Systems y 0 = Ay + b ist ( i n X − λb̃ i falls λi 6= 0 ψ(x) = c i (x)vi , c i (x) := x b̃ i falls λi = 0, i=1 wobei b = I Pn i=1 b ie i = Pn i=1 b̃ iv i. Nicht jede quadratische Matrix ist diagonalisierbar. Man kann aber jede quadratische Matrix in Jordansche Normalform bringen. 205 / 255 Die Jordansche Normalform Satz I Sei A ∈ Mat(n, C). Dann existiert S ∈ GL(n, C), so dass e = SAS −1 folgende Gestalt hat A e = diag(Jm (λ1 ), · · · , Jm (λk )), A 1 k I wobei λ 1 0 ··· Jm (λ) = 0 λ .. . 1 .. . .. 0 ··· . λ 0 0 .. . ∈ Mat(m, C) 0 1 λ I Hierbei sind λi die (nicht notwendig verschiedenen) Eigenwerte von A. I (Die Matrizen Jm (λ) heißen Jordanblöcke.) 206 / 255 Die reelle Jordansche Normalform Satz I Sei A ∈ Mat(n, R). Dann existiert S ∈ GL(n, R), so dass e = SAS −1 folgende Gestalt hat A e = diag(J` (λ1 ), · · · , J` (λr ), J2m (α1 , β1 ), · · · , J2m (αs , βs )), A s r 1 1 Jm (α) −β1m J2m (α, β) = ∈ Mat(m, R) β1m Jm (α) I Hierbei sind λi die (nicht notw. verschiedenen) reellen Eigenwerte von A und µj = αj + iβj , µj die (nicht notw. versch.) imaginären Eigenwerte von A.4 Beweis. Siehe z.B. Klingenberg: Lineare Algebra und Geometrie. 4 Die Multiplizität eines reellenPEigenwerts λP (bzw. eines imaginären Eigenwerts µ) berechnet sich zu λi =λ `i bzw µj =µ mj . 207 / 255 Anwendung auf lineare DGLn I I I I I I Sei y 0 = Ay ein lineares DGL-System mit konstanten Koeffizienten. Durch eine Substitution ỹ = Sy , S ∈ GL(n), können wir annehmen, dass A Jordan-Normalform hat. DannPläßt sich die allgemeine Lösung ϕ(x) = e xA c, c = ni=1 c i ei ∈ Rn , expliziter angeben. Es genügt die Fälle A = Jn (λ) und A = J2m (α, β) zu untersuchen. Im ersten Fall erhalten wir wg. Jn (λ) = λ1n + Jn (0): ϕ(x) = e xλ e xJn (0) c = e λx (p(x), p 0 (x), · · · , p (n−1) (x))t , P ck wobei p(x) = nk=1 (k−1)! x k−1 . Im zweiten Fall ist ϕ(x) = e αx cos βx(p(x), · · · , p (m−1) (x), q(x), · · · , q (m−1) (x))t + e αx sin βx(−q(x), · · · , −q (m−1) (x), p(x), · · · , p (m−1) (x))t mit beliebigen Polynomen p, q vom Grad ≤ m − 1. 208 / 255 Gewöhnliche DGLn höherer Ordnung I Sei Ω ⊂ R × Rn und f : Ω → R stetig. I y (n) = f (x, y , y 0 , . . . , y (n−1) ) ist eine gewöhnliche DGL n-ter Ordung. I Unter einer Lösung versteht man eine auf einem Intervall I ⊂ R definierte n-mal diffb. Funktion ϕ : I → R, so dass (i) der Graph ΓΦ ⊂ Ω, wobei Φ = (ϕ, ϕ0 , . . . , ϕ(n−1) ) : I → Rn und (ii) ϕ(n) (x) = f (x, ϕ(x), ϕ0 (x), . . . , ϕ(n−1) (x)) für alle x ∈ I . 209 / 255 Gewöhnliche DGLn höherer Ordnung I Unter den obigen Voraussetzungen, definieren wir F : Ω → Rn , F (x, Y ) := (y 1 , . . . , y n−1 , f (x, Y )), wobei Y = (y 0 , . . . , y n−1 ) ∈ Rn . Dann gilt: Satz I ϕ : I → R ist genau dann eine Lösung der DGL n-ter Ordnung y (n) = f (x, y , y 0 , . . . , y (n−1) ), wenn I Φ = (ϕ, ϕ0 , . . . , ϕ(n−1) ) eine Lsg. des Systems Y 0 = F (x, Y ) von n Differenzialgleichungen erster Ordnung ist. 210 / 255 Gewöhnliche DGLn höherer Ordnung Folgerung I Sei Ω ⊂ R × Rn offen und f : Ω → R, (x, Y ) 7→ f (x, Y ), sei stetig und bez. Y Lipschitz-stetig. (i) Sei I ⊂ R