Climate Engineering: Das Tabuthema in der Klimadebatte

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Notizen aus dem Risiko-Dialog
Nr. 2 | Oktober 2014
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Climate Engineering:
Technische Eingriffe gegen die
Klimaerwärmung
Verhalten in Katastrophen:
Massenpanik, Plünderung, Chaos?
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briefcase
clear+brief
CO2-Ausstoss:
interview
2013 so
hoch wie nie zuvor
Die Weltorganisation für Meteorologie
(WMO) hat am 9. September 2014 ihr
jährliches «Greenhouse Gas Bulletin»
veröffentlicht. Sie behandelt darin die
aktuelle Kohlendioxidkonzentration in
der Atmosphäre und ihre Auswirkungen auf die globale Erwärmung und
den ebenfalls damit verbundenen erhöhten Säuregrad der Meere.
2013 ist die CO2-Konzentration in der
Atmosphäre um 2,9 parts per million
(ppm) – also 0.00029 % – gestiegen.
Was nach wenig klingt, bedeutet, dass
die aktuelle CO2-Konzentration in nur
gerade 12 Monaten um 0.73 % auf einen Wert von 396 ppm gestiegen ist.
Wenn man nur die Zunahme an CO2
seit der Industrialisierung betrachtet
(der Wert für das Jahr 1750 wird bei
278 ppm angenommen), dann trägt der
CO2-Ausstoss von 2013 2.46 % zur zusätzlichen Kohlendioxidkonzentration
bei.
Trotz intensiver weltweiter Bemühungen zur Emissionsreduktion war die
menschgemachte Zunahme des CO2 im
letzten Jahr grösser denn je.
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3D-Druck:
Rückblick Lernexpedition der Stiftung
Risiko-Dialog und TA-SWISS
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Grosstechnische Eingriffe ins Klima
Climate Engineering: Das
Tabuthema in der Klimadebatte
Wenig beachtet von der Öffentlichkeit entwickeln
Forschende Eingriffe in die Atmosphäre, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken. Climate Engineering
könnte mit wachsenden Klimaschäden plötzlich zu
aktuell werden.
Menschgemachte Emissionen sind Ursache der Klimaerwärmung.
Können grosstechnische Eingriffe helfen?
Vor wenigen Tagen diskutierten die
Staatschefs dieser Welt am Climate
Summit in New York die Finanzierung
von Emissionsreduktionen zur Milderung der Folgen des Klimawandels. Die
Herausforderung wiegt schwer: Rund
35 Milliarden Tonnen CO2 werden aktuell weltweit jährlich ausgestossen. Das
Ziel, die Erderwärmung unter global
gemittelten 2° C zu halten, ist mit den
bisherigen Einsparungen alleine kaum
zu erreichen.
Befürworter des «Climate Engineerings» empfehlen deshalb zur Reduktion der Emission von Treibhausgasen
neue Ansätze, um dem Klimawandel zu
begegnen. Ein Ansatz will CO2 aus der
Atmosphäre einfangen und speichern.
Von diesen «Carbon Dioxide Removal»
(CDR) Technologien ist bisher aber
keine im erforderlichen Massstab betriebsbereit. Ein zweiter Ansatz ist das
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Nr. 2 | Oktober 2014
«Solar Radiation Management» (SRM).
Beispielsweise könnte das Einbringen
von Schwefelpartikeln in höhere Luftschichten der Atmosphäre die Sonneneinstrahlung schlagartig reduzieren.
Die genaue Wirkung im komplexen Klimasystem ist schwierig zuverlässig vorauszusagen. Auswirkungen auf Wetterphänomene, die Landwirtschaft und
Ökosysteme sind mitzudenken. Eine
Anwendung müsste über viele Jahrzehnte fortgeführt werden, um ein
sprunghaftes Ansteigen der globalen
Temperatur zu vermeiden. Aktuell werden die «drastischeren Massnahmen»
des Climate Engineerings, wie das erwähnte SRM, bei Klimaverhandlungen
weitgehend ignoriert. Einige Experten
vermuten, dass dies daran liegt, dass
Regierungen nicht abschätzen können,
in welche Richtung sich die öffentliche
Meinung dazu bewegen könnte. Sie
wollen sich nicht vorzeitig exponieren.
Zudem müssten sie sich dem Vorwurf
stellen, dass damit Anstrengungen zur
Reduktion des CO2-Ausstosses unterminiert würden.
Hoher Bedarf für Risikodialog
Angesichts des wachsenden Interesses
und der klimapolitischen Dringlichkeit
des Themas hat die Stiftung RisikoDialog mit verschiedenen nationalen
und internationalen Climate Engineering- und Klimapolitikexperten
gesprochen. Fast alle haben die Notwendigkeit geäussert, eine öffentliche
Debatte mit allen Beteiligten anzustossen. Politik, Forschung und andere Interessenvertreter sollen an einen Tisch
gebracht werden, um eine öffentliche
Debatte vorzubereiten. Dies deckt sich
mit der Empfehlung des Büros für Technikfolgeabschätzung beim Deutschen
Bundestag und den Aussagen der Teilnehmenden der ersten internationalen
Climate Engineering Conference in
Berlin (18.–21. August 2014).
Fokus auf Emissionsreduktionen
Die durch die Stiftung Risiko-Dialog
befragten Expertinnen und Experten
betonen, dass jede Diskussion um
Chancen und Gefahren von Climate
Engineering nur mit einer gleichzeitigen, verstärkten Bemühung zur Emissionsreduktion stattfinden darf. Diese
normative Aussage kommt in der Antwort von Klaus Töpfer gegenüber der
Stiftung Risiko-Dialog am Rande der
Climate Engineering Conference 2014
am stärksten zum Ausdruck: «Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass wir
an einen Punkt gelangen, wo es [SRM]
notwendig wird. Der öffentliche Diskurs
sollte sich um die Kernbotschaft drehen,
dass wir auch unser Verhalten zu Gunsten der Emissionsminderung verändern
müssen, und darf nicht der Vorbereitung
auf eine künftige Anwendung dienen.»
maverhandlungen eine aktive und
einflussnehmende Verhandlungsteilnehmerin. Zudem kann eine ausbalancierte Diskussion in der Schweiz helfen,
die Forschung in ihrer ganzen Breite
mitzugestalten. Dies ist Voraussetzung
dafür, dass Auswirkungen besser abgeschätzt werden können. Im internationalen Austausch von Wissen wird eine
bessere Kontrolle der Massnahmen,
deren Wirkungen und deren Integration in die Planung von eventuellen Korrekturmassnahmen ermöglicht.
Beispiel eines SRM-Ansatzes zur Ausbringung von Partikeln in der Stratosphäre
Nur eine breite Diskussion trägt
Aktuell bewegt sich die Diskussion zu
Climate Engineering lediglich in kleinen Wissenschaftskreisen. Aufgrund
der schnellen Wirksamkeit, der tiefen
Kosten und des wachsenden politischen Drucks könnte Climate Engineering aber über Nacht zur einzigen
politisch opportunen Lösung erklärt
werden. Das Ausbringen von Schwefel
in die Stratosphäre könnte mit heutiger Technik sofort umgesetzt werden.
Ob ein solcher Einsatz – gänzlich ohne
vertiefte öffentliche Auseinandersetzung – aber wünschenswert wäre, ist
zweifelhaft. SRM-Massnahmen sind in
ihren Auswirkungen kaum abzuschätzen.
Meinungsbildung in der Schweiz
Nicht nur international, sondern auch
auf nationaler Ebene sollte die Diskussion geführt werden. Dies gilt in speziellem Masse auch für die Schweiz.
Schliesslich ist sie ein Forschungs- und
Technologiestandort und in den Kli-
Schwierige Einschätzung der
öffentlichen Meinung
Die aktuelle Einschätzung des Climate
Engineering basiert oft auf generellen Wertvorstellungen, wie der Frage,
ob der Mensch in die Natur eingreifen
darf. Die Dringlichkeit des Klimawandels macht eine Auseinandersetzung
spezifisch mit Climate Engineering
aber unumgänglich. Viele Implikationen sind zum heutigen Zeitpunkt
nicht bekannt. Ihre Identifikation und
Gewichtung lässt sich nur im Dialog
erarbeiten. In einer ersten Runde könnte beispielsweise zwischen Entscheidungsträgern aus Politik, Behörden,
Wirtschaft, Umweltverbänden und Forschung eine Wissensbasis geschaffen
werden – als Grundlage für die breite
öffentliche Diskussion.
Matthias Honegger und Matthias Holenstein
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Bevölkerungsverhalten in Katastrophen
Massenpaniken, Plünderungen und
Chaos: sind das Zustände, mit denen
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wir bei Katastrophen rechnen müssen?
Wie verhalten sich Menschen in Extremereignissen? Diesen Fragen nimmt sich
die Stiftung
Risiko-Dialog im Rahmen
interview
einer Studie an – beauftragt vom
Bundesamt für Bevölkerungsschutz.
Wissen um das Verhalten der Bevölkerung
in Katastrophen ist zentral für ihren erfolgreichen Schutz. Während traditionelle Ansätze die Bevölkerung oft als ein zu
schützendes Objekt sehen, verweisen
neue Forschungsergebnisse vermehrt auf
die Relevanz des individuellen Bewältigungsverhaltens und der gesellschaftlichen Selbstorganisation. Nachfolgend
werden exemplarische Erkenntnisse aus
der Studie vorgestellt:
• Bisherige Annahmen zu Massenphänomenen während Katastrophen sind
teilweise stark verzerrt und fehlleitend.
Massenpaniken, Plünderungen und
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Gewalt sind weitaus seltener als angenommen. Solange nicht akute Lebensgefahr besteht, zeigen sich Menschen in
Katastrophensituationen überwiegend
ruhig, rational und vor allem sehr hilfsbereit.
• Die Bevölkerung stellt keine homogene Gruppe dar. Dies erfordert teilweise spezifische und differenzierte Verhaltensempfehlungen, um alle
Bevölkerungsgruppen anzusprechen.
Beispiel: Menschen in ländlichen
Gegenden wissen sich oftmals besser
selbst zu helfen, als jüngere und städtische Bewohnerinnen und Bewohner.
Bei letzteren herrscht eine höhere
Erwartungshaltung an den Staat vor.
• Das Verhalten hängt von vielen persönlichen und gesellschaftlichen Eigenschaften sowie auch der verfügbaren Ressourcen ab. Es ist im konkreten
Einzelfall schwer vorherseh- und steuerbar. Ziel sollte deshalb die Förderung
individueller Fähigkeiten sein, um mit
Katastrophensituationen umgehen zu
können. Die Stärkung individueller Bewältigungskompetenzen führt auch zu
einer erhöhten gesellschaftlichen Resilienz.
Beispiel: Sozioökonomisch schwache
Bevölkerungsgruppen neigen eher zu
fatalistischen Einstellungen und Verdrängungsverhalten.
• Wenn bei der Kommunikation die Bedürfnisse der Zielgruppen und die ereignisspezifischen Faktoren berücksichtigt werden, unterstützt dies ein
adäquates Bewältigungsverhalten der
Bevölkerung.
Auswirkungen eines Tiefenlagers
In einem Prozess mit drei Etappen sucht
das Bundesamt für Energie den Standort
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für ein geologisches Tiefenlager für radioaktive Abfälle. Nach Abschluss der ersten
Etappe stehen jetzt verschiedene «provisorische interview
Standortregionen» fest.
Im Rahmen der zweiten Etappe wurden
bereits verschiedene Untersuchungen
zu sicherheitstechnischen, raumplaneri-
schen und sozioökonomischen Aspekten
angeregt und durchgