Ausgabe 08-2015 THE EUROPEAN Value Investor INVESTMENTSTRATEGIEN JENSEITS DES MAINSTREAM The European ValueInvestor erscheint in Kooperation mit dem Zentrum für Value Investing. Hier finden Sie Informationen, Interviews und Investmentideen zum Anlagestil Value. STARK IN DER REGION Christian Zogg (links), Fondsmanager und stellvertretender Geschäftsführer der LLB Asset Management AG, und Co-Manager Thomas Kühne sind für die Anlagestrategie des Bank Linth Regiofonds Zürichsee und des LLB Aktien Regio Bodensee verantwortlich. Letzterer legt nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, Österreich und Liechtenstein an. In der regionalen Begrenzung sehen sie keinen Nachteil, sondern die Chance, Unternehmen besser kennenzulernen und intensiver zu analysieren. „Klein, aber kompetitiv“ LLB Asset Management bietet mit dem Aktien Regio Bodensee einen Fonds an, der sich auf ein Anlageuniversum von 300 Unternehmen beschränkt. Aber die haben es in sich €uro: Warum begrenzen Sie Ihr Anlageuniversum? Ist Value-Investing nicht eine weltweite Strategie? Thomas Kühne: Selbstverständlich kann man Value-Strategien auch weltweit verfolgen. Bei der LLB setzen wir unseren Value-Ansatz in den gesamten entwickelten Märkten ein, allerdings decken die Fondsmanager jeweils nur eine Region — Europa, Nordamerika oder Pazifik — ab. Die Fondsmanager kennen sich somit in ihrer Region besser aus, was weltweit gesehen eher schwierig wäre. Christian Zogg: Der Bodensee-Raum wiederum stellt für die Liechtensteinische Landesbank die geografische Hauptstoßrichtung dar und zeichnet sich gleichzeitig im Vergleich zu anderen Regionen als überdurchschnittlich kompetitive Wirtschaftsregion aus. Bis zur Lancierung des LLB Aktien Regio Bodensee im Jahr 1998 existierte kein Anlageprodukt, welches diese Region explizit als Anlagethema zum Inhalt hatte. Woran liegt es, dass die Wirtschaftskraft im Alpenraum so konzentriert ist, warum laufen andere Regionen hinterher? Zogg: In erster Linie haben sich die einzelnen Unternehmen selber über Jahrzehnte erfolgreich auf gewisse Nischen fokussiert und dort dank erfolg- reicher Strategien und Innovationskraft Erfolge erzielt. Da der Heimatmarkt gerade in der Schweiz relativ klein ist, mussten sich die Unternehmen immer auch auf dem europäischen oder dem Weltmarkt behaupten. Kühne: Daneben hat die Schweiz über Jahrzehnte eine kompetitive Wirtschaftspolitik verfolgt: Die Regierung hat keine Beschäftigungsprogramme mit 35-Stunden-Wochen eingeführt und eine relativ tiefe Steuerquote beibehalten. Außerdem hat man dank der Berufslehre und der starken Hochschulen eine sehr gut ausgebildete Belegschaft. Die Unternehmen sind flexibel, notfalls Stellen abzubauen, was es BILD: IMPLENIA AG Ausgabe 08-2015 aber auch erleichtert, neue Stellen zu schaffen. Insgesamt konnte man somit eine Produktivität erreichen, die trotz höherer Löhne auf dem Weltmarkt mithalten kann. Wie genau nehmen Sie die regionale Abgrenzung? Gehört Fuchs Petrolub (Mannheim, Baden-Württemberg) noch zum Anlageuniversum, BASF (Ludwigshafen, Rheinland-Pfalz) aber nicht mehr, weil es auf der falschen Rheinseite liegt? Zogg: Ja, in Deutschland können wir tatsächlich nur in Unternehmen aus den beiden Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg investieren. Dies ist allerdings kein willkürlicher Entscheid, denn bei der Definition des Universums lehnten wir uns an die Internationale Bodenseekonferenz an, die verschiedene Schweizer Kantone, die beiden deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern, das Land Vorarlberg sowie das Fürstentum Liechtenstein umfasst. Dies ergibt eine länderübergreifende Auswahl von nahezu 300 interessanten Unternehmen, die für eine Investition infrage kommen. Nehmen Sie Über- oder