ein Intervall, x0 ∈ I und ϕ, ψ : I → R seien zwei Lösungen der DGL (∗) y (n) = f (x, y , y 0 , . . . , y (n−1) ) mit Φ(x0 ) = Ψ(x0 ) := (ψ(x0 ), ψ 0 (x0 ), . . . , ψ (n−1) (x0 )). Dann gilt ϕ = ψ. (ii) Zu jedem (x0 , Y0 ) ∈ Ω existiert > 0 und (genau) eine Lsg. ϕ : (x0 − , x0 + ) → R von (∗) mit der Anfangsbedingung Φ(x0 ) = Y0 . Beweis. Das folgt aus dem Existenz- und Eindeutigkeitssatz für Systeme von DGLn 1. Ordnung, denn aus der Lipschitz-Stetigkeit von f bez. Y folgt die von (x, Y ) 7→ F (x, Y ) = (y 1 , . . . , y n−1 , f (x, Y )). 211 / 255 Lineare gewöhnliche DGLn höherer Ordnung Folgerung I Sei I ⊂ R ein Intervall, und b, ak : I → R seien stetige Funktionen, k = 0, 1, . . . , n − 1. (i) Die Lösungen ϕ : I → R der homogenen DGL n. Ordnung y (n) + an−1 (x)y (n−1) + · · · + a1 (x)y + a0 (x) = 0 bilden einen n-dimensionalen Vektorraum L. (ii) Die Lösungen ϕ : I → R der inhomogenen DGL n. Ordnung (∗) y (n) + an−1 (x)y (n−1) + · · · + a1 (x)y + a0 (x) = b(x) bilden einen n-dimensionalen affinen Raum L + ψ, wobei ψ eine spezielle Lsg. von (∗) ist. 212 / 255 Lineare gewöhnliche DGLn mit konstanten Koeffizienten Satz I Sei P(t) = t n + an−1 t n−1 + · · · + a1 t + a0 ∈ R[t] ein Polynom vom Grad n. I λj seien die reellen und µk = αk + iβk , µk die imaginären Nullstellen von P mit den zugehörigen Multiplizitäten `j , mk , wobei j = 1, . . . , r und k = 1, . . . , s. I Dann bilden die Funktionen x ` e λj x , x m e αk x cos βk x, ` = 0, 1, . . . , `j − 1, x m e αk x sin βk x, m = 0, 1, . . . , mk − 1, eine Basis des Lösungsraums der homog. DGL d P( dx )y := y (n) + an−1 y (n−1) + · · · + a1 y + a0 = 0. 213 / 255 Lineare gewöhnliche DGLn mit konstanten Koeffizienten Beweis. I Wir zeigen zuerst, dass die Funktion x ` e λx die DGL löst, wenn λ eine NS von P mit Multiplizität > ` ist. I Da P den Faktor (t − λ)`+1 enthält, folgt das aus der I Behauptung: (d/dx − λ)k p(x)e λx = p (k) (x)e λx für alle Polynome p. (Bew. durch Induktion nach k ≥ 0.) I Das beweist, dass die Funktionen x ` e λj x für ` ≤ `j − 1 und x m e µk x , x m e µk x für m ≤ mk − 1 die DGL lösen und ebenso I die reellwertigen Linearkombinationen x m e αk x cos βk x = Re x m e µk x und x m e αk x sin βk x = Im x m e µk x . I Die lineare Unabhängigkeit obiger Lösungen folgt aus dem nächsten Lemma. 214 / 255 Lineare gewöhnliche DGLn mit konstanten Koeffizienten Lemma I Seien c1 , . . . , cn ∈ C paarweise verschieden und p1 (x), . . . , pn (x) ∈ C[x]. I Dann folgt aus p1 (x)e c1 x + · · · + pn (x)e cn x = 0 für alle x ∈R p1 = · · · = pn = 0. Beweis. I n = 1: Aus p1 (x)e c1 x = 0 folgt p1 (x) = 0. I Induktionsschritt n → n + 1: Wir nehmen an, dass Pn+1 cj x = 0 für alle x ∈ R. p (x)e j=1 j I Sei k der Grad des Polynoms pn+1 . Dann gilt (d/dx − cn+1 )k+1 pn+1 (x)e cn+1 x = 0 und somit 215 / 255 Lineare gewöhnliche DGLn mit konstanten Koeffizienten Weiter im Beweis des Lemmas: I 0 = (d/dx − cn+1 )k+1 n+1 X pj (x)e cj x = j=1 I I I n X hj (x)e cj x j=1 mit gewissen Polynomen hj . Aus der Induktionsvoraussetzung folgt hj = 0. Um zu zeigen, dass pj = 0, schreiben wir P m (t − cn+1 )k+1 = k+1 m=0 am (t − cj ) mit a0 6= 0. Daraus ergibt sich hj (x)e cj x = (d/dx − cn+1 )k+1 pj (x)e cj x = k+1 X (m) am pj (x)e cj x m=0 I und somit hat hj denselben Grad wie pj . Das ist nur möglich, wenn pj = 0. 216 / 255 Inhomog. lin. gewöhnliche DGLn mit konst. Koeffizienten Satz I (i) Sei P(t) = t n + an−1 t n−1 + · · · + a1 t + a0 ∈ R[t] und µ ∈ R mit P(µ) 6= 0. Dann gilt: e µx P(µ) d )y = e µx . ist eine Lsg. der inhomog. DGL P( dx (ii) Sei f (x) ∈ R[x] vom Grad m. Dann hat die inhomog. DGL d P( dx )y = f (x)e µx eine Lsg. der Form g (x)e µx , wobei g (x) ∈ R[x] vom Grad m ist. 217 / 255 Inhomog. lin. gewöhnliche DGLn mit konst. Koeffizienten Beweis. I Wir schreiben P(t) = I Daraus ergibt sich Pn k=0 bk (t − µ)k mit b0 = P(µ) 6= 0. n X d P( )x m e µx = bk (x m )(k) e µx =: f0 (x)e µx , dx k=0 wobei f0 (x) ∈ R[x] vom Grad m ist. I d Insbesondere P( dx )e µx = P(µ)e µx . Das beweist (i) und liefert den Induktionsanfang m = 0 für (ii). I Es gibt c 6= 0, so dass h(x) = f (x) − cf0 (x) Grad ≤ m − 1 hat. I Daher existiert nach Ind.vor. eine Lsg. g1 (x)e µx von d P( dx )y = h(x)e µx mit einem Polynom g1 (x) vom Grad ≤ m − 1. I g (x) = cx m + g1 (x) ist dann das gesuchte Polynom vom Grad m. 218 / 255 Inhomog. lin. gewöhnliche DGLn mit konst. Koeffizienten Satz I Sei µ ∈ R eine k-fache Nullstelle von P(t) = t n + an−1 t n−1 + · · · + a1 t + a0 ∈ R[t] und f (x) ∈ R[x] vom Grad m. I d )y = f (x)e µx eine Lsg. der Dann hat die inhomog. DGL P( dx µx Form h(x)e , wobei h(x) = k+m X cj x j . j=k 219 / 255 Inhomog. lin. gewöhnliche DGLn mit konst. Koeffizienten Beweis. I Wir schreiben P(t) = Q(t)(t − µ)k , mit einem Polynom Q(t) vom Grad m − k und Q(µ) 6= 0. I Nach dem vorigen Satz existiert ein Polynom g (x) vom Grad d m, so dass g (x)e µx eine Lsg. von Q( dx )y = f (x)e µx ist. Pk+m Sei h(x) = j=k cj x j derart, dass h(k) (x) = g (x). Dann ist d )y = f (x)e µx . h(x)e µx die gesuchte Lsg. von P( dx I Bemerkung. Die letzten beiden Sätze gelten auch für DGLn mit komplexen Koeffizienten, d.h. P, f , g , h ∈ C[x], µ ∈ C. Die Lösungen ϕ : R → C sind komplexwertige Funktionen der reellen Variablen x. 220 / 255 Beispiel: Harmonischer Oszillator I Wir betrachten die DGL (∗) ẍ + ω02 x = a cos ωt, I I ω, ω0 > 0, a ∈ R∗ . Die Lösungen der homogenen Gleichung sind Linearkombinationen von sin ω0 t und cos ω0 t. Um eine Lsg. von (∗) zu finden betrachten wir die DGL (∗∗) ẍ + ω02 x = ae iωt . (i) Wenn ω 6= ω0 , so existiert eine Lsg. von (∗∗) von der Form a ce iωt . Einsetzen in (∗∗) liefert c = ω2 −ω 2. 0 ϕ(t) = Re ce iωt = c cos ωt ist dann eine Lsg. von (∗). (ii) Wenn ω = ω0 (d.h. der harm. Oszillator wird mit der Eigenfrequenz ω0 angeregt) dann gibt es eine Lsg. von (∗∗) a von der Form cte iωt . Einsetzten in (∗∗) liefert c = 2iω . a iωt I ϕ(t) = Re cte = 2ω t sin ωt ist dann eine Lsg. von (∗) und a die Amplitude der Schwingung | 2ω t| → ∞ für t → ∞ (Resonanzkatastrophe). I 221 / 255 Parameterabhängige Integrale Satz I Sei [a, b] ⊂ R, U ⊂ Rn und f : [a, b] × U → R stetig. I Dann ist die durch Z ϕ(y ) := b f (x, y )dx a definierte Funktion ϕ : U → R stetig. 