ÜBUNGSBLATT 10 – LÖSUNGEN MAT121/MAT131 ANALYSIS II FRÜHJAHRSSEMESTER 2011 PROF. DR. CAMILLO DE LELLIS Aufgabe 1. Finden Sie für folgende Funktionen jene Punkte im Bildraum, in welchen sie sich lokal umkehren lassen, und berechnen Sie dort die Differentiale ihrer Inversen. 2 2 x (a) f : R → R , (x, y) 7→ e , cos y ; (b) g : R2 → R2 , (x, y) 7→ x2 + 2y, 2y 2 − x ; (c) h : R3 → R3 , (x, y, z) 7→ x, −x + y 2, −x − y 2 + z 3 . Antwort. (a) f ist als Verknüpfung von stetig differenzierbaren Abbildungen wieder stetig differenzierbar. Ihre Jacobi–Matrix lautet x e 0 df (x,y) = . 0 − sin y Des Weiteren gilt det df (x,y) = −ex sin y 6= 0 ⇔ y 6= −kπ (k ∈ Z). Nach dem Umkehrsatz besitzt f dann genau auf der Menge f (x, y) y 6= kπ, k ∈ Z eine stetig differenzierbare Inverse, welche die Ableitung ! −x −1 e 0 df −1f (x,y) = df (x,y) = 0 − sin1 y im Punkt f (x, y) besitzt. (b) g ist als Verknüpfung von stetig differenzierbaren Abbildungen wieder stetig differenzierbar. Ihre Jacobi–Matrix lautet 2x 2 dg (x,y) = . −1 4y Des Weiteren gilt 1 6= 0 ⇔ xy 6= − . 4 Nach dem Umkehrsatz besitzt g dann genau auf der Menge g (x, y) 4xy + 1 6= 0 det dg (x,y) = 8xy + 2 eine stetig differenzierbare Inverse, welche die Ableitung dg −1 g(x,y) −1 = dg (x,y) = im Punkt g(x, y) besitzt. 2y 4xy+1 1 8xy+2 1 − 4xy+1 x 4xy+1 ! 2 ÜBUNGSBLATT 10 (MAT121/MAT131 ANALYSIS II) – LÖSUNGEN (c) h ist als Verknüpfung von stetig differenzierbaren Abbildungen wieder stetig differenzierbar. Ihre Jacobi–Matrix lautet 1 0 0 0 . dh(x,y,z) = −1 2y −1 −2y 3z 2 Des Weiteren gilt det dh(x,y,z) = 6yz 2 6= 0 ⇔ y 6= 0 und z 6= 0. Nach dem Umkehrsatz besitzt h dann genau auf der Menge h (x, y, z) y, z 6= 0 eine stetig differenzierbare Inverse, welche die Ableitung 1 0 0 −1 1 1 0 dh−1 h(x,y,z) = dh(x,y,z) = 2y 2y 2 3z 2 1 3z 2 1 3z 2 im Punkt h(x, y, z) besitzt. Aufgabe 2. Finde das Maximum der Funktion f (x, y, z) = x auf der durch die Gleichungen F (x, y, z) = G(x, y, z) = 0 definierten Kurve mit F (x, y, z) = x2 + y 2 + z 2 − 1 und G(x, y, z) = x3 + y 3 + z 3 . Antwort. Die durch die Gleichungen F = G = 0 definierte Kurve ist eine kompakte Teilmenge des R3 , denn sie ist abgeschlossen (als Lösungsmenge von Gleichungen, die aus stetigen Funktionen F und G gebildet werden) und sie ist wegen der Bedingung F = 0 in einer Sphäre enthalten und damit auch beschränkt. Da die Funktion f stetig ist, nimmt sie auf der Kurve ein Maximum an. Dieses Maximum muss in einem bedingten kritischen Punkt liegen (weil alle beteiligten Funktionen f , F , G differenzierbar sind), d.h. in einem Punkt, in dem die Gradienten ∇f , ∇F und ∇G linear abhängig sind. An diesem Punkt (x, y, z) existieren Lagrange– Multiplikatoren λ, µ ∈ R, so dass gilt ∇f = λ∇F + µ∇G. Hieraus ergibt sich das folgende Gleichungssystem 0 = x2 + y 2 + z 2 − 1, 0 = x3 + y 3 + z 3 , 1 = λ · 2x + µ · 3x2 , 0 = λ · 2y + µ · 3y 2, 0 = λ · 2z + µ · 3z 2 . Fall 1 : y = 0. Die zweite Gleichung des Systems besagt dann x3 + z 3 = 0, woraus z = −x folgt. Aus der ersten Gleichung folgt dann weiter 2x2 = 1 ⇔ 1 x = ±√ . 2 Fall 2 : z = 0. Es folgt analog zum Fall 1, y = −x und x = ± √12 . ÜBUNGSBLATT 10 (MAT121/MAT131 ANALYSIS II) – LÖSUNGEN 3 Fall 3 : y 6= 0 und z 6= 0. Wäre dann µ = 0, so würde aus der letzten Gleichung folgen λ = 0, was der mittleren Gleichung widerspricht. Also ist µ 6= 0. Die zwei letzten Gleichungen des System liefern dann 2λ y=z=− . 3µ In die zweite Gleichung eingesetzt erhalten wir x . x3 + 2y 3 = 0 ⇔ y = z = − √ 3 2 Einsetzen in die erste Gleichung liefert nun x2 x + 2 · 2/3 = 1 2 2 ⇔ x = ±√ 1 1 + 21/3 . Die möglichen Kandidaten für das Maximum von f (x, y, z) = x sind nun offensichtlich diejenigen (x, y, z), für die x positives Vorzeichen hat, also in den jeweiligen Fällen 1 1 1 x= √ ,√ ,√ . 2 2 1 + 21/3 Aus 1 < 21/3 folgt aber 1 1 √ >√ . 2 1 + 21/3 Somit ist das gesuchte Maximum gleich √12 , und es wird genau in den beiden Punkten √1 , − √1 , 0 und √1 , 0, − √1 angenommen. 2 2 2 2 Aufgabe 3. Sei n ∈ N \ {0} und A eine (n × n)–Matrix. Zeigen Sie, dass kAk2op ein Eigenwert der Matrix AT A ist. Antwort. Betrachte die Abbildung (x wird als Zeilenvektor aufgefasst) 2 f : Rn → R, x 7→ AxT = xAT AxT . Die Abbildung f ist stetig, auf der kompakten Menge und nimmt daher ihr Maximum S n−1 ⊂ Rn an (S n−1 = (x1 , . . . , xn ) x21 + · · · + x2n = 1 ), sagen wir im Punkt x = (x1 , . . . , xn ). Dort ist dann T 2 2 Ax = kAk2 . f (x) = AxT = max op n−1 x∈S f ist ausserdem differenzierbar mit Ableitung T T df x = 2 (A A)x i i∈{1,...,n} . Betrachte nun die Abbildung ϕ : Rn → R, x 7→ kxk2 − 1. = (x1 , . . . , xn ) ϕ(x1 , . . . , xn ) = 0 . Aus- ϕ ist stetig differenzierbar auf Rn , und S n−1 serdem ist dϕx = 2x1 , . . . , 2xn immer von Rang 1 auf S n−1 , da 0 6∈ S n−1 . Wir können daher den Satz von Lagrange anwenden, und erhalten die Existenz einer Zahl λ ∈ R mit df = λdϕ ⇔ (AT A)xT = λxi (i ∈ {1, . . . , n}). (x1 ,...,xn ) (x1 ,...,xn ) T i T n−1 Folglich ist v = x = (x1 , . . . , xn ) ∈ S ein Eigenvektor von AT A zum Eigenwert λ, und es gilt kAk2op = kAvk2 = Av · Av = AT Av · v = λv · v = λ, 4 ÜBUNGSBLATT 10 (MAT121/MAT131 ANALYSIS II) – LÖSUNGEN womit die Behauptung folgt. Bemerkung: Obige Überlegungen liefern sofort, dass λ der grösste Eigenwert der symmetrischen Matrix AT A sein muss (beachte, dass λ nicht negativ sein kann), also kAk2 = max λ λ ist Eigenwert von AT A . op Man kann ausserdem zeigen, dass kAkop = max |κ| κ ist Eigenwert von A ist, wenn A eine symmetrische Matrix ist. Aufgabe 4. Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum und k ∈ N \ {0}. Nehme an, f : X → X sei eine Abbildung mit der Eigenschaft, dass f ◦···◦f | {z } eine Kontraktion ist. k mal Beweisen Sie, dass f dann genau einen Fixpunkt besitzt. Antwort. Sei g = f k = f ◦ · · · ◦ f (k Terme). Nach dem Banach’schen Fixpunktsatz besitzt g einen eindeutigen Fixpunkt x, d.h. g(x) = x. Betrachte nun y = f (x). Es gilt y = f (x) = f g(x) = f f k (x) = f k f (x) = g f (x) = g(y). Also ist y ebenfalls ein Fixpunkt von g. Wegen der Eindeutigkeit des Fixpunktes von g gilt dann aber y = x, also f (x) = x. Somit ist x der eindeutige Fixpunkt von f , wie behauptet. Aufgabe 5M. (a) Sei k ∈ N \ {0}, und nehme an, U ⊂ Rk sei sowohl offen als auch abgeschlossen. Beweisen Sie, dass dann entweder U = ∅ oder U = Rk gilt; (b) Sei k ∈ N \ {0} und u : Rk → Rk stetig differenzierbar mit kdukop ≤ L < 1. Beweisen Sie, dass dann Φ : Rk → Rk , ein Diffeomorphismus ist. x 7→ x − u(x), Antwort. (a) Wir zeigen zunächst: Lemma: Es gibt kein Paar A, B von disjunkten, offenen, nicht–leeren Teilmengen von R mit [0, 1] = A ∩ [0, 1] ∪ B ∩ [0, 1] . Beweis: Angenommen es gäbe solche Teilmengen, dann sind A∩[0, 1] und B ∩ [0, 1] sicher nicht einpunktige Mengen, denn A und B sind offen. O.B.d.A. können wir dann annehmen, dass a ∈ A und b ∈ B existieren mit 0 < a < b < 1. Wir erinnern uns an die Analysis I, wo wir gesehen haben, dass jede nach oben beschränkte, nicht–leere Teilmenge von R ein Supremum besitzt, und setzen c = sup x ∈ A x < b . Nach Konstruktion ist 0 < c < 1, und somit ist c ∈ A ∪ B. Es können dann zwei Fälle auftreten. Ist c ∈ A, so gilt wegen der Disjunktheit von A und B, dass c < b ist. ′ ′ Da A aber offen ist, existiert ein a ∈ A mit c < a und nach Annahme ′ (c, a ) ⊂ x ∈ A x < b . Dies widerspricht jedoch der Definition von c als das Supremum der Menge x ∈ A x < b . Ist andererseits c ∈ B, so existiert wegen der Offenheit von B ein b′ ∈ B mit b′ < c und (b′, c) ⊂ B. Dann kann aber c nicht das Supremum der Menge x ∈ A x < b gewesen sein. ÜBUNGSBLATT 10 (MAT121/MAT131 ANALYSIS II) – LÖSUNGEN 5 Somit sind beide Fälle ausgeschlossen, und unsere ursprüngliche Annahme muss falsch gewesen sein. Das Lemma ist bewiesen. Wir gehen zurück zur eigentlichen Aufgabe. Nehme also an, U ⊂ Rk sei offen und abgeschlossen zugleich, wobei U 6= ∅ und U 6= Rk . Dann sind sowohl U als auch V = Rk \ U nicht leer, d.h. es existieren Punkte x ∈ U und y ∈ V . Betrachte nun die Abbildung ϕ : R → Rk , t 7→ (1 − t)x + ty. ϕ ist stetig und injektiv. Da U als sowohl offen als auch abgeschlossen vorausgesetzt wurde, muss selbiges ebenfalls für V gelten, womit die Urbilder A = ϕ−1 (U) und B = ϕ−1 (V ) offen sind. Da U und V ausserdem disjunkt sind, und ϕ injektiv ist, sind A und B ebenfalls disjunkt. Des Weiteren sind beide Urbilder nicht leer, da 0 ∈ A und 1 ∈ B liegen müssen. Schliesslich gilt A ∩ [0, 1] ∪ B ∩ [0, 1] = [0, 1], was dem Lemma widerspricht. Es folgt, dass es keine Menge U mit den gewünschten Eigenschaften geben kann, und die Aussage ist bewiesen. (b) Es ist zu zeigen, dass Φ invertierbar ist mit stetig differenzierbarer Inversen Φ−1 . Da nach Voraussetzung ku(x) − u(y)k ≤ L kx − yk für alle x, y ∈ Rk gilt, haben wir mit der umgekehrten Dreiecksungleichung kΦ(x) − Φ(y)k ≥ kx − yk − ku(x) − u(y)k ≥ (1 − L) kx − yk . (⋆) Da L < 1 ist, folgt, dass Φ injektiv sein muss. Da ausserdem dΦx = id +dux , x ∈ Rk ist (id bezeichnet die (k × k)–Einheitsmatrix), womit dΦ (v) ≥ kvk − du (v) ≥ (1 − L) kvk > 0, ∀v ∈ Rk \ {0}, x x folgern wir, dass ker dΦx = {0}, x ∈ Rk . Also ist dΦ in jedem Punkt ein Isomorphismus, und Φ ist nach dem Satz über die lokale Umkehrbarkeit ein lokaler Diffeomorphismus. Insbesondere gibt es dann zu jedem Punkt x ∈ Rk eine Umgebung Ux von x mit Φ(Ux ) offen. Es folgt, dass Φ(Rk ) = ∪x∈Rk Φ(Ux ) als Vereinigung offener Mengen ebenfalls offen sein muss. Sei nun (xj )j∈N ⊂ Rk eine Folge in Rk , so dass yj = Φ(xj ) (j ∈ N) konvergiert, sagen wir nach y. Dann ist (yj )j∈N insbesondere eine Cauchy–Folge. Es folgt wegen (⋆), dass auch (xj )j∈Rk eine Cauchy–Folge ist, denn für alle j1 , j2 ∈ N gilt kxj1 − xj2 k ≤ 1 1 kΦ(xj1 ) − Φ(xj2 )k = kyj1 − yj2 k . 1−L 1−L Da Rk vollständig ist, konvergiert auch (xj )j∈N , sagen wir nach x, und es gilt wegen der Stetigkeit von Φ, Φ(x) = y. Also ist y im Bild von Φ, und wir folgern, dass Φ(Rk ) auch abgeschlossen ist. Dann folgt aber aus Teilaufgabe (a), dass Φ(Rk ) = Rk sein muss (Φ(Rk ) ist ja sicher nicht leer). Wir schliessen, dass Φ auch surjektiv ist. Somit ist Φ ein bijektiver lokaler Diffeomorphismus, und damit ein (globaler) Diffeomorphismus. Dies war zu zeigen. 6 ÜBUNGSBLATT 10 (MAT121/MAT131 ANALYSIS II) – LÖSUNGEN Aufgabe 5P. Seien N ∈ N \ {0} und E > 0. Wir betrachten N Teilchen mit Gesamtenergie E. Sei ferner k ∈ N \ {0}, und nehme an, Ei > 0 (i ∈ {1, . . . , k}) bezeichnen die möglichen Energieniveaus der einzelnen Teilchen. Seien schliesslich ni ∈ N (i ∈ {1, . . . , k}) die Besetzungszahlen dieser Energieniveaus. Es ist also ni die Anzahl Teilchen mit Energie Ei , und es gilt N= N X ni und E= i=1 Betrachte nun k X ni Ei . (†) i=1 N! = P (n1 , E1 ; . . . ; nk , Ek ) = n1 ! · · · nk ! N N − n1 N − n1 − · · · − nk−2 ··· . n1 n2 nk−1 P (n1 , E1 ; . . . ; nk , Ek ) ist also die Wahrscheinlichkeit, dass n1 Teilchen am Energieniveau E1 sind, n2 am Energieniveau E2 , usw... Finden Sie einen Ausdruck für die wahrscheinlichste Verteilung der Teilchen auf die Energieniveaus unter der Approximations–Annahme, dass N ≫ 1 (also N sehr gross) ist. Antwort. Wir wollen P = P (n1 , E1 ; . . . ; nk , Ek ) maximieren unter den Nebenbedingungen (†). P ist zu gegebenem N genau dann maximal, wenn ln(n1 ! · · · nk !) minimal wird. Die Annahme N ≫ 1 lässt die Vermutung zu, dass auch die ni ≫ 1 (i ∈ {1, . . . , k}) sein werden. Dann aber folgt aus Aufgabe 1(d), Übungsblatt 7, Analysis I, dass ni ni ≫1 ni ln(ni !) ≈ ln = ni (ln ni − 1) (i ∈ {1, . . . , k}) eni sein wird. Es gilt daher als Näherung k X i=1 ni (ln ni − 1) unter den Nebenbedingungen (†) zu minimieren. Wir schreiben ! ! k k k X X X F (n1 , . . . , nk , λ, µ) = ni (ln ni − 1) + λ ni − N + µ ni Ei − E i=1 i=1 i=1 und benutzen die Multiplikatorregel von Lagrange, wobei wir als Approximation annehmen, dass die ni beliebige (auch nicht–ganze) positive Werte annehmen können. Wir erhalten die Gleichungen 1 ni + ln ni − 1 + λ + µEi = 0, i ∈ {1, . . . , k}. ni Mit anderen Worten gilt für jedes i ∈ {1, . . . , k}, ln ni = −µEi − λ, −λ was sich durch Setzen von C = e auch als ni = Ce−µEi (‡) schreiben lässt. Natürlich müssen die Konstanten C und µ (bzw. λ und µ) noch so gewählt werden, dass die Nebenbedingungen (†) erfüllt sind, aber für grosse N sollte (‡) in guter Approximation den Ausdruck für die Besetzungszahl des i–ten Niveaus liefern. Bemerkung: Die durch (‡) gegebenen Verteilung nennt man Boltzmann–Verteilung. Sie spielt unter anderem in der statistischen Physik eine grosse Rolle. In der Thermodynamik beweist man, dass µ = kB1T ist, wobei T die Temperatur bezeichnet, und kB ≈ 1.38 · 10−23 J/K die Boltzmann–Konstante ist.