Untergewichtungen aufgrund volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen vor? Zogg: Selbstverständlich beobachten wir auch die Makro-Daten und politischen Rahmenbedingungen. Die Titelselektion geschieht aber grundsätzlich nach dem Bottom-up-Prinzip. Das heißt, dass wir keine Vorgaben bezüglich Sektorgewichtungen machen. ­Insofern ist jede Aktie im Universum gleichberechtigt. Wir verfügen über quantitative Modelle, um eine Aktie auf verschiedene Bewertungsmaß­ stäbe hin zu untersuchen. Kühne: Diesem Screening folgt eine Fundamentalanalyse, die weitere Faktoren außerhalb des Modells mit einbezieht, bevor ein Investitionsentscheid gefällt wird. Dazu zählen ­beispielsweise auch Kontakte zum ­ anagement und Firmenbesuche. M Selbstverständlich spielen für die ­Größe der Position auch Kriterien wie Handelbarkeit, Liquidität, Free Float oder Aktionärsstruktur eine Rolle. Welches sind Ihre aktuellen Favoriten unter den Werten der Region? Kühne: Als attraktiv sehen wir Implenia an. Der klare Marktführer in der Schweizer Baubranche ist bei ausländischen Anlegern noch relativ unbekannt. Und im Schweizer Markt wird Implenia mit volatilem Neubau-Exposure gleichgesetzt, obwohl mittlerweile 63 Prozent des Umsatzes mit öffentlichen Aufträgen generiert werden. Diese sind meistens wenig zyklische, langfristige Infrastrukturprojekte, die teilweise in der Krise im Rahmen von Konjunkturpaketen sogar noch verstärkt werden. Wo hat das Unternehmen Wettbewerbsvor- oder -nachteile? Zogg: Implenia hat in der Schweiz 15 bis 20 Prozent Marktanteil im Bereich Generalunternehmung und etwa zehn Prozent Marktanteil im Infrastrukturbereich. Außerdem verfügt Implenia gerade auch durch die Mitwirkung beim Gotthard-Basistunnel über ein sehr vertieftes Wissen im Tunnelbau. In letzter Zeit hat Implenia auch einige sehr große Projekte in Norwegen und Österreich gewonnen. Nach der Akquisition von Bilfinger Construction ist Implenia nun definitiv einer der führenden Infrastrukturspezialisten in Nordeuropa. Die Akquisition war unserer Ansicht nach auch sehr günstig. Der Kaufpreis inklusive Schuldenübernahme betrug lediglich das Sechsfache des Gewinns vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen. Welche Margen- und Gewinnentwicklung gab es in der Vergangenheit, was ist in Zukunft zu erwarten? Zogg: Implenia konnte das operative Ergebnis (Ebit) und die Kapitalrendite (ROIC) seit 2006 praktisch immer steigern. Für dieses Jahr erwarten ➝ IMPLENIA 70 € 60 50 40 30 20 10 ‘10 2011 2012 2013 2014 2015 ISIN CH 002 386 855 4 Kurs 51,50 € Börsenwert 944,6 Mio. € KGV 2016e 11,7 Kurs-Buchwert-Verhältnis 1,7 Kapitalrendite (ROIC) 17,3 % Dividendenrendite 3,5 % Stichtag: 13.07.2015 Geschäftsmodell: Bauunternehmen mit Sitz in Dietlikon im Kanton Zürich. Bewertung: Auf KGV-Ebene wurde Implenia in den vergangenen Jahren sehr ähnlich wie der Sektor gehandelt, ist aber aktuell mit einem KGV von 11,7 unter dem Sektorwert von 14 bewertet. Im Gegensatz zur Konkurrenz verfügt Implenia über eine große Nettoliquiditätsposition (etwa 20 Prozent des aktuellen Börsenwerts. Darum zeigt sich auch auf der Stufe Unternehmenswert zu operativem Nettogewinn nach Steuern (EV/NOPAT) eine relative Unterbewertung von 30 Prozent, selbst wenn man bei Implenia die operativ benötigte Liquidität (120 Millionen Franken) zum Enterprise Value dazurechnet und dies bei den Wettbewerbern nicht korrigiert. Auch absolut gesehen ist die Bewertung günstig. Ausgabe 08-2015 THE EUROPEAN VALUE INVESTOR BECHTLE 80 € 70 60 50 40 30 20 ‘10 2011 2012 2013 2014 2015 ISIN DE 000 515 870 3 Kurs 75,05 € Börsenwert 1,5 Mrd. € KGV 2016e 16,5 Kurs-Buchwert-Verhältnis 2,5 Kapitalrendite (ROA) 7,9 % Dividendenrendite 1,9 % Stichtag: 13.07.2015 Geschäftsmodell: Zweitgrößter deutscher IT-Dienstleister mit Sitz in Neckarsulm (Baden-Württemberg) und 50 Standorten im Inland. Bewertung: Bechtle konnte in den zurückliegenden Jahren sowohl den Gewinn als auch den Umsatz praktisch immer steigern. Die operative Marge liegt mit rund vier Prozent zwar immer noch unter dem Sektordurchschnitt von fünf Prozent, dies ist aber auf das Onlinegeschäft zurückzu­ führen. Entsprechend ist auch der Kapitalumschlag von Bechtle höher als bei der Konkurrenz. Insgesamt hat Bechtle in den vergangenen zehn Jahren immer Gesamtkapitalrenditen (RoA) über sieben Prozent erreicht. Auch die Free-Cashflow-Generierung der Gesamtkapitalbasis lag im gleichen Zeitraum sehr konstant bei rund fünf Prozent. wir nur ein leichtes Gewinnwachstum, weil die Integration von Bilfinger Construction kurzfristig Kosten verursacht. Für die nächsten zwei Jahre sind wir allerdings positiver und erwarten, dass das Mittelfristziel des Unternehmens von 140 bis 150 Millionen Schweizer Franken Ebit auch effektiv erreicht wird. Auch ein Freier Cashflow von rund 100 Millionen Franken sollte für 2016/2017 in Reichweite liegen. Beim aktuellen Kurs würde das einer Freien-Cashflow-Rendite von neun Prozent entsprechen. Warum ist das Unternehmen Ihrer Meinung nach unterbewertet? Kühne: Gemessen am Verhältnis von Unternehmenswert zum operativen Nachsteuerergebnis — die Formel heißt EV/NOPAT — beträgt der Abschlag zum Sektor etwa 30 Prozent. Spätestens wenn die Unternehmung ab nächstem Jahr dann tatsächlich den Gewinnsprung in Richtung 140 bis 150 Millionen Franken Ebit schafft, sollte sich der Newsflow verbessern und die Aktie auch entsprechend anziehen. Bis dahin sind außer der Bewertung keine anderen Katalysatoren erkennbar. Grundsätzlich würde es unseres Erachtens auch helfen, wenn eine größere Investmentbank die Aktie mit Research begleiten würde. Ein Damoklesschwert, nämlich eine mögliche Kapitalerhöhung nach der Bilfinger-Übernahme, ist aber mit der Emission einer Wandelanleihe nun aus der Welt geräumt. Der Wandelpreis liegt bei 75,05 Franken, somit müsste die Aktie erst einmal über 40 Prozent zulegen, bevor wir uns mit der Gewinnverwässerung von zehn Prozent beschäftigen müssten. Bis dahin sind die Zinskosten tiefer und die Eigenkapitalausstattung mittelfristig erhöht, was die strategische Flexibilität verbessert. Welcher spezifischen Risiken sollten sich Anleger bewusst sein? Kühne: Implenia geht als Baufirma immer gewisse Projektrisiken ein. Die Grundnachfrage hängt auch vom privaten und öffentlichen Bauvolumen — etwa von Eisenbahn- oder Straßenprojekten — ab. Die ausgeschriebenen Aufträge müssen jeweils auch gewonnen werden, was ebenfalls ein Risiko darstellt. Allerdings hat Implenia in der Vergangenheit bewiesen, dass die Unternehmung stark aufgestellt ist. Beispielsweise gilt der Fokus auf Norwegen aktuell eher der Abarbeitung der bereits gewonnen Aufträge, weil Implenia zuvor so viele Ausschreibungen für sich entschieden hatte. Auf der wie erwähnt äußerst tiefen Bewertung sind aber auch bereits sehr viele Risiken eingepreist. Zählt auch ein deutsches Unternehmen zu Ihrem Favoritenkreis? Zogg: Aber sicher: Bechtle, das ist in Deutschland nach Computacenter der zweitgrößte IT-Dienstleister. Das Geschäftsmodell umfasst zwei Standbeine: das Dienstleistungsgeschäft, das Bechtle in Deutschland, Österreich und der Schweiz betreibt, und den Online-Versandhandel, der in über 14 Ländern in Europa angeboten wird. Beim Dienstleistungsgeschäft ist Bechtle mit 65 Standorten — davon 50 in Deutschland — sehr stark regional verankert. Konkurrenten wie Computacenter oder Cancom verfügen nur über rund 25 bis 30 Standorte in Deutschland. Der deutsche ITDienstleistungsmarkt ist immer noch sehr fragmentiert, da viele Kleinunternehmen ihren Service lokal anbieten. Wie äußert sich das? Zogg: Die größten zehn Firmen kommen auf nur acht Prozent Marktanteil, zwei Prozent davon entfallen auf Bechtle. Die Konsolidierung in der Branche bietet also immer noch viel Potenzial. Bechtle übernimmt regelmäßig kleinere Firmen, ohne dabei den Fokus auf die Profitabilität aus den Augen zu verlieren. Wie sind Ihre Gedanken zur Bewertung der Aktie? Kühne: Bechtle ist ein Titel, der wohl eher ins Beuteschema von Charlie Ausgabe 08-2015 EINE KOOPERATION MIT DEM ZENTRUM FÜR VALUE INVESTING BODENSEEREGION DEUTSCHLAND Baden-Württemberg Bayern Schaffhausen Bo de Thurgau Zürich ns ee FONDSDATEN AR Appenzell AI Voralberg St. Gallen SCHWEIZ Vier Nationalstaaten: Liechtenstein, Schweiz, Österreich, ­Deutschland, Kantone (CH): Appenzell-­ Innerrhoden, Appenzell-­ Außerrhoden, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau, Zürich Bundesländer (D): BadenWürttemberg, Bayern Bundesland (A): Vorarlberg LIECHTENSTEIN ÖSTERREICH Name LLB Regio Bodensee ISIN LI 000 945 366 8 Kurs aktuell 293,90 CHF Volumen 85,1 Mio. CHF Ertragsverwendung thesaurierend Ausgabeaufschlag 1,5 % Verwaltungsgebühr 0,75 % p. a. Quelle: Liechtensteinische Landesbank Munger als in jenes von Graham und Dodd fällt. Die Aktie handelt sowohl auf Stufe KGV wie auch EV/NOPAT etwa 20 Prozent über dem Sektor. Allerdings sind wir überzeugt davon, dass diese Prämie im Fall von Bechtle gerechtfertigt ist. Bechtle akquiriert sehr geschickt regelmäßig kleinere, profitable Firmen. Die Strategie mit dem Onlinehandel als zweitem Standbein zahlt sich ebenfalls aus, da so Größenvorteile beim Einkauf realisiert werden. Sollte Bechtle das eigene Mittelfristziel von fünf Milliarden Euro Umsatz und fünf Prozent EbitMarge bis 2020 erreichen, käme dies einer Gewinnverdopplung gleich. In der Vergangenheit jedenfalls hat die Unternehmung ihre hochgesteckten Ziele immer erreicht. Warum sind Ihrer Meinung nach ­höhere Kurse gerechtfertigt? Zogg: Höhere Kurse sollten sich bei Bechtle vor allem über das stetige Umsatz- und Gewinnwachstum realisieren lassen. In diesem Sinne erwar- ten wir keine schnelle, sondern eine weiterhin relativ konstante Bewegung nach oben. Im Aktionärskreis sind relativ wenige angelsächsische Investoren vertreten, was wohl auch mit der fehlenden Research-Abdeckung durch internationale Großbanken zusammenhängt. Dies könnte sich in nächster Zeit ändern, da Bechtle mittlerweile eine höhere Marktkapitalisierung hat als Marktführerin Computacenter, die deutlich mehr Aufmerksamkeit genießt. Mögliche Indexaufnahmen — zum Beispiel in den Stoxx Europe 600 — würden sich ebenfalls positiv auswirken. Noch ein Statement zum Risiko? Zogg: Bechtle hat sich in der Vergangenheit zwar eben gerade durch konstant hohe Kapitalrenditen und stetiges Wachstum ausgezeichnet. Jede Erfolgsstory garantiert aber nicht zukünftigen Erfolg per se. Bechtle könnte unerwartet Marktanteile verlieren, der Preisdruck könnte zunehmen oder die Wirtschaft könnte sich gene- rell abschwächen. Als spätzyklische Industrie sollte sich die IT-Branche aber im Zuge der aktuellen Erholung in Europa wohl für die nächsten Quartale gut entwickeln. Und schließlich verfügt Bechtle mit einer überdurchschnittlich hohen Eigen­ kapitalquote von 55 Prozent über genügend Puffer für schlechte Zeiten — und über die Flexibilität, notfalls einen unliebsamen Konkurrenten auch gleich zu übernehmen. Zentrum für Value Investing e. V. Aachener Straße 197–199, 50931 Köln Tel: +49 (0)221 99 80 19-12 Fax: +49 (0)221 99 80-19-20 www.value-investing.net [email protected] Vorstand: Dr. Hendrik Leber, Frank Fischer, Prof. Dr. Max Otte (Direktor) Geschäftsleitung: Kerstin Franzisi Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Bruce Greenwald, Ph.D.