222 / 255 Parameterabhängige Integrale Beweis. I Sei yk ∈ U eine konvergente Folge mit dem Grenzwert c ∈ U. I Die Menge K = {yk |k ∈ N} ∪ {c} ist kompakt und ebenso [a, b] × K . I Daher ist die stetige Funktion f auf [a, b] × K gleichmäßig stetig I und die Funktionen Fk : [a, b] → R, Fk (x) := f (x, yk ), konvergieren gleichmäßig gegen die stetige Funktion F (x) = f (x, c). Rb Daraus folgt die Konvergenz von ϕ(yk ) = a Fk (x)dx gegen Rb ϕ(c) = a F (x)dx: I |ϕ(yk ) − ϕ(c)| ≤ (b − a) sup |Fk − F | → 0 (k → ∞). [a,b] 223 / 255 Parameterabhängige Integrale Satz I Seien [a, b], I ⊂ R Intervalle und f : [a, b] × I → R, (x, y ) 7→ f (x, y ), stetig und bez. y stetig diffb. I Dann ist die durch Z b f (x, y )dx ϕ(y ) := a definierte Funktion ϕ : I → R stetig diffb. I und es gilt 0 Z ϕ (y ) = a b ∂f (x, y ) dx. ∂y Beweis. I Sei c ∈ I und c 6= yk ∈ I konvergiere gegen c. 224 / 255 Parameterabhängige Integrale Beweis. f (x,yk )−f (x,c) . yk −c I Wir betrachten die Folge Fk (x) := I Wg. des MWS existiert ηk zwischen c und yk mit k) Fk (x) = ∂f (x,η . ∂y I Da ∂f ∂y stetig ist, konvergiert Fk : [a, b] → R gleichmäßig gegen die stetige Funktion F : [a, b] → R, F (x) := I Daher konvergiert ϕ(yk ) − ϕ(c) = yk − c gegen I ∂f (x,c) ∂y . Rb a F (x)dx = Rb a Z b Fk (x)dx a ∂f (x,c) ∂y dx. Somit ist ϕ diffb. die Stetigkeit der Ableitung R b und (x,y ) y 7→ ϕ0 (y ) = a ∂f ∂y dx folgt, wg. des vorigen Satzes, aus der Stetigkeit des Integranden ∂f (x,y ) ∂y . 225 / 255 Parameterabhängige Integrale Folgerung I Sei [a, b] ⊂ Rm , U ⊂ Rn offen und f : [a, b] × U → R, (x, y ) 7→ f (x, y ), stetig und bez. y k-mal stetig diffb. I Dann ist die durch Z ϕ(y ) := b f (x, y )dx a definierte Abbildung ϕ : U → Rm k-mal stetig diffb. 226 / 255 Anwendung auf gew. DGLn I Sei Ω ⊂ R × Rn × Rm und f : Ω → Rn stetig. I Sei I ⊂ R ein Intervall und U ⊂ Rm . Eine partiell nach x diffb. Funktion ϕ : I × U → Rn heißt Lsg. der DGL. (∗) y 0 = f (x, y , z), wenn (i) Γϕ ⊂ Ω und (ii) ∂ϕ(x,z) ∂x = f (x, ϕ(x, z), z) für alle (x, z) ∈ I × U. 227 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Satz I Mit den obigen Bezeichnungen sei Ω offen, f Lipschitz-stetig bez. y und (x0 , y0 , z0 ) ∈ Ω. (i) Dann existiert ein offenes Intervall I 3 x0 und eine offene Umgebung U von z0 , so dass das die Folge Z x ϕ0 = y0 , ϕk+1 (x, z) = y0 + f (t, ϕk (t, z), z)dt x0 auf I × U gleichmäßig gegen eine Lösung ϕ von (∗) mit der Anfangsbed. ϕ(x0 , z) = y0 konvergiert. I Insbesondere ist ϕ : I × U → Rn stetig. (ii) ϕ ist von der Klasse C k ist, wenn f es ist. 228 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Beweis. (i) Sei V ⊂ R × Rm und ϕ : V → Rn eine stetige Abbildung, so dass Γϕ ⊂ Ω. I Dann definiert das parameterabhängige Integral Z x F (ϕ)(x, z) := y0 + f (t, ϕ(t, z), z)dt x0 eine stetige Abbildung F (ϕ) : V → Rn . I Wie beim Beweis des Existenzsatzes zeigt man, dass F eine Kontraktion F : X → X auf einer geeigneten abgeschlossenen Teilmenge X des Banachraums C (B δ (x0 , z0 ), Rn ) definiert, wenn δ > 0 klein genug ist. I Die Picard-Lindelöfsche Folge ϕk konvergiert dann auf B δ (x0 , z0 ) ⊃ I × U gleichmäßig gegen eine stetige Grenzfkt. ϕ. 229 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Grenzübergang in der Rekursionsformel liefert daher Z x ϕ(x, z) = y0 + f (t, ϕ(t, z), z)dt. x0 Diese Integralgleichung zeigt, dass ϕ eine Lsg. von (∗) mit ϕ(x0 , z) = y0 ist. (ii) Wir zeigen nun, dass ϕ : I × U → Rn stetig diffb. ist, wenn f es ist. I Aus der Stetigkeit von f und ϕ folgt mit Hilfe der DGL ∂ϕ(x, z) = f (x, ϕ(x, z), z) ∂x I I I die Stetigkeit der partiellen Ableitung ∂ϕ ∂x . Um die Darstellung zu vereinfachen, nehmen wir o.B.d.A. an, dass m = 1. Um zu zeigen, dass ∂ϕ ∂z existiert und stetig ist benutzen wir folgendes Lemma. 230 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: Lemma I Sei I ⊂ R ein Intervall und fk : I → R eine Folge stetig diffb. Funktionen, die punktweise gegen f : I → R konvergiert und so, dass fk0 gleichmäßig gegen g : I → R konvergiert. I Dann ist f stetig diffb. und f 0 = g . Beweis. I Grenzübergang in der Gleichung Z x fk (x) = fk (x0 ) + fk0 (t)dt x0 Rx I liefert f (x) = f (x0 ) + x0 g (t)dt. f 0 = g . f ist I stetig diffb., denn g ist als Somit ist f diffb. und Limes einer glm. konvergenten Folge stetiger Funktionen stetig. 231 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Wg. des Lemmas genügt es zu zeigen, dass (nach evtl. Verkleinerung von δ) ψk := ∂ϕk ∂z auf Qδ := B δ (x0 ) × B δ (z0 ) gleichmäßig konvergiert, wobei Z x ϕ0 = y0 , ϕk+1 (x, z) = y0 + f (t, ϕk (t, z), z)dt. x0 I Ableiten dieser Rekursionsformel nach z liefert (1) ψk+1 (x, z) = Z x ∂f ∂f ( (t, ϕk (t, z), z)ψk (t, z) + (t, ϕk (t, z), z))dt. ∂z x0 ∂y | {z } | {z } Ak (t,z):= bk (t,z):= 232 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Wir setzen A(t, z) := I I ∂f (t, ϕ(t, z), z), ∂y b(x, z) := ∂f (t, ϕ(t, z), z). ∂z Da f C 1 ist und ϕk glm. gegen ϕ konvergiert, konvergieren Ak , bk glm. gegen A bzw. b. Wenn ψk glm. konvergiert, dann gilt für den Limes ψ also Z x (2) ψ(x, z) = (A(t, z)ψ(t, z) + b(t, z)) dt. x0 I I I ψ ist dann notwendigerweise die Lsg. der inhomog. DGL y 0 = A(x, z)y + b(x, z) mit ψ(x0 , z) = 0. Insbesondere ist ψ stetig. Sei ψ diese eindeutig bestimmte Lsg. Wir zeigen, dass ψk tatsächlich glm. gegen ψ konvergiert. 233 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Wir schreiben kv k∞ := supQδ kv (x, z)k für jede vektor- oder matrixwertige Funktion v auf Qδ . I Da ψ stetig ist und Ak glm. konvergiert, existiert K > 0 mit kψk∞ , kAk k∞ ≤ K . I Außerdem existiert, wg. der glm. Konvergenz von Ak , bk gegen A, b, für alle > 0 ein N() ∈ N, so dass kA − Ak k∞ , kb − bk k∞ ≤ . für alle k ≥ N(). 234 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Aus (1) und (2) folgt hk+1 (x, z) := kψ(x, z) − ψk+1 (x, z)k Z x ≤ kA(t, z)ψ(t, z) − Ak (t, z)ψk (t, z)kdt x0 Z x + kb(t, z) − bk (t, z)kdt x0 Z x Z x ≤ kA − Ak k∞ kψk∞ dt + kAk k∞ kψ(x, z) − ψk (x, z)kdt x0 x0 Z x + kb − bk k∞ dt x0 Z x ≤ |x − x0 |K + K kψ(x, z) − ψk (x, z)kdt + |x − x0 | x0 Z x = C |x − x0 | + K hk (x, z)dt, x0 wobei C := K + 1. 