Kapitel 4 Einige Grundlagen der Dynamik In diesem Kapitel werden einige grundlegende Grössen und Zusammenhänge der Atmosphärendynamik vorgestellt. Ziel ist es zu zeigen, dass zum Beipiel das Temperatur- und das Windfeld eng miteinander gekoppelt sind. In den bisherigen Vorlesungen sind wir schon einige Male auf eine andere Abhängigkeit gestossen, nämlich auf diejenige zwischen Druck und Windfeld. Auch hier besteht also eine enge Kopplung zwischen zwei atmosphärischen Feldern. Im folgenden gehen wir auf die genannten zwei Beispiele etwas detailierter ein. Anschliessend sollen einige weitere Kerngrössen der Dynamik eingeführt werden. 4.1 Das geostrophische Windgleichgewicht [a] Bereits weiter vorne wurde festgestellt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Druckfeld und dem Wind gibt. Diese zentrale Beziehung bezeichnet man als geostrophisches Windgleichgewicht. In der folgenden Abbildung sind das Geopotential und die Windvektoren auf 250 hPa und auf 1000 hPa dargestellt. Es fällt sofort auf, dass die Windvektoren nahezu parallel zu den Geopotentiallinien liegen. Dabei ist die Parallelität auf 250 hPa besser erfüllt als auf 1000 hPa. 1 10 30 0 10 60 0 0 60 10 0 75 00 10 60 0 103 0 1000 0 10 30 0 22 5 15 9700 00 10 30 0 22 5 10600 225 0 00 10 97 150 10 00 0 225 0 0 1060 970 15 0 10 97 30 00 0 100 00 106 00 9700 1030 150 10000 0 10300 1060 0 Fig.1: Geopotential und Windvektoren auf 250 hPa (links) und auf 1000 hPa (rechts). 2 Aufgabe: Auf 1000 hPa (und weniger ausgeprägt) auf 250 hPa gibt es klare Abweichungen vom geostrophischen Windgleichgewicht. Was für eine Abweichung findet man bei Tiefdruckgebieten, bei Hochdruckgebieten und bei stark gekrümmten Geopoteniallinein (Tröge und Rücken)? Die Windvektoren schneiden auf 1000 hPa die Geopotentiallinien. Sind die Windvektoren hierbei zu höherem oder niedrigerem Geopotential hin orientiert? [b] Der geostrophische Wind resultiert aus einem Gleichgewicht von Druckgradientenkraft und Corioliskraft. In den Bewegungsgleichungen für die x- und die y-Komponente des Windes kompensieren sich also die beiden Terme auf der rechten Seite und die Beschleunigungen auf der linken Seite verschwinden: Du 1 ∂p = +f v − Dt ρ ∂x Dv 1 ∂p = −f u − Dt ρ ∂y Beim geostrophischen Wind liegt der tiefe Druck immer auf der linken Seite, wenn man in Windrichtung sieht. Das ist in der folgenden Darstellung gezeigt. Ausserdem ist ersichtlich, wie sich das Gleichgewicht für ein Luftpaket einstellt, das ursprünglich in Ruhe war. Fig.2 Druckfeld und geostrophischer Wind (links) und Wirkung von Druck- und Corioliskraft auf ein anfänglich in Ruhe befindliches Luftpartikel (rechts) [entnommen aus “Theoretische Meteorologie, Eine Einführung”, Dieter Etling] Aufgabe: In Figur 1 wurden das Geopotential und die Windvektoren auf 1000 hPa dargestellt. Dabei gab es klare Abweichungen zum geostrophischen Windgleichgewicht. Die Windvektoren sind zum niedrigeren Geopotential orientiert. Versuche zu erklären, wie es in Bodennähe zu dieser Abweichung kommt. Überlege Dir dazu, welche zusätzliche Kräfte in Bodennähe wirken und wie sie das Windgleichgewicht beeinflussen. [c] Die Druckkraft ist proportional zum Druckgradienten auf z-Flächen (oder äquivalent zum Geopotentialgradienten auf Druckflächen): 1 ~ F~p = − · ∇p ρ 3 Für die Corioliskraft F~c = −f · ~k × ~v ist der sogenannte Coriolisparameter f massgebend (~k ist ein Einheitvektor, der senkrecht nach oben zeigt). Dieser Parameter ist bestimmt durch die Erdrotation. Wichtig ist, dass f von der geographischen Breite abhängt. f = 2Ω sin(φ), wobei Ω die Winkelgeschwindigkeit der Erdrtotation und φ die geographische Breite darstellt. Am Äquator verschwindet f (und damit die Corioliskraft). Gegen Norden hin nimmt f zu, um das Maximum am Nordpol zu erreichen. Ein typischer Wert für die mittleren Breiten ist f=10−4 s−1 . In der folgenden Abbildung ist der Zusammenhang des Coriolisparameters f mit der Erdrotation Ω dargestellt. Fig.3: Corioliskraft 2Ωu, die mit einer zonalen Geschwindigkeit u einhergeht (der Wind u ist in die Blattebene hinein gerichtet). Die Kraft wird in einen horizontalen Anteil 2Ωusin(φ) und einen vertikalen Anteil 2Ωucos(φ) zerlegt. In der Atmosphärenphysik ist der horizontale Anteil bedeutend wichtiger. Man führt deshalb den Coriolisparameter f = 2Ωsin(φ) ein. Aufgabe: Überlege Dir, was das Vorzeichen von f für einen Einfluss auf das geostrophische Windgleichgewicht hat? Welches Vorzeichen hat f auf der Südhalbkugel? Was hat das für einen Einfluss auf die Zirkulation um Tief- und Hochdruckgebiete auf der Südhemisphäre? Die Erde rotiert im Gegenuhrzeigersinn (prograd). Die Venus hingegen rotiert retrograd. Wie sind die Windsysteme auf einem retrogad rotierenden Planeten um ein Tiefdruckgebiet? [d] In Formeln lässt sich der geostrophische Wind wie folgt ausdrücken, wobei ρ die Dichte, f der Coriolisparameter, ~k ein Einheitsvektor in vertikaler Richtung und p der Druck darstellen: v~g = 1 ~ p) · (~k × ∇ ρ·f Hier sind die horizontalen Abbleitungen des Drucks auf Flächen konstanter Höhe auszuführen. Es geht um die Dichte der Isobaren auf einer Fläche konstanter Höhe. Eine völlig äquivalente Darstellung benutzt statt der horizontalen Ableitungen des Drucks diejenigen des Geopotentials φ. Jetzt ist der Druck bei der Berechnung der horizontalen Ableitung konstant zu halten. Es geht also darum, die Dichte der Isohypsen (Isolinien des Geopotentials) auf einer Fläche konstanten Drucks zu bestimmen. Formal lautet die Gleichung des geostrophischen Windes in dieser Formulierung: 4 v~g = 1 ~ ~ φ) · (k × ∇ f Aufgabe: Überlege, welchen Vorteil diese zweite Formulierung gegenüber der vorherigen Formulierung mit Hilfe des Drucks hat. [e] Weiter oben wurde bereits diskutiert, dass das geostrophische Windgleichgewicht vor allem in Bodennähe (planetare Grenzschicht) seine Gültigkeit verliert. In der “freien” Troposphäre hingegen ist es oft gut erfüllt. Abweichungen kann es bei sehr kleinskaligen Prozessen geben (Fronten, Gewiterzellen). Um die Anwendbarkeit der Beziehung abzuschätzen, kann man dimensionslose Parameter einführen. Ein solcher Parameter ist die Rossby-Zahl Ro = U . fL Hierbei bezeichnen U und L typische Geschwindigkeiten und Längen des zu untersuchenden Phänomens und f ist der Coriolisparameter. Physikalisch gibt die Rossby-Zahl also das Verhältnis zweier Zeitskalen an: 1) τadv = L/U nennt man die advektive Zeitskala; sie gibt an, wie lange die Luftpakete brauchen, um mit Geschwindigkeit U die Länge L zurckzulegen. 