Editorial ie Menge an verfügbaren Daten auf der Welt steigt rapide an. 90 % der weltweiten Daten entstanden in den letzten zwei Jahren. Sie revolutionieren nun auch das Marketing. 65 % der von uns befragten Marketer und Agentur-Insider sind der Meinung, dass Daten die Markenkommunikation stark beeinflussen werden. Doch die aktuelle Diskussion über das Thema ist abstrakt, auf die Zukunft gerichtet und Technologie-lastig. Wir möchten Ihnen zeigen, wie Sie Daten schon heute nutzen können. Mit „Big Context“ möchten wir Ihnen die neue Datenwelt auf verständliche Art näher bringen und die Konsequenzen für die Markenkommunikation benennen. Schon heute können Sie Ihre Zielgruppe besser denn je verstehen und individuell ansprechen, effizienter und virtuoser die Kanäle orchestrieren, mit Daten und Technologien kreativere Kampagnen konzipieren sowie involvierenden und relevanten Content kreieren. Wir sehen Daten als Chance. Natürlich ist Datenschutz dabei ein wichtiges Thema. Für uns sind Konsumenten mündig und entscheiden selber, welche Daten sie preisgeben. Daher muss die Nutzung von Daten für den Nutzer transparent und nachvollziehbar sein. Nur dann wird die neue Datenwelt akzeptiert werden. „Big Context“ liefert Antworten auf einige der aktuellen Herausforderungen. Denn das Marketing ist im Umbruch (Kapitel 1). Marketer verlieren intern an Bedeutung. Die Medienrevolution erschwert die Orientierung. Der Wettbewerbsdruck ist immens und die Werbewirksamkeit sinkt. „Big Context“ bietet Marketern neue Chancen, strategische Relevanz zurückzugewinnen, Entscheidungsgrundlagen zu entwickeln und sich vom Wettbewerb abzugrenzen. So geben 83 % der von uns befragten Marketer und Agentur-Insider an, bessere Entscheidungen zu treffen, je mehr Daten ihnen zur Verfügung stehen. Mit „Big Context“ bringen wir erstmals drei Datenquellen zusammen: Quantified Self, Big Data und Open Data (Kapitel 2). Jede Datenquelle verkörpert einen anderen Umgang mit Daten. Quantified Self bezeichnet einen neuen digitalen Lifestyle, bei dem Menschen ihre alltäglichen Verhaltensweisen aufzeichnen und analysieren. Big Data beschreibt die Unternehmenspraxis, große und vielfältige Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren. Open Data ist eine gesellschaftliche Initiative. Ziel ist es, Daten öffentlich zugänglich zu machen, um mehr Transparenz zu erzeugen oder neue Services zu kreieren. Marketer und Agentur-Insider haben hier noch großen Nachholbedarf: 50 % haben noch nie von Quantified Self gehört. 39 % wissen nicht, was Open Data ist. 34 % können noch nichts mit Big Data anfangen. Da 37 % eine fehlende Kultur im Umgang mit Daten als eine der beiden zentralen Hürden genannt haben, haben wir ein Experiment aufgesetzt, um die praktische Dimension von „Big Context“ zu erkunden. Wir haben zwei Studenten der Universität der Künste in Berlin mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, einen Tag begleitet und in ihrem Alltag gefilmt. Wie unser Experiment genau abgelaufen ist, lesen Sie in Kapitel 3. In Kapitel 4 geht es um die Konsequenzen für die Markenkommunikation. Wir zeigen, wie „Big Context“ sich auf die vier Cs der Markenkommunikation auswirkt: Customer, Channels, Campaigns, Content. Den größten Nutzen der neuen Datenwelt sehen 28 % in einem besseren Verständnis der Zielgruppe und 20 % versprechen sich davon vorrangig, effizienter zu kommunizieren (Top-2-Nennungen). Das Whitepaper schließt mit einer Empfehlung für erste Schritte (Kapitel 5). Denn uns ist es wichtig, nicht nur über „Big Context“ zu reden, sondern ins Handeln zu kommen und Ihnen den Start im „Big Context“ zu erleichtern. Bei dieser Arbeit haben uns eine Reihe von Personen unterstützt, denen wir gern danken möchten: Der Universität der Künste in Berlin und den beiden Probanden, die sich auf unser Experiment eingelassen haben. Unseren Interviewpartnern Prof. Peter Wippermann (Trendbüro), Thomas Ramge („Data Unser“), Klaas Bollhöfer (The Unbelievable Machine), Wolfgang Breyer und Florian Resinger (BMW) und Dominik Dommick (Payback) sowie Frank Hupke (Resolution Media) und Mirus Fitzner (UdK). Den 400 Marketern und Agentur-Insidern, die an unserer Online-Befragung teilgenommen haben, und Jörg Jelden, der uns als Experte für Ausblicke und Aufbrüche wie in den Jahren zuvor inhaltlich und analytisch begleitet hat. Mit den besten Grüßen Franziska von Lewinski Michael Ohanian Inhaltsverzeichnis 1.Ausgangslage Seite 6 – 11 2.Die Datenquellen Seite 12 – 18 3.Das Experiment Seite 19 – 21 4. Konsequenzen für die Marketingkommunikation Seite 22 – 31 5. Erste schritte Seite 32 – 33 6. quellen, Set-up, impressum Seite 34 – 35 Ausgangslage Datenquellen Konsumenten messen ihr Verhalten Unternehmen analysiseren große, unverknüpfte Datenmengen in kürzester Zeit Offene Datenpools ermöglichen neue Services Konsequenzen für die Marketingkommunikation Zielgruppen verstehen und individuell ansprechen Neue Touchpoints identifizieren und effizienter kommunizieren Kampagnen lokalisieren, individualisieren, dynamisieren Erste Schritte Wer Chancen wahrnehmen will, muss experimentieren Involvierende und relevante Inhalte kreieren 1. Ausgangslage ... haben intern an Bedeutung und Vertrauen verloren ... verlieren Orientierung und Entscheidungsfähigkeit ... sind einem hohen Wettbewerb ausgesetzt und müssen härter um Kunden kämpfen 6 Ausgangslage der DAX-30Unternehmen haben einen CMO 1 wissen nicht, welche Daten im Unternehmen vorhanden sind Marken und Patente werden durchschnittlich pro Jahr in Deutschland neu angemeldet (2005-2011) 4 der CEOs misstrauen ihren Marketingabteilungen 2 aller CMOs fühlen sich nicht ausreichend auf die Datenexplosion vorbereitet 3 Es ist bis zu 10x teurer, neue Kunden zu gewinnen, als bestehende an das Unternehmen zu binden 5 Unternehmen, die ihre Datenqualität verbessern, können ihren Ertrag um bis zu 60 % steigern 6 „Big Context“ hilft Marketern, strategische Bedeutung zurückzugewinnen, wirksamer und innovativer zu kommunizieren. Kommunikationsbotschaften gehen unter Werbebotschaften sind Konsumenten täglich ausgesetzt. „Big Context“ hilft Marketern, bessere und schnellere Entscheidungen zu treffen. Nur der MarketingEntscheider haben ein klares Verständnis, welchen Mehrwert einzelne Kommunikationskanäle bieten. 7 + ist die Werbemenge allein durch E-Mails, Banner, Pop-ups & Co. gewachsen. 8 „Big Context“ stellt den Konsumenten in den Mittelpunkt, fördert neue Insights zu Tage und hilft Marketern, mit bestehenden Kunden mehr zu verdienen. „Big Context“ hilft Marketern, relevanter zu kommunizieren und stärker zu involvieren. Ausgangslage 7 Daten werden die Markenkommunikation revolutionieren. sind der Meinung, dass die Bedeutung von Daten für die Markenkommunikation stark zunehmen wird. Quelle: Eigene Online-Befragung; Februar-März 2013 Marketer haben Nachholbedarf. können noch nichts mit Big Data anfangen. wissen nicht, was Open Data ist. haben bisher noch nicht von Quantified Self gehört. Quelle: Eigene Online-Befragung; Februar-März 2013 8 Ausgangslage „Big Context“ hilft, Zielgruppen zu verstehen und wirkungsvoller zu kommunizieren oder neue Services zu etablieren. Nur sehen heute schon die Zukunft: Daten für neue Produkte oder Services zu nutzen. versprechen sich davon vorrangig, effizienter zu kommunizieren. sehen den größten Nutzen in einem besseren Verständnis der Zielgruppe. Quelle: Eigene Online-Befragung; Februar-März 2013 Die vorhandene Datenbasis ist noch nicht ausreichend. Nur halten sie für sehr umfassend. halten die eigenen Zielgruppendaten für lückenhaft. Quelle: Eigene Online-Befragung; Februar-März 2013 Ausgangslage 9 „Big Context“ kämpft mit internen Hürden. Es fehlt an Daten-Transparenz und Analyse-Kultur. Rechtliche Aspekte spielen überraschenderweise kaum eine Rolle. sehen rechtliche Probleme. halten eine fehlende Kultur im Umgang mit Daten für die zentrale Barriere. sehen in der fehlenden Transparenz, welche Daten vorhanden sind, die wichtigste Hürde. Quelle: Eigene Online-Befragung; Februar-März 2013 Marketer nutzen Daten vorrangig zur Planung und weniger zur Steuerung oder als kreative Ressource. sehen die größte Relevanz von Daten für die Markenkommunikation im Vorfeld einer Kampagne oder Aktion. Während oder nach einer Kampagne spielen Daten kaum eine Rolle. 