235 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Insgesamt erhalten wir Z x (∗k+1 ) hk+1 (x, z) ≤ C |x − x0 | + C hk (x, z)dt. x0 I Daraus ergibt sich mit Hk := kψ − ψk k∞ : (1) hk+1 (x, z) ≤ C (Hk + )|x − x0 |. I Einsetzten von (1) in (∗k+2 ) ergibt (2) hk+2 (x, z) ≤ C |x − x0 | + C 2 (Hk + ) I |x − x0 |2 . 2 Einsetzen von (2) in (∗k+3 ) liefert (3) hk+3 (x, z) ≤ C |x−x0 |+C 2 |x − x0 |2 |x − x0 |3 +C 3 (Hk +) . 2 3! 236 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Induktiv ergibt sich hk+` (x, z) ≤ l−1 X j=1 Cj |x − x0 |j |x − x0 |` + C ` (Hk + ) j! `! ≤ e C |x−x0 | + C ` (Hk + ) |x − x0 |` `! I Für alle η > 0 existiert > 0, so dass e C |x−x0 | < η/2 für alle x ∈ B δ (x0 ). I Für alle k ≥ N() existiert M, so dass ` 0| ≤ η/2 für alle ` ≥ M. C ` (Hk + ) |x−x `! I Daraus folgt limj→∞ Hj = 0. I Wir haben bewiesen, dass ψk glm. gegen ψ konvergiert und somit, dass ϕ stetig diffb. ist. 237 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Weiter im Beweis: I Wir zeigen durch Induktion, dass ϕ C k ist, wenn f C k ist. I Für k = 0, 1 ist das schon bewiesen. Es bleibt der Induktionsschritt k − 1 → k. I Sei f von d. Klasse C k und somit nach Ind.vor. ϕ von d. Klasse C k−1 . Rx Die Gleichung ∂ϕ ∂x (x, z) = y0 + x0 f (t, ϕ(t, z), z)dt zeigt, dass I ∂ϕ ∂x (k − 1)-mal stetif diffb. ist, d.h. alle partiellen Ableitungen von ϕ der Ordnung k, die mindestens eine Ableitung nach x enthalten existieren und sind stetig. I Es bleibt zu zeigen, dass I ∂ϕ ∂z ∂k ϕ ∂z k existiert und stetig ist. y0 erfüllt die DGL = A(x, z)y + b(x, z), wobei A und b von d. Klasse C k−1 sind. I Also ist ∂ϕ ∂z nach Ind.vor. von der Klasse C k−1 . 238 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Folgerung I Sei Ω ⊂ R × Rn offen, f : Ω → Rn stetig und bez. y lokal Lipschitzstetig und (x0 , y0 ) ∈ Ω. I Dann existiert ein offenes Intervall I 3 x0 und eine offene Umgebung U ⊂ Rn von y0 , so dass für alle z ∈ U die Lsg. ϕz der DGL y 0 = f (x, y ) mit der Anfangsbed. ϕz (x0 ) = z auf dem ganzen Intervall I definiert ist. I Die Abbildung ϕ : I × U → Rn , (x, z) 7→ ϕz (x), ist stetig. I ϕ : I × U → Rn ist k-mal stetig diffb., wenn f es ist. (Die Lsg. der DGL hängt also stetig bzw. k-mal stetig diffb. von den Anfangsbedingungen ab.) 239 / 255 Anwendung auf gew. DGLn Beweis (der Folgerung). I Das Anfangswertproblem y 0 = f (x, y ), y (x0 ) = z geht durch die Substitution ỹ := y − z in ỹ 0 = f˜(x, ỹ , z) := f (x, ỹ + z), ỹ (x0 ) = 0 über. I Auf diese parameterabhängige DGL können wir den vorhergehenden Satz anwenden. 240 / 255 Fourier-Reihen I Sei V der Vektorraum der (2π-)periodische Funktionen f : R → C, so dass f |[0,2π] integrierbar ist. I Die Funktionen ek (x) := exp(ikx) , k ∈ Z, bilden ein orthonormales System bez. der Hermiteschen Form Z 2π 1 f (x)g (x)dx, f , g ∈ V . (∗) hf , g i := 2π 0 I (∗) ist positiv semi-definit, d.h. hf , f i ≥ 0 für alle f ∈ V . Auf dem Unterraum der stetigen Funktionen ist (∗) positiv definit und somit ein SKP. R 2π 1 −ikx dx ∈ C heißt k-ter ck := hf , ek i = 2π 0 f (t)e P Fourier-Koeffizient und Fn (f ) := nk=−n ck ek n-tes Fourier-Polynom von f . I I Die Reihe (Fn (f ))n=0,1,... heißt Fourier-Reihe von f . 241 / 255 Fourier-Reihen Bemerkung. I Es gilt n Fn (f ) = a0 X + (ak cos kx + bk sin kx), 2 k=1 wobei ak bk I = ck + c−k 1 = π Z 2π f (x) cos kxdx 0 1 = i(ck − c−k ) = π Z 2π f (x) sin kxdx. 0 Wenn f reellwertig ist, dann ist c−k = c k und Fn (f ) ist reellwertig. 242 / 255 Fourier-Reihen Satz (i) Fn (f ) ist die beste Approximation an f ∈ V in dem Unterraum Vn := span{ek | − n ≤ k ≤ n}, d.h. p kf − Fn (f )k2 = inf g ∈Vn kf − g k2 , wobei kf k2 := hf , f i. (ii) Desweiteren gilt P kf − Fn (f )k22 = kf k22 − kFn (f )k22 = kf k22 − nk=−n |ck |2 . Beweis. I (ii) kann man direkt nachrechnen. Um (i) zu zeigen, P berechnen wir für g = nk=−n dk ek ∈ Vn : kf − g k22 = kf k22 − = kf k22 − n X k=−n n X k=−n (d k ck + dk ck ) + n X |dk |2 k=−n |ck |2 + kFn (f ) − g k22 . 243 / 255 Fourier-Reihen Folgerung I Für die Fourier-Koeffizienten ck von f ∈ V gilt die Besselsche Ungleichung: ∞ X |ck |2 ≤ kf k22 . k=−∞ I Gleichheit gilt genau dann, wenn die Fourier-Reihe Fn (f ) im quadratischen Mittel gegen f konvergiert. 244 / 255 Fourier-Reihen Satz (i) Für alle f ∈ V gilt kf k22 = ∞ X |ck |2 k=−∞ (ii) und die Fourier-Reihe konvergiert im quadratischen Mittel gegen f , d.h. limn→∞ kf − Fn (f )k2 = 0. Beweis. I Wg. des vorhergehenden Satzes sind (i) und (ii) äquivalent. I Das nächste Lemma zeigt, dass der Satz für Treppenfunktionen gilt. 245 / 255 Fourier-Reihen Lemma I Sei f ∈ V so dass f |[0,2π] eine Treppenfunktion ist. I Dann konvergiert Fn (f ) im quadratischen Mittel gegen f . Weiter im Beweis des Satzes: I f |[0,2π] ist als Riemann-integrierbare Funktion beschränkt. Wir können o.B.d.A. annehmen, dass f reellwertig ist und |f | ≤ 1. I Dann existieren zu > 0 Treppenfunktionen R 2π 1 −1 ≤ ϕ ≤ f ≤ ψ ≤ 1, so dass 2π 0 (ψ(x) − ϕ(x))dx ≤ 2 8. I Mit (ψ − ϕ)2 ≤ 2(ψ − ϕ) folgt daraus 2 kf − ϕk22 ≤ kψ − ϕk22 ≤ 4 und somit kf − ϕk2 ≤ 2 . I Wg. des Lemmas existiert N ∈ N, so dass kϕ − Fn (ϕ)k2 < für alle n ≥ N. I Mit g = f − ϕ gilt kg − Fn (g )k2 ≤ kg k2 ≤ 2 und somit kf − Fn (f )k2 ≤ kg − Fn (g )k2 + kϕ − Fn (ϕ)k2 < . 2 246 / 255 Fourier-Reihen Beweis des Lemmas: Beweis I Wir können annehmen, dass f |(0,a) = 1 und f |(a,2π) = 0, denn jede Treppenfunktion läßt sich als Linearkombination solcher Funktionen darstellen. I a Als Fourier-Koeffizienten erhalten wir c0 = 2π und i −ikx a ck = e , k ∈ N. 2πk 0 I Mit |ck |2 = 1−cos ka 2π 2 k 2 ∞ X k=−∞ |ck |2 = (k 6= 0) erhalten wir ∞ ∞ a2 1 X 1 1 X cos ka + − . 4π 2 π 2 k 2 π2 k2 k=1 k=1 247 / 255 Fourier-Reihen Weiter im Beweis: I Mit Hilfe der für alle x ∈ [0, 2π] gültigen Formel ∞ X cos kx x − π 2 π2 (∗) = − k2 2 12 k=1 I erhalten wir P∞ 1 π2 k=1 k 2 = 6 und ∞ X k=−∞ I I I |ck |2 = a2 1 1 a − π 2 π2 a + − (( ) − )= = kf k22 . 2 2 4π 6 π 2 12 2π Also konvergiert Fn (f ) im quadr. Mittel gegen f . Zum Beweis stellen wir zuerst fest, dass die Reihe P voncos(∗) kx F (x) := ∞ absolut und glm. auf R konvergiert. 