2) τcor = 1/f ist die Zeitskala der Erdrotation. Damit ist also die Rossby-Zahl gerade Ro = τcor /τadv . Als Beispiel kann man sich zum Beispiel einen Berg der Breite L vorstellen, der mit einer Geschwindigkeit U angeströmt wird. Ein Luftpaket wird ca. während der Zeit τadv = L/U im Einflussbereich des Berges sein. Ist diese Zeit viel kleiner als die Zeitskala der Erdrotation, τcor = 1/f , so können wir in erster Näherung die Erdrotation vernachlässigen. Dies entspricht dem Fall Ro >> 1. Nochmals zusammengefasst: Ist die Rossby-Zahl viel kleiner als 1, so dominiert die Corioliskraft und das geostrophische Windgleichgewicht ist gut erfüllt. Bei sehr grossen Rossby-Zahlen hingegen ist die Corioliskraft vernachlässigbar und das geostrophische Gleichgewicht ist nicht erfüllt. Aufgabe: Schätze für die folgenden Phänomene ab, wie wichtig die Erdrotation ist und ob das geostrophische Windgleichgewicht erfüllt ist: (a) ein aussertropisches Tiefdruckgebiet, (b) die Föhnströmung im Rheintal, (c) Tornado, (d) Umströmung der Alpen. 4.2 Der thermische Wind [a] Neben dem geostrophischen Windgleichgewicht besteht in den Aussertropen eine wichtige weitere Beziehung: der thermische Wind. Zur Motivation betrachte die folgenden zwei Abbildungen. Sie zeigen das Geopotential auf 250 hPa und auf 100 hPa. 5 159 50 65 0 15 15 0 16100 158 0 35 980 0 10 10 15 40 NP 00 50 0 0 995 0 10 0 NP 5 02 1 9650 15500 0 95 9 15650 0 25 16 105 50 0 1025 159 50 GM 80 0 10 15 GM 400 16 10 0 10 10 0 9800 995 15800 0 95 10700 16400 0 0 10550 1025 10250 16250 15 16100 10100 50 00 101 159 50 10400 99 0 0 10 16 00 104 995 0 50 162 10250 00 161 162 50 50 105 1040 0 1010 Fig.4: Geopotential auf 250 hPa (links) und 100 hPa am 19. November 1964, 00 UTC.. NP -58 -58 -61 -6 1 Fig.5: Temperatur (in Grad Celsius) auf 175 hPa am 19. November 1964, 00 UTC. Beachte die kalte Luft über Dänemark und Russland, sowie die warme Luft über Osteuropa. -64 8 -61 -5 GM -55 -58 -61 -52 -61 -55 -55 9 -4 -52 -58 -52 -64 -5 -55 -58 -61 -5 2 2 -5 -58 -49 -55 -49 -61 8 -55 Aufgabe: Zeichne qualitativ die Richtung und den Betrag der geostrophischen Winde in den Punkten A und B ein. Bestimme anschliessend die Änderung des Windes mit der Höhe (Differenzvektor beim Übergang von 250 hPa auf 100 hPa) und vergleiche diese Windänderung mit dem Temperaturfeld auf 175 hPa (in der “Mitte” zwischen 250 hPa und 100 hPa). [b] In der vorherigen Übung wurde festgestellt, dass die Änderung des geostrophischen Windes mit der Höhe zusammenhängt mit dem Temperaturfeld in der dazwischenliegenden Luftschicht. Die Windänderung ist parallel zu den Isolinien der Temperatur und so gerichet, dass die kalte Luft auf der linken Seite des Differenzvektors zu liegen kommt. Der Betrag des Differenzvektors ist gegeben durch den Temperaturgradienten: je dichter die Isolinien der Temperatur, desto grösser der Betrag des Differenzvektors. Man spricht hier vom ’thermischen Wind’ 1 1 Beachte, dass der thermische Wind keine Messgrösse ist. Es handelt sich um eine Differenz zwischen den Windvektoren auf zwei verschiedenen Höhen. Anders formuliert: der thermische Windvektor gibt eine Windänderung (in Richtung und Geschwindigekit) mit der Höhe an. 6 Formal ergibt sich dieser sogenannte thermische Windvektor wie folgt: wir starten mit der Definition des geostrophischen Windes in Druckkoordinaten: v~g = 1 ~ ~ φ) · (k × ∇ f und fragen uns, wie sich dieser mit der Höhe (Druck) ändert. Dazu betrachten wir die Ableitung des geostrophsichen Windes nach dem Druck: 1 ∂ v~g ~ ∂φ ) = · (~k × ∇ ∂p f ∂p Den Term ∂φ/∂p können wir leicht mit der idealen Gasgleichung und der hydrostatischen Näherung weiter umformnen. Es gilt: ∂φ ∂(g · z) ∂z 1 R·T = =g =− =− ∂p ∂p ∂p ρ p Damit ergibt sich schlussendlich die formale Definition des thermischen Windes: ∂ v~g R ~ = − · ~k × ∇T ∂ log p f In Worten ausgedrückt: die Änderung des geostrophischen Windes mit der Höhe ist gekoppelt an den horizntalen Temperaturgradienten. Liegt links kalte Luft und rechts warme Luft, so schaut man in Richtung dieser Windänderung mit der Höhe. [c] Physikalisch ist die thermische Windgleichung eine direkte Folgerung aus dem geostrophischen Windgleichgewicht und der hydrostatischen Näherung, wie oben hergeleitet. Eine anschauliche Herleitung ist in der folgenden Abbildung dargestellt: Fig.6: Qualitative Veranschaulichung des thermischen Windes. [entnommen aus ‘Atmospheric Science, An Introductory Survey“, J.M. Wallace und P.V. Hobbs] Der geostrophische Wind ist parallel zu Isobaren gerichtet, wobei auf der Nordhemisphäre der tiefe Druck links liegt (beim Blick in Windrichtung). Der hydrostatische Druck nimmt in einer kalten Luftschicht mit der Höhe schneller ab als in einer warmen Luftschicht. In der Abbildung 7 (a) wird dadurch der bodennahe Druckgradient mit zunehmender Höhe verstärkt. Der geostrophische Wind nimmt mit der Höhe zu. In Abbildung (b) hingegen wirkt das Temperaturfeld dem bestehenden Druckfeld entgegen. In Bodennähe hat man links ein Tief und rechts ein Hoch und somit einen geostrophischen Wind nach vorne“. Durch die unterschiedliche Druckabnah” me in kalter und warmer Luft kommt es zu einer Umkehrung von Tief und Hoch in höheren Schichten. Jetzt liegt links das Hoch und rechts das Tief und der geostrophische Wind zeigt nach hinten“. Überlege, wie in diesen Skizzen der thermische Wind aussieht! ” Die folgende Abbildung zeigt einen Jet in einem Nord/Süd-Schnitt, bei dem der Zusammenhang zwischen dem horizontalen Temperaturgradienten und der vertikalen Änderung des geostrophischen Windes sehr klar erkennbar ist. E W -75 -60 -60 -75 -45 -60 -45 W -6 0 -30 EW -45 E -45 -15 -30 0 -30 -15 15 E Fig.7 Temperatur (Konturlinien) und zonale Windgeschwindigkeit (schattiert) in einem Nord/Südprofil. Beachte wie unterhalb des Jetmaximums im Süden die höhere Temperatur vorherrscht als im Norden. Gemäss der thermischen Windgleichung bedeutet dies eine Zunahme des zonalen Windes mit der Höhe. Oberhalb vom Jet kehrt sich hingegen der Temperaturgradient um: Kalt im Süden und warm im Norden. Dies führt gemäss der thermischen Windgleichung zu einer Abnahme der zonalen Windgeschwindigkeit. [d] Liegen die Isolinien von Druck und Temperatur nicht parallel, so kommt es zu einer “Vorwärts-” oder “Rückwärtsdrehung” des geostrophischen Windes mit der Höhe. Dies zeigt die folgende Darstellung: 8 Fig.8: Drehung des geostrophischen Windes mit der Höhe. Zusammenhang zwischen der Drehung des geostrophischen Windes mit der Höhe und der Temperaturadvektion: (link) backing“ des Windes mit der Höhe, (rechts) Veering“ des Windes mit der Höhe [en” ” tommen aus An Introduction to Dynamic Meteorology“, J.R. Holton] ” Aufgabe: Bläst der geostrophische Wind von einem Gebiet mit warmer Luft in ein Gebiet mit kalter Luft, so kommt es zu einer sogenannten Warmluftadvektion. Bläst der Wind in entgegengesetzter Richtung, herrscht Kaltluftadvektion vor. Ausgehend von den obigen Abbildungen, formuliere einen Zusammenhang zwischen der Temperaturadvektion (kalt/warm) und der Drehrichtung (vorwärts/rückwärts) des Windes. Bleibt diese Regel auch auf der Südhemisphäre gültig? [e] All die obigen Fälle des thermischen Windes lassen sich aus seiner formalen Definition ableiten. ~ 1 ) − vg (p ~ 0) = − R · V~T = vg (p f Z p1 p0 ~ )d ln p (~k × ∇T Hier ist V~T die Windänderung vom Druckniveau p0 zum Druckniveau p1 . R bezeichnet die ideale Gaskonstante der Luft, f den Coriolisparameter, ~k ein Einheitsvektor in vertikaler Richtung und T die Temperatur. Wenn wir davon ausgehen, dass die Temperatur zwischen den beiden Schichten p0 und p1 konstant ist oder einen mittleren Wert < T > annimmt, so lässt sich die obigen Formel etwas einfacher schreiben: ~ 1 ) − vg (p ~ 0 ) = − R · (~k × ∇ ~ < T >) · ln( p0 ) V~T = vg (p f p1 Es ist also der horizontale Gradient der Temperatur, der die Änderung des geostrophischen Windes mit der Höhe bestimmt. Änalog zum geostrophischen Wind ist es auch beim thermischen Wind möglich, diesen aus der horizontalen Ableitung des Geopotentials ψ zu bestimmen. Der formale Ausdruck sieht dann wie folgt aus: 1 ~ 1 − φ0 )) V~T = · (~k × ∇(φ f Es ist nun die horizontale Ableitung der sogennanten Schichtdicke (oder relative Topographie), die wesentlich ist. Verwende die weiter vorne gezeigte Herleitung des thermischen Windes, um die folgenden Formeln zu ’verstehen’. 9 4.3 Die Temperaturadvektion [a] Eine Grösse, die manchmal auftritt, ist die sogenannte relative Topographie“. Betrachtet ” man zum Beispiel die geopotentielle Höhe (= Geopotential dividiert durch die Erdbeschleunigung g) auf der Fläche 250 hPa, so gibt diese die Höhe der 250 hPa-Druckfläche an. Entsprechend gibt die geopotentielle Höhe auf der 850 hPa-Fläche die Höhe der 850 hPa-Fläche an. Bildet man die Differenz der beiden geopotentiellen Höhen, so erhält man also die Dicke der Schicht zwischen 250 hPa und 850 hPa. Man bezeichnet diese Schichtdicke als relative Topographie 250 hPa-850 hPa. Ganz analog lassen sich natürlich auch relative Topographien zwischen anderen Druckflächen bestimmen. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für die relative Topographie 250 hPa-850 hPa. Relative Topography 250hPa − 850hPa 11−Nov−2005 Fri 06 8.4 8.3 8.5 o 20 N 8. 5 8.6 7 8.4 8. 6 8. 8.5 8.7 8.6 8.8 9 8.9 8.8 8.8 8.7 8.8 o 80 N 8.9 9 8.9 o 8.7 8.7 9 8.8 9 8.8 9 9.1 9.2 9.1 9.2 9.2 9.1 o 9.3 3 9. 20 N 8.9 9 8. 9 40 N 9.1 9.1 o 8.6 60 N 9.4 o 80 W o o 60 W 40 W o 20 W o 0 Fig.9 Relative Topographie 250 hPa-850 hPa für den 11. November 2005, 06 UTC. Es lässt sich nun mit Hilfe der hydrostatischen Grundgleichung leicht zeigen (bitte selbst versuchen!), dass die relative Topographie zweier Druckflächen proportional zur Temperatur < T > dazwischen ist: p0 δφ = φ1 − φ0 = R· < T > ·ln( ) p1 Im obigen Beispiel beobachtet man demnach eine grosse relative Topographie dort, wo in der Mitte (ca. bei 500 hPa) hohe Temperaturen vorherrschen. Bei kleiner relativer Topographie ist es entsprechend kälter auf 500 hPa. Selbstverständlich ist nicht nur die Temperatur auf 500 hPa entscheidend, sondern die Temperatur in der gesamten Luftsäule zwischen den betrachteten Druckschichten. Trotzdem kann in erster Näherung die Temperatur auf einer Zwischenschicht (hier 500 hPa) herangezogen werden. 10 [b] Wie kann sich nun die relative Topographie zweier Druckflächen ändern? Nach dem vorhin gesagten muss sich die mittlere Temperatur zwischen den beiden Flächen ändern. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass gesättigte Luft aufsteigt, Wasserdampf kondensiert und so latente Wärme freigesetzt wird. Eine andere, in der Regel dominante Möglichkeit besteht darin, dass kalte oder warme Luft durch die horizontalen Winde herangetragen wird. Man spricht in diesem Fall von Temperaturadvektion. Betrachte dazu die folgende Abbildung, die das Temperaturfeld und Geopotentialfeld (also die Richtung und die Stärke des geostrophischen Windes) auf 500 hPa anzeigen. Fig.10 Temperatur- und Geopotential auf 500 hPa für den 11. November 2005, 06 UTC (Vergleiche das Temperaturfeld mit der relativen Topographie in der vorherigen Abbildungen). Aufgabe: Unter welchen Bedingungen beobachtet man besonders starke Temperaturadvektion? Welche Bedingungen sind an das Temperaturfeld, an das Geopotential und die relative Lage der beiden Felder zueinander zu stellen? Beachte, wie im Punkt A der geostrophische Wind von einer wärmeren zu einer kälteren Region weht. Bei A hat man also eine Warmluftadvektion. Bei B hingegegen weht der geostrophische Wind von einer kälteren zu einer wärmeren Region (Kaltluftadvektion). Durch den Einfluss des geostrophischen Windes erwartet man deshalb bei Punkt A eine Erwärmung und bei Punkt B eine Abkühlung. Das wird sehr schön betstätigt, wenn man die relative Topographien 250 hPa850 hPa von 00 UTC mit derjenigen von 12 UTC vergleicht. 11 Relative Topography 250hPa − 850hPa 11−Nov−2005 Fri 00 Relative Topography 250hPa − 850hPa 11−Nov−2005 Fri 12 8.3 8.4 8.5 8.5 20oN 5 8. 8.6 4 8. 8.5 80oN 8.8 8.7 8.8 9 8.7 8. 8 9 9 8.7 7 8.9 60oN 9 9 8.8 8.9 60oN 8. 8.7 8. 8.9 8.7 8.8 8.6 8.8 8.8 8.9 8.6 80oN 8.7 6 8.7 8.5 8.7 8.4 8.6 9 8.6 8.3 8. 20oN 8 8. 9.1 8.8 8. 8.9 9.1 9 o o 40 N 9. 9 40 N 9 8. 8.9 9.1 9 9.2 2 9.1 9.2 9.3 o 20 N 9.2 9.1 9.3 o 20 N 9.3 9 9 9.1 9.1 9.3 9.2 o o 80 W o 60 W o 40 W o 20 W 80oW 0 60oW 40oW 20oW 9.4 0o Temperature difference 500hPa 11−Nov−2005 Fri 12 −1 −9 −21 −17 −13 −1 −25 −5 −1 20 N −1 −1 −1 −1 −1 3 −1 3 −5 −5 3 −1 −−113 7 −1 3 7 −1 3 3 −1 −1 −5 −1 3 −5 3 3 −9 7 o 40 N −1 −1 −1 3 −1 −9 3 −1 −25 −5 o 60 N −1 −13 −17 −21 −9 −1 3 7 3 7 7 7 −1 80 N −5−9 3 3 3 o −1 −1 −1 o −1 −1 −1 3 −1 −1 −1 −5 −1 −9 −21 −25 −17 −13 −1 −1 20 N −1 o o −25 −23 −21 −19 o 60 W −17 −15 −13 −1 −1 o 80 W o 40 W −11 −1 −1 −1 −9 −7 o 20 W −5 −3 −1 1 0 3 5 7 9 Fig.11 Relative Topographie 250 hPa-850 hPa für den 11. November 2005, 00 UTC (links) und 12 UTC (rechts). Zusätzlich ist die Temperaturänderung zwischen den beiden Zeitpunkten auf 500 hPa gezeigt. [c] Formal muss in der Definition der thermischen Advektion mit Bestimmtheit der horizontale Wind und der horizontale Temperaturgradient vorkommen. Es gilt: Temperaturadvektion 12 ~ = −~v · ∇T Aufgabe: Überlege Dir, dass diese Definition mit den weiter vorne angestellten Überlegungen zur Temperaturadvektion übereinstimmen, dh. die Kriterien für beträchtliche Temperaturadvektion werden mit dieser Formel erfasst. 4.4 Aussertropen vs. Tropen Das geostrophische Windgleichgewicht und die thermische Windbeziehung stellen starke Bedingungen dar, denen die Atmosphäre unterworfen ist. Wird dieses Gleichgewicht gestört, so “reagiert” die Atmosphäre mit Vertikalwinden. Diese müssen so gerichtet sein, dass sie das geostrophische und thermische Windgleichgewicht wieder herstellen. Dieser Grundgedanke ist der Ausgangspunkt für die quasigeostrophische Theorie der Dynamik (siehe Vorlesung ’Largescale Dynamics’ im Masterstudium und Workshop). Geostrophie gilt nur in den Aussertropen und verliert ihre Gültigkeit am Äquator und in den Tropen (warum?). In den Tropen sind Geopotential, horizontaler Wind und Temperatur nicht mehr durch einfache Beziehungen miteinander gekoppelt. Deshalb unterscheiden sich tropische und aussertropische Dynamik auch stark voneinander. 