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The Ring 2 Start: 31. März 2005
Es ist noch nicht vorbei
DAS
URTEIL
R
eporterin Rachel Keller (Naomi Watts) und ihr Sohn Aidan
(David Dorfman) sind, ein halbes Jahr nach den Ereignissen
von THE RING, aus Seattle in das beschauliche Bergstädtchen
Astoria im Bundesstaat Oregon umgezogen. Sie hat bei der
örtlichen Zeitung Beschäftigung gefunden, wo sie mit ihrem
Kollegen David (Simon Baker) an den Titelnachrichten arbeitet.
Während ihrer Recherchen zu einem Mord an einem Teenager, entdeckt Rachel im Polizeicomputer Hinweise auf eine unbeschriftete
Videokassette. Als sie glaubt, eine Verbindung zum Mädchen aus dem
Brunnen, dem Tod der jungen Leute und ihres Exmannes hergestellt zu
haben, wird Aidan in die Notaufnahme des Krankenhauses eingeliefert. Das Kind ist unterkühlt, bewusstlos und voller blauer Flecken und
Blessuren. Durch ihre exzessive Beschäftigung mit dem
Geistermädchen ist sich Rachel sicher, dass ihr Sohn von Samara verletzt wurde. Sie wird von der Ärztin Emma Temple (Sissy Spacek) des
Kindesmissbrauchs beschuldigt und macht sich auf in ihre alte
Heimatstadt an der Westküste, um dort tiefer in der Vergangenheit
Samaras zu wühlen. Die ist währenddessen nicht untätig und dringt
tiefer in Leben und Psyche der Reporterin ein, als sie es je für möglich
gehalten hätte.
Durch eine gehörige Portion trockener Grudge-Schockeffekte kann
der Film seinen Pulsrhythmus angenehm erhöhen, was den Kritikern,
die hinter all den „BUH! – Schrecksekunden“ eine voll entwickelte
Story vermissen, den Wind nicht aus den Segeln nehmen kann.
Außerdem verlässt man sich sehr auf die Erinnerungen des Zuschauers
an den ersten Teil. Intelligent und hinterfotzig ist die Taktik, anstrengende zehn Minuten wirklich schlechter Dialoge von der Leinwand
triefen zu lassen, um den darauffolgenden Schock um so heftiger ins
Genick des Opfers im Kinosessel zu dreschen. Die knarrende
Soundkulisse und die, unter exzessiver Benutzung von schwindelerregend
verwinkelt
aufgebauten
Kamerakränen
erstellte
Kinematographie tun ihr Übriges, RING 2 die Optik eines zwischen nassen Haaren und Schneebildern auf Fernsehern angesiedelten
Bewunderungswerk des deutschen Stummfilmexpressionismus zu
verleihen.
Die Erklärung von Samaras neuen Beweggründen, neben der sattsam
bekannten Rachestory, die per se keinen Blumentopf beim nicht-horrorbesessenen Publikum gewinnen kann, ist frech bei DARK WATER,
dem ebenfalls sehr guten und wasserfixierten Film der Mannschaft
hinter dem japanischen Ring, geklaut. Erklärende Prequelelemente
wie aus RING 0 sind ebenfalls vorhanden, wenn sich Rachel tiefer und
tiefer in die bemitleidenswerte Lebensgeschichte des telekinetisch
begabten und belasteten Mädchens hineinliest. Sogar einen
Besessenheitssubplot lässt Regisseur HIDEO NAKATA einfließen. Man
wird das Gefühl nicht los, dass aus der Idee, stumpf das Remake einer
asiatischen Vorlage zu drehen, auch durch die Einstellung Nakatas,
des Regisseurs des Nippon-Originals, ein eigener und autark funktionierender Hybrid geboren ist.
Im Stil des tatsächlichen RING 2, SPIRAL, kann der Film ein paar seiner
erinnerungswürdigsten Momente aus eigentlich serienfremden
Goreeffekten ziehen. Ansonsten gelingt ihm, was auch der verhältnismäßig missratene erste US-Ring für sich verbuchen konnte, nämlich
Segmente der Erschaffung einer eigenen Ästhetik neben der seiner
Originalvorlage aufzuzeigen.
Diese setzt sich zusammen aus dem erwähnten Raubzug durch den
Fischteich japanischen Horrors, wie logisch, von RING, aber auch JUON/GRUDGE und ein paar weniger bekannten Arbeiten. Dann dem,
Eine Gewisse Handlungseigenständigkeit in Verbindung mit Gesicht-im-Dunkeln-Schocks à la
GRUDGE machen RING 2 zu einem angenehmeren
Erlebnis als seinen amerikanischen Vorläufer.
Naomi Watts ist noch immer sehr gewöhnungsbedürftig, um mich vorsichtig auszudrücken, aber
SISSY „CARRIE“ SPACEK mal wieder in einer reinen
Genreproduktion zu sehen macht allein schon
ganz
wehmütig.
Unter
den
gegebenen
Voraussetzungen durchaus ordentlicher Eintrag
auf der Liste der RING-verwandten Produktionen.
CL
Infobox:
Produktionsjahr:
Regie:
Drehbuch:
Schauspieler:
Baker,
Van
Spacek u.a.
Verleih:
FSK:
USA 2005
Hideo Nakata
Ehren Kruger
Naomi Watts, Simon
David Dorfman, Emily
Camp, Sissy
Kinostart:
31.Marz 2005
UIP
16
..
Bewertung:
Story:
Thrill:
SFX:
Action:
Gore:
7 von 10
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Der RING Zyklus
M
Horror-Kult aus Asien
itte der Neunziger Jahre beginnt das japanische
Horrorkino, eine Verjüngungskur zu durchlaufen, die ihren
Abschluss bis heute noch nicht gefunden hat. Eine vergleichbare Zahl von Genreveröffentlichungen hat das Land
seit den späten Sechziger Jahren nicht mehr verzeichnen
können. Allein im Jahr 2000 sorgen Filme wie TAKASHI MIIKES AUDITION, HEBI ONNA, OSHIKIRI oder der auch bei uns veröffentlichte UZUMAKI (siehe Review in VIRUS 2) für frisches Horrorblut im Genre des
TOKUSATSU (Spezialeffektfilms), wie man in Japan sagt. Einem
Filmgebiet, das seit seiner großen Zeit vor fast vierzig Jahren den
Science-Fictions und Monsterspektakeln wie GODZILLA oder GAMERA
Platz machen musste. Neben der EKO EKO AZARAK-Reihe, die im
Westen wegen ihrer entfernten Ähnlichkeit zum Super-Franchise
BUFFY - IM BANN DER DÄMONEN nur Freunden von Import-DVDs
begrifflich sein dürfte, zählen die Filme der RING (Ringu)-Serie zu den
Aushängeschildern des neuen japanischen Horrorfilms.
Die Schrecken des RING sind die der Vergangenheit, die über das Hier
und Jetzt hereinbrechen und es nicht nur durch seine Taten, sondern
bereits durch ihre schiere Anwesenheit in Tumulte zu stürzen in der
Lage sind. Es ist interessant, diesen Horror aus der Vergangenheit im
Japan-spezifischen Kontext des Konflikts zwischen Tradition und
Moderne in der Gesellschaft zu betrachten. In RING, der japanischen
Erstverfilmung – lässt man die Fernsehadaption aus dem Jahre 1995
einmal außen vor – von 1998 ist dieser Konflikt, trotz der Projektion
des Horrors auf eine sehr moderne weil elektronische Form, das zentrale Thema. Die Reporterin Reiko Asakawa (Nanako Matsushima)
recherchiert bezüglich einer angeblich verfluchten Videokassette, die
ihren Betrachter sieben Tage später umbringt. Gleich nach dem
Ansehen des Videos klingelt das Telefon und eine Geisterstimme kün-
digt den Beginn der letzten Lebenswoche an. Es zeigt sich, dass der
Mörder der Geist, besser noch die geistige Energie des toten Mädchens
Sadako (Orie Izuno) ist, das Rache nehmen will, nachdem es vor vierzig
Jahren vom eigenen Vater in einen Brunnen gestoßen worden war. Im
letzten Moment erkennt Reiko durch einen Zufall, dass der einzige
Weg, dem Fluch zu entkommen, darin liegt, eine Kopie der Kassette
anzufertigen, um durch die Weitergabe auch die „Infektion“ weiterzugeben. So bedeutet der Titel „Ring“ neben der Körperlichwerdung
Sadakos durch das Klingeln (to ring) des Telefons auch den Ring der
Zirkulation des Videos. Auf optischer Ebene steht das Symbol für die
letzten, in die Netzhaut gebrannten „Aufnahmen“ Sadakos, die auch
den Inhalt des ominösen Videobands ausmachen, nämlich das Bild des
Ringes aus Licht, der an der abdeckenden Steinplatte vorbei hinunter
in den Brunnen dringt. Man könnte auch von sich schließenden
Kreisen reden. Der Ring, die Spirale mit ihrem Anfang in der
Vergangenheit, ist auch die restliche Aufnahme von Sadakos
Erinnerungen, sieht sie in ihrer stark kontrastierten und mythologisierten Bildsprache doch aus wie die Geisterfilme, die KAIDAN, des
japanischen Horrorfilms der Sechziger. Der Vollmond, eine Frau, die
vorm Spiegel ihr langes Haar bürstet. Die grobkörnigen
Schwarzweißaufnahmen nähern sich dem Surrealismus an, wenn der
Spiegel an der Wand seine Position verändert und japanische kanji,
Schriftzeichen, durchs Bild fliegen, bevor das wirkungsvolle Bild des
Brunnens – kaum zu vergessen, hat man den Film einmal gesehen - die
Montage abschließt. Mit der Hilfe ihres Exmannes Ryuji entschlüsselt
Reiko den Gedankenplan und reist auf eine Vulkaninsel, wo vor vierzig
Jahren der Parapsychologe Dr. Ikuma mit Sadakos telepathisch begabter Mutter vor der Presse kleine Hellsichtigkeitsexperimente ausführte. Durch Ryuji hat sie auch Visionen von Sadakos ersten Ausbrüchen
um ersten RING – hier ist das in diesem Magazin leider inflationär benutzte Wort Meisterwerk ausnahmsweise sogar einmal angebracht – möchte ich anmerken, dass KOJI SUZUKIS
Buchvorlage, die ich euch dringend ans Herz legen möchte,
einige Passagen besitzt, die nicht verfilmbar sind. Abgesehen
davon, dass im Print die Reporterin ein Reporter war, haben sich an die
exakte Umsetzung der schriftlichen Inhaltsangabe des Videos und von
Ryujis fragwürdigem Background, der überraschenden Erklärung von
Sadakos tatsächlicher Person und ihrer Tötungsmethode weder die
Japaner um Regisseur HIDEO NAKATA noch die amerikanischen
Remaker getraut. Remake, genau. Das von Teil eins, 2002, war in den
Momenten, in denen es sich auf eine Eins-zu-eins-Übernahme des
japanische Vorbilds verließ, gut, in seinen leichten Veränderungen
auszuhalten und im Hinzufügen neuer Elemente wie dem Subplot mit
der Pferdezucht in Maine und dem computeranimierten Unfall des
Gauls auf der Fährüberfahrt, eine Unverschämtheit. Und das, obwohl
die Voraussetzungen denkbar schlecht waren. Der Regisseur ist der
von MÄUSEJAGD, die Produzenten, das filmbegeisterte Ehepaar
Walter F. Parkes und Laurie MacDonald, waren schon mit ihrem HOUSE
ON HAUNTED HILL- Remake auf den Arsch gefallen und
Hauptdarstellerin Naomi Watts konnte zwar in DAVID LYNCHS MULHOLLAND DRIVE überzeugen, war in RING aber etwas deplaziert.
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VIRUS
D
ie mit RING 2 betitelte DVD ist chronologisch gar nicht der zweite Teil und wird daher an späterer Stelle behandelt. Der eigentliche zweite Teil ist der bei uns zuletzt erschienene SPIRAL, der bis
auf den Titel nichts mit UZUMAKI zu tun hat und in seinem
Heimatland bereits 1999 unmittelbar nach dem Erstling in die
Kinos gekommen ist. Der Polizeipathologe Mitsuo Ando (Koichi Sato)
wird nicht damit fertig, dass sein kleiner
Sohn ertrunken ist und sich seine Frau infolgedessen immer mehr von
ihm entfremdet. Als er die Leiche seines unter mysteriösen Umständen
ums Leben gekommenen Freundes Ryuji Takayama sezieren soll,
beschließt er, sich in Bälde das Leben zu nehmen. Im Magen des Toten findet er eine Notiz mit dem Code, den die beiden zu Studienzeiten gemeinsam entworfen hatten. Zusammen mit Ryujis Studentin Mai trauert er, bis
er von Yoshino, dem Vorgesetzten von Reiko Asakawa, der Exfrau Ryujis,
und Hauptperson aus RING, die mit ihrem Sohn bei einem Autounfall zu
Tode gekommen ist, ein Notizbuch und eine unbeschriftete
Videokassette überlassen bekommt. Er schaut sie sich an und beginnt,
auf sein Ende zu warten. In dieser Woche geht Yoshino an einer Art
Pockenvirus zu Grunde und Mai verschwindet nach dem Sex mit Ando
spurlos. Am Ende der Suche stellt sich heraus, dass Sadakos Fluch ihn
nicht ereilt hat. Aber wieso?
SPIRAL ist in verschiedenen Schuhen krank. Eine Handvoll Gore-Effekte
senkt den Focus von den Thrills des Originals auf den Level des
Mainstreams, das erotische Element zwischen Ando und Mai ist fehl am
Platz und Sadako wird nicht mehr von der Kabuki-Schauspielerin ORIE
IZUNO, sondern von der Tänzerin HINAKO SAEKI gespielt. Bei allen
Parallelen zur unterkühlten und betont unangenehmen Atmosphäre des
Originals, leidet SPIRAL doch immens unter den erwähnten Makeln.
Nach dem Flop SPIRAL beauftragen die Produzenten HIDEO NAKATA und
sein Team, den Zyklus mit RING 2 in eine profitablere Richtung zu lenken.
Wie der Titel vermuten lässt, wird der tatsächliche zweite Teil totgeschwiegen, und der neue Film lässt Reiko und ihren Sohn Yoichi noch
leben. Allerdings aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, wo sie Mai, die
Studentin Ryujis, von ihrem toten Lehrer auf telepathischer Ebene kontaktiert, ausfindig machen kann.
Während Sadakos endlich erfolgter Autopsie stellt sich heraus, dass sie
die ersten zehn Jahre in der Tiefe des Brunnens gar nicht tot war und
ihren Hass in die Form einer auf psychischem Wege übertragbaren
Krankheit/Besessenheit verwandelt hat.
RING 2 hat trotz stellenweise vorhandenen Logikproblemen seine positiven Momente.
Als Schnittmenge zwischen dem Andeutungshorror des Originals und der
höheren Schockrate seines Vorläufers SPIRAL schwingt bei RING 2 der
Ton einer gehetzten Kommerzproduktion mit. Diese Schockrate, zusam-
1999 bringen japanische Produzenten die Hälfte des Budgets für THE RING VIRUS, eine koreanische Kopie des Erfolgs, auf. Weniger die zu erwartende Kommerz-Melkkuh als eine recht gut durchdachte Neubearbeitung der Buchvorlage, bietet Regisseur KIM DONG-BIN den Fans des Zyklus sogar ein
paar neue Einsichten. Von der Problematik des Generationenkonflikts wechselt der Film seinen Fokus auf den Krieg der Geschlechter. Mit dieser
Herangehensweise lässt sich auch erklären, wie diese Adaption, was einen integralen Part der Auflösung betrifft, mit ihrer Werkstreue allein auf weiter Flur steht.
Die Abschlusseinstellung des verfluchten Videos, der Vulkanausbruch, der die Reporterin, die hier buchgetreu eine Tochter und keinen Sohn hat, auf
D
RING 0 schließlich bietet ein Jahr später das, was in keiner
Horrorfilmreihe fehlen darf: Das Prequel. Dreißig Jahre vor den
Geschehnissen um Sadako angesiedelt, erfährt die – bereits im
Original in Rückblenden angedeutete – Geschichte ihrer medial
begabten Mutter, ihrer Ausbeutung durch den Parapsychologen
Ikuda und die Medien eine neue Bearbeitung. Wer das Buch gelesen hat,
wird den Subplot der Verbindung zur Theatergruppe in der Stadt und
dem ersten Aufflammen der tödlichen Psychokräfte verstehen. Sein
Untertitel BAASUDAI (BIRTHDAY in der japanischen phonetischen
Umwandlung ausländischer Worte und Eigennamen) bezieht sich auf die
Gleichheit der japanischen Worte für Wiedergeburt und Start (wie das
Play des Videorecorders). – Wie die meisten Prequels nicht essentiell,
Die RINGU-Reihe muss neben ihrer Wichtigkeit für das Genrekino ihres Heimatlandes auch als Stromstoß in die Knochen des Horrorfilms weltweit
gesehen werden. Weg vom Splatterfilm der Achtziger und dem bis zum Verrecken in Selbstreferenzen watenden SCREAM und seinen Epigonen bringen die Suzuki-Verfilmungen eine Ebene des Grusels ins Genre zurück, von der sich auch amerikanische Produktionen seit1998 gerne und erfolgreich
beeinflussen lassen. Und dagegen ist nichts einzuwenden.
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VIRUS 27
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