2 k=1 k P sin kx Behauptung: Die Reihe der Ableitungen − ∞ k=1 k konvergiert für alle δ > 0 auf [δ, 2π − δ] glm. gegen x−π 2 . 248 / 255 Fourier-Reihen Weiter im Beweis: 2 I I I I I (x−π) Daraus folgt F 0 (x) = x−π + c. 2 und F (x) = 4 Um die Konstante c zu bestimmen berechnen wir: 2π Z 2π (x − π)3 π3 + 2πc = + 2πc. F (x)dx = 12 6 0 0 P cos kx Gliedweise Integration der Reihe F (x) = ∞ k=1 k 2 ergibt R 2π 2 π 0 F (x)dx = 0, d.h. c = − 12 . Das beweist (∗). P sin kx Wir müssen noch die glm. Konvergenz von ∞ gegen k=1 k π−x auf [δ, 2π − δ] zeigen. 2 Dazu schätzen Pn wir zunächst Pn ikx ab: sn (x) := k=1 sin kx = Im k=1 e n X 1 − e inx 2 1 ikx ≤ |sn (x)| ≤ e = e ix ≤ . 1 − e ix |e ix/2 − e −ix/2 | sin δ/2 k=1 249 / 255 Fourier-Reihen Weiter im Beweis: I I I Aus |sn (x)| ≤ sin1δ/2 =: σ erhalten wir weiter Pm sin kx Pm sk (x)−sk−1 (x) = k k=n k=n k P sn−1 (x) sm (x) 1 1 s (x) = m − + − k k k+1 n k=n m+1 1 1 ≤ σ n1 − m+1 + m+1 + n1 = 2σ n . P∞ sin kx 2σ Also k=n k ≤ n , woraus die glm. Konvergenz der Reihe folgt. Wir müssen noch zeigen, dass ∞ X sin kx k=1 k = π−x 2 für alle x ∈ (0, 2π). 250 / 255 Fourier-Reihen Weiter im Beweis: I Es gilt n X sin kx k = Rx π cos kt dt und n n 1 X ikt 1 X ikt 1 (e + e −ikt ) = e − 2 2 2 cos kt = k=1 k=1 k=−n e −int (1 e i(2n+1)t ) − 2(1 − e it ) = sin(n + 12 )t 1 1 − = − . 2 2 2 sin 2t Lemma Für jede stetig diffb. Funktion f : [a, b] → R gilt mit r ∈ R: Z lim |r |→∞ a b f (x) sin rx dx = 0. Beweis. partielle Integration. 251 / 255 Fourier-Reihen Weiter im Beweis: I Mit Hilfe des Lemmas erhalten wir schließlich: Z x ∞ X sin(n + 12 )t x −π π−x sin kx = lim dt − = . t n→∞ π k 2 2 2 sin 2 k=1 252 / 255 Fourier-Reihen Satz I Sei f ∈ V stetig und stückweise C 1 , d.h. es gibt eine Unterteilung 0 = t0 < t1 < · · · < tr = 2π, so dass fk := f |[tk−1 ,tk ] von der Klasse C 1 ist, k = 1, . . . , r . I Dann konvergiert Fn (f ) gleichmäßig gegen f . Beweis. I Sei ϕ die periodische Funktion mit ϕ|[tk−1 ,tk ) = fk0 . I Die Fourier-Koeffizienten cn von f ergeben sich durch part. Integr. aus den Fourier-Koeff. γn von ϕ: tk Z tk Z i i tk −inx −inx dx = f (x)e f (x)e − ϕ(x)e −inx dx. n n tk−1 tk−1 tk−1 I Wg. der Periodizität von f erhält man daraus cn = − ni γn (n 6= 0). 253 / 255 Fourier-Reihen Weiter im Beweis: I Desweiteren gilt nach der binomischen Formel |γn | 1 1 ≤ ( 2 + |γn |2 ). n 2 n P∞ 1 P∞ Aus n=1 n2 < ∞ und n=−∞ |γn |2 < ∞ (Besselsche-Ungl.) folgt nun die absolute und gleichmäßige Konvergenz der Fourier-Reihe Fn (f ) gegen eine stetige Grenzfunktion g . |cn | = I I Andererseits konvergiert Fn (f ) im quadratischen Mittel gegen f. I Das ist nur möglich, wenn f = g , denn beide Funktionen sind stetig. 254 / 255 Weierstraßscher Approximationssatz für periodische Funktionen Folgerung I Jede stetige periodische Funktion f ∈ V läßt sich glm. durch trigonometrische Polynome approximieren. I (Ein trigonometrisches vom Grad ≤ n ist eine Pn Polynom ikx Linearkombination k=−n γk e .) Beweis. Jede stetige Funktion läßt sich glm. durch stückweise lineare Funktionen approximieren, die wiederum durch ihre Fourier-Reihe glm. approximiert werden. 255 / 255