4.5 Die Vortizität (Vorticity) [a] Eine wichtige dynamische Grösse stellt die Vortizität (engl. Vorticity) dar. Es sei u die Windkomponente in zonaler Richtung (x, West/Ost) und v diejenige in meridionaler Richtung (y, Süd/Nord). Dann ist die Vortizität formal definiert durch ξ= ∂v ∂u − ∂x ∂y Was genau hinter dieser Formel steckt, soll im folgenden diskutiert werden. Anstatt dass wir diese Grösse formal untersuchen (dies wird in der Vorlesung Fluiddynamik I gemacht), betrachten wir ein reales Geschwindigkeitsfeld und zeichnen für dieses die Vorticity ein: 13 GM Fig.12 Windvektoren und (relative) Vorticity ξ auf 300 hPa für den 10. Oktober 2005, 12 UTC. Beachte wie der zyklonale Wirbel über Spanien mit einer lokalen positiven Anomalie der Vorticity zusammenfällt. Dies legt den Schluss nahe, dass Vorticity die Wirbel in der Strömung identifiziert. Tatsächlich lässt sich zeigen, dass zyklonale (im Gegenuhrzeigersinn) Wirbel mit positiven Anomalien verbunden sind und antizyklonale (im Uhrzeigersinn) Wirbel mit negativer Vorticity. [b] Ein genauerer Blick zeigt weiterhin, dass über Dänemark ein positives und negatives Band von Vorticity eng beieinander liegt. Diese beiden Bänder fallen mit der Nordseite (positives ξ) und Südseite (negatives ξ) des Jets zusammen. Etwas klarer wird das im unten gezeigten Jet über den USA. Links ist ein horizontales Bild auf 300 hPa gezeigt, rechts ein vertikaler Querschnitt entlang dem 100 W-Meridian: 14 30 40 30 30 50 40 60 50 60 50 40 30 70 60 50 50 60 50 60 40 60 40 30 50 60 70 50 30 30 60 50 Fig.13 Links: Windvektoren, Windgeschwindigkeit und (relative) Vorticity ξ auf 300 hPa für den 10. Oktober 2005, 12 UTC. Rechts: Vertikaler Querschnitt durch den Jet entlang des 110 W-Meridians. Die dünnen Konturlinien geben die Windgeschwindigkeit an, die dicke Linie die Lage der dynamischen Tropopause. In diesem zweiten Beispiel werden durch die Vorticity die Regionen mit grosser Windscherung identifiziert. Auf der Südseite des Jets nimmt die Geschwinidigkeit zum Jetzentrum hin zu. Man spricht hier von der antizyklonalen Scherungsseite des Jets. Diese ist mit negativer Vorticity verbunden. Auf der Nordseite des Jets hingegen (zyklonale Scherungsseite) nimmt die Windgeschwindigkeit nach Norden hin ab. Diese Windscherung ist mit positiver Vorticity verbunden. [c] Allgemein bestimmt die Vorticity also Region mit starker Scherung oder starker Krümmung. Man spricht von Scherungs- und Krümmungsvortizität. Das Verbindende bei diesen beiden Strömungssituationen ist, dass ein kleines imaginäres Luftpaket in den beiden Geschwindigkeitsfeldern rotiert. Schematisch illustriert dies die folgende Abbildung für einen Jet: 15 Fig.15 Schematische Darstellung der Rotation eines kleinen imaginären Luftpakets auf der zyklonalen (oben) und antizyklonalen (unten) Seite eines Jets [entnommen aus An ” Introduction to Dynamic Meteorology“, J. R. Holton]. Im Rahmen dieser Vorlesung soll nicht genauer auf die Feinheiten der Definition eingegangen werden (Fluiddynamik I!). Beide Strömungstypen sind für die Dynamik der Atmosphäre von grosser Bedeutung. So verbindet man zum Beispiel mit positiven Anomalien der Vorticity Tiefdruckwirbel. Scherungsströmungen wiederum sind sehr interessant, da starke Windscherungen als Ausgangspunkt für Instabilitäten und Turbulenz dienen können. Im folgenden werden wir uns vor allem mit der Vorticity von Tiefdruckwirbeln auseinandersetzen. Um ein wenig besser zu verstehen, wie sich die Vorticity ändern kann, müssen wir eine weitere Grösse einführen, die Divergenz (Abschnitt 4.6). [d] Die bisher diskutierte Grösse ξ nennt man die relative Vorticity des Geschwindigkeitsfelds. Nun befinden wir uns aber in einem rotierenden Bezugssystem, wobei die Rotationsrate durch den Coriolisparameter ausgedrückt wird. Man nennt f die planetare Vorticity. Nach dem bisher gelernten nimmt diese planetare Vorticity am Pol ihren Maximalwert an und nimmt zum Äquator hin ab. Am Äquator selbst verschwindet die planetare Vorticity. Die Summe aus planetarer Vorticity f und relativer Vorticity ξ nennt man die absolute Vorticity η. Formelhaft also: η =f +ξ In den meisten Bewegungsgleichungen der Atmosphärenphysik tritt die absolute Vorticity auf. Die anschauliche“ Deutung beruht aber auf der relativen Vorticity. In der folgenden Abbildung ” ist die relative Vorticity und die absolute Vorticity gezeigt für einen Spätsommertag auf 250 hPa. 16 GM 17 GM Fig.16 Oben: Vorticity und Windpfeile auf 250 hPa, Unten: Absolute Vorticity auf 250 hPa. Beide Diagramme sind für den 7. September 2006, 18 UTC. Beachte speziell, dass die relative Vorticity zwar positive und negative Werte annimmt, dies aber für die absolute Vorticity nicht zutrifft. Es muss also fast immer die relative Vorticity kleiner als die durch den Coriolisparameter f gegebene planetare Vorticity sein. Tatsächlich kann man zeigen (siehe unten), dass eine Strömung mit negativer absoluter Vorticity instabil wird. Man spricht in diesem Fall von der sogenannten ’inertial instability’ oder etwas allgemeiner von der ’smmetric instability’. In den gezeigten Diagrammen gibt es nur ganz kleine Gebiete, wo der Wert negativ wird. Es ist damit zu rechnen, dass in diesen Gebieten lokale Turbulenz auftritt. Im folgenden betrachten wir exemplarisch, wie es zur ’inertial instability’ kommen kann. Wir folgen hierbei der Diskussion in “An Introduction to Dynamic Meteorology” von James R. Holton. Betrachte eine zonale Grunströmung ug , die im geostrophischen Gleichgewicht ist. Damit lautet die Bewegungsgleichung (Impulsgleichung) in x- und in y-Richtung, wenn wir Reibungskräfte vernachlässigen: Du 1 −f ·v = − Dt ρ 1 Dv +f ·u = − Dt ρ ∂p ∂x ∂p · ∂y · Hier beschreibt der Term mit dem Coriolisparameter f den Einfluss der Erdrotatiuon und rechts steht die Druckgradientenkraft. Jetzt machen wir einige Annahmen: a) Die zonale Geschwindigkeit u kann zerlegt werden in den Anteil ug der zonalen Grundströmung und eine kleine Störung u′, dh. u = ug + u′ ; b) Für die meridionale Geschwindigkeit gilt eine analoge Zerlegung v = vg + v ′ , wobei der Anteil vg verschwindet (vg = 0) wegen der Vorgabe einer zonalen Grundströmung; c) Alle Störungen sind klein und das Druckfeld sei fest vorgegeben, dh. das Druckfeld und somit die Druckgradientenkräfte sind konstant. 18 Benutzen wir die Definition des geostrophischen Windgleichgewichts, so hat man (unter der Vorgabe vg = 0): ug = − 1 ∂p · ρf ∂y und 0 = − 1 ∂p · ρf ∂x Wir erhalten somit in erster Näherung die folgenden modifizierten Bewegungsgleichungen: Du = f ·v Dt Dv = f · (ug − u) Dt Jetzt überlegen wir uns, was passiert, wenn ein Luftpaket senkrecht zur Grundströmung (in y-Richtung) leicht ausgelenkt wird. Es soll sich um die Distanz δy aus seiner ursprünglichen Lage yo wegbewegen. Es gilt nun zu entscheiden, wie sich das Luftpaket weiterbewegt: Erfährt es eine genügend starke rücktreibende Kraft, die es zu seiner Ruhelage zurückbringt? Oder erfährt es an seiner neuen Position yo +δy eine Kraft, die es weiter von seiner Ruhelage wegbeschleunigt? Die Geschwindigkeit u an der neuen Stelle lässt sich leicht bestimmen, es ist ja nach Definition v = Dy/Dt und somit lässt sich die erste der beiden Bewegungsgleichungen leicht integrieren. In erster Näherung ergibt sich u(yo + δy) = ug (yo) + f · δy Für die Grundströmung ug an der neuen Position resultiert aus einer Taylorentwicklung: ug (yo + δy) = ug (yo ) + ∂ug · δy ∂y Verwenden wir diese beiden Ausdrücke im Term ug − u der zweiten Bewegungsgleichung, so ergibt sich die folgende Gleichung für die Position δy des Luftpakets (unter Benutzung von Dv/Dt = D 2 δy/Dt2): D 2 δy ∂ug = −f · (f − ) · δy 2 Dt ∂y Wenn wir nun noch die Definition der Vortizität berücksichtigen (ξg = ∂vg /∂x − ∂ug /∂y), so sehen wir klarer, wie die absolute Vortizität in die Stabilitätsanaylse einfliesst: D 2 δy = −f · (f + ξg ) · δy Dt2 Auf der Nordhemisphäre ist f > 0 und damit ergibt sich eine oszillierende Bewegung δy für das Luftpaket, wenn f + ξg > 0 ist und eine Instabilotät für f + ξg < 0. Beachte, dass aus diesen Überlegungen folgt, dass antizyklonale Windscherungen nicht beliebig gross werden können. Sobald die antizyklonale Windscherung (betragsmässig) grösser als f wird, setzt Instabilität ein. 19 4.6 Die Divergenz [a] Wie bei der Vorticity verzichten wir auf eine formale Behandlung der Divergenz, die durch ∇~u = ∂u ∂v ∂w + (+ ) ∂x ∂y ∂z definiert ist. In der folgenden Abbildung sind schematisch einige Strömungsfelder eingezeichnet, die mit Divergenz verbunden sind. Links hat man einen Massenausfluss aus einem kleinen Volumenelement (Divergenz). Hat man netto einen Massenzufluss in das betrachtete Volumenelement, so wird die Divergenz negativ. Man spricht aus naheliegenden Gründen in diesem Fall von Konvergenz. Fig.17 Schematische Darstellung einiger Strömungsfelder mit positiver und negativer Divergenz. Im Falle positiver Divergenz spricht man oft nur von Divergenz, während für den Fall mit negativer Divergenz die Bezeichnung Konvergenz gebräuchlich ist [entnommen aus Synoptische Meteorologie“, bearbeitet von M. Kurz, Deutscher Wetterdienst]. ” Eine wichtige Eigenschaft des geostrophischen Windes ist, dass er divergenzfrei ist, sofern man die breitenabhängigkeit des Coriolisparameters vernachlässigt (bitte nachrechnen!): ∂ug ∂vg + =0 ∂x ∂y In einer rein geostrophischen Strömung ist demnach weder Konvergenz noch Divergenz möglich. Findet man also irgendwo in der Atmosphäre von Null verschiedene Divergenz, so muss das Geschwindigkeitsfeld also neben einer geostrophischen Komponente auch eine sogenannte ageostrophische Komponente beinhalten. Unten werden wir sehen, dass zum Beispiel der bodennahe Wind auf Grund der Reibung in der Grenzschicht eine ageostrophische Komponente beinhaltet. Weitere Beispiele sind kleinskalige Wellen (sogenannte Schwerewellen), die bei Gebirgsüberströmungen oder bei Fronten angeregt werden. [b] Wir haben zu Beginn dieses Kapitels gesehen, dass in Bodennähe der Wind nicht exakt den Geopotentiallinien (oder Isobaren) folgt. Tatsächlich resultiert eine Windkomponente, die vom hohen zum tieferen Druck zeigt. Dies bedeutet also, dass in Bodenähe Tiefdruckgebiete mit 20 Konvergenz und Hochdruckgebiete mit Divergenz verbunden sind. Dazu nochmals die Figur aus einem früheren Abschnitt: 0 Fig.18 Divergenz bei einem Hochdruckgebiet und Konvergenz bei einem Tiefdruckgebiet. Gezeigt sind die Windvektoren und das Geopotential auf 1000 hPa. 75 22 5 225 0 22 5 15 H 150 15 0 225 L 150 Offensichtlich ist die Strömung in Bodennähe nicht rein geostrophisch. Die Windkomponente, die die Geopotentiallinien schneidet, entspricht dem oben erwähnten ageostrophischen Wind. [c] Ist die Strömung in Bodennähe konvergent (zum Beispiel in einem Tiefdruckgebiet), so muss die Luft in dieser Region aufsteigen. Dies wird sofort klar aus der folgenden Skizze: Fig.19 Divergenz und Konvergenz, wie sie sich bei Hoch- und Tiefdruckgebieten ergibt. Strömt die Luft in das Zentrum eines Tiefs (Konvergenz), so verlangt die Massenerhaltung, dass sie dort aufsteigt. In grösseren Höhen wird sie wieder auseinander fliessen (Divergenz). Dazwischen liegt eine Schicht, bei der die Divergenz verschwindet. Bei einem Hochdruckgebiet hat man Divergenz am Boden, Absinken in der Troposphäre und Konvergenz in der oberen Troposphäre [entnommen aus Atmosphere, Weather and Climate“, ” R. G. Barry and R. J. Chorley]. Sehr schön ist die obige Überlegung im folgenden Beispiel bestätigt. Es zeigt die Divergenz und die vertikale Windgeschwindigkeit (in Pa/s) auf 900 hPa für ein Tiefdruckgebiet im Pazifik. 21 Fig.20 Divergenz (Konturlinie) und Vertikalwind (Farbe, in Pa/s) auf 900 hPa, 10. Oktober 2005, 12 UTC. Beachte, dass die Übereinstimmung von Divergenz und Vertikalwind auch in dem ausgedehnten langen Band (eine Kaltfront) gut übereinstimmt. Das betrachtete System befindet sich im Pazifik in den mittleren Breiten. -.0000 6 .000 03 006 -.00 -.00015 006 -.00 4.7 Die Vorticity-Gleichung [a] Damit kommen wir zu einem weiteren interessanten Zusammenhang. Es zeigt sich nämlich, dass auch ein Zusammenhang zwischen Divergenz (Konvergenz) und Vorticity besteht. Bei einer konvergenten Strömung kommt es zu einer Zunahme der Vorticity und bei Divergenz zu einer Abnahme. Anschaulich lässt sich das als Analogon zur Eistänzerin betrachten, die eine Pirouette macht. Zieht sie während der Pirouette ihre Arme ein (Konvergenz der Masse gegen das Zentrum hin), so dreht sie sich auf Grund der Drehimpulserhaltung schneller. Da auch Vorticity ein mikroskopisches Mass für Drehimpuls ist, leuchtet ein, dass ein konvergenter Massefluss zu einer Zunahme der Vorticity führt. Formal wird das durch die folgende Gleichung beschrieben, auf deren linken Seite die änderung der relativen Vorticity steht und auf der rechten Seite die Divergenz des horizontalen Geschwindigkeitsfeldes (multipliziert mit der absoluten Vorticity): ∂ξ ∂u ∂v = −(ξ + f ) · ( + ) ∂t ∂x ∂y Sehr schematisch zeigt die folgende Abbildung den Sachverhalt: 22 Fig.21 Schematische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Konvergenz und Divergenz und der Änderung der relativen Vorticity. Bei Konvergenz nimmt die Vorticity zu, bei Divergenz nimmt sie ab. Der exakte Beweis dieses Zusammenhangs wird in der Vorlesung Fluiddyanmik I hergeleitet. Die folgende Abbildung zeigt die Vorticity und das Geschwindigkeitsfeld für das oben gezeigte System im Pazifik: Fig.22 Vorticity (Farbe) und Windvektoren auf 900 hPa, 10. Oktober 2005, 12 UTC. Beachte, dass das Vorticity-Maximum nicht mit dem Konvergenz-Maximum von vorhin zusammenfällt. Das müssen sie aber auch nicht, denn der betrachtete Zusammenhang besagt nicht, dass dort die Vorticity gross ist, wo Konvergenz auftritt. Die Aussage ist: Wo Konvergenz auftritt, hat man eine Zunahme der Vorticity. [b] Wir haben damit einige wichtige Zusammenhänge dynamischer Grössen kennengelernt, die wir wie folgt zusammenfassen können: 23 a) Zyklonale (antizyklonale) Wirbel haben positive (negative) Vorticity; b) Tiefdruckzentren (Hochdruckzentren) weisen eine bodennahe Konvergenz (Divergenz) auf; c) bodenahe Konvergenz (Divergenz) ist verbunden mit aufteigender (absinkender) Luft; d) Konvergenz (Divergenz) führt zu einer Zunahme (Abnahme) der Vorticity. Insbesondere haben wir damit auch die Wichtigkeit der Grössen Vorticity und Divergenz kennengelernt. Diese eröffnen eine völlig neue Betrachtungsweise der Atmosphärendynamik. So können wir nun zum Beispiel Tiefdruckwirbel durch Zentren hoher positiver Vorticity identifizieren, ohne das Geopotential oder die Windvektoren heranzziehen zu müssen. Die traditionelle“ Atmosphärenphysik fragt nach den Prozessen, die den Druck in einem Tief ” vermindern können und damit zu einer Intensivierung eines Tiefs führen. In der neuen“ Dy” namik geht es hingegen darum, die Prozesse zu finden, die die Vorticity verändern können. [c] In diesem Abschnitt betrachten wir eine Gleichung, die die zeitliche Entwicklung der Vorticity bestimmt. Damit sind wir dann in der Lage, die Bewegung von Tiefdruckgebieten besser zu verstehen. Zu beachten ist bei dieser Diskussion, dass sie nur bei synoptischen und planetaren Skalen gültig ist. Bei den kleineren Mesoskalen kommen zusätzliche Effekte hinzu. So kann zum Beispiel damit nicht die Bewegung von Tornados (grosse positive Vorticity) vorhergesagt werden. Auch in der Nähe von Fronten verliert die Gleichung ihre Gültigkeit, da Fronten typischerweise Skalen von 100 km haben. Damit aber zur Gleichung. Diese drückt aus, wie sich die relative Vorticity in einer synoptischen oder planetaren Entwicklung an einem ortsfesten Punkt mit der Zeit ändern kann: Zeitliche Änd( erung der rela- ) tiven Vorticity = Advektion ( absoluter ) Vorticity + ( Absolute Divergenz des Ge)·( ) Vorticity schwindigkeitsfeldes Formal geschrieben lautet dies: ∂ξ ∂t = −~v · ~ + f) ∇(ξ − (ξ + f ) · ( ∂u ∂v + ) ∂x ∂y Den zweiten Term haben wir bereits diskutiert. Konvergenz führt zu einer Zunahme der relativen Vorticity, Divergenz zu einer Abnahme. Beachte aber, dass relative Vorticity durch Konvergenz erzeugt werden kann, selbst wenn anfänglich keine relative Vorticity vorhanden ist. Denn im Produkt steht links die absolute Vorticity, dh. ausser am Äquator hat man stets planetare Vorticity f. Der erste Term ist analog zur Temperaturadvektion zu verstehen. Weht der Wind also von einer Region mit hoher absoluter Vorticity in Richtung einer Region mit niedriger absoluter Vorticity, so advergiert der Wind Vorticity von der einen Region zur anderen. In den folgenden Abbildungen ist die Vorticity-Gleichung an einem konkreten Beispiel illustriert. 24 GM GM Fig. 23 Absolute Vorticity (ξ + f ) in Farbe dargestellt mit überlagerten Windvektoren (links) und Divergenz (rechts). Positive Werte der Divergenz sind mit durchgezogenen Linien gezeigt, negative Werte (entsprechend einer Konvergenz) mit strichlierter Linie. Beide Diagramme sind auf 250 hPa für den 6. September 2006, 00 UTC. In der Abbildung sind Regionen erkennbar, wo die Windvektoren klar die Isolinien der absoluten Vorticity kreuzen. Zeigen die Vektoren von Gebieten hoher nach Gebieten niedriger absoluter Vorticity, so hat man einen positive Advektionsabteil, dh. die Advektion bewirkt eine Zunahme der relativen Vorticity. Eine Abnahme hat man hingegegen, wenn die Windvektoren von Gebieten niedriger zu Gebieten mit hoher absoluter Vorticity reichen. Der Divergenzterm ist in der gezeigten Höhe von 250 hPa nicht so ausgeprägt. Tatsächlich hat man nicht-verschwindende Divergenz gerade in Regionen, wo die absolute Vorticity relativ klein ist. Damit wird auch der zweite Term auf der rechten Seite der Vorticity-Gleichung nicht allzu gross. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Vorticity innerhalb der nächsten Zeit entwickeln wird. Einerseits hat man Advektion der Vorticity (links angedeutet durch die Windpfeile), andererseits den Divergenz/Konvergenz-Effekt (rechts angedeutet durch das Divergenzfeld). Die beiden Terme sind in der folgenden Abbildung explizit berechnet: GM GM ~ + f ) (links) und Divergenzterm -(ξ + f ) · (∂u/∂x + ∂v/∂y) Fig. 24 Advektionsterm −~v · ∇(ξ (rechts) in der Vorticity-Gleichung. 25 Die Summe der beiden Anteile ergibt die erwartete Änderung der Vorticity gemäss der VorticityGleichung. Diese Summe ist in der linken unteren Abbildung dargestellt. Diese ist zu vergleichen mit der tatächlich beobachteten Änderung, wie sie sich aus der Differenz zweier Felder im Abstand von 6 h ergibt. Beachte, wie im wesentlichen die beobachtete Änderung durch die Vorticity-Gleichung erfasst wird, wobei es lokal durchaus Abweichungen geben kann. GM GM Fig. 25 Änderung der relativen Vorticity gemäss der Summe aus dem Advektions- und Divergenzterms (links). Dies entspricht der Vorhersage der Vorticity-Gleichung. Rechts ist die tatsächlich beobachtete Änderung der relativen Vorticity während 6 h gezeigt. Dies entspricht der Differenz der beiden relativen Vorticity zu den Zeiten 06 UTC und 00 UTC. Aufgabe: Mache Dir einige Gedanken, weshalb es zu Abweichungen kommen kann zwischen der tatsächlich beobachteten Änderung der Vorticity und der Änderung, wie sie aus der VorticityGleichung berechnet wird. 4.8 a) Anwendungen der Vorticity-Gleichung Ausbreitung von Rossby-Wellen In der folgenden Abbildung ist schematisch dargestellt, wie der Jetstream wellenförmige Ausbuchtungen aufweist, sogenannte Rossby-Wellen: 26 Fig.26 Schematische Struktur des mäandrierendem Jetstreams, der durch Rossby-Wellen gestört wird [entnommen von der Webseite ’www.daukas.com/Geoscience/MAtour/glossary.html’]. Die Ausbreitung der Rossby-Wellen lässt sich qualitativ verstehen mit der Vorticity-Gleichung. Betrachte dazu die folgende Abbildung: 27 N PVA f NVA S Fig.27 Schematische Darstellung einer Rossbywelle auf der Nordhemisphäre. Die planetare Vorticity f nimmt von Süd (S) nach Nord (N) zu. Dort, wo der Wind von Süd nach Nord weht, kommt es zu einer negativen Advektion von planetarer Vorticity (NVA, von einem Gebiet mit kleinerem f in Richtung eines Gebietes mit grösserem f ). Dies führt zu einer negativen Anomalie der relativen Vorticity (H). Weht der Wind hingegen von Nord nach Süd, so hat man eine positive Advektion von planetarer Vorticity (PVA, von einem Gebiet mit höherem f in Richtung eines Gebietes mit kleinerem f . Dies führt zu einer positiven Anomalie der relativen Vorticity (T) [entnommen und angepasst aus Theoretische Meteorologie“, D. Etling]. ” Führt man den Gedanken ein wenig weiter, so lässt sich die Ausbreitungsrichtung dieser sogenannten Rossbywellen herleiten. Tatsächlich induzieren nämlichen die lokalen Anomalien der relativen Vorticity wiederum ein Geschwindigkeitsfeld. Das ganze Wellenmuster wird in diesem Geschwindigkeitsfeld nach Westen (links) bewegt, wie in der Abbildung gezeigt: 28 Fig.27 Schematische Darstellung des Mechanismus, der zu einer Westwärtsbewegung einer Rossbywelle führt. Die ursprüngliche Störung sei durch die dicke ausgezogene Linie gegeben. Durch die Advektion planetarer Vorticity bilden sich Anomalien der realtiven Vorticity aus. Diese sind mit + und - gekennzeichnet (in der vorherigen Abbildung T und H). Zu den Anomalien der relativen Vorticity gehören die Geschwindigkeitsfelder, die durch die Pfeile markiert sind: Antizyklonal um die negative Anomalie, zyklonal um die positive Anomalie. Das ursprüngliche Wellenmuster wird durch dieses Geschwindigkeitsfeld nach Westen getragen (dünne ausgezogene Wellenlinie). Mit unsererm Wissen, ist es relativ einfach die Geschwindigkeit der Rossbywellen auszurechnen. Dazu verwenden wir die Vorticitygleichung ∂ξ ∂t = −~v · ~ + f) ∇(ξ − (ξ + f ) · ( ∂u ∂v + ) ∂x ∂y und machen folgende Annahmen, die bei dieser Skala gerechtfertigt sind. Zum einen vernachlässigen wir den Konvergenz/Divergenz-Effekt, dh. der zweite Term auf der rechten Seite fällt ganz weg, und zum anderen sei die relative Vorticity um einiges kleiner als die planetare Vorticity, so dass wir die Advektion der relativen Vorticity im Vergleich zur Advektion der planetaren Vorticity vernachlässigen können. Es bleibt dann die folgende Gleichung: ∂ξ ∂f = −v · ∂t ∂y Beachte, dass wir verwendet haben, dass der Coriolisparameter f nur von der geographischen Breite (von y) abhängt. Anschaulich bedeutet diese Gleichung, dass bei einem Nordwind, die 29 Vorticity zunimmt (Advektion von “hoher” planetarer Vorticity) und dass bei Südwind die Vorticity abnimmt (Advektion von “greinger” planetarer Vorticity). Der Einfachheit halber schreiben wir β = ∂f /∂y und wollen diesen Parameter als Konstante annehmen. In einem nächsten Schritt wollen wir eine Gleichung für das Geopotential herleiten. Wir verwenden dazu, dass die Strömung bei dieser planetaren Skala das geostrophische Windgleichgewicht erfüllt: 1 ∂Φ 1 ∂Φ u=− · und v = · f ∂y f ∂x Die Vorticity lässt sich nun ebenfalls ganz einfach durch das Geopotential Φ ausdrücken. Es wird nämlich zu 1 ξ = · ∇2 Φ f Setzen wir dies in die obige Form der Vorticity-Gleichung ein, so ergibt sich eine Gleichung für das Geopotential Φ. Diese lautet: ∂∇2 Φ ∂Φ +β· =0 ∂t ∂x Jetzt können wir einen Wellenansatz für das Geopotential machen. Dieser Ansatz soll eine Welle beschreiben, die sich in x-Richtung (in zonaler Richtung) ausbreitet. Aus der Physik ist bekannt, dass sich eine solche Welle wie folgt beschreiben lässt: Φ(x, t) = A · sin(ly) · sin(kx − ωt) Hier ist A eine (konstante) Amplitude der Welle, k ist die Wellenzahl in x-Richtung (k = 2π/λ mit λ die Wellenlänge), l die Wellenzahl in y-Richtung und ω ist die Kreisfrequenz der Welle (ω = 2π/T mit der Periode T ). Setzt man diesen Ansatz in die obige Gleichung ein, so ergibt sich nach kurzer Rechnung: h i ω · (k 2 + l2 ) + β · k · sin(ly) · cos(kx − ωt) = 0 Damit diese Gleichung erfüllt sein kann, muss der erste Klammerausdruck verschwinden. Daraus erhält man direkt die Dispersionsrelation der Rossbywelle. Diese stellt einen Zusammenhang zwischen der Kreisfrequenz und der Wellenzahl her: β·k k 2 + l2 Damit haben wir das Ziel erreicht, denn aus der Disperionsrealtion kann man “alles” über die Rossbywelle erfahren. So findet man zum Beispiel, dass die Phasengeschwindgkeit ω/k stets negativ ist, dh. dass sie relativ zur Grundströmung stets gegen Westen gerichtet ist. ω(k, l) = − Aufgabe: Von grosser Bedeutung ist ferner die Gruppengeschwindigkeit, welche die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellenpaketen beschreibt. Dies ist auch die Geschwindikeit mit der Energie durch die Welle transportiert wird. Bestimme die Gruppengeschwindikeit der Rossbywelle in Abhängigkeit von der zonalen Wellenzahl k. In welcher Richtung (West oder Ost) zeigt die Gruppengeschwindigkeit? 30 b) Die Vertikalwinde bei einem Jet-Streak Eine weitere Anwendung der Vorticity-Gleichung ist in der folgenden Abbildung gezeigt. Es handelt sich um eine schematische Darstellung eines sogenannten Jet-Streaks, dh. eines lokalen Geschwindigkeitsmaximums im Jet-Stream. Gezeigt sind durchgezogen Geopotentiallinien auf einem Druckniveau (zum Beispiel auf 250 hPa). Das Geopotential nimmt nach Norden hin ab, dh. es handelt sich um einen Westwind, wie ebenfalls anhand der eingezeichneten geostrophischen Windpfeile ersichtlich ist. Im Zentrum liegen die Geopotentiallinien enger beisammen dort findet man auch die grössten Windgeschwindigkeiten (Zentrum des Jet-Streaks). Fig.28 Schematische Darstellung eines Jetstreaks und der dazugehörigen ageostrophischen Strömung. Siehe Text für genauere Aussführungen. [entnommen aus Synoptic-Dynamic ” Meteorology in Midlatitudes, Volume II: Observations and Theory of Weather Systems“, H. B. Bluestein]). Betrachte ein Luftpaket, das in den rechten Quadranten des Jet-Streaks eintritt (links unten in der Graphhik). Wir betrachten die Vorticity-Gleichung für dieses Luftpaket. Dazu schreiben wir die Vorticity-Gleichung ein wenig um: ∂ξ Dξ ~ + f ) = −(ξ + f ) · div(~u)) = + ~v · ∇(ξ Dt ∂t Links steht nun die materielle Ableitung der relativen Vorticity, dh. es handelt sich hierbei um die zeitliche Änderung der relativen Vorticity, wenn man sich mit dem Luftpaket mitbewegt (Ableitung im mitbewegten System). Diese materielle Änderung wird verursacht durch die horizontale Divergenz des Windes (rechte Seite der Gleichung). Das Luftpaket, das in den linken unteren Sektor des Jet-Streaks eintritt, ändert seine Vorticity. Sie wird mehr antizyklonal (im Uhrzeigersinn), dh. die materielle Ableitung der Vorticity ist 31 negativ in diesem Sektor. Gemäss der Vorticity-Gleichung folgt hieraus eine lokal divergente Strömung (δ > 0). Tritt das Luftpaket auf der rechten unteren Seite des Jet-Streaks aus, so nimmt seine relative Vorticity wieder zu, und folglich muss eine lokal konvergente Strömung (δ < 0) vorherrschen gemäss der Vorticity-Gleichung. Ähnlich kann man sich überlegen, dass Konvergenz und Divergenz auf der Nordseite des Jet-Streaks ihre Rollen tauschen. Jetzt ist die Strömung konvergent in der Eingangsregion und divergent in der Ausgangsregion des JetStreaks. Im weiteren wollen wir annehmen, dass sich das Jet-Streak knapp unterhalb der Tropopause befindet (dies ist typischerweise der Fall). Dann lässt sich aus der Divergenz (δ > 0) im rechten Eingangsquadranten eine Aussage zum Vertikalwind machen. Dieser ist nämlich unmittelbar bei der Tropopause annähernd gleich Null. Ist die Strömung knapp darunter jedoch divergent, so verlangt die Massenerhaltung (Kontinuitätsgleichung) ein Aufsteigen der Luft. Auf der Nordseite der Eingangsregion hat man eine konvergente Strömung, was mit einer analogen Schlusskettte zu einem Absinken der Luft führt. Ingesamt ergibt sich so im Eingangsbereich des Jet-Streaks eine thermisch direkte Zirkulation (Aufsteigen im warmen Süden, Absinken im kalten Norden). In der Ausgangsregion des JetSreaks hingegen resultiert eine thermisch indirekte Zirkulation (Aufsteigen im kalten Norden, Absinken im warmen Süden). Dieses Muster macht Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass eine thermnisch direkte Zirkulation als Energiequelle“ wirkt, währenddem eine thermisch in” direkte Zirkulation als Energiesenke“ wirkt. Die Zirkulation steht somit im Zusammenhang ” mit der zusätzlichen kinetischen Energie, die in den lokal erhöhten Werten der Windgeschwindikeiten stecken. Die folgende Abbildung zeigt ein konkretes Beispiel eines Jet-streaks über den Vereinigten Staaten. 32 20 56 20 44 32 32 56 32 68 20 44 68 56 56 32 68 44 44 32 56 56 56 44 20 32 20 44 20 56 20 44 32 32 56 32 68 20 44 68 56 56 32 68 44 44 32 56 56 56 44 20 32 20 44 Fig.29 Oben: Divergenz (in Farbe, rot:divergent, blau:konvergent) und Windgeschwindigkeit (mit Konturlinien) auf 200 hPa für den 1. Januar 1990, 00 UTC. Unten: Vertikalwind (in hPa/s, blau:aufsteigend, rot:absinkend) und Windgeschwindigkeit. In der schematischen Abbildung des Jetstreaks steckt übrigens noch eine interessante Näherung. Es steht dort eine Formel, wie der ageostrophische Wind sich aus dem geostrophischen Wind annähernd bestimmen lässt. Denn die geostrophische Winde geben nur eine erste Näherung an 33 die Realität wieder. Von sehr grossem Interesse sind die Abweichungen von dieser geostrophischen Näherung, weil gerade die sogenannten ageostrophischen Winde mit spannenden Phänomenen verbunden sind. Etwas klarer wird dies mit der Feststellung, dass geostrophische Winde nach Definition keine Vertikalwinde beinhalten. Gerade Vertikalbewegungen sind jedoch von zentraler Bedeutung in der Atmosphärendynamik. Die Näherungsformel für en ageostrophischen Windvektor lautet: ~va = 1 ~ Dg~vg ·k× f Dt Kannt man also die Änderung des geostrophischen Windes entlang dem geostrophischen Wind, so lässt sich hieraus der ageostrophische Wind durch eine Rotation um 90 Grad bestimmen (Vektorprodukt!). Auch diese Gleichung können wir sehr leicht herleiten. Wir starten mit der Bewegungsgleichung in Abwesenheit von Reibungskräften: D~v + f · ~k × ~v = −∇Φ Dt Hier ist Φ das Geopotential und f der Coriolisparameter. Die einzelnen Terme sind: die Beschleunigung, die Corioliskraft und die Druckgradientenkraft. Dividiere diese Gleichung mit f und bilde das Vektorprodukt mit ~k. Es ergibt sich folgender Ausdruck: ~k ~k ~k D~v × = × (−f · ~k × ~v ) − × ∇Φ f Dt f f ~ = −A ~ ür einen beliebigen Vektor A ~ und ausserdem können wir die Definition Es gilt: ~k × ~k × A des geostrophischen Windes einbringen: ~vg = (1/f · ~k ×∇Φ. Damit erhält man sofort die Formel für den ageostrophgischen Wind: ~va = ~v − v~g = 1 ~ D~vg ·k× f Dt Beachte, dass wir den Term D~vg /Dt nicht kennen, denn dies beinhaltet ja die Advektion des geostrphischen Windes durch den exakten Wind. Diesen exakten Wind kennen wir allerdings nicht! In der quasigeostrophischen Näherung wird nun lediglich die Advektion durch den geostrophischen Wind berücksichtigt. Damit resultiert dann der Term Dg~vg /Dt in der obigen Gleichung. Aufgabe: Verwende die gerade hergeleitete Formel für den ageostrophischen Wind, um die Vertikalwinde im Zusammenhang mit einem Jetstreaks zu studieren. 4.9 Herleitung der Vorticity-Gleichung In diesem Abschnitt wird die Vorticity-Gleichung in ihrer allgemeinen Form hergeleitet (entnommen und angepasst aus der Vorlesung ’Large-Scale Dynamics’). Ausgangspunkt sind die Bewegungsgleichungen für die Windkomponenten in x- und y-Richtung, wie sie sich aus der Navier-Stokes-Gleichung ergeben (siehe auch Vorlesung ’Environmental Fluid Dynamics’): 34 Du 1 ∂p − fv = − Dt ρ ∂x 1 ∂p Dv + fu = − Dt ρ ∂y Die materielle (oder Larange’sche) Ableitung D/Dt ist hierbei definiert durch D ∂ ∂ ∂ ∂ = +u· +v· +w· Dt ∂t ∂x ∂y ∂z und entspricht der Ableitung einer Grösse im mitbewegten System. Im folgenden nehmen wir an, dass die Breitenabhängigkeit des Coriolisparameter f in erster Näherung durch die sogenannte β−Ebene gegeben ist, dh. es gilt f (y) = f0 + β · y. Bildet man nun die Ableitung ∂/∂y der ersten Bewegungsgleichung und ∂/∂x der zweiten, so ergibt sich nach einigem Rechnen eine Gleichung für die vertikale Koordinate der Vorticity ζ: Dζ ∂u ∂v + (ζ + f ) + Dt ∂x ∂y ! ! 1 ∂w ∂v ∂w ∂u + + βv = 2 − ∂x ∂z ∂y ∂z ρ ∂ρ ∂p ∂ρ ∂p − ∂x ∂y ∂y ∂x ! Dies lässt sich weiter umformen in: ! ! Dζ ∂u ∂v 1 ∂w ∂v ∂w ∂u + βv = − (ζ + f ) + − − + 2 Dt ∂x ∂y ∂x ∂z ∂y ∂z ρ | }| {z Divergenz−Ef f ekt }| {z T wisting/T ilting−Ef f ekt ∂ρ ∂p ∂ρ ∂p − ∂x ∂y ∂y ∂x {z Solenoid−Ef f ekt ! } In dieser Gleichung steht die (Lagrange’sche) Ableitung der Vorticity (1.Term) und die Advektion der planetaren Vorticity durch den meridionalen (Süd/Nord) Wind (2.Term). Beachte, dass die Advektion der Vorticity durch den Wind in der Lagrange’schen Ableitung enthalten ist. Rechts vom Gleichheitszeichen stehen drei Quellen und Senken der Vorticity: der DivergenzEffekt (1.Term), der Twisting- und Tilting-Effekt (2.Term) und der Solenoidal-Effekt (3.Term). In der synoptischen und planetaren Skala sind die letzten zwei Terme gegenüber dem DivergenzEffekt vernachässigbar, weil die Vertikalgeschwindigkeiten und deren Ableitungen auf dieser Skala so klein sind. In dieser Näherung resultiert eine vereinfachte Vorticity-Gleichung (wobei D/Dt = ∂/∂t + u · ∂/∂x + v · ∂/∂y; die w−Advektion darf vernachlässigt werden): ! ∂ζ ∂u ∂v ∂ζ ∂ζ = −u · −v· − βv − (ζ + f ) + ∂t ∂x ∂y ∂x ∂y | {z } Advektion−Ef f ekt | {z Divergenz−Ef f ekt ! } In dieser Form wurde die Vorticity-Gleichung weiter vorne im Skript vorgestellt. Zu betonen ist nochmals, dass diese Näherung ihre Gültigkeit in der Meso- und Mikroskala verliert. So geht man zum Beispiel davon aus, dass bei der Entwicklung eines Tornados der Twisting/TiltingEffekt von übergeordneter Bedeutung ist. Anschaulich handelt es sich bei diesem Term um eine horizontale Komponente der Vorticity, die durch den Vertikalwind augreichtet wird. 35 4.10 Literatur 1. An Introduction to Dynamic Meteorology von James R. Holton bietet eine ausgezeichnete Einführung in all die behandelten Konzepte. 2. Theoretische Meteorologie, Eine Einführun von Dieter Etling ist ein gutes deutschsprachiges Buch. Es führt alle wichtigen Grössen sorgfältig ein, geht allerdings etwas weniger tief als das Buch von Holton. 3. Synoptic Dynamic Meteorology in Midlatitudes, Volume II: Observations and Theory of Weather Systems von Howard B. Bluestein betrachtet viele reale Beispiele und interpretiert sie mit den Grundgleichungen der Dynamik. Das Buch eignet sich vor allem, wenn man bereits zentrale Gleichungen der Dynamik kennengelernt hat (zum Beispiel als Fortsetzung zu den obigen zwei Büchern). Als Erstlektüre wird es etwas zu schwierig sein. 4. Mid-Latitude Atmospheric Dynamics, A First Course von J. E. Martin ist eine ausgezeichnete Einführung in die Dynamik synoptischer und planetarer Strömungsphänomene. Die Behandlung ist allerdings um einiges mathematischer als in dieser Vorlesung. 36