„Big context“ – daten werden für die marken

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Editorial
ie Menge an verfügbaren Daten auf der Welt steigt rapide an. 90 % der weltweiten Daten entstanden in den letzten zwei Jahren. Sie revolutionieren nun
auch das Marketing. 65 % der von uns befragten Marketer und Agentur-Insider
sind der Meinung, dass Daten die Markenkommunikation stark beeinflussen werden.
Doch die aktuelle Diskussion über das Thema ist abstrakt, auf die Zukunft gerichtet
und Technologie-lastig. Wir möchten Ihnen zeigen, wie Sie Daten schon heute nutzen
können. Mit „Big Context“ möchten wir Ihnen die neue Datenwelt auf verständliche Art
näher bringen und die Konsequenzen für die Markenkommunikation benennen. Schon
heute können Sie Ihre Zielgruppe besser denn je verstehen und individuell ansprechen,
effizienter und virtuoser die Kanäle orchestrieren, mit Daten und Technologien kreativere
Kampagnen konzipieren sowie involvierenden und relevanten Content kreieren. Wir sehen
Daten als Chance. Natürlich ist Datenschutz dabei ein wichtiges Thema. Für uns sind
Konsumenten mündig und entscheiden selber, welche Daten sie preisgeben. Daher muss
die Nutzung von Daten für den Nutzer transparent und nachvollziehbar sein. Nur dann wird
die neue Datenwelt akzeptiert werden.
„Big Context“ liefert Antworten auf einige der aktuellen Herausforderungen. Denn
das Marketing ist im Umbruch (Kapitel 1). Marketer verlieren intern an Bedeutung. Die
Medienrevolution erschwert die Orientierung. Der Wettbewerbsdruck ist immens und
die Werbewirksamkeit sinkt. „Big Context“ bietet Marketern neue Chancen, strategische Relevanz zurückzugewinnen, Entscheidungsgrundlagen zu entwickeln und
sich vom Wettbewerb abzugrenzen. So geben 83 % der von uns befragten Marketer
und Agentur-Insider an, bessere Entscheidungen zu treffen, je mehr Daten ihnen zur
Verfügung stehen.
Mit „Big Context“ bringen wir erstmals drei Datenquellen zusammen: Quantified Self,
Big Data und Open Data (Kapitel 2). Jede Datenquelle verkörpert einen anderen Umgang
mit Daten. Quantified Self bezeichnet einen neuen digitalen Lifestyle, bei dem Menschen
ihre alltäglichen Verhaltensweisen aufzeichnen und analysieren. Big Data beschreibt
die Unternehmenspraxis, große und vielfältige Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren. Open Data ist eine gesellschaftliche Initiative. Ziel ist es, Daten öffentlich zugänglich zu machen, um mehr Transparenz zu erzeugen oder neue Services zu kreieren.
Marketer und Agentur-Insider haben hier noch großen Nachholbedarf: 50 % haben
noch nie von Quantified Self gehört. 39 % wissen nicht, was Open Data ist. 34 % können
noch nichts mit Big Data anfangen.
Da 37 % eine fehlende Kultur im Umgang mit Daten als eine der beiden zentralen Hürden
genannt haben, haben wir ein Experiment aufgesetzt, um die praktische Dimension
von „Big Context“ zu erkunden. Wir haben zwei Studenten der Universität der Künste
in Berlin mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, einen Tag begleitet und in ihrem
Alltag gefilmt. Wie unser Experiment genau abgelaufen ist, lesen Sie in Kapitel 3.
In Kapitel 4 geht es um die Konsequenzen für die Markenkommunikation. Wir zeigen,
wie „Big Context“ sich auf die vier Cs der Markenkommunikation auswirkt: Customer,
Channels, Campaigns, Content. Den größten Nutzen der neuen Datenwelt sehen 28 %
in einem besseren Verständnis der Zielgruppe und 20 % versprechen sich davon vorrangig, effizienter zu kommunizieren (Top-2-Nennungen).
Das Whitepaper schließt mit einer Empfehlung für erste Schritte (Kapitel 5). Denn uns
ist es wichtig, nicht nur über „Big Context“ zu reden, sondern ins Handeln zu kommen
und Ihnen den Start im „Big Context“ zu erleichtern.
Bei dieser Arbeit haben uns eine Reihe von Personen unterstützt, denen wir gern danken
möchten: Der Universität der Künste in Berlin und den beiden Probanden, die sich auf
unser Experiment eingelassen haben. Unseren Interviewpartnern Prof. Peter Wippermann
(Trendbüro), Thomas Ramge („Data Unser“), Klaas Bollhöfer (The Unbelievable Machine),
Wolfgang Breyer und Florian Resinger (BMW) und Dominik Dommick (Payback) sowie
Frank Hupke (Resolution Media) und Mirus Fitzner (UdK). Den 400 Marketern und
Agentur-Insidern, die an unserer Online-Befragung teilgenommen haben, und Jörg Jelden,
der uns als Experte für Ausblicke und Aufbrüche wie in den Jahren zuvor inhaltlich und
analytisch begleitet hat.
Mit den besten Grüßen
Franziska von Lewinski
Michael Ohanian
Inhaltsverzeichnis
1.Ausgangslage
Seite 6 – 11
2.Die Datenquellen
Seite 12 – 18
3.Das Experiment
Seite 19 – 21
4. Konsequenzen für die
Marketingkommunikation
Seite 22 – 31
5. Erste schritte
Seite 32 – 33
6. quellen, Set-up, impressum
Seite 34 – 35
Ausgangslage
Datenquellen
Konsumenten messen
ihr Verhalten
Unternehmen analysiseren
große, unverknüpfte Datenmengen in kürzester Zeit
Offene Datenpools ermöglichen
neue Services
Konsequenzen für die Marketingkommunikation
Zielgruppen verstehen und
individuell ansprechen
Neue Touchpoints identifizieren
und effizienter kommunizieren
Kampagnen lokalisieren,
individualisieren, dynamisieren
Erste Schritte
Wer Chancen wahrnehmen will, muss experimentieren
Involvierende und relevante
Inhalte kreieren
1. Ausgangslage
... haben intern an
Bedeutung und
Vertrauen verloren
... verlieren Orientierung
und Entscheidungsfähigkeit
... sind einem hohen
Wettbewerb ausgesetzt
und müssen härter um
Kunden kämpfen
6 Ausgangslage
der DAX-30Unternehmen haben
einen CMO 1
wissen nicht,
welche Daten im Unternehmen vorhanden sind
Marken
und Patente werden durchschnittlich pro Jahr in
Deutschland neu angemeldet
(2005-2011) 4
der CEOs
misstrauen ihren
Marketingabteilungen 2
aller CMOs fühlen
sich nicht ausreichend auf die
Datenexplosion vorbereitet 3
Es ist bis zu 10x teurer,
neue Kunden zu gewinnen,
als bestehende an das
Unternehmen zu binden 5
Unternehmen, die ihre
Datenqualität verbessern,
können ihren Ertrag um bis
zu 60 % steigern 6
„Big Context“ hilft Marketern,
strategische Bedeutung zurückzugewinnen, wirksamer und
innovativer zu kommunizieren.
Kommunikationsbotschaften
gehen unter
Werbebotschaften sind Konsumenten
täglich ausgesetzt.
„Big Context“ hilft Marketern,
bessere und schnellere
Entscheidungen zu treffen.
Nur
der MarketingEntscheider haben ein klares
Verständnis, welchen Mehrwert
einzelne Kommunikationskanäle bieten. 7
+
ist die Werbemenge allein durch E-Mails, Banner,
Pop-ups & Co. gewachsen. 8
„Big Context“ stellt den Konsumenten in den Mittelpunkt,
fördert neue Insights zu Tage
und hilft Marketern, mit bestehenden Kunden mehr zu
verdienen.
„Big Context“ hilft
Marketern, relevanter
zu kommunizieren und
stärker zu involvieren.
Ausgangslage 7
Daten werden die
Markenkommunikation
revolutionieren.
sind der Meinung, dass die
Bedeutung von Daten für die Markenkommunikation stark zunehmen wird.
Quelle: Eigene Online-Befragung;
Februar-März 2013
Marketer haben Nachholbedarf.
können noch
nichts mit Big Data anfangen.
wissen nicht,
was Open Data ist.
haben bisher
noch nicht von Quantified Self gehört.
Quelle: Eigene Online-Befragung;
Februar-März 2013
8 Ausgangslage
„Big Context“ hilft, Zielgruppen zu verstehen
und wirkungsvoller zu kommunizieren oder
neue Services zu etablieren.
Nur
sehen heute schon die Zukunft:
Daten für neue Produkte oder Services zu nutzen.
versprechen sich davon
vorrangig, effizienter zu kommunizieren.
sehen den größten Nutzen
in einem besseren Verständnis der Zielgruppe.
Quelle: Eigene Online-Befragung;
Februar-März 2013
Die vorhandene Datenbasis ist
noch nicht ausreichend.
Nur
halten
sie für sehr umfassend.
halten die eigenen
Zielgruppendaten für lückenhaft.
Quelle: Eigene Online-Befragung;
Februar-März 2013
Ausgangslage 9
„Big Context“ kämpft mit internen Hürden. Es fehlt an
Daten-Transparenz und Analyse-Kultur. Rechtliche Aspekte
spielen überraschenderweise kaum eine Rolle.
sehen rechtliche Probleme.
halten eine fehlende Kultur
im Umgang mit Daten für die zentrale Barriere.
sehen in der fehlenden Transparenz,
welche Daten vorhanden sind, die wichtigste Hürde.
Quelle: Eigene Online-Befragung;
Februar-März 2013
Marketer nutzen Daten vorrangig zur Planung und weniger
zur Steuerung oder als kreative Ressource.
sehen die größte Relevanz von
Daten für die Markenkommunikation im
Vorfeld einer Kampagne oder Aktion.
Während oder nach einer Kampagne
spielen Daten kaum eine Rolle.
10 Ausgangslage
Quelle: Eigene Online-Befragung;
Februar-März 2013
„Big Context“ – Daten werden für die Markenkommunikation nutzbar. Vor allem drei Datenquellen ermöglichen
kontextsensitives Marketing: Konsumenten vermessen digital ihr Leben, um sich selbst
zu optimieren (Quantified Self). Unternehmen sind in der Lage, große Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren (Big Data). Daten werden öffentlich und über Schnittstellen
verfügbar gemacht (Open Data). „Big Context“ entsteht durch eine Schnittmenge dieser
Datenquellen. Mit „Big Context“ wird die Markenkommunikation effektiver, individueller und involvierender. Marken sind durch die neuen Datenquellen in der Lage, ihre
Kunden besser kennenzulernen und individueller anzusprechen. Sie können Kanäle
und Touchpoints wirksamer und virtuoser orchestrieren. Kampagnen lassen sich durch
Daten kreativ anreichern und aktueller halten. Inhalte werden relevanter und resonanzfähiger, neue Ideen für Kommunikation entstehen.
Ausgangslage 11
2. Die Datenquellen
Neue Datenquellen bilden die Grundlage für
unsere Idee des „Big Context“. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, was Quantfied Self,
Big Data und Open Data eigentlich bedeuten.
Menschen sind Gewohnheitstiere. Routinen prägen unser Handeln. Die meisten sind uns nicht bewusst und unsere Erinnerungen trügen uns permanent. Neuro-Forscher gehen davon aus, dass Menschen geschätzte 85 % ihres Lebens auf
Autopilot geschaltet sind. Wie schwer es ist, sein Verhalten zu ändern, weiß jeder, der schon einmal versucht hat, das
Rauchen aufzugeben oder sich gesünder zu ernähren. Ein neuer Zahlen-basierter Lifestyle nutzt neue Technologien,
um das eigene Verhalten besser zu verstehen und sich selbst zu optimieren. Das ist an sich nicht neu und gab es
im Hochleistungssport schon immer, durch neue Technologien kommen diese Methoden nun auch in der Masse an. Die
sog. „Quantified-Self-Bewegung“ zählt die täglichen Kalorien, misst die täglichen Schritte und analysiert die Schlafqualität
und vieles mehr. In den USA nutzt bereits jeder Fünfte die verschiedenen Möglichkeiten der Selbstvermessung.
Deutsche Marketer und Agentur-Mitarbeiter haben bei Quantified Self deutlichen Nachholbedarf. 50 % haben noch nie
davon gehört.9 Nur eine Avantgarde von 9 % nutzt diese Datenquelle bereits.
Vom Smartphone zu Wearables. Neue Geräte und Software machen die
Quantifizierung des eigenen Lebens kinderleicht. Mit dem Siegeszug von Smartphones
sind Sensoren allgegenwärtig geworden. GPS-Empfänger, Kameras, Mikrophone, Lageund Bewegungssensoren sind heute Massenware. Per Smartphone und ergänzende
Geräte dokumentieren Nutzer ihre Mahlzeiten auf The Eatery, speichern die Leistungswerte des eigenen Workouts auf Nike+, zählen die täglichen Schritte per Fitbit, messen die
eigenen Stress-Indikatoren mittels Soma und zeichnen ihren Schlafrhythmus über Lark.com
auf. Auf den dazugehörigen Webseiten und Apps analysieren sie ihre Daten, teilen und
vergleichen sie mit anderen. Neue Communities entstehen, wie z. B. dacadoo, das als
Facebook für Fitness gilt. Neue multisensorische Geräteklassen stehen in den Startlöchern. Es halten sich die Gerüchte, dass Apple und Samsung eine intelligente Uhr auf
den Markt bringen werden. Google Glasses sind derzeit in der Betaphase. Das technisch
hochgerüstete Armband von Nike Fuel misst, wie viel man sich täglich bewegt hat.
12 Die Datenquellen
Per Smartphone Mahlzeiten
dokumentieren
> https://eatery.massivehealth.com
Digitales Armband, das den Schlaf und
Aktivitäten trackt
> www.fitbit.com/de
Mit dem Internet verbundene
Datenbrille
> www.google.com/glass
Selbstvermessung statt Selbstbetrug. Nicht selten sind Leistungssteigerungen, Perfektionswille, Krankheiten oder persönliche Krisen Ausgangspunkt,
um das eigene Leben zu ändern. Der rationale Blick jenseits von Intuitionen, Gelüsten
und Gefühlen auf das eigene Verhalten ermöglicht es, die entscheidenden Momente zu
erkennen. Diese Menschen beginnen, Stück für Stück alte Routinen zu durchbrechen
und neue zu etablieren. Über die bestehenden Webseiten und Apps verpflichtet sie sich
gegenüber einer Community, anders zu essen, das wöchentliche Sportprogramm einzuhalten oder weniger zu konsumieren. Auch soziale Vergleiche und Motivation seitens der
Apps sollen den Rückfall in liebgewonnene Gewohnheiten verhindern.
Vom Reason To Believe zum Proof Of Performance. Konsumenten
beginnen über Quantified Self verstärkt, negativ empfundene Routinen zu durchbrechen
und neue Konsumgewohnheiten zu etablieren. Sie überprüfen damit auch die Leistungsversprechen von Marken anhand von Zahlen. Trotz aller Quantifizierung fällt Nutzern die
Änderung der eigenen Verhaltensweisen schwer. Denn sie müssen sich zurückhalten und
mäßigen. Parallel zur Selbstdisziplinierung steigen damit die Gelüste und Sehnsüchte,
die dann seltener, aber intensiver ausgelebt werden.
Konsumenten-Motive
Vorgehensweise
Beispiele
Bewusster leben
Blutzucker, Puls, Schlafrhythmus,
Stress-Werte, Stimmungen messen
Glucodock, Zeo, Soma
Besser essen
Kalorien zählen, Mahlzeiten
dokumentieren
The Eatery,
Weightwatchers App
Sportliche Ziele erreichen
Schritte zählen, Trainingsprogramme
einhalten
Nike+, Fitbit, Runtastic,
Dacadoo
Ausgaben kontrollieren
Privatausgaben, Benzin- oder
Stromverbrauch monitoren
Mint, Greencharge
Verhaltensmuster
aufdecken
Analyse des eigenen E-MailVerkehrs, der Telefonnutzung oder
der Häufigkeit von Meetings
Paco, Phown
Die Datenquellen 13
Unternehmen, die in gesättigten Märkten weiter wachsen wollen, setzen auf die Doppelstrategie aus Innovationen und
Effizienzsteigerungen. Beide Ansätze setzen darauf, große und vielfältige Datenmengen zu sammeln, zu verknüpfen, in
kürzester Zeit auszuwerten und nutzbar zu machen. Der Megatrend Big Data verspricht Effizienz- und Produktivitätssteigerungen, feingranulare Kundensegmentierungen, rationalere Entscheidungsgrundlagen, neue kreative Gestaltungsmöglichkeiten und eine datenbasierte Planbarkeit. Evolutionssprünge in den Bereichen Infrastruktur, künstliche
Intelligenz und Datenvisualisierung machen dies möglich. Auch wenn Unternehmen bereits fleißig Daten sammeln,
wird daraus selten ein Nutzen gezogen. Weniger als ein Prozent der vorhandenen Daten wird heute analysiert.10 38 % der
von uns befragten Marketer und Agentur-Insider möchten Big Data nutzen. Noch haben Unternehmen, die auf Big Data
setzen, Wettbewerbsvorteile. In wenigen Jahren wird das effiziente Handling großer Datenmengen zum Standard.
Die eigenen Daten zusammenführen. Die meisten Unternehmen wissen
heute sehr genau, welche Produkte sie wann, wie, wo, wem für wie viel verkauft haben.
Sie wissen aus der Vergangenheit, welche Farben gut gehen, welche Geschmacksrichtungen wann ankommen und welche Modelle besonders gut verkauft werden. Über den
Kundenservice erhalten sie ein Produkt-Feedback von Nutzern. Sie hören ihren Zielgruppen
über die sozialen Medien zu und versuchen, den Erfolgsbeitrag von Kanälen zu messen.
Aber intern teilen viele Abteilungen ihre Daten äußerst ungern. Daten sind hochpolitisch. Sie machen Erfolge wie Misserfolge transparent. Aber nur wenn die internen
Daten zusammengeführt werden, lassen sich neue, relevante Erkenntnisse aufzeigen.
Kulturelle Hürden sind derzeit höher als die technischen oder rechtlichen.
Das Ende der Intuition? Viele Big Data Experten versprechen, dass Ent-
scheidungen zukünftig noch stärker auf Basis von Zahlen getroffen würden. Intuition
und Erfahrung hätten ausgedient. Aber Maschinen spucken nicht auf Knopfdruck sinnvolle
Ergebnisse aus. Um neue Insights zu generieren, sind Hypothesen und Fragen nötig, anhand
derer die Datenberge durchkämmt oder neue Daten erhoben werden. Datenberge bleiben
nutzlos, wenn keine intelligenten Anfragen gestellt werden. Hierfür sind Intuition,
Erfahrung und gesunder Menschenverstand unerlässlich. Zudem müssen Zahlen mit
Bedeutung aufgeladen werden. Denn ohne handlungsrelevante Interpretation sind Daten
nichts als nackte Zahlen.
14 Die Datenquellen
Zusammenhänge erkennen, Prognosen
erstellen. Big Data verspricht eine neue Planbarkeit.
Wer die richtigen Zusammenhänge im bisherigen Verhalten erkennt, kann viele routinemäßige Konsumentenentscheidungen identifizieren und gezielter agieren. So
stellte Procter & Gamble schon früh fest, dass abends
Windeln häufig zusammen mit Bier gekauft werden. Denn
junge Väter kaufen auf dem Rückweg nach Hause Windeln
und belohnen sich mit einem Drink. In einem zweiten Schritt
lassen sich aus den aggregierten Daten häufig valide Prognosen über zukünftiges Konsumverhalten treffen. Für
Einzelhändler sind die Kunden, die Nachwuchs erwarten,
besonders spannend. Mit der Schwangerschaft ändern
sie ihre Einkaufsroutinen. Um solche Kunden frühzeitig
anzusprechen, hat Target z. B. ein SchwangerschaftsVorhersage-Modell entwickelt, um Kunden rechtzeitig
anzusprechen.11
Neue Konsumentenerwartungen. Die
Preisgabe persönlicher Daten ist bei vielen Konsumenten nicht nur mit Ängsten, sondern auch mit steigenden
Erwartungen verbunden. Wer freiwillig Daten preisgibt,
möchte gezielter angesprochen und besser bedient werden.
Entsteht bei Konsumenten trotz eines sinnvollen Angebots
der Eindruck der Überwachung, wird vorhandenes Vertrauen
beschädigt. Unternehmen wie Target mischen die gezielten
Angebote in einem Prospekt unter beliebig erscheinende
andere Angebote, um keinen Big-Brother-Effekt zu erzeugen.
Wichtige Big Data Quellen
CRM-Daten
Warenwirtschaftssysteme
Transaktionsdaten
Kunden-Interaktionsdaten
Webcontrolling/E-Commerce-Daten
Die Datenquellen 15
Peter Wippermann,
Trendforscher
Wie verändern sich die Erwartungen von Konsumenten
durch die Preisgabe privater Daten?
„Konsumenten erwarten, dass Unternehmen schneller reagieren und in der Lage sind,
Beziehungen zu pflegen. Wer seine Daten preisgibt, erwartet, zukünftig besser bedient zu
werden, und wird die Leistungen einer Marke stärker überprüfen. Statt ‚Reason to Believe‘
geht es um ‚Proof of Performance‘. “
Wie werden Daten das Marketing verändern?
„Marketing basiert immer stärker auf Beziehungsmanagement und weniger auf Bekanntheitsmaximierung. Anerkennung wird wichtiger als Aufmerksamkeit. Unternehmen, die
ihre Datenhausaufgaben machen, können besser und schneller reagieren. Wer schneller
reagiert, hat klare Wettbewerbsvorteile.“
Wie wird die neue Verfügbarkeit von Daten die Unternehmen und Märkte verändern?
„Daten sind Herrschaftswissen. Wer Daten analysieren und nutzen kann, wird an Einfluss
gewinnen: intern wie extern. Wie immer werden viele etablierte Player die neuen AnalyseMöglichkeiten ignorieren und dadurch mittelfristig verlieren. Gleichzeitig werden neue,
aggressive Akteure nach vorne preschen.“
Individuen, Unternehmen oder Verwaltungen beginnen, ihre Daten öffentlich zugänglich zu machen. Denn die beste
Idee, Daten nutzbar zu machen, hat im Zweifelsfall ein Dritter. Offene Datensätze erlauben es Interessierten, die Daten
uneingeschränkt zu nutzen, zu bearbeiten und erneut zu verbreiten (Open Knowledge Foundation). Auch Unternehmen
haben über Open Data einen großen Zugang zu Kontext-Informationen. Zudem entstehen neue Geschäftsmodelle rund
um die Offenlegung von Unternehmens- oder Nutzerdaten. Facebook und Google sind dafür prominente Beispiele.
Auch Journalisten lernen, Zahlen mit Leben zu füllen. Keine Krise, Konflikt oder Skandal kommt heute ohne die Visualisierung verfügbarer Zahlen aus. In Deutschland steckt Open Data noch in den Kinderschuhen. 39 % der Befragten
können sich nichts darunter vorstellen.
16 Die Datenquellen
Website, die öffentlich verfügbare
APIs auflistet
> www.programmableweb.com
Digitale Schnitzeljagd mit dynamischer
Google Maps Integration
> http://bit.ly/rWPq2q
Von der API zum Mashup. Wer verfügbare Neue, datenbasierte Geschäftsmound dynamische Daten sucht, kann auf eine Vielzahl delle. Die Verknüpfung öffentlich verfügbarer Daten
von Datenbanken zugreifen. Idealerweise sind diese über
ein sog. Application Programming Interface (API) zugänglich. Die Website Programmableweb listet viele Tausende
verfügbare APIs auf. Neben Twitter und Facebook haben
auch Regierungen (USA, Großbritannien, Deutschland),
Städte wie Leipzig (Verwaltungsdaten), Verkehrsbetriebe
oder Medienunternehmen wie die ZEIT auslesbare Schnittstellen oder Datenportale. Die so erhältlichen Daten lassen
sich mit anderen öffentlichen oder privaten Daten verknüpfen. Die taz erstellte zum Beispiel aus frei verfügbaren
Daten eine Fluglärmkarte.12
macht vollkommen neue Geschäftsmodelle möglich. Paul
Hawtin von der Fondsgesellschaft Derwent Capital nahm
zum Beispiel sämtliche verfügbare Twitter-Nachrichten, die
einen Emotionsausdruck beinhalteten, glich sie mit psychologischen Stimmungsprofilen ab und berechnete daraus
einen kollektiven Gemütszustand. Diesen Index setzte er mit
den verfügbaren Börsenkurven in Beziehung und konnte so
Zusammenhänge für den richtigen Moment des Investierens
aufzeigen. Auch die Geschäftsmodelle von Google und
Facebook sind datenbasiert. Sie geben Konsumenten kostenlose Tools an die Hand und sammeln im Gegenzug Daten.
Diese Daten stellen sie Unternehmen zur Verfügung und
verkaufen individualisierbare Werbeplätze.
Die wichtigsten
Kontextdaten
Die wichtigsten
Kontext-Tools
Wetter
Karten z. B. Google Maps & Earth
Verkehr
Timelines, z. B. Visually, tiki-toki
Geo-Positionen
Visualisierungsframeworks, z. B. d3.js
Social-Media-Aktivitäten
Überraschende Vergleiche
Sozioökonomische Daten
Die Datenquellen 17
Karten, Timelines, Vergleiche und andere Visualisierungen.
VW macht das Fahrerlebnis für Autofahrer
messbar
> www.smileage.vw.com
Google Projekt, um Werbung durch Daten
relevanter zu machen
>www.artcopycode.com
Je stärker Daten zur Entscheidungsfindung oder Wissensvermittlung genutzt werden
und je stärker Echtzeit eine Rolle spielt, desto wichtiger wird es, gute Darstellungsformen
zu finden. So lassen sich z. B. Karten gut benutzen, um zu zeigen, an welchen Orten, auf
welchen Routen oder Flächen sich bestimmte Ereignisse vollziehen. Die frei verfügbaren
Karten von Google sind hier eine hervorragende Basis. Die Kampagne „Catch the Flash“
von Nike nutzte die Maps API, damit die Mitspieler andere Teilnehmer in Echtzeit auf der
Karte verfolgen konnten. Volkswagen ist einer der ersten Partner in Googles Programm
„Art, Copy & Code“, welches in Experimenten neue Möglichkeiten der Werbung testet.
„Smileage“ nutzt Informationen zum Aufenthaltsort, dem Verkehr, dem Wetter und der
Zeit, um ein neues Fahrerlebnis für Autofahrer zu ermöglichen. Google Maps und Google+
sind dabei integriert, Ereignisse auf einem Zeitstrahl darzustellen ist ebenfalls eine beliebte
Methode. Eine weitere beliebte Darstellungsform sind Vergleiche. Die Süddeutsche Zeitung
hat in einem umfangreichen Projekt verschiedenste Daten und Statistiken zum Leben
der Europäer zusammengeführt. Auf einer interaktiven Karte lassen sich verschiedene
Länder und Regionen vergleichen und im zeitlichen Verlauf betrachten.13
Klaas Bollhöfer,
Data Scientist bei The Unbelievable Machine
Warum sollten sich Marketer mit datengetriebenem Marketing beschäftigen?
„Es entstehen interessante neue Insights und Wettbewerbsvorteile, wenn man die eigenen
Transaktions-, Kundenverhaltens- oder Warenbestandsdaten mit frei zugänglichen öffentlichen Daten, z. B. Facebook, Twitter, Apps, Verkehrs-, Wetter- oder Geo-Daten, korrelliert.
Marken können sich einen einzigartigen Datenpool zusammenstellen und so vom Wettbewerb differenzieren. Ein Unique Data Pool wird ebenso wichtig wie der USP früher.“
Wie werden Unternehmen diese neuen Kompetenzen in
ihre Arbeit integrieren?
„Daten zu analysieren ist im ureigensten Interesse von Unternehmen. Mittelfristig werden
Unternehmen diese Arbeit selbst übernehmen. In der Anfangszeit haben Agenturen und
Berater die Möglichkeit, Unternehmen bei der Implementierung zu helfen, erste Schritte
zu gehen und Quick Wins zu generieren.“
18 Die Datenquellen
3. Experiment
Zusammen mit zwei Probanden des Studiengangs Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität
der Künste in Berlin haben wir ausprobiert, welche Rolle
Daten im Alltag spielen. Wir wollten herausfinden, ob und wie Umweltdaten und Körperdaten
im Zusammenhang mit dem Kontext einer einzelnen Person Rückschlüsse für die Markenkommunikation zulassen oder
neue Ideen entstehen lassen. Wir haben die zwei Probanden 12 Stunden filmisch begleitet und mittels diverser Sensoren
eine Vielzahl an Daten gemessen: Herzschlag, Schritte, Kalorienverbrauch, Luftfeuchtigkeit, Augenbewegung, Temperatur,
Computer- und Smartphone-Nutzung sowie Bewegungsdaten. Über den Tag verteilt haben die Probanden verschiedene
Aufgaben bewältigt: Vom Frühstück über Einkaufen bis zum Höhepunkt des Abends – einem Essen mit Freunden, das
selbst zubereitet wurde. Abschließend haben wir sie zu ihren Erlebnissen befragt.
Die Sensoren:
#Nike GPS-Sportwatch mit Brustgurt (1)
#Fitbit Aktivitätstracker (2)
#Google Latitude für das Bewegungsprofil
(1)
Nike
©
#Temperaturlogger
#Tobii Eyetracking-Brille (3)
#GoPro Kamera für Aufnahmen
aus der Egoperspektive (4)
(2)
©
(3)
(4)
Fitbit
©
©
Tobii
GoPro
Experiment 19
Beobachtungen:
# Kein Big-Brother-Effekt: Trotz der vielen Sensoren waren
beide Probanden überrascht, dass sie nicht auf die Daten erhebung geachtet haben und sie sich einigermaßen natür lich bewegen konnten.
# Routinen aufzeigen. Die spätere Betrachtung der Daten
hat den Probanden ihre Gewohnheiten und Routinen ver deutlicht und machte die abstrakte Massenauswertung
anfassbar.
# Hoffen auf Services. In der Hoffnung, interessante Gegen leistungen, besseren Service oder innovative Dienstleis tungen zu erhalten, zeigten beide Probanden die Bereitschaft,
persönliche Daten zur Verfügung zu stellen, wenn es dafür
einen Mehrwert gibt und die Nutzung transparent ist.
20 Experiment
Mirus Fitzner,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der
Universität der Künste, Berlin
Ermöglichen mehr Daten zielgenaueres Marketing?
„Natürlich nicht zwangsläufig. Wir haben es hier mit einem
typisch mimetisch-isomorphen Phänomen zu tun: Jedes
Unternehmen sammelt Daten, dies wird zur Grundbedingung für das Bestehen am Markt. Der Wettbewerbsvorteil
erwächst in Zukunft nicht aus der Existenz von Daten,
sondern aus deren intelligenter Verknüpfung. Kurz: den Vorteil erwirbt, wer aus den Daten den besten Sinn extrahiert
oder interpretiert.“
Das bedeutet, Daten sind direkt abhängig von dem Kontext, in dem sie
erhoben wurden?
„Genau. Die Kenntnis der Lebensstile oder Lebenswelten
von Menschen ist unabdingbar, um aus den erhobenen
Daten tatsächlich auch die richtigen Schlussfolgerungen
zu ziehen.“
Sind die Daten von jedem Menschen
gleich viel wert?
„Nein. Es bildet sich natürlich in aller Kürze eine DatenElite heraus, die äußerst raffinierte Tools einsetzt, um der
Sammlung von Daten zu entkommen. Sie ähneln teilweise den Menschen, die als ‚Multiplikatoren‘ oder ‚Entscheider‘
bevorzugtes Ziel der traditionellen Marktforschung waren
und über die man möglichst viel wissen wollte, die aber
sozusagen ‚flüchtig‘ waren. Diese beiden Gruppen sind aber
keineswegs identisch.“
Experiment 21
4. Konsequenzen für die
Marketingkommunikation
Aus „Big Context“ ergeben sich Konsequenzen für
die vier zentralen Bereiche der Markenkommunikation:
Customer, Channels, Campaigns, Content
„Big Context“
#heißt, Kunden besser zu segmentieren, zu verstehen und gezielt anzusprechen (Customer).
#bedeutet, Kanäle und Touchpoints wirksamer und virtuoser orchestrieren zu können (Channels).
#steht dafür, Kampagnen durch Daten kreativ anzureichern und zu steuern (Campaigns).
#hilft, resonanzfähigen und involvierenden Content zu erstellen (Content).
Marketer und Agenturen beschäftigen sich vorrangig mit Daten, um die eigenen Kunden besser zu verstehen, in genauere
Zielgruppen einzuteilen und gezielter anzusprechen. Für 28 % der Befragten ist dies die wichtigste Motivation der
Datennutzung (Top-Nennung). Allerdings hält nur jeder Fünfte die vorhandenen Zielgruppendaten für sehr umfassend
(19 %). 38 % halten sie sogar für lückenhaft. CRM-Systeme bilden die Ausgangsbasis. Selbst mit einfachen Segmentierungen lassen sich derzeit noch große Effekte erzielen. Diese Daten können anschließend mit einer Vielzahl weiterer
Daten angereichert werden. Zukünftig werden Unternehmen und Marken ihre Kunden individualisiert zur richtigen Zeit
am richtigen Ort mit einem relevanten Angebot ansprechen. Zudem wird die Kundenkenntnis zur Quelle neuer Produkte
und Services.
Kunden qualifizieren. Der erste Schritt sollte immer eine Analyse der be-
stehenden Kunden sein. Marketer und Vertriebler sollten genau wissen, welche Kunden
besonders relevant für den Geschäftserfolg sind. Sie sollten analysieren, was diese Kunden
verbindet und von anderen unterscheidet. Sie sollten Daten über deren individuelle Vorlieben und Verhaltensweisen auswerten. Daten von Kundenkarten oder dem Kundenservice
sind eine solide Basis für eine gezielte Kundensegmentierung. Noch immer lassen sich
mit einfachen Mitteln große Effekte erzielen. Der norddeutsche Einzelhändler Dodenhof
wertet die Daten von 450.000 Kunden und 150.000 Transaktionen gezielt aus. In seinen
140 Mailings jährlich mit Auflagen ab 500 Stück erreicht das Unternehmen eine
Response-Quote von 20 % und eine Conversion-Rate von 8 %. Das ist das Achtfache des
Branchendurchschnitts.14
22 Konsequenzen für die Marketingkommunikation
Daten-Dinosaurier oder Analytical
Competitor? Obwohl die Idee des Customer Relation-
ship Managements seit 20 Jahren das Marketing prägt,
sieht die Unternehmenspraxis häufig anders aus. Fehlende
Datentransparenz und Analysekultur sind die aktuellen
Haupthindernisse. 38 % der Befragten geben an, dass
unklar ist, welche Daten überhaupt vorhanden sind. Zudem
fehlt für 37 % eine Kultur im Umgang mit Daten. Mehr als
die Hälfte der Befragten hat intern nur eingeschränkten
Zugriff auf Daten. Der Autor von „Data Unser“ 14 schreibt
dazu: „Selbst mit den gängigen Werkzeugen der Segmentierung lassen sich jede Menge Umsatzpotentiale heben,
weil die Konkurrenz diese eben gar nicht oder nicht ausreichend nutzt.“ Viele Unternehmen rüsten in diesem Bereich
auf. Neben Vorreitern wie Facebook, Amazon, Google oder
Apple gründen sie ihren Geschäftserfolg auf ein möglichst
umfängliches Kundenwissen. Unternehmen wie Nike
gründen ganz neue Geschäftsbereiche (Nike+), um dieses
Wissen zu erweitern und zu vertiefen.
Kontextdaten nutzen.
Die eigenen Zielgruppendaten können durch eine große Bandbreite an NutzerDaten angereichert werden, um möglichst individuelle
Datenprofile zu erhalten. Diese stammen aus sozialen
Netzwerken oder von Werbenetzwerken, die alles von
Likes, Clickrates bis Webseiten-Besuchen, Stadt, Präferenzen etc. lesen. Eines dieser Unternehmen heißt [x+1].
Gemeinsam mit dem Wall Street Journal führte [x+1] ein
Experiment durch: Anonyme, von den Journalisten ausgewählte Nutzer sollten mit ihren Rechnern nur einen Klick
auf einer Test-Website machen. [x+1] sollte erkennen, wer
da klickt. Das Unternehmen identifizierte Familienstand,
Ort, Beruf, ungefähres Haushaltseinkommen, regelmäßige Einkaufsorte und das Freizeitverhalten korrekt.15
Barack Obama hat nicht zuletzt über ein gezieltes MicroTargeting die beiden Wahlen für sich gewonnen. Über die
Software „Votebuilder“ wurden alle diese Informationen
zusammengeführt. 10 Terabyte an Rohdaten aus Webanalyse, Social Media, Apps, Soziodemografie, Medienplänen und -analysen, Anzeigenpreisen etc. wurden von
100 Analysten in drei Teams ausgewertet. Ziel war es,
„Unentschlossene“ und „Bekehrbare“ in den Swing-States
zu identifizieren und gezielt anzusprechen. Die Erkenntnisse wurden u.a. genutzt, um gezielter zu werben. So hatte
Obama im Wahlkampf doppelt so viele TV-Werbeplätze
wie Romney, aber zu deutlich günstigeren Sendezeiten.
Dabei half der Media Optimizer von Adobe.
Projekt, um mithilfe von Datenanalyse Städte
intelligenter zu machen
> http://bit.ly/T6inOT
Individualisierte Echtzeitansprache.
Wer all diese Daten sinnvoll verknüpft, wird zukünftig die
Möglichkeit haben, Konsumenten individualisiert in einem
relevanten Umfeld zur richtigen Zeit anzusprechen. Ein
aktueller Werbe-Spot aus der IBM „Smarter Planet“-Kampagne macht diesen Wandel von anonymen Zielgruppen
zu konkreten Kunden plastisch.16 Dies setzt natürlich eine
Evolution der Medienkanäle, Werbenetzwerke und des
Media Buyings und der Kreation voraus. Derzeit übertragen
sich die Logiken der Online-Werbung auf das Fernsehen
(s. Interone Studie „TV to come. TV to go.“ 2012). Wer genau
weiß, wen er sucht, kann sich mit der Optimierung von
Touchpoints auseinandersetzen.
Kundenorientierung: Von der Floskel
zur Fähigkeit. Unternehmen, die derart versiert
sind, ihre Kunden zu verstehen, werden diese Fähigkeit
zum Asset machen. Denn Wettbewerbsvorteile entstehen
heute vor allem durch zwei Dinge: Services, die das Leben
des Kunden bereichern oder vereinfachen, sowie eine
starke emotionale Aufladung mit einem Sinn, für den die
Marke steht. Diese Unternehmen werden die Insights, die
sie als Resonanz aus dem Markt erhalten, in erfolgreiche
Produkt- und Service-Innovationen übersetzen. Bislang
waren Marketing und Vertrieb für die optimale Vermarktung
vorhandener Produkte zuständig. Zukünftig werden ihre
Markt- und Consumer-Insights die Basis für strategisches
Neugeschäft liefern.
Konsequenzen für die Marketingkommunikation 23
Ableitungen für die Markenkommunikation:
# Klarheit verschaffen. Die neue Datenwelt ist komplex und unübersichtlich.
Beinahe jedem zweiten befragten Marketer fällt es angesichts der verfügbaren
Daten schwer, den Überblick und die Orientierung zu behalten. Um sicherzustellen,
sich nicht zu verlieren, brauchen Marketer mehr denn je ein klares Verständnis
ihrer Ziele und Strategien.
# Kundengruppen statt Zielgruppen. Zielgruppen sind zu abstrakt und grob maschig. Allzu häufig stimmen formulierte Zielgruppen und tatsächliche Kunden gruppen nicht überein. Marketer sollten damit beginnen, die eigenen und potentiellen
Kunden emotional und in Zahlen kennenzulernen und unternehmensintern
erlebbar zu machen. Anschließend folgen Fragen wie: Welchen Wert und Relevanz
haben sie für das Unternehmen? Welche Kundengruppen haben zusätzliches
Potenzial? Bei welchen Kundengruppen kann man sparen?
Thomas Ramge,
Autor von „Data Unser“ 14
Warum sollten sich Marketer mit
datengetriebenem Marketing beschäftigen?
„Wir stehen am Beginn einer neuen Epoche der TechnikGeschichte. Digitalisierte Informationen werden allumfassend
und eröffnen vollkommen neue Möglichkeiten. Die Welt
wird nach Jahren der Unsicherheit wieder berechenbarer.
Wir kennen die Vergangenheit und die Gegenwart und
können daraus Rückschlüsse für die Zukunft ziehen. Die
Analyse großer, unverknüpfter Datenmengen in kürzester
Zeit erlaubt uns, in Massenmärkten wie Tante Emma zu
verkaufen, Kunden besser zu kennen und zu bedienen.“
Welche Unternehmen werden davon
besonders profitieren?
„Diejenigen, die die Lehren aus der Online-Welt auf die
reale Welt übertragen, werden gewinnen. Noch ist dies
ein Differenzierungsfaktor. Mittelfristig werden diese Online-Logiken zur Notwendigkeit für alle Marktakteure.“
24 Konsequenzen für die Marketingkommunikation
Die Anzahl der Medienkanäle steigt täglich. Sie werden intelligent. Die Bewegung von Konsumenten im stationären
Handel werden ebenso aufgezeichnet wie das Surfverhalten in Online-Shops. Kommunikationskanäle beobachten ihre
Nutzer, um attraktive Werbe-Platzierungen zu ermöglichen. Schon heute hat nur jeder siebte Marketing-Entscheider
noch ein klares Verständnis davon, welchen Mehrwert die einzelnen Kommunikationskanäle liefern (15 %).17 Statt
Kanalkenntnis zu maximieren, können Marketer sich an den Touchpoints ihrer Kunden orientieren und Handlungsfähigkeit
zurückgewinnen.
Intelligente Kanäle.
Händler und Vermarkter
rüsten ihre Flächen auf. Sie wollen über ein größtmögliches
Nutzerverständnis maximale Flächen-Erträge erzielen.
Start-ups wie Locately oder Shopkick locken mit Gutscheinen, wenn Nutzer sich beim Betreten von Geschäften
registrieren. Die Bewegungsdaten werden mit Kundensegmentsdaten angereichert, um zu verstehen, wann, wo
oder wie sich bestimmte Kundengruppen besonders verhalten. Interaktive Out-of-Home-Medien erkennen z. B. das
Geschlecht von Passanten. Für den Männersender DMAX
starteten wir bereits vor drei Jahren ein Experiment mit
einem Billboard am Bahnhof, welches die Werbung nur
zeigte, wenn Männer vorbeikamen.18 Auch Facebook versucht, die Intelligenz der Plattform zu steigern. Das soziale
Netzwerk bietet seinen Werbekunden unter dem Stichwort
„Custom Audience Targeting“ an, die eigenen CRM-Daten
anonym mit denen von Facebook-Nutzern abzugleichen,
um so gezielter zu werben. Auch Datenhändler wie Datalogic oder BlueKai sind angeschlossen und stehen Marketern zur Verfügung.
Mobile App, die für Aktivitäten am POS
belohnt
> www.shopkick.com
Auf allen Kanälen verkaufen. Anstelle von
Image-Aufbau gewinnt der Abverkauf an Bedeutung in der
Markenkommunikation. Denn über interaktive Medienkanäle
wird zunehmend auch verkauft oder Verkäufe ausgelöst.
So sieht man anstelle von Banneranzeigen immer häufiger
Produkte, die man im letzten Online-Shop angesehen
hat. Über dieses Retargeting soll sichergestellt werden,
dass man das Produkt nicht wieder vergisst und die Kaufwahrscheinlichkeit erhöht wird. Marketer, die über Verkauf
kommunizieren, können demonstrieren, welchen Beitrag
ihre Arbeit zum Unternehmenserfolg leistet.
Touchpoints statt Kanäle. Die Möglichkeiten,
Kanäle zu bespielen, werden immer komplexer, teurer und
verändern sich rasend schnell. Marketer haben im Tagesgeschäft keine Chance, bei diesem Wettrüsten mitzuhalten
und jederzeit ausreichend informiert zu sein. Sie können
jedoch Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, indem sie
sich auf das Verhalten ihrer Kunden konzentrieren, deren
Verhalten untersuchen und mögliche neue Touchpoints
identifizieren. Denn oft halten sich die Zielgruppen nicht
nur auf den herkömmlichen Kanälen auf. Customer Journey
Maps können hier helfen. Dieses Service-Design-Werkzeug
ist geeignet, um Touchpoints aufzudecken und die jeweiligen
Interaktionen zu gestalten. In der Markenkommunikation
spielt es bislang nur eine untergeordnete Rolle.
Marktforschungstool für mobile Endgeräte
> www.locate.ly
Konsequenzen für die Marketingkommunikation 25
Ableitungen für Die Markenkommunikation:
# Customer first. Wer das Verhalten der
eigenen und potenziellen Kunden in
den Mittelpunkt stellt, kann sich fokus sierter an die sich rapide wandelnde
Kanalwelt heranwagen.
# Effizienz der Touchpoints erhöhen.
Die neuen Daten erlauben es viel
stärker als bislang, den Erfolgsbeitrag
einzelner Touchpoints und Kanäle zu
messen und zu vergleichen.
# Einzigartige Kundenerlebnisse gestalten. Je umfassender die Gestal tungsmöglichkeiten an den Touch points werden, desto wichtiger wird es,
überall einzigartige Qualität, Service
oder Unterhaltung zu bieten.
# Verkaufen lernen. Alle Touchpoints
werden zu Verkaufskanälen. Marken kommunikation muss direkter werden
und deutlich stärker als heute Verkäufe
auslösen. Individuell relevante Ange# Touchpoints richtig bespielen. Statt bote und die starke Marke im Hinter eine Botschaft über alle Kanäle „aus- grund sind dabei entscheidend.
zurollen“, geht es stärker darum, in
dem jeweiligen Kanal eine passende
Geschichte zu erzählen, das richtige
Thema zu treffen und die ideale Kom munikations- und Interaktionsart zu
identifizieren.
Frank Hupke,
Director Targeting, Resolution Media
Warum sollten sich Marketer mit datengetriebenem
Marketing beschäftigen?
„Kommunikation wird spitzer. Innerhalb der eigenen Kernzielgruppe gibt es viele Untergruppen, deren Online-Verhalten sich stark unterscheidet. Die Technik ist so weit, diese
Gruppen zu identifizieren und das passende Werbemittel auszuliefern. Online-Werbung
wird intelligenter und individueller. Vor fünf Jahren war Targeting ein bloßes Buzzword,
heute sorgt Retargeting der 2. Generation für beeindruckende Conversion-Rates.“
Was heißt das ganz konkret?
„Durch Datenanalyse bei einer Kontaktlinsenmarke konnte z. B. bestätigt werden, dass
die Kunden sehr sportaffine Menschen sind. Das erschließt neue Touchpoints on- und
offline. Bei Kanälen ist die Multi-Device-Aussteuerung ein großes Thema. Kampagnen
können so ausgesteuert werden, dass die Geräte nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden müssen, sondern harmonisiert zusammenarbeiten. Ads können auch
erkennen, wo sie ausgespielt werden, und passen sich den Profildaten des Nutzers an.
Für unseren Kunden EDEKA haben wir durch Geodaten die Hintergründe der Werbemittel regional personalisiert. Mit dynamischen Landingpages lassen sich Inhalte am
Nutzerverhalten ausrichten.“
26 Konsequenzen für die Marketingkommunikation
„Big Context“ verändert die kreativen Spielregeln. Agile Methoden machen Kampagnen effektiver und effizienter. Automatisierungen unterstützen Kreationsprozesse. Für die absolute Mehrheit der Marketer haben Daten bislang nur im
Vorfeld einer Kampagne oder Aktion die größte Relevanz (72 %). Nur 13 % sehen während einer Kampagne den größten
Nutzen. Das wird sich ändern. Echtzeitdaten machen Kampagnen individueller, wetter- oder ortsabhängiger.
Agiles Campaigning. Wie in keiner anderen Abteilung werden im Marketing
große Budgetentscheidungen getroffen, ohne eine verlässliche Zahlenbasis zu nutzen.
Dies betrifft auch den Bereich der Kampagnen. Auf Basis von großen Kreativ-Ideen,
Geschmack und Vorlieben arbeiten Marketer und Agenturen lange hinter verschlossenen
Türen an Kampagnen. Erst zu spät stellt man fest, dass die erhoffte Wirkung ausbleibt.
Agile Methoden setzen hingegen darauf, Ideen anhand von Prototypen möglichst frühzeitig
zu testen. So werden Fehlannahmen frühzeitig identifiziert, man kann die Resonanz im
Vorfeld messen und der Auftraggeber kann anhand von Zahlen entscheiden, wie er seine
Budgets investiert.
Automatisierung der Kreation. Amazon hat das sog. A/B-Testing bekannt
gemacht. Dabei handelt es sich quasi um digitale Live-Fokusgruppen mit vielen Teilnehmern.
Den Nutzern werden verschiedene Versionen eines Banners, einer Website etc. gezeigt.
Versionen mit besserer Performance werden ausgerollt. Dieses Prinzip wird derzeit zu
sich selbst optimierenden Anzeigen weiterentwickelt. Für dieses sog. Dynamic Creative
Optimization sind nicht mehr fertige Anzeigen, sondern nur noch Text-Bausteine, GrafikElemente, Rahmen etc. notwendig. Ein Optimierungsalgorithmus übernimmt den Rest.
Diese Algorithmen sind selbstverständlich auf Effektivität optimiert und produzieren keine
kreativen Highlights.19, 20
Echtzeitkampagnen. Bei gutem Wetter werden mehr Würstchen gekauft und
gegrillt. Also macht es Sinn, bei Regen keine Grillwürstchenwerbung zu schalten. Die
Fluggesellschaft Norwegian zeigte im Oktober, dem regenreichsten Monat des Jahres,
auf interaktiven Billboards die aktuellen Wetterdaten von Alicante in Spanien. Obama
reagierte während des gesamten Wahlkampfes auf Stimmungsveränderungen in den entscheidenden Wählergruppen. Die Software Impossible lokalisiert in Web-Videos automatisch
die Kennzeichen eines MINI-Spots anhand des Ortes, wo das Video geschaut wird.
Erster Anbieter für dynamischen EchtzeitVideocontent
> www.impossiblesoftware.com
Konsequenzen für die Marketingkommunikation 27
Ableitungen für Marketer:
# Beginnen Sie mit kleinen Prototypen. Messen Sie anhand von Prototypen, wie
gut die Idee performt. Justieren Sie nach und investieren Sie auf Basis von
Wahrscheinlichkeiten statt Intuitionen.
# Optimieren Sie Ihre Kampagnen. Über Tools wie Real-Time Bidding wird
mittelfristig Werbung bevorzugt, die eine größere Erfolgs-Wahrscheinlichkeit
verspricht. Um hier mitzuhalten, sollten Sie Online-Kampagnen stärker testen und
sich selbst optimierenden Prozessen unterwerfen.
# Nutzen Sie Echtzeitdaten. Kampagnen, die dynamisch Daten integrieren oder
auf sie reagieren, bleiben aktuell und sind relevanter. Überlegen Sie, inwiefern Sie
Kampagnen durch Daten lokalisieren, personalisieren oder dynamisieren können.
Marken werden zu Medien. Mittels relevanter und resonanzfähiger Inhalte sollen Interessierte für das Unternehmen
begeistert und überzeugte Käufer an das Unternehmen gebunden werden. Die große Herausforderung für Marketer
besteht darin, Relevanz und Resonanz zu gewährleisten. Hier kann „Big Context“ einen entscheidenden Beitrag leisten.
Statt überholte journalistische Formate in die Markenwelt zu übertragen, sollten Marken sich zeitgemäßer und zahlengetrieben dem Thema Content Marketing widmen.
ResonanzfähigeThemen besetzen. Wer Relevante Inhalte kuratieren. Angesichts
die Resonanzfähigkeit von Inhalten gewährleisten will,
kann sich schnell und einfach an Google Suchbegriffen in
seinem Kontext orientieren. Schwarzkopf analysierte 16
Millionen Suchanfragen zum Thema „Haare“ und ermittelte
daraus die richtigen Themen für ihre Website, denn nur ein
Bruchteil dieser Anfragen enthielt Marken. Menschen suchen
Lösungen, nicht Produkte. Darüber konnte der Traffic verzehnfacht werden.
28 Konsequenzen für die Marketingkommunikation
der digitalen Informationsflut gewinnen Kuratoren einen
neuen Stellenwert. Dies sind Medien oder Menschen, die
gezielt die richtigen Inhalte in der richtigen Menge auswählen und zusammenstellen. Das Start-up Percolate
filtert Links mit seiner Software aus über 6 Millionen
Quellen zu zielgruppenrelevanten Inhalten. CommunityManager erhalten darüber ständig aktuelle Informationen
über Veröffentlichungen und Ereignisse im Umfeld des
Unternehmens. Marken können diese Informationen über
ihre eigenen Kanäle publizieren und sicherstellen, dass
sie stets etwas Relevantes zu sagen haben. Virgin Mobile
führt mit der Realtime-Viral-Plattform BuzzFeed wöchentliche Redaktionssitzungen durch, um Inhalte zu kuratieren,
die sich online verbreiten.21
Inhalte automatisieren. In ausgewählten analytischen und journalistischen Bereichen werden Computer
zu Redakteuren. Die Software „Narrative Science“ generiert aus Daten automatisch Insights und Stories. Egal ob
Sportberichte, Börsennachrichten oder Auswertungen
von Markenkampagnen, die maschinellen Texte sind kaum
von menschlichen zu unterscheiden. Auf Narrative Science
vertrauen nicht nur Magazine wie Forbes, sondern auch
Marken, die ihre Kampagnendaten auswerten und in Geschichtenform bringen lassen.22
Inhalte personalisieren.
Auf vielen MicroSites kann man sich per Facebook-Account anmelden.
Aus den dort hinterlegten Daten ziehen die Micro-Sites
persönliche Nutzer-Informationen und integrieren diese in
die Story. So nutzte die „Psychic Roadster“ Kampagne von
MINI diese Informationen, um den Nutzern einen Ausblick
auf ihre Zukunft zu geben, wenn sie einen MINI kaufen.
Aber auch anhand von Cookies lassen sich viele relevante
Informationen wie z. B. IP-Adressen, Browser-Historie, Clicks,
Online-Einkäufe erfassen, die sich für die Personalisierung
und Lokalisierung von Inhalten eignen.
Applikation zur automatischen
Generierung von Geschichten
> www.narrativescience.com
Dynamische Datenvisualisierung aus
verschiedenen Datenquellen
> www.futureofcarsharing.com
Der richtige Zeitpunkt. Wer eigene Inhalte pu-
bliziert, sollte genaue Kenntnis haben, wann Inhalte auf
den Kanälen oder Geräten die höchste Resonanz haben.
Die Bestimmung des Zeitpunkts kann eher grob erfolgen.
Hierzu zählen z.B. die vielfältigen Studien, wann man idealerweise Facebook-, Twitter- oder Blog-Posts platziert.
Aber auch eine Kontext-abhängige, kurzfristige oder spontane Präsenz kann funktionieren. Während des Stromausfalls bei der diesjährigen Superbowl-Übertragung traf die
Marke Oreo mit ihren Twitter-Nachrichten genau den richtigen Nerv und wurde so millionenfach verbreitet.23
Zahlen zum Leben erwecken. Um Zahlenwelten interessant zu gestalten, wird derzeit auf vielfältige Weise mit neuen Formen der Datenvisualisierung experimentiert. Anders als klassische Infografiken sind diese
häufig interaktiv oder haben Modell-Charakter. Mehr und
mehr werden Daten dynamisch aktualisiert. Nutzer können an verschiedenen Stellschrauben des Modells drehen
und die Einflüsse sehen. Ein tolles Beispiel hierfür ist die
Website „The Future of Carsharing“.
Konsequenzen für die Marketingkommunikation 29
Ableitung für die
Markenkommunikation:
# Hot or not? Themenanalysen werden immer wichtiger.
Was interessiert meine Kunden oder Nicht-Kunden am
meisten? Wonach suchen sie? Mit welchen Inhalten inter agieren sie? Diverse Tools von Google oder Social Media
Monitoring-Systemen helfen, die für den User relevanten
Themen zu identifizieren.
# Vorder- oder hintergründige Daten? Je nach Marke oder
Thema können Marketer entscheiden, inwiefern Daten eher
im Hintergrund genutzt werden, um Relevanz und Resonanz
zu erhöhen. Oder ob die Daten selbst Teil der Inhalte werden,
die kommuniziert werden.
30 Konsequenzen für die Marketingkommunikation
Wolfgang Breyer (Leiter internationale
Werbung, Online, Social Media) und Florian
Resinger (Head of Online Communication &
Web Marketing) bei BMW
Wie verändern Daten die Markenkommunikation schon
heute?
„Markenkommunikation wird effizienter. Die Kanäle werden intelligenter und wir können
die Vermarktungs-Kosten und Streuverluste senken. Gleichzeitig werden die Touchpoints
aber auch fragmentierter und schwerer zu quantifizieren. Zum zweiten wird Markenkommunikation individueller. Früher ging es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen.
Heute geht es mehr denn je darum, einzelne Kunden über ihren gesamten Life-Cyle zu
begleiten und sie individuell mit maßgeschneiderten Angeboten und persönlicher Kommunikation anzusprechen. Dabei gibt es grundsätzlich drei Typen: Kunden, die wir aus
der Vergangenheit gut kennen. Kunden, die wir bislang kaum kennen. Kunden, die wir
gar nicht kennen. Um auch unbekanntere Kunden besser ansprechen zu können, nutzen
wir externe Daten und Prediction-Technologien. Als drittes wird Markenkommunikation
interaktiver. Unsere Kunden erwarten, dass wir immer schneller reagieren und auch als
Premium-Marke nahbar sind.“
Worauf sollten Marketer achten, die erste Schritte in die
neue Datenwelt gehen wollen?
„Die Kunst besteht nicht darin, Daten zu generieren, sondern handlungsrelevante Informationen zu erhalten. Angesichts der Fülle an Möglichkeiten muss man mehr denn
je wissen, was man will, was man sucht und über welche Daten man bereits verfügt.
Zudem sind Daten auch mit Vorsicht zu genießen. Häufig werden einmalig bestimmte
Kennzahlen festgelegt und nicht wieder hinterfragt. Daten werden dann zu Automatismen
und entwickeln eine Eigendynamik.“
Konsequenzen für die Marketingkommunikation 31
5. Erste Schritte
1.Wissen,
was man wissen will
2. Klein
anfangen, statt groß denken
3. Holen Sie
sich Hilfe
4. Experimen-
tieren Sie
5. Bieten Sie
bessere
Erlebnisse &
Emotionen
1. Wissen, was man wissen will
Wer Neuland betreten will, geht Risiken ein. Umso wichtiger ist es sicherzustellen, dass
der erste Schritt erfolgreich ist. „Big Context“ schafft vielfältige neue Möglichkeiten. Um
sich nicht zu verlieren, sollten Sie zuerst identifizieren, was Ihre Absichten und Ziele sind.
Daraus ergeben sich zentrale Erfolgskriterien, Hypothesen und Anforderungen.
2. Klein anfangen, statt groß denken
Identifizieren Sie überschaubare Bereiche, in denen Sie ohne großes Risiko mit kleinem
Budget mit „Big Context“ experimentieren können. Ist Ihr Experiment erfolgreich, können
Sie darüber sprechen und Ihre Aktivitäten ausweiten. Scheitert es, haben Sie nichts verloren.
3. Holen Sie sich Hilfe
„Big Context“ betritt zentrale Aspekte Ihres Unternehmens. Mittelfristig werden Marketer
größere Daten-Kompetenzen aufbauen müssen. Gerade am Anfang ist es jedoch wichtig,
den Stein ins Rollen zu bringen. Dafür ist externe Expertise hilfreich.
4. Experimentieren Sie
Sie wollen mit „Big Context“ neue Wege gehen? Experimentieren Sie, formulieren Sie
Hypothesen, und stellen Sie neue Fragen. Reduzieren Sie lieber die Zahl der Datensätze,
als zu komplex zu werden. Häufig übersieht man bei Experimenten, dass man gerade
eine wichtige Entdeckung gemacht hat. Viele der größten Innovationen sind zufällig entstanden.
5. Bieten Sie bessere Erlebnisse und Emotionen
Stellen Sie sicher, dass Ihre „Big Context“ Aktivitäten nicht zu technisch werden, sondern
Ihren Kunden Mehrwerte in Form von höherer Relevanz, weniger Störung, neuer Services,
besserer Kundenerlebnisse etc. bieten. Menschen wollen auch weiter emotional berührt
werden und sich an guten Geschichten und Ideen erfreuen. Daten können hierbei unterstützen.
32 Erste Schritte
Dominik Dommick, Geschäftsführer
Marketing und Digital, Payback
Was unterscheidet ein datengetriebenes Unternehmen?
„Daten sind wie Brotkrümel. Sie bieten nur einen bestimmten Ausschnitt des Verhaltens eines Konsumenten.
Aber je mehr Brotkrümel man hat, desto besser kann
man Konsumenten verstehen. Die Daten der meisten Unternehmen stellen nur einen ganz speziellen Ausschnitt
dar, zudem fehlt es an einer Kultur im Umgang mit Daten.
Wir haben ein deutlich größeres Bild, weil wir mit Offline-,
Online- und mobilen Daten arbeiten und alle Kanäle bedienen. Zudem hilft uns unsere langjährige Erfahrung,
die Daten richtig zu interpretieren. Ohne eine intelligente
Interpretation sind Daten nichts als Zahlen.“
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die
Markenkommunikation durch die zunehmende Datenfülle ändern?
„Verbraucher sind geübter denn je, Werbung zu ignorieren.
Markenkommunikation muss daher relevanter werden.
Das erfordert eine stärkere Messbarkeit und eine Kultur
der Dateninterpretation, um Nutzer und ihre Wünsche
besser zu verstehen. Zudem werden Konsum- und Kommunikationskanäle immer vernetzter und schnelllebiger.
Marketer müssen die Kanäle genauso virtuos variieren
und reagieren können, wie die Konsumenten dies tun und
erwarten. Das Stichwort heißt ‚Multichannel‘.“
Erste Schritte 33
6. Quellen, Set-up,
Impressum
http://www.owm.de/dokumente/studien/publikationen_detail.php?id=11
1
2
Fournaise Marketing Group: http://www.fournaisegroup.com/CEOs-Do-Not-Trust-Marketers.asp
3
http://www-05.ibm.com/ch/presentations/cmo_study/pdf/CMO_Erkenntnisse_Susanne_Marty_IBM.pdf
http://www.dpma.de/docs/service/veroeffentlichungen/jahresberichte/dpma-jahresbericht2011_barrierefrei.pdf
4
Gerit Heinemann, Multi-Channel-Handel, 2008
5
http://www.mckinsey.com/insights/business_technology/big_data_the_next_frontier_for_innovation
6
http://www.owm.de/dokumente/studien/publikationen_detail.php?id=11
7
http://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/werbesprech-werbung-nervt/6519856.html
8
Eigene Befragung: Antworten: 176, Basis: 351
9
10
http://germany.emc.com/collateral/analyst-reports/idc-the-digital-universe-in-2020.pdf
http://www.nytimes.com/2012/02/19/magazine/shopping-habits.html?pagewanted=all&_r=5&
11
http://daten.berlin.de/anwendungen/flugl%C3%A4rm-bbi
12
http://www.sueddeutsche.de/politik/interaktiver-atlas-so-lebt-europa-1.1615912
13
S. Thomas Ramge, Data Unser, REDLINE Verlag
14
http://online.wsj.com/article/SB10001424052748703294904575385532109190198.html#
15
http://www.youtube.com/watch?v=rtr0L8zOsPk
16
http://www.owm.de/dokumente/studien/publikationen_detail.php?id=11
17
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=5BeTXnUrpnI
18
Dynamic Creative http://econsultancy.com/de/blog/10467-the-real-time-world-of-display-advertising-part-two-dynamic-creative
19
http://vimeo.com/36690038#
20
http://www.digiday.com/brands/how-virgin-mobile-fell-in-love-with-content/
21
http://www.forbes.com/sites/narrativescience/
22
https://twitter.com/Oreo/status/298246571718483968/photo/1
23
34 Quellen, Set-up, Impressum
Interone ist Ideen- und Auftraggeber der Studie. Die FullserviceAgentur hat das Whitepaper gemeinsam mit Jörg Jelden konzipiert, das Experiment durchgeführt und ausgewertet. Interone ist
eine der führenden Agenturen für vernetzte Multikanal-Kommunikation. Mit einem zukunftsweisenden Agenturmodell, das für
Interone-Kunden alle klassischen und interaktiven Kommunikations- und Vertriebskanäle bündelt, bietet Interone sowohl
Online- als auch Offline-Lösungen auf höchstem kreativen Niveau
an und verfolgt damit einen integrierten Ansatz.
www.interone.de
Für dieses Whitepaper haben wir ein Nutzer-Experiment, einen
Desk Research, sieben Experteninterviews und eine Branchenbefragung durchgeführt.
Nutzer-Experiment: Zwei Studenten der Universität
der Künste Berlin wurden einen Tag mit Sensoren ausgestattet.
Interone hat den Probanden alltägliche Aufgaben gegeben und
sie filmisch begleitet.
Desk Research:
Wir haben vorhandene Studien,
Bücher, Artikel und Blogposts ausgewertet, Konferenzvideos
gesichtet und Cases gesucht, die „Big Context“ in der heutigen
Praxis zeigen.
Experteninterviews:
Um vertiefende Erkenntnisse
zu gewinnen, haben wir mit dem Trendforscher und Markenexperten Prof. Peter Wippermann, dem „Data Unser“ Autor Thomas
Ramge, dem Data Scientist von The Unbelievable Machine, Klaas
Bollhöfer sowie Wolfgang Breyer und Florian Resinger (beide
BMW), Dominik Dommick (Payback) und Frank Hupke (Resolution
Media) und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Mirus Fitzner
(UdK) gesprochen.
Branchenbefragung: Über die Plattform Surveymonkey haben wir eine Branchenumfrage aufgesetzt, die sich
an Marketer in Unternehmen sowie Agentur-Insider richtete. Die
Teilnehmer wurden per E-Mail oder Social Media zur Umfrage
eingeladen. Insgesamt nahmen 400 Personen an der Befragung
teil, 263 haben die Befragung abgeschlossen. Darunter waren
39 % Marketer aus Unternehmen und 61 % Agentur-Insider.
Jörg Jelden ist Experte für Ausblicke und Aufbrüche. Seit mehr
als acht Jahren hilft er Unternehmen, deren Zukunft zu erkunden,
Chancen zu identifizieren und erste Schritte zu gehen. Er ist
Alumnus des „Oxford Scenarios Programme“, Metaplan Practitioner und Initiator des Think Tanks „Agenturen der Zukunft“.
Er moderiert Innovations-Workshops und Führungskräftetreffen,
kuratiert Innovationskonferenzen wie die NEXT Berlin und ist
gefragter Keynote-Referent. Gemeinsam mit Interone hat er das
Projekt konzipiert, durchgeführt, ausgewertet und aufbereitet.
www.jeldenttc.com
Mit etwa 600 Studierenden ist Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (GWK) der größte Studiengang an der Universität
der Künste Berlin. Antworten auf Grundfragen der Kommunikation
bilden die Inhalte des wissenschaftlich-gestalterischen Studiengangs ebenso wie die konkrete Ausgestaltung von Kommunikationsmaßnahmen.
www.gwk.udk-berlin.de
Das mobile Eyetracking System (Tobii Glasses) für das
Experiment wurde uns von Tobii zur Verfügung gestellt. Tobii
ist weltweit führender Anbieter von Eyetracking-Lösungen und
Experte für Technologien, die Computer in die Lage versetzen,
genau zu erfassen, wohin Nutzer gerade schauen.
www.tobii.com
Verantwortliche Geschäftsführer:
Franziska von Lewinski, Christo Zonnev, Michael Ohanian
Strategie, Konzeption, Text:
Jörg Jelden, Christian Clawien, Stephan Tewes
Mitarbeit: Christoph Jourdan, Mathias Weser
Projektmanagement: Johanna Langrehr
Creative Direction: Tina Ziegler
Art Direction: Hilke Rolapp, Julia Hellwege, Robert Hantulik
Video: Florian Baeker, Christian Dittmer
Online-Umsetzung: Sören Sörries, Nikolai Bockholt
Produktion: Jens Pastyrik
Lektorat: Hans Brückner
Interone GmbH, Theresienhöhe 12, 80339 München
www.interone.de
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