Planung für die Süd-Nord-Wasser-Umleitung Bei unserem Besuch in der NCUT-Peking hat Herr Prof. Xu Zhi-Kai von der South to North Projekt Organisation einen Vortrag über den Wassernotstand in Nordchina und die geplanten Umleitungsmaßnahmen gehalten. Deshalb soll hier etwas ausführlicher über dieses Projekt berichtet werden. China besitzt ein Wasservorkommen von 2.800 Mrd. m³ und belegt damit den 6. Platz in der Welt. Betrachtet man allerdings die Wassermenge, welche pro Stadt zur Verfügung steht, belegt es den 88. Platz, was bedeutet, dass jeder Chinese nur ein Viertel des Weltdurchschnitts zur Verfügung hat. Ein Drittel des städtischen Wassers wird aus dem Grundwasser gewonnen. Die Hauptstadt Peking mit seinen 13 Mio. Einwohnern und das benachbarte Tianjin mit 10 Mio. Einwohnern stehen nach 5 Jahren der Trockenheit kurz vor einem Wassernotstand. Ursache für diese bedrohliche Entwicklung ist die dramatische Abnahme der Niederschlagsmengen und die ungleichmäßige Verteilung : Niederschlagversteilung in China, Durchschnittswerte in mm/Jahr Graphik: Prof. Döring Der Miyun-Stausee, der Peking versorgt, ist fast leer. Tianjin konnte im Jahre 2003 nur durch eine Not-Zuleitung aus anderen Provinzen von einer Wasserkrise bewahrt werden. Mit steigendem Lebensstandard und besseren Wohnungen, zu denen neuerdings auch das Badezimmer gehört, wächst vor allem der private Wasserbedarf, während der industrielle tendenziell zurückgeht. Gleichzeitig wird in Peking und anderen chinesischen Städten Wasser verschwendet, als ob es keine Krise gäbe. In den alten Wohnhäusern und Fabriken aus sozialistischer Gründerzeit tropfen die Hähne, sind die Leitungen undicht. Aber auch bei unzähligen Neubauprojekten stehen moderne Regenwassernutzungen noch nicht auf der Agenda und viele der neuen Wohnanlagen locken sogar mit einem See oder einem Springbrunnen Mieter und Käufer an. Peking hat im Zuge der Stadtverschönerung für die Olympischen Spiele 2008 auf den bisher eher spärlichen Grünflächen importierten Rasen anlegen lassen, der besonders viel Wasser braucht. Rund um die trockene Hauptstadt gibt es Golfplätze, die mit reichlicher Bewässerung grün gehalten werden. Vor allem fehlt aber noch ein Bewusstsein dafür, dass Wasser ein knappes Gut ist und jeder Wasser sparen kann. In den ländlichen Bezirken macht sich der Wassermangel stärker bemerkbar, da bevorzugt die städtischen Bezirke und Industrieanlagen mit Wasser versorgt werden. Die Bauern behelfen sich damit, dass sie Brunnen bohren. Dadurch ist der Grundwasserspiegel schon drastisch gesunken. China hat eine sehr unverhältnismäßige Verteilung von Wasser und anderen Ressourcen. Der Süden mit dem Changjiang (Yangtze Fluss) Becken besitzt 80% der Gesamtwassermenge, aber weniger als 40% der kultivierten Landmasse und ist deshalb als Wasserüberschussgebiet bekannt. Der Nordwesten mit den Flüssen Huanghe (Gelber Fluss), Huaihe und den Huaihe River Becken besitzt 45% der kultivierten Landmasse und 36% der Gesamtbevölkerung, aber nur 12% der Gesamtwassermenge. Der Nordwesten und Nordchina haben ein großes Vorkommen an fruchtbarem Land und Ressourcen, wie z.B. Mineralien, Gewinnung von Energie, Wolle, Getreide und Öl. Allgemeine Gestaltung der Süd-Nord-Wasserumleitung Speziell die Huang-Huai-Hai Ebene und die Jiaodong Halbinsel sind Gebiete mit dichter Population, kultiviertem Land und entwickelter Wirtschaft. In diesen Gebieten hat das schlechte Wasser die wirtschaftliche Entwicklung gebremst und das biologische Umfeld verschlechtert. Die Probleme müssen umgehend durch wasserwirtschaftliche Maßnahmen gelöst werden. Es gibt drei topografische Terrassen: Im Westen das am höchsten liegende Qinghai-Tibet Plateau. Dort soll das WRP den Nordwesten und den Norden Chinas versorgen. Das Wasser kommt nur aus dem Huanghe, wegen der schwachen Ausbeute aus dem Oberlauf des Yangtze. Graphik: siehe Impressum Studien zur Süd-nach-Nord Wasser Versorgung begannen in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dabei wurde folgende Gestaltung erarbeitet : Westlich der 3. Terrasse kommt das Wasser für das MRP aus dem Mittellauf des Yangtze und dem Hanjimg. Es gelangt durch Schwerkraft bis zum Huang-Huai-Hai Plateau. Östlich der 3. Terrasse wird beim ERP das Wasser wegen seiner tiefen Lage in die nördlichen Regionen gepumpt. Diese drei großen Projekte, das Western Route Project (WRP), das Middle Route Project (MRP) und das Eastern Route Project (ERP) sollen Wasser von den Ober-, Mittel- und Unterläufen des Changjiang Flusses in die nördlichen Regionen Chinas transportieren. I . Western Route Project (WRP) Das Western Route Project wird Wasser aus dem Oberlauf des Changjimg Flusses in den Huanghe (Gelber Fluss) leiten. 1952 wurden erste Untersuchungen durch die Yellow River Conservancy Commission (YRCC) durchgeführt. 1987 hat die Staatliche Planungskommission eine 10-Jahres Studie zur Evaluierung des WRP veranlasst. Die YRCC hat etliche Untersuchungen durchgeführt und Berichte veröffentlicht Quantität des Wassers Gesamtmenge: 20 Mio. m³ Lieferanten: Die Flüsse Tongtianhe, Yalongjiang und Daduhe Ziele: Die Provinzen Qinghai, Gansu, Shaanxi und Shanxi. Die autonomen Regionen Ningxia Hui und Nei Mongol Graphik: siehe Impressum Teilüberleitungen des Western Route Project Es wurden zwei Überlegungen mit Gravitation und Pumpen angestellt. Jede Überlegung beinhaltet den Bau eines Dammes mit 200 m Höhe und einiger Tunnel mit über 100 km Länge. I) Yalongjimg Route: Hier wurde eine Schwerkraftlösung entwickelt. Die Dammhöhe beträgt 175 m und der Verteilertunnel ist 131 km lang II) Tongtianhe Route: Eine Kombination aus Yalongjimg und Tongtianhe Route. Yalongjimg muss zuerst fertig sein. Auch eine Schwerkraftlösung. Höhe des Dammes 302 m. 158 km Tunnel. III) Daduhe Route: Hier wurde eine Lösung mit Pumpen gewählt. Vom Zumuzu nach Huanghe. Dammhöhe 296 m. Länge der Route 30 km inkl. 28,5 km Tunnel. Pumphöhe der Station ist 458 m. Durchschnittlicher Jahresverbrauch sind 7,1 Mio. kWh. Probleme des Projektes ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ ¾ Höhe des Plateaus: 3000 - 5000 m Ein Damm mit über 200 m Höhe Ein Tunnel mit über 100 km Länge Sehr kalt Sehr komplexe geologische Strukturen Erdbebenstärke von 6-8 Grad auf der Mercalli Skala Graphik: siehe Impressum II. Middle Route Project (MRP) Das Wasser für dieses Projekt wird dem Danjiangkou Reservoir entnommen. Es wird die Tang-Bai-He Ebene sowie mittlere und westliche Teile der Huang-Huai-Hai Ebene versorgen, eine Gesamtfläche von 155.000 km². Quantität des Wassers Der jährliche Durchschnitt im Reservoir wird bei 14,14 Mrd. m³ liegen. 11 Mrd. (75%) werden in trockenen Jahren garantiert. Das Wasserniveau wird bei 170 m liegen. Vorteile des Projektes – – – Gute Qualität des Wassers und Transport per Gravitation Bis 2020 Kompensierungsmaßnahmen für dann angesiedelte Wirtschaft Grundversorgung des Krisengebietes Nordchina Gestaltung des Middle Route Projects Die Gesamtkanallänge beträgt 1.241 km. Alle Probleme geologischer Natur (Löß, Erdbeben, Minen) sind bekannt und werden durch Gegenmaßnahmen ausgeglichen. Die zwei größten Projekte sind der Umbau des Danjiangkou Reservoirs und der Bau des Huanghekanals. Der Kanal kreuzt 219 Flüsse und 44 Bahntrassen, 936 Bauwerke sind notwendig Graphik: siehe Impressum Ausbau des Danjiangkou Dammes Der durchschnittliche jährliche Einlauf des Wassers wird 38,5 Mrd. m³ betragen. Es wird eine Dammerhöhung von 162 m auf 176 m durchgeführt. Die Füllhöhe steigt von 157 auf 170 m. Damit erhält das Reservoir eine Totalkapazität von 29 Mrd. m³ Die Unterquerung des Huanghe Der Hauptkanal wird den Gelben Fluss im Taohuayu Reservoir unterqueren. Dieses Projekt wird aufgrund seiner Größe und der komplexen Probleme die kritischste Struktur des ganzen Projekts. Nach langer Forschung und Vergleichen wurde der Schildvortrieb als Herstellungsmethode gewählt, da er sich schon oft bewährt hat. Die Gesamtlänge der beiden Tunnel für die Unterquerung beträgt je 7,2 km. Der Durchfluss beträgt nach Fertigstellung 500 m³/s. Der Durchmesser beträgt 8,5 m. Vorteile des Projektes Das Middle Route Project soll die Wasserkrise in Peking, Tianjin und Nordchina verringern und die bewässerte Fläche um 9 Mio. ha vergrößern, 6,4 Mrd. m³ Wasser für städtische und industrielle Wasserversorgung, 3,0 Mrd. m³ für Landwirtschaft, für Peking, Tianjin, Hebei und Henan. Außerdem soll das biologische Umfeld gestärkt werden, eine Flächengewinnung stattfinden und die wirtschaftliche Entwicklung in Mittelchina gefördert werden. Die Erhöhung des Danjiangkou Dammes erhöht die Möglichkeit der Flutkontrolle des mittleren und unteren Hanjiang und sichert die Stadt Wuhan und die Ebene im Norden des Hanjiang. Graphik: siehe Impressum Graphik: siehe Impressum III. Eastern Route Project (ERP) Ziel des ERP Das Eastern Route Project umfaßt die östlichen Provinzen zwischen Beijing im Norden und Shanghai im Süden. Darunter befindet sich auch die Shandong Ebene mit der Halbinsel Jiaodong. Gerade in diesen agrarwirtschaftlich nutzbaren Gebieten kommt es zu einer zunehmenden Versteppung. Diese wird, neben natürlichen Faktoren, hauptsächlich durch die Senkung des Grundwasserspiegels hervorgerufen. Das ERP soll nun hauptsächlich durch die Nutzung bereits bestehender, alter Wasserstraßen und deren Verknüpfung eine Wasserversorgung der östlichen Provinzen bis Beijing ermöglichen. Graphik: siehe Impressum Gestaltung und zeitliche Abfolge Die Initialplanung für das ERP begann bereits im Jahr 1950 mit Machbarkeitsstudien und Ressourcenermittlungen. Im Jahr 1993 startete schließlich die eigentliche Ausführungsplanung und zeitversetzt auch die Umsetzung in die Praxis. Der Ausbau der bestehenden Kanäle und der Aufbau der nötigen Pumpstationen wurden in 13 Ausbauphasen gegliedert. Von diesen umfasst die erste die Inbetriebnahme des Hauptkanalnetzes und der dazugehörigen Pumpstationen. Die Fertigstellung dieser ersten Stufe erfolgt voraussichtlich im Jahr 2020. Die mittleren Kanalabschnitte, die in der Graphik gestrichelt dargestellt werden , sind komplett neu zu erstellen und bilden den eigentlichen baulichen Kern neben dem Erstellen der Pumpstationen. Die verbleibenden Teilstücke des Kanalhauptnetzes werden nur erweitert oder ausgebaut, um die erforderlichen Wassermengen aufnehmen zu können. Alle weiteren Ausbauphasen beinhalten das Erstellen eines sekundären Wassernetzes zur Verteilung und Bewässerung der betroffenen Provinzen. Die im Schaubild dargestellten Seen sollen hierbei als Wasserreservoir dienen. Technische Angaben Das endgültige Hauptkanalsystem wird eine Länge von ca.1150 km haben. Die auf dieser Strecke überwundene Höhendifferenz beträgt ca. 40 m. Zur Überwindung dieser 40 m wird ein Pumpnetzwerk von 30 Pumpen mit einer Gesamtleistung von 10200 m³/s erstellt. Das gesamte Speichervermögen des ERP beläuft sich auf ca. 7,6 Milliarden m³ mit denen die Versorgung des Nordostens Chinas gewährleistet werden soll. Zusammenfassung und Ausblick Anders als bei der Planung des Drei-Schluchten-Staudamms hat es gegen das gigantische Umleitungsprojekt kaum Einwände gegeben. Die chinesische Regierung hat das Projekt auch nicht dem Nationalen Volkskongress zur Genehmigung vorgelegt. Dabei sind die Risiken und die Fragen, die das Projekt mit seinen drei Wasserkanälen von jeweils etwa 1.300 km Länge von Süd nach Nord aufwirft, kaum kleiner als die des Drei-Schluchten-Staudamms. So müssen 270.000 Menschen umgesiedelt werden. 200.00 von ihnen leben am DanjiangkouStausee, dessen Pegel für das Umleitungsprojekt erhöht wird. Das abgeleitete Wasser wird in den Ursprungsregionen fehlen. Chinas Flüsse sind hochgradig verschmutzt. Zwar hat man für die Verbesserung des Wassers entlang der Kanäle des Umleitungssystems 295 Kläranlagen geplant, doch davon sind erst 65 fertig gestellt. Oliver Moritz und Timo Weidner