10 Ausgangslage Quelle: Eigene Online-Befragung; Februar-März 2013 „Big Context“ – Daten werden für die Markenkommunikation nutzbar. Vor allem drei Datenquellen ermöglichen kontextsensitives Marketing: Konsumenten vermessen digital ihr Leben, um sich selbst zu optimieren (Quantified Self). Unternehmen sind in der Lage, große Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren (Big Data). Daten werden öffentlich und über Schnittstellen verfügbar gemacht (Open Data). „Big Context“ entsteht durch eine Schnittmenge dieser Datenquellen. Mit „Big Context“ wird die Markenkommunikation effektiver, individueller und involvierender. Marken sind durch die neuen Datenquellen in der Lage, ihre Kunden besser kennenzulernen und individueller anzusprechen. Sie können Kanäle und Touchpoints wirksamer und virtuoser orchestrieren. Kampagnen lassen sich durch Daten kreativ anreichern und aktueller halten. Inhalte werden relevanter und resonanzfähiger, neue Ideen für Kommunikation entstehen. Ausgangslage 11 2. Die Datenquellen Neue Datenquellen bilden die Grundlage für unsere Idee des „Big Context“. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, was Quantfied Self, Big Data und Open Data eigentlich bedeuten. Menschen sind Gewohnheitstiere. Routinen prägen unser Handeln. Die meisten sind uns nicht bewusst und unsere Erinnerungen trügen uns permanent. Neuro-Forscher gehen davon aus, dass Menschen geschätzte 85 % ihres Lebens auf Autopilot geschaltet sind. Wie schwer es ist, sein Verhalten zu ändern, weiß jeder, der schon einmal versucht hat, das Rauchen aufzugeben oder sich gesünder zu ernähren. Ein neuer Zahlen-basierter Lifestyle nutzt neue Technologien, um das eigene Verhalten besser zu verstehen und sich selbst zu optimieren. Das ist an sich nicht neu und gab es im Hochleistungssport schon immer, durch neue Technologien kommen diese Methoden nun auch in der Masse an. Die sog. „Quantified-Self-Bewegung“ zählt die täglichen Kalorien, misst die täglichen Schritte und analysiert die Schlafqualität und vieles mehr. In den USA nutzt bereits jeder Fünfte die verschiedenen Möglichkeiten der Selbstvermessung. Deutsche Marketer und Agentur-Mitarbeiter haben bei Quantified Self deutlichen Nachholbedarf. 50 % haben noch nie davon gehört.9 Nur eine Avantgarde von 9 % nutzt diese Datenquelle bereits. Vom Smartphone zu Wearables. Neue Geräte und Software machen die Quantifizierung des eigenen Lebens kinderleicht. Mit dem Siegeszug von Smartphones sind Sensoren allgegenwärtig geworden. GPS-Empfänger, Kameras, Mikrophone, Lageund Bewegungssensoren sind heute Massenware. Per Smartphone und ergänzende Geräte dokumentieren Nutzer ihre Mahlzeiten auf The Eatery, speichern die Leistungswerte des eigenen Workouts auf Nike+, zählen die täglichen Schritte per Fitbit, messen die eigenen Stress-Indikatoren mittels Soma und zeichnen ihren Schlafrhythmus über Lark.com auf. Auf den dazugehörigen Webseiten und Apps analysieren sie ihre Daten, teilen und vergleichen sie mit anderen. Neue Communities entstehen, wie z. B. dacadoo, das als Facebook für Fitness gilt. Neue multisensorische Geräteklassen stehen in den Startlöchern. Es halten sich die Gerüchte, dass Apple und Samsung eine intelligente Uhr auf den Markt bringen werden. Google Glasses sind derzeit in der Betaphase. Das technisch hochgerüstete Armband von Nike Fuel misst, wie viel man sich täglich bewegt hat. 12 Die Datenquellen Per Smartphone Mahlzeiten dokumentieren > https://eatery.massivehealth.com Digitales Armband, das den Schlaf und Aktivitäten trackt > www.fitbit.com/de Mit dem Internet verbundene Datenbrille > www.google.com/glass Selbstvermessung statt Selbstbetrug. Nicht selten sind Leistungssteigerungen, Perfektionswille, Krankheiten oder persönliche Krisen Ausgangspunkt, um das eigene Leben zu ändern. Der rationale Blick jenseits von Intuitionen, Gelüsten und Gefühlen auf das eigene Verhalten ermöglicht es, die entscheidenden Momente zu erkennen. Diese Menschen beginnen, Stück für Stück alte Routinen zu durchbrechen und neue zu etablieren. Über die bestehenden Webseiten und Apps verpflichtet sie sich gegenüber einer Community, anders zu essen, das wöchentliche Sportprogramm einzuhalten oder weniger zu konsumieren. Auch soziale Vergleiche und Motivation seitens der Apps sollen den Rückfall in liebgewonnene Gewohnheiten verhindern. Vom Reason To Believe zum Proof Of Performance. Konsumenten beginnen über Quantified Self verstärkt, negativ empfundene Routinen zu durchbrechen und neue Konsumgewohnheiten zu etablieren. Sie überprüfen damit auch die Leistungsversprechen von Marken anhand von Zahlen. Trotz aller Quantifizierung fällt Nutzern die Änderung der eigenen Verhaltensweisen schwer. Denn sie müssen sich zurückhalten und mäßigen. Parallel zur Selbstdisziplinierung steigen damit die Gelüste und Sehnsüchte, die dann seltener, aber intensiver ausgelebt werden. Konsumenten-Motive Vorgehensweise Beispiele Bewusster leben Blutzucker, Puls, Schlafrhythmus, Stress-Werte, Stimmungen messen Glucodock, Zeo, Soma Besser essen Kalorien zählen, Mahlzeiten dokumentieren The Eatery, Weightwatchers App Sportliche Ziele erreichen Schritte zählen, Trainingsprogramme einhalten Nike+, Fitbit, Runtastic, Dacadoo Ausgaben kontrollieren Privatausgaben, Benzin- oder Stromverbrauch monitoren Mint, Greencharge Verhaltensmuster aufdecken Analyse des eigenen E-MailVerkehrs, der Telefonnutzung oder der Häufigkeit von Meetings Paco, Phown Die Datenquellen 13 Unternehmen, die in gesättigten Märkten weiter wachsen wollen, setzen auf die Doppelstrategie aus Innovationen und Effizienzsteigerungen. Beide Ansätze setzen darauf, große und vielfältige Datenmengen zu sammeln, zu verknüpfen, in kürzester Zeit auszuwerten und nutzbar zu machen. Der Megatrend Big Data verspricht Effizienz- und Produktivitätssteigerungen, feingranulare Kundensegmentierungen, rationalere Entscheidungsgrundlagen, neue kreative Gestaltungsmöglichkeiten und eine datenbasierte Planbarkeit. Evolutionssprünge in den Bereichen Infrastruktur, künstliche Intelligenz und Datenvisualisierung machen dies möglich. Auch wenn Unternehmen bereits fleißig Daten sammeln, wird daraus selten ein Nutzen gezogen. Weniger als ein Prozent der vorhandenen Daten wird heute analysiert.10 38 % der von uns befragten Marketer und Agentur-Insider möchten Big Data nutzen. Noch haben Unternehmen, die auf Big Data setzen, Wettbewerbsvorteile. In wenigen Jahren wird das effiziente Handling großer Datenmengen zum Standard. Die eigenen Daten zusammenführen. Die meisten Unternehmen wissen heute sehr genau, welche Produkte sie wann, wie, wo, wem für wie viel verkauft haben. Sie wissen aus der Vergangenheit, welche Farben gut gehen, welche Geschmacksrichtungen wann ankommen und welche Modelle besonders gut verkauft werden. Über den Kundenservice erhalten sie ein Produkt-Feedback von Nutzern. Sie hören ihren Zielgruppen über die sozialen Medien zu und versuchen, den Erfolgsbeitrag von Kanälen zu messen. Aber intern teilen viele Abteilungen ihre Daten äußerst ungern. Daten sind hochpolitisch. Sie machen Erfolge wie Misserfolge transparent. Aber nur wenn die internen Daten zusammengeführt werden, lassen sich neue, relevante Erkenntnisse aufzeigen. Kulturelle Hürden sind derzeit höher als die technischen oder rechtlichen. Das Ende der Intuition? Viele Big Data Experten versprechen, dass Ent- scheidungen zukünftig noch stärker auf Basis von Zahlen getroffen würden. Intuition und Erfahrung hätten ausgedient. Aber Maschinen spucken nicht auf Knopfdruck sinnvolle Ergebnisse aus. Um neue Insights zu generieren, sind Hypothesen und Fragen nötig, anhand derer die Datenberge durchkämmt oder neue Daten erhoben werden. Datenberge bleiben nutzlos, wenn keine intelligenten Anfragen gestellt werden. Hierfür sind Intuition, Erfahrung und gesunder Menschenverstand unerlässlich. Zudem müssen Zahlen mit Bedeutung aufgeladen werden. Denn ohne handlungsrelevante Interpretation sind Daten nichts als nackte Zahlen. 14 Die Datenquellen Zusammenhänge erkennen, Prognosen erstellen. Big Data verspricht eine neue Planbarkeit. Wer die richtigen Zusammenhänge im bisherigen Verhalten erkennt, kann viele routinemäßige Konsumentenentscheidungen identifizieren und gezielter agieren. So stellte Procter & Gamble schon früh fest, dass abends Windeln häufig zusammen mit Bier gekauft werden. Denn junge Väter kaufen auf dem Rückweg nach Hause Windeln und belohnen sich mit einem Drink. In einem zweiten Schritt lassen sich aus den aggregierten Daten häufig valide Prognosen über zukünftiges Konsumverhalten treffen. Für Einzelhändler sind die Kunden, die Nachwuchs erwarten, besonders spannend. Mit der Schwangerschaft ändern sie ihre Einkaufsroutinen. Um solche Kunden frühzeitig anzusprechen, hat Target z. B. ein SchwangerschaftsVorhersage-Modell entwickelt, um Kunden rechtzeitig anzusprechen.11 Neue Konsumentenerwartungen. Die Preisgabe persönlicher Daten ist bei vielen Konsumenten nicht nur mit Ängsten, sondern auch mit steigenden Erwartungen verbunden. Wer freiwillig Daten preisgibt, möchte gezielter angesprochen und besser bedient werden. Entsteht bei Konsumenten trotz eines sinnvollen Angebots der Eindruck der Überwachung, wird vorhandenes Vertrauen beschädigt. Unternehmen wie Target mischen die gezielten Angebote in einem Prospekt unter beliebig erscheinende andere Angebote, um keinen Big-Brother-Effekt zu erzeugen. Wichtige Big Data Quellen CRM-Daten Warenwirtschaftssysteme Transaktionsdaten Kunden-Interaktionsdaten Webcontrolling/E-Commerce-Daten Die Datenquellen 15 Peter Wippermann, Trendforscher Wie verändern sich die Erwartungen von Konsumenten durch die Preisgabe privater Daten? „Konsumenten erwarten, dass Unternehmen schneller reagieren und in der Lage sind, Beziehungen zu pflegen. Wer seine Daten preisgibt, erwartet, zukünftig besser bedient zu werden, und wird die Leistungen einer Marke stärker überprüfen. Statt ‚Reason to Believe‘ geht es um ‚Proof of Performance‘. “ Wie werden Daten das Marketing verändern? „Marketing basiert immer stärker auf Beziehungsmanagement und weniger auf Bekanntheitsmaximierung. Anerkennung wird wichtiger als Aufmerksamkeit. Unternehmen, die ihre Datenhausaufgaben machen, können besser und schneller reagieren. Wer schneller reagiert, hat klare Wettbewerbsvorteile.“ Wie wird die neue Verfügbarkeit von Daten die Unternehmen und Märkte verändern? „Daten sind Herrschaftswissen. Wer Daten analysieren und nutzen kann, wird an Einfluss gewinnen: intern wie extern. Wie immer werden viele etablierte Player die neuen AnalyseMöglichkeiten ignorieren und dadurch mittelfristig verlieren. Gleichzeitig werden neue, aggressive Akteure nach vorne preschen.“ Individuen, Unternehmen oder Verwaltungen beginnen, ihre Daten öffentlich zugänglich zu machen. Denn die beste Idee, Daten nutzbar zu machen, hat im Zweifelsfall ein Dritter. Offene Datensätze erlauben es Interessierten, die Daten uneingeschränkt zu nutzen, zu bearbeiten und erneut zu verbreiten (Open Knowledge Foundation). Auch Unternehmen haben über Open Data einen großen Zugang zu Kontext-Informationen. Zudem entstehen neue Geschäftsmodelle rund um die Offenlegung von Unternehmens- oder Nutzerdaten. Facebook und Google sind dafür prominente Beispiele. Auch Journalisten lernen, Zahlen mit Leben zu füllen. Keine Krise, Konflikt oder Skandal kommt heute ohne die Visualisierung verfügbarer Zahlen aus. In Deutschland steckt Open Data noch in den Kinderschuhen. 39 % der Befragten können sich nichts darunter vorstellen. 16 Die Datenquellen Website, die öffentlich verfügbare APIs auflistet > www.programmableweb.com Digitale Schnitzeljagd mit dynamischer Google Maps Integration > http://bit.ly/rWPq2q Von der API zum Mashup. Wer verfügbare Neue, datenbasierte Geschäftsmound dynamische Daten sucht, kann auf eine Vielzahl delle. Die Verknüpfung öffentlich verfügbarer Daten von Datenbanken zugreifen. Idealerweise sind diese über ein sog. Application Programming Interface (API) zugänglich. Die Website Programmableweb listet viele Tausende verfügbare APIs auf. Neben Twitter und Facebook haben auch Regierungen (USA, Großbritannien, Deutschland), Städte wie Leipzig (Verwaltungsdaten), Verkehrsbetriebe oder Medienunternehmen wie die ZEIT auslesbare Schnittstellen oder Datenportale. Die so erhältlichen Daten lassen sich mit anderen öffentlichen oder privaten Daten verknüpfen. Die taz erstellte zum Beispiel aus frei verfügbaren Daten eine Fluglärmkarte.12 macht vollkommen neue Geschäftsmodelle möglich. Paul Hawtin von der Fondsgesellschaft Derwent Capital nahm zum Beispiel sämtliche verfügbare Twitter-Nachrichten, die einen Emotionsausdruck beinhalteten, glich sie mit psychologischen Stimmungsprofilen ab und berechnete daraus einen kollektiven Gemütszustand. Diesen Index setzte er mit den verfügbaren Börsenkurven in Beziehung und konnte so Zusammenhänge für den richtigen Moment des Investierens aufzeigen. Auch die Geschäftsmodelle von Google und Facebook sind datenbasiert. Sie geben Konsumenten kostenlose Tools an die Hand und sammeln im Gegenzug Daten. Diese Daten stellen sie Unternehmen zur Verfügung und verkaufen individualisierbare Werbeplätze. Die wichtigsten Kontextdaten Die wichtigsten Kontext-Tools Wetter Karten z. B. Google Maps & Earth Verkehr Timelines, z. B. Visually, tiki-toki Geo-Positionen Visualisierungsframeworks, z. B. d3.js Social-Media-Aktivitäten Überraschende Vergleiche Sozioökonomische Daten Die Datenquellen 17 Karten, Timelines, Vergleiche und andere Visualisierungen. VW macht das Fahrerlebnis für Autofahrer messbar > www.smileage.vw.com Google Projekt, um Werbung durch Daten relevanter zu machen >www.artcopycode.com Je stärker Daten zur Entscheidungsfindung oder Wissensvermittlung genutzt werden und je stärker Echtzeit eine Rolle spielt, desto wichtiger wird es, gute Darstellungsformen zu finden. So lassen sich z. B. Karten gut benutzen, um zu zeigen, an welchen Orten, auf welchen Routen oder Flächen sich bestimmte Ereignisse vollziehen. Die frei verfügbaren Karten von Google sind hier eine hervorragende Basis. Die Kampagne „Catch the Flash“ von Nike nutzte die Maps API, damit die Mitspieler andere Teilnehmer in Echtzeit auf der Karte verfolgen konnten. Volkswagen ist einer der ersten Partner in Googles Programm „Art, Copy & Code“, welches in Experimenten neue Möglichkeiten der Werbung testet. „Smileage“ nutzt Informationen zum Aufenthaltsort, dem Verkehr, dem Wetter und der Zeit, um ein neues Fahrerlebnis für Autofahrer zu ermöglichen. Google Maps und Google+ sind dabei integriert, Ereignisse auf einem Zeitstrahl darzustellen ist ebenfalls eine beliebte Methode. Eine weitere beliebte Darstellungsform sind Vergleiche. Die Süddeutsche Zeitung hat in einem umfangreichen Projekt verschiedenste Daten und Statistiken zum Leben der Europäer zusammengeführt. Auf einer interaktiven Karte lassen sich verschiedene Länder und Regionen vergleichen und im zeitlichen Verlauf betrachten.13 Klaas Bollhöfer, Data Scientist bei The Unbelievable Machine Warum sollten sich Marketer mit datengetriebenem Marketing beschäftigen? „Es entstehen interessante neue Insights und Wettbewerbsvorteile, wenn man die eigenen Transaktions-, Kundenverhaltens- oder Warenbestandsdaten mit frei zugänglichen öffentlichen Daten, z. B. Facebook, Twitter, Apps, Verkehrs-, Wetter- oder Geo-Daten, korrelliert. Marken können sich einen einzigartigen Datenpool zusammenstellen und so vom Wettbewerb differenzieren. Ein Unique Data Pool wird ebenso wichtig wie der USP früher.“ Wie werden Unternehmen diese neuen Kompetenzen in ihre Arbeit integrieren? „Daten zu analysieren ist im ureigensten Interesse von Unternehmen. Mittelfristig werden Unternehmen diese Arbeit selbst übernehmen. In der Anfangszeit haben Agenturen und Berater die Möglichkeit, Unternehmen bei der Implementierung zu helfen, erste Schritte zu gehen und Quick Wins zu generieren.“ 18 Die Datenquellen 3. Experiment Zusammen mit zwei Probanden des Studiengangs Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin haben wir ausprobiert, welche Rolle Daten im Alltag spielen. Wir wollten herausfinden, ob und wie Umweltdaten und Körperdaten im Zusammenhang mit dem Kontext einer einzelnen Person Rückschlüsse für die Markenkommunikation zulassen oder neue Ideen entstehen lassen. Wir haben die zwei Probanden 12 Stunden filmisch begleitet und mittels diverser Sensoren eine Vielzahl an Daten gemessen: Herzschlag, Schritte, Kalorienverbrauch, Luftfeuchtigkeit, Augenbewegung, Temperatur, Computer- und Smartphone-Nutzung sowie Bewegungsdaten. Über den Tag verteilt haben die Probanden verschiedene Aufgaben bewältigt: Vom Frühstück über Einkaufen bis zum Höhepunkt des Abends – einem Essen mit Freunden, das selbst zubereitet wurde. Abschließend haben wir sie zu ihren Erlebnissen befragt. Die Sensoren: #Nike GPS-Sportwatch mit Brustgurt (1) #Fitbit Aktivitätstracker (2) #Google Latitude für das Bewegungsprofil (1) Nike © #Temperaturlogger #Tobii Eyetracking-Brille (3) #GoPro Kamera für Aufnahmen aus der Egoperspektive (4) (2) © (3) (4) Fitbit © © Tobii GoPro Experiment 19 Beobachtungen: # Kein Big-Brother-Effekt: Trotz der vielen Sensoren waren beide Probanden überrascht, dass sie nicht auf die Daten erhebung geachtet haben und sie sich einigermaßen natür lich bewegen konnten. # Routinen aufzeigen. Die spätere Betrachtung der Daten hat den Probanden ihre Gewohnheiten und Routinen ver deutlicht und machte die abstrakte Massenauswertung anfassbar. # Hoffen auf Services. In der Hoffnung, interessante Gegen leistungen, besseren Service oder innovative Dienstleis tungen zu erhalten, zeigten beide Probanden die Bereitschaft, persönliche Daten zur Verfügung zu stellen, wenn es dafür einen Mehrwert gibt und die Nutzung transparent ist. 20 Experiment Mirus Fitzner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität der Künste, Berlin Ermöglichen mehr Daten zielgenaueres Marketing? „Natürlich nicht zwangsläufig. Wir haben es hier mit einem typisch mimetisch-isomorphen Phänomen zu tun: Jedes Unternehmen sammelt Daten, dies wird zur Grundbedingung für das Bestehen am Markt. Der Wettbewerbsvorteil erwächst in Zukunft nicht aus der Existenz von Daten, sondern aus deren intelligenter Verknüpfung. Kurz: den Vorteil erwirbt, wer aus den Daten den besten Sinn extrahiert oder interpretiert.“ Das bedeutet, Daten sind direkt abhängig von dem Kontext, in dem sie erhoben wurden? „Genau. Die Kenntnis der Lebensstile oder Lebenswelten von Menschen ist unabdingbar, um aus den erhobenen Daten tatsächlich auch die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.“ Sind die Daten von jedem Menschen gleich viel wert? „Nein. Es bildet sich natürlich in aller Kürze eine DatenElite heraus, die äußerst raffinierte Tools einsetzt, um der Sammlung von Daten zu entkommen. Sie ähneln teilweise den Menschen, die als ‚Multiplikatoren‘ oder ‚Entscheider‘ bevorzugtes Ziel der traditionellen Marktforschung waren und über die man möglichst viel wissen wollte, die aber sozusagen ‚flüchtig‘ waren. Diese beiden Gruppen sind aber keineswegs identisch.“ Experiment 21 4. Konsequenzen für die Marketingkommunikation Aus „Big Context“ ergeben sich Konsequenzen für die vier zentralen Bereiche der Markenkommunikation: Customer, Channels, Campaigns, Content „Big Context“ #heißt, Kunden besser zu segmentieren, zu verstehen und gezielt anzusprechen (Customer). #bedeutet, Kanäle und Touchpoints wirksamer und virtuoser orchestrieren zu können (Channels). #steht dafür, Kampagnen durch Daten kreativ anzureichern und zu steuern (Campaigns). #hilft, resonanzfähigen und involvierenden Content zu erstellen (Content). Marketer und Agenturen beschäftigen sich vorrangig mit Daten, um die eigenen Kunden besser zu verstehen, in genauere Zielgruppen einzuteilen und gezielter anzusprechen. Für 28 % der Befragten ist dies die wichtigste Motivation der Datennutzung (Top-Nennung). Allerdings hält nur jeder Fünfte die vorhandenen Zielgruppendaten für sehr umfassend (19 %). 38 % halten sie sogar für lückenhaft. CRM-Systeme bilden die Ausgangsbasis. Selbst mit einfachen Segmentierungen lassen sich derzeit noch große Effekte erzielen. Diese Daten können anschließend mit einer Vielzahl weiterer Daten angereichert werden. Zukünftig werden Unternehmen und Marken ihre Kunden individualisiert zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit einem relevanten Angebot ansprechen. Zudem wird die Kundenkenntnis zur Quelle neuer Produkte und Services. Kunden qualifizieren. Der erste Schritt sollte immer eine Analyse der be- stehenden Kunden sein. Marketer und Vertriebler sollten genau wissen, welche Kunden besonders relevant für den Geschäftserfolg sind. Sie sollten analysieren, was diese Kunden verbindet und von anderen unterscheidet. Sie sollten Daten über deren individuelle Vorlieben und Verhaltensweisen auswerten. Daten von Kundenkarten oder dem Kundenservice sind eine solide Basis für eine gezielte Kundensegmentierung. Noch immer lassen sich mit einfachen Mitteln große Effekte erzielen. Der norddeutsche Einzelhändler Dodenhof wertet die Daten von 450.000 Kunden und 150.000 Transaktionen gezielt aus. In seinen 140 Mailings jährlich mit Auflagen ab 500 Stück erreicht das Unternehmen eine Response-Quote von 20 % und eine Conversion-Rate von 8 %. Das ist das Achtfache des Branchendurchschnitts.14 22 Konsequenzen für die Marketingkommunikation Daten-Dinosaurier oder Analytical Competitor? Obwohl die Idee des Customer Relation- ship Managements seit 20 Jahren das Marketing prägt, sieht die Unternehmenspraxis häufig anders aus. Fehlende Datentransparenz und Analysekultur sind die aktuellen Haupthindernisse. 38 % der Befragten geben an, dass unklar ist, welche Daten überhaupt vorhanden sind. Zudem fehlt für 37 % eine Kultur im Umgang mit Daten. Mehr als die Hälfte der Befragten hat intern nur eingeschränkten Zugriff auf Daten. Der Autor von „Data Unser“ 14 schreibt dazu: „Selbst mit den gängigen Werkzeugen der Segmentierung lassen sich jede Menge Umsatzpotentiale heben, weil die Konkurrenz diese eben gar nicht oder nicht ausreichend nutzt.“ Viele Unternehmen rüsten in diesem Bereich auf. Neben Vorreitern wie Facebook, Amazon, Google oder Apple gründen sie ihren Geschäftserfolg auf ein möglichst umfängliches Kundenwissen. Unternehmen wie Nike gründen ganz neue Geschäftsbereiche (Nike+), um dieses Wissen zu erweitern und zu vertiefen. Kontextdaten nutzen. Die eigenen Zielgruppendaten können durch eine große Bandbreite an NutzerDaten angereichert werden, um möglichst individuelle Datenprofile zu erhalten. Diese stammen aus sozialen Netzwerken oder von Werbenetzwerken, die alles von Likes, Clickrates bis Webseiten-Besuchen, Stadt, Präferenzen etc. lesen. Eines dieser Unternehmen heißt [x+1]. Gemeinsam mit dem Wall Street Journal führte [x+1] ein Experiment durch: Anonyme, von den Journalisten ausgewählte Nutzer sollten mit ihren Rechnern nur einen Klick auf einer Test-Website machen. [x+1] sollte erkennen, wer da klickt. Das Unternehmen identifizierte Familienstand, Ort, Beruf, ungefähres Haushaltseinkommen, regelmäßige Einkaufsorte und das Freizeitverhalten korrekt.15 Barack Obama hat nicht zuletzt über ein gezieltes MicroTargeting die beiden Wahlen für sich gewonnen. Über die Software „Votebuilder“ wurden alle diese Informationen zusammengeführt. 10 Terabyte an Rohdaten aus Webanalyse, Social Media, Apps, Soziodemografie, Medienplänen und -analysen, Anzeigenpreisen etc. wurden von 100 Analysten in drei Teams ausgewertet. Ziel war es, „Unentschlossene“ und „Bekehrbare“ in den Swing-States zu identifizieren und gezielt anzusprechen. Die Erkenntnisse wurden u.a. genutzt, um gezielter zu werben. So hatte Obama im Wahlkampf doppelt so viele TV-Werbeplätze wie Romney, aber zu deutlich günstigeren Sendezeiten. Dabei half der Media Optimizer von Adobe. Projekt, um mithilfe von Datenanalyse Städte intelligenter zu machen > http://bit.ly/T6inOT Individualisierte Echtzeitansprache. Wer all diese Daten sinnvoll verknüpft, wird zukünftig die Möglichkeit haben, Konsumenten individualisiert in einem relevanten Umfeld zur richtigen Zeit anzusprechen. Ein aktueller Werbe-Spot aus der IBM „Smarter Planet“-Kampagne macht diesen Wandel von anonymen Zielgruppen zu konkreten Kunden plastisch.16 Dies setzt natürlich eine Evolution der Medienkanäle, Werbenetzwerke und des Media Buyings und der Kreation voraus. Derzeit übertragen sich die Logiken der Online-Werbung auf das Fernsehen (s. Interone Studie „TV to come. TV to go.“ 2012). Wer genau weiß, wen er sucht, kann sich mit der Optimierung von Touchpoints auseinandersetzen. Kundenorientierung: Von der Floskel zur Fähigkeit. Unternehmen, die derart versiert sind, ihre Kunden zu verstehen, werden diese Fähigkeit zum Asset machen. Denn Wettbewerbsvorteile entstehen heute vor allem durch zwei Dinge: Services, die das Leben des Kunden bereichern oder vereinfachen, sowie eine starke emotionale Aufladung mit einem Sinn, für den die Marke steht. Diese Unternehmen werden die Insights, die sie als Resonanz aus dem Markt erhalten, in erfolgreiche Produkt- und Service-Innovationen übersetzen. Bislang waren Marketing und Vertrieb für die optimale Vermarktung vorhandener Produkte zuständig. Zukünftig werden ihre Markt- und Consumer-Insights die Basis für strategisches Neugeschäft liefern. Konsequenzen für die Marketingkommunikation 23 Ableitungen für die Markenkommunikation: # Klarheit verschaffen. Die neue Datenwelt ist komplex und unübersichtlich. Beinahe jedem zweiten befragten Marketer fällt es angesichts der verfügbaren Daten schwer, den Überblick und die Orientierung zu behalten. Um sicherzustellen, sich nicht zu verlieren, brauchen Marketer mehr denn je ein klares Verständnis ihrer Ziele und Strategien. # Kundengruppen statt Zielgruppen. Zielgruppen sind zu abstrakt und grob maschig. Allzu häufig stimmen formulierte Zielgruppen und tatsächliche Kunden gruppen nicht überein. Marketer sollten damit beginnen, die eigenen und potentiellen Kunden emotional und in Zahlen kennenzulernen und unternehmensintern erlebbar zu machen. Anschließend folgen Fragen wie: Welchen Wert und Relevanz haben sie für das Unternehmen? Welche Kundengruppen haben zusätzliches Potenzial? Bei welchen Kundengruppen kann man sparen? Thomas Ramge, Autor von „Data Unser“ 14 Warum sollten sich Marketer mit datengetriebenem Marketing beschäftigen? „Wir stehen am Beginn einer neuen Epoche der TechnikGeschichte. Digitalisierte Informationen werden allumfassend und eröffnen vollkommen neue Möglichkeiten. Die Welt wird nach Jahren der Unsicherheit wieder berechenbarer. Wir kennen die Vergangenheit und die Gegenwart und können daraus Rückschlüsse für die Zukunft ziehen. Die Analyse großer, unverknüpfter Datenmengen in kürzester Zeit erlaubt uns, in Massenmärkten wie Tante Emma zu verkaufen, Kunden besser zu kennen und zu bedienen.“ Welche Unternehmen werden davon besonders profitieren? „Diejenigen, die die Lehren aus der Online-Welt auf die reale Welt übertragen, werden gewinnen. Noch ist dies ein Differenzierungsfaktor. Mittelfristig werden diese Online-Logiken zur Notwendigkeit für alle Marktakteure.“ 24 Konsequenzen für die Marketingkommunikation Die Anzahl der Medienkanäle steigt täglich. Sie werden intelligent. Die Bewegung von Konsumenten im stationären Handel werden ebenso aufgezeichnet wie das Surfverhalten in Online-Shops. Kommunikationskanäle beobachten ihre Nutzer, um attraktive Werbe-Platzierungen zu ermöglichen. Schon heute hat nur jeder siebte Marketing-Entscheider noch ein klares Verständnis davon, welchen Mehrwert die einzelnen Kommunikationskanäle liefern (15 %).17 Statt Kanalkenntnis zu maximieren, können Marketer sich an den Touchpoints ihrer Kunden orientieren und Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Intelligente Kanäle. Händler und Vermarkter rüsten ihre Flächen auf. Sie wollen über ein größtmögliches Nutzerverständnis maximale Flächen-Erträge erzielen. Start-ups wie Locately oder Shopkick locken mit Gutscheinen, wenn Nutzer sich beim Betreten von Geschäften registrieren. Die Bewegungsdaten werden mit Kundensegmentsdaten angereichert, um zu verstehen, wann, wo oder wie sich bestimmte Kundengruppen besonders verhalten. Interaktive Out-of-Home-Medien erkennen z. B. das Geschlecht von Passanten. Für den Männersender DMAX starteten wir bereits vor drei Jahren ein Experiment mit einem Billboard am Bahnhof, welches die Werbung nur zeigte, wenn Männer vorbeikamen.18 Auch Facebook versucht, die Intelligenz der Plattform zu steigern. Das soziale Netzwerk bietet seinen Werbekunden unter dem Stichwort „Custom Audience Targeting“ an, die eigenen CRM-Daten anonym mit denen von Facebook-Nutzern abzugleichen, um so gezielter zu werben. Auch Datenhändler wie Datalogic oder BlueKai sind angeschlossen und stehen Marketern zur Verfügung. Mobile App, die für Aktivitäten am POS belohnt > www.shopkick.com Auf allen Kanälen verkaufen. Anstelle von Image-Aufbau gewinnt der Abverkauf an Bedeutung in der Markenkommunikation. Denn über interaktive Medienkanäle wird zunehmend auch verkauft oder Verkäufe ausgelöst. So sieht man anstelle von Banneranzeigen immer häufiger Produkte, die man im letzten Online-Shop angesehen hat. Über dieses Retargeting soll sichergestellt werden, dass man das Produkt nicht wieder vergisst und die Kaufwahrscheinlichkeit erhöht wird. Marketer, die über Verkauf kommunizieren, können demonstrieren, welchen Beitrag ihre Arbeit zum Unternehmenserfolg leistet. Touchpoints statt Kanäle. Die Möglichkeiten, Kanäle zu bespielen, werden immer komplexer, teurer und verändern sich rasend schnell. Marketer haben im Tagesgeschäft keine Chance, bei diesem Wettrüsten mitzuhalten und jederzeit ausreichend informiert zu sein. Sie können jedoch Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, indem sie sich auf das Verhalten ihrer Kunden konzentrieren, deren Verhalten untersuchen und mögliche neue Touchpoints identifizieren. Denn oft halten sich die Zielgruppen nicht nur auf den herkömmlichen Kanälen auf. Customer Journey Maps können hier helfen. Dieses Service-Design-Werkzeug ist geeignet, um Touchpoints aufzudecken und die jeweiligen Interaktionen zu gestalten. In der Markenkommunikation spielt es bislang nur eine untergeordnete Rolle. Marktforschungstool für mobile Endgeräte > www.locate.ly Konsequenzen für die Marketingkommunikation 25 Ableitungen für Die Markenkommunikation: # Customer first. Wer das Verhalten der eigenen und potenziellen Kunden in den Mittelpunkt stellt, kann sich fokus sierter an die sich rapide wandelnde Kanalwelt heranwagen. # Effizienz der Touchpoints erhöhen. Die neuen Daten erlauben es viel stärker als bislang, den Erfolgsbeitrag einzelner Touchpoints und Kanäle zu messen und zu vergleichen. # Einzigartige Kundenerlebnisse gestalten. Je umfassender die Gestal tungsmöglichkeiten an den Touch points werden, desto wichtiger wird es, überall einzigartige Qualität, Service oder Unterhaltung zu bieten. # Verkaufen lernen. Alle Touchpoints werden zu Verkaufskanälen. Marken kommunikation muss direkter werden und deutlich stärker als heute Verkäufe auslösen. Individuell relevante Ange# Touchpoints richtig bespielen. Statt bote und die starke Marke im Hinter eine Botschaft über alle Kanäle „aus- grund sind dabei entscheidend. zurollen“, geht es stärker darum, in dem jeweiligen Kanal eine passende Geschichte zu erzählen, das richtige Thema zu treffen und die ideale Kom munikations- und Interaktionsart zu identifizieren. Frank Hupke, Director Targeting, Resolution Media Warum sollten sich Marketer mit datengetriebenem Marketing beschäftigen? „Kommunikation wird spitzer. Innerhalb der eigenen Kernzielgruppe gibt es viele Untergruppen, deren Online-Verhalten sich stark unterscheidet. Die Technik ist so weit, diese Gruppen zu identifizieren und das passende Werbemittel auszuliefern. Online-Werbung wird intelligenter und individueller. Vor fünf Jahren war Targeting ein bloßes Buzzword, heute sorgt Retargeting der 2. Generation für beeindruckende Conversion-Rates.“ Was heißt das ganz konkret? „Durch Datenanalyse bei einer Kontaktlinsenmarke konnte z. B. bestätigt werden, dass die Kunden sehr sportaffine Menschen sind. Das erschließt neue Touchpoints on- und offline. Bei Kanälen ist die Multi-Device-Aussteuerung ein großes Thema. Kampagnen können so ausgesteuert werden, dass die Geräte nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden müssen, sondern harmonisiert zusammenarbeiten. Ads können auch erkennen, wo sie ausgespielt werden, und passen sich den Profildaten des Nutzers an. Für unseren Kunden EDEKA haben wir durch Geodaten die Hintergründe der Werbemittel regional personalisiert. Mit dynamischen Landingpages lassen sich Inhalte am Nutzerverhalten ausrichten.“ 26 Konsequenzen für die Marketingkommunikation „Big Context“ verändert die kreativen Spielregeln. Agile Methoden machen Kampagnen effektiver und effizienter. Automatisierungen unterstützen Kreationsprozesse. Für die absolute Mehrheit der Marketer haben Daten bislang nur im Vorfeld einer Kampagne oder Aktion die größte Relevanz (72 %). Nur 13 % sehen während einer Kampagne den größten Nutzen. Das wird sich ändern. Echtzeitdaten machen Kampagnen individueller, wetter- oder ortsabhängiger. Agiles Campaigning. Wie in keiner anderen Abteilung werden im Marketing große Budgetentscheidungen getroffen, ohne eine verlässliche Zahlenbasis zu nutzen. Dies betrifft auch den Bereich der Kampagnen. Auf Basis von großen Kreativ-Ideen, Geschmack und Vorlieben arbeiten Marketer und Agenturen lange hinter verschlossenen Türen an Kampagnen. Erst zu spät stellt man fest, dass die erhoffte Wirkung ausbleibt. Agile Methoden setzen hingegen darauf, Ideen anhand von Prototypen möglichst frühzeitig zu testen. So werden Fehlannahmen frühzeitig identifiziert, man kann die Resonanz im Vorfeld messen und der Auftraggeber kann anhand von Zahlen entscheiden, wie er seine Budgets investiert. Automatisierung der Kreation. Amazon hat das sog. A/B-Testing bekannt gemacht. Dabei handelt es sich quasi um digitale Live-Fokusgruppen mit vielen Teilnehmern. Den Nutzern werden verschiedene Versionen eines Banners, einer Website etc. gezeigt. Versionen mit besserer Performance werden ausgerollt. Dieses Prinzip wird derzeit zu sich selbst optimierenden Anzeigen weiterentwickelt. Für dieses sog. Dynamic Creative Optimization sind nicht mehr fertige Anzeigen, sondern nur noch Text-Bausteine, GrafikElemente, Rahmen etc. notwendig. Ein Optimierungsalgorithmus übernimmt den Rest. Diese Algorithmen sind selbstverständlich auf Effektivität optimiert und produzieren keine kreativen Highlights.19, 20 Echtzeitkampagnen. Bei gutem Wetter werden mehr Würstchen gekauft und gegrillt. Also macht es Sinn, bei Regen keine Grillwürstchenwerbung zu schalten. Die Fluggesellschaft Norwegian zeigte im Oktober, dem regenreichsten Monat des Jahres, auf interaktiven Billboards die aktuellen Wetterdaten von Alicante in Spanien. Obama reagierte während des gesamten Wahlkampfes auf Stimmungsveränderungen in den entscheidenden Wählergruppen. Die Software Impossible lokalisiert in Web-Videos automatisch die Kennzeichen eines MINI-Spots anhand des Ortes, wo das Video geschaut wird. Erster Anbieter für dynamischen EchtzeitVideocontent > www.impossiblesoftware.com Konsequenzen für die Marketingkommunikation 27 Ableitungen für Marketer: # Beginnen Sie mit kleinen Prototypen. Messen Sie anhand von Prototypen, wie gut die Idee performt. Justieren Sie nach und investieren Sie auf Basis von Wahrscheinlichkeiten statt Intuitionen. # Optimieren Sie Ihre Kampagnen. Über Tools wie Real-Time Bidding wird mittelfristig Werbung bevorzugt, die eine größere Erfolgs-Wahrscheinlichkeit verspricht. Um hier mitzuhalten, sollten Sie Online-Kampagnen stärker testen und sich selbst optimierenden Prozessen unterwerfen. # Nutzen Sie Echtzeitdaten. Kampagnen, die dynamisch Daten integrieren oder auf sie reagieren, bleiben aktuell und sind relevanter. Überlegen Sie, inwiefern Sie Kampagnen durch Daten lokalisieren, personalisieren oder dynamisieren können. Marken werden zu Medien. Mittels relevanter und resonanzfähiger Inhalte sollen Interessierte für das Unternehmen begeistert und überzeugte Käufer an das Unternehmen gebunden werden. Die große Herausforderung für Marketer besteht darin, Relevanz und Resonanz zu gewährleisten. Hier kann „Big Context“ einen entscheidenden Beitrag leisten. Statt überholte journalistische Formate in die Markenwelt zu übertragen, sollten Marken sich zeitgemäßer und zahlengetrieben dem Thema Content Marketing widmen. ResonanzfähigeThemen besetzen. Wer Relevante Inhalte kuratieren. Angesichts die Resonanzfähigkeit von Inhalten gewährleisten will, kann sich schnell und einfach an Google Suchbegriffen in seinem Kontext orientieren. Schwarzkopf analysierte 16 Millionen Suchanfragen zum Thema „Haare“ und ermittelte daraus die richtigen Themen für ihre Website, denn nur ein Bruchteil dieser Anfragen enthielt Marken. Menschen suchen Lösungen, nicht Produkte. Darüber konnte der Traffic verzehnfacht werden. 28 Konsequenzen für die Marketingkommunikation der digitalen Informationsflut gewinnen Kuratoren einen neuen Stellenwert. Dies sind Medien oder Menschen, die gezielt die richtigen Inhalte in der richtigen Menge auswählen und zusammenstellen. Das Start-up Percolate filtert Links mit seiner Software aus über 6 Millionen Quellen zu zielgruppenrelevanten Inhalten. CommunityManager erhalten darüber ständig aktuelle Informationen über Veröffentlichungen und Ereignisse im Umfeld des Unternehmens. Marken können diese Informationen über ihre eigenen Kanäle publizieren und sicherstellen, dass sie stets etwas Relevantes zu sagen haben. Virgin Mobile führt mit der Realtime-Viral-Plattform BuzzFeed wöchentliche Redaktionssitzungen durch, um Inhalte zu kuratieren, die sich online verbreiten.21 Inhalte automatisieren. In ausgewählten analytischen und journalistischen Bereichen werden Computer zu Redakteuren. Die Software „Narrative Science“ generiert aus Daten automatisch Insights und Stories. Egal ob Sportberichte, Börsennachrichten oder Auswertungen von Markenkampagnen, die maschinellen Texte sind kaum von menschlichen zu unterscheiden. Auf Narrative Science vertrauen nicht nur Magazine wie Forbes, sondern auch Marken, die ihre Kampagnendaten auswerten und in Geschichtenform bringen lassen.22 Inhalte personalisieren. Auf vielen MicroSites kann man sich per Facebook-Account anmelden. Aus den dort hinterlegten Daten ziehen die Micro-Sites persönliche Nutzer-Informationen und integrieren diese in die Story. So nutzte die „Psychic Roadster“ Kampagne von MINI diese Informationen, um den Nutzern einen Ausblick auf ihre Zukunft zu geben, wenn sie einen MINI kaufen. Aber auch anhand von Cookies lassen sich viele relevante Informationen wie z. B. IP-Adressen, Browser-Historie, Clicks, Online-Einkäufe erfassen, die sich für die Personalisierung und Lokalisierung von Inhalten eignen. Applikation zur automatischen Generierung von Geschichten > www.narrativescience.com Dynamische Datenvisualisierung aus verschiedenen Datenquellen > www.futureofcarsharing.com Der richtige Zeitpunkt. Wer eigene Inhalte pu- bliziert, sollte genaue Kenntnis haben, wann Inhalte auf den Kanälen oder Geräten die höchste Resonanz haben. Die Bestimmung des Zeitpunkts kann eher grob erfolgen. Hierzu zählen z.B. die vielfältigen Studien, wann man idealerweise Facebook-, Twitter- oder Blog-Posts platziert. Aber auch eine Kontext-abhängige, kurzfristige oder spontane Präsenz kann funktionieren. Während des Stromausfalls bei der diesjährigen Superbowl-Übertragung traf die Marke Oreo mit ihren Twitter-Nachrichten genau den richtigen Nerv und wurde so millionenfach verbreitet.23 Zahlen zum Leben erwecken. Um Zahlenwelten interessant zu gestalten, wird derzeit auf vielfältige Weise mit neuen Formen der Datenvisualisierung experimentiert. Anders als klassische Infografiken sind diese häufig interaktiv oder haben Modell-Charakter. Mehr und mehr werden Daten dynamisch aktualisiert. Nutzer können an verschiedenen Stellschrauben des Modells drehen und die Einflüsse sehen. Ein tolles Beispiel hierfür ist die Website „The Future of Carsharing“. Konsequenzen für die Marketingkommunikation 29 Ableitung für die Markenkommunikation: # Hot or not? Themenanalysen werden immer wichtiger. Was interessiert meine Kunden oder Nicht-Kunden am meisten? Wonach suchen sie? Mit welchen Inhalten inter agieren sie? Diverse Tools von Google oder Social Media Monitoring-Systemen helfen, die für den User relevanten Themen zu identifizieren. # Vorder- oder hintergründige Daten? Je nach Marke oder Thema können Marketer entscheiden, inwiefern Daten eher im Hintergrund genutzt werden, um Relevanz und Resonanz zu erhöhen. Oder ob die Daten selbst Teil der Inhalte werden, die kommuniziert werden. 30 Konsequenzen für die Marketingkommunikation Wolfgang Breyer (Leiter internationale Werbung, Online, Social Media) und Florian Resinger (Head of Online Communication & Web Marketing) bei BMW Wie verändern Daten die Markenkommunikation schon heute? „Markenkommunikation wird effizienter. Die Kanäle werden intelligenter und wir können die Vermarktungs-Kosten und Streuverluste senken. Gleichzeitig werden die Touchpoints aber auch fragmentierter und schwerer zu quantifizieren. Zum zweiten wird Markenkommunikation individueller. Früher ging es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. Heute geht es mehr denn je darum, einzelne Kunden über ihren gesamten Life-Cyle zu begleiten und sie individuell mit maßgeschneiderten Angeboten und persönlicher Kommunikation anzusprechen. Dabei gibt es grundsätzlich drei Typen: Kunden, die wir aus der Vergangenheit gut kennen. Kunden, die wir bislang kaum kennen. Kunden, die wir gar nicht kennen. Um auch unbekanntere Kunden besser ansprechen zu können, nutzen wir externe Daten und Prediction-Technologien. Als drittes wird Markenkommunikation interaktiver. Unsere Kunden erwarten, dass wir immer schneller reagieren und auch als Premium-Marke nahbar sind.“ Worauf sollten Marketer achten, die erste Schritte in die neue Datenwelt gehen wollen? „Die Kunst besteht nicht darin, Daten zu generieren, sondern handlungsrelevante Informationen zu erhalten. Angesichts der Fülle an Möglichkeiten muss man mehr denn je wissen, was man will, was man sucht und über welche Daten man bereits verfügt. Zudem sind Daten auch mit Vorsicht zu genießen. Häufig werden einmalig bestimmte Kennzahlen festgelegt und nicht wieder hinterfragt. Daten werden dann zu Automatismen und entwickeln eine Eigendynamik.“ Konsequenzen für die Marketingkommunikation 31 5. Erste Schritte 1.Wissen, was man wissen will 2. Klein anfangen, statt groß denken 3. Holen Sie sich Hilfe 4. Experimen- tieren Sie 5. Bieten Sie bessere Erlebnisse & Emotionen 1. Wissen, was man wissen will Wer Neuland betreten will, geht Risiken ein. Umso wichtiger ist es sicherzustellen, dass der erste Schritt erfolgreich ist. „Big Context“ schafft vielfältige neue Möglichkeiten. Um sich nicht zu verlieren, sollten Sie zuerst identifizieren, was Ihre Absichten und Ziele sind. Daraus ergeben sich zentrale Erfolgskriterien, Hypothesen und Anforderungen. 2. Klein anfangen, statt groß denken Identifizieren Sie überschaubare Bereiche, in denen Sie ohne großes Risiko mit kleinem Budget mit „Big Context“ experimentieren können. Ist Ihr Experiment erfolgreich, können Sie darüber sprechen und Ihre Aktivitäten ausweiten. Scheitert es, haben Sie nichts verloren. 3. Holen Sie sich Hilfe „Big Context“ betritt zentrale Aspekte Ihres Unternehmens. Mittelfristig werden Marketer größere Daten-Kompetenzen aufbauen müssen. Gerade am Anfang ist es jedoch wichtig, den Stein ins Rollen zu bringen. Dafür ist externe Expertise hilfreich. 4. Experimentieren Sie Sie wollen mit „Big Context“ neue Wege gehen? Experimentieren Sie, formulieren Sie Hypothesen, und stellen Sie neue Fragen. Reduzieren Sie lieber die Zahl der Datensätze, als zu komplex zu werden. Häufig übersieht man bei Experimenten, dass man gerade eine wichtige Entdeckung gemacht hat. Viele der größten Innovationen sind zufällig entstanden. 5. Bieten Sie bessere Erlebnisse und Emotionen Stellen Sie sicher, dass Ihre „Big Context“ Aktivitäten nicht zu technisch werden, sondern Ihren Kunden Mehrwerte in Form von höherer Relevanz, weniger Störung, neuer Services, besserer Kundenerlebnisse etc. bieten. Menschen wollen auch weiter emotional berührt werden und sich an guten Geschichten und Ideen erfreuen. Daten können hierbei unterstützen. 32 Erste Schritte Dominik Dommick, Geschäftsführer Marketing und Digital, Payback Was unterscheidet ein datengetriebenes Unternehmen? „Daten sind wie Brotkrümel. Sie bieten nur einen bestimmten Ausschnitt des Verhaltens eines Konsumenten. Aber je mehr Brotkrümel man hat, desto besser kann man Konsumenten verstehen. Die Daten der meisten Unternehmen stellen nur einen ganz speziellen Ausschnitt dar, zudem fehlt es an einer Kultur im Umgang mit Daten. Wir haben ein deutlich größeres Bild, weil wir mit Offline-, Online- und mobilen Daten arbeiten und alle Kanäle bedienen. Zudem hilft uns unsere langjährige Erfahrung, die Daten richtig zu interpretieren. Ohne eine intelligente Interpretation sind Daten nichts als Zahlen.“ Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Markenkommunikation durch die zunehmende Datenfülle ändern? „Verbraucher sind geübter denn je, Werbung zu ignorieren. Markenkommunikation muss daher relevanter werden. Das erfordert eine stärkere Messbarkeit und eine Kultur der Dateninterpretation, um Nutzer und ihre Wünsche besser zu verstehen. Zudem werden Konsum- und Kommunikationskanäle immer vernetzter und schnelllebiger. Marketer müssen die Kanäle genauso virtuos variieren und reagieren können, wie die Konsumenten dies tun und erwarten. Das Stichwort heißt ‚Multichannel‘.“ Erste Schritte 33 6. Quellen, Set-up, Impressum http://www.owm.de/dokumente/studien/publikationen_detail.php?id=11 1 2 Fournaise Marketing Group: http://www.fournaisegroup.com/CEOs-Do-Not-Trust-Marketers.asp 3 http://www-05.ibm.com/ch/presentations/cmo_study/pdf/CMO_Erkenntnisse_Susanne_Marty_IBM.pdf http://www.dpma.de/docs/service/veroeffentlichungen/jahresberichte/dpma-jahresbericht2011_barrierefrei.pdf 4 Gerit Heinemann, Multi-Channel-Handel, 2008 5 http://www.mckinsey.com/insights/business_technology/big_data_the_next_frontier_for_innovation 6 http://www.owm.de/dokumente/studien/publikationen_detail.php?id=11 7 http://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/werbesprech-werbung-nervt/6519856.html 8 Eigene Befragung: Antworten: 176, Basis: 351 9 10 http://germany.emc.com/collateral/analyst-reports/idc-the-digital-universe-in-2020.pdf http://www.nytimes.com/2012/02/19/magazine/shopping-habits.html?pagewanted=all&_r=5& 11 http://daten.berlin.de/anwendungen/flugl%C3%A4rm-bbi 12 http://www.sueddeutsche.de/politik/interaktiver-atlas-so-lebt-europa-1.1615912 13 S. Thomas Ramge, Data Unser, REDLINE Verlag 14 http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703294904575385532109190198.html# 15 http://www.youtube.com/watch?v=rtr0L8zOsPk 16 http://www.owm.de/dokumente/studien/publikationen_detail.php?id=11 17 http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=5BeTXnUrpnI 18 Dynamic Creative http://econsultancy.com/de/blog/10467-the-real-time-world-of-display-advertising-part-two-dynamic-creative 19 http://vimeo.com/36690038# 20 http://www.digiday.com/brands/how-virgin-mobile-fell-in-love-with-content/ 21 http://www.forbes.com/sites/narrativescience/ 22 https://twitter.com/Oreo/status/298246571718483968/photo/1 23 34 Quellen, Set-up, Impressum Interone ist Ideen- und Auftraggeber der Studie. Die FullserviceAgentur hat das Whitepaper gemeinsam mit Jörg Jelden konzipiert, das Experiment durchgeführt und ausgewertet. Interone ist eine der führenden Agenturen für vernetzte Multikanal-Kommunikation. Mit einem zukunftsweisenden Agenturmodell, das für Interone-Kunden alle klassischen und interaktiven Kommunikations- und Vertriebskanäle bündelt, bietet Interone sowohl Online- als auch Offline-Lösungen auf höchstem kreativen Niveau an und verfolgt damit einen integrierten Ansatz. www.interone.de Für dieses Whitepaper haben wir ein Nutzer-Experiment, einen Desk Research, sieben Experteninterviews und eine Branchenbefragung durchgeführt. Nutzer-Experiment: Zwei Studenten der Universität der Künste Berlin wurden einen Tag mit Sensoren ausgestattet. Interone hat den Probanden alltägliche Aufgaben gegeben und sie filmisch begleitet. Desk Research: Wir haben vorhandene Studien, Bücher, Artikel und Blogposts ausgewertet, Konferenzvideos gesichtet und Cases gesucht, die „Big Context“ in der heutigen Praxis zeigen. Experteninterviews: Um vertiefende Erkenntnisse zu gewinnen, haben wir mit dem Trendforscher und Markenexperten Prof. Peter Wippermann, dem „Data Unser“ Autor Thomas Ramge, dem Data Scientist von The Unbelievable Machine, Klaas Bollhöfer sowie Wolfgang Breyer und Florian Resinger (beide BMW), Dominik Dommick (Payback) und Frank Hupke (Resolution Media) und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Mirus Fitzner (UdK) gesprochen. Branchenbefragung: Über die Plattform Surveymonkey haben wir eine Branchenumfrage aufgesetzt, die sich an Marketer in Unternehmen sowie Agentur-Insider richtete. Die Teilnehmer wurden per E-Mail oder Social Media zur Umfrage eingeladen. Insgesamt nahmen 400 Personen an der Befragung teil, 263 haben die Befragung abgeschlossen. Darunter waren 39 % Marketer aus Unternehmen und 61 % Agentur-Insider. Jörg Jelden ist Experte für Ausblicke und Aufbrüche. Seit mehr als acht Jahren hilft er Unternehmen, deren Zukunft zu erkunden, Chancen zu identifizieren und erste Schritte zu gehen. Er ist Alumnus des „Oxford Scenarios Programme“, Metaplan Practitioner und Initiator des Think Tanks „Agenturen der Zukunft“. Er moderiert Innovations-Workshops und Führungskräftetreffen, kuratiert Innovationskonferenzen wie die NEXT Berlin und ist gefragter Keynote-Referent. Gemeinsam mit Interone hat er das Projekt konzipiert, durchgeführt, ausgewertet und aufbereitet. www.jeldenttc.com Mit etwa 600 Studierenden ist Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (GWK) der größte Studiengang an der Universität der Künste Berlin. Antworten auf Grundfragen der Kommunikation bilden die Inhalte des wissenschaftlich-gestalterischen Studiengangs ebenso wie die konkrete Ausgestaltung von Kommunikationsmaßnahmen. www.gwk.udk-berlin.de Das mobile Eyetracking System (Tobii Glasses) für das Experiment wurde uns von Tobii zur Verfügung gestellt. Tobii ist weltweit führender Anbieter von Eyetracking-Lösungen und Experte für Technologien, die Computer in die Lage versetzen, genau zu erfassen, wohin Nutzer gerade schauen. www.tobii.com Verantwortliche Geschäftsführer: Franziska von Lewinski, Christo Zonnev, Michael Ohanian Strategie, Konzeption, Text: Jörg Jelden, Christian Clawien, Stephan Tewes Mitarbeit: Christoph Jourdan, Mathias Weser Projektmanagement: Johanna Langrehr Creative Direction: Tina Ziegler Art Direction: Hilke Rolapp, Julia Hellwege, Robert Hantulik Video: Florian Baeker, Christian Dittmer Online-Umsetzung: Sören Sörries, Nikolai Bockholt Produktion: Jens Pastyrik Lektorat: Hans Brückner Interone GmbH, Theresienhöhe 12, 80339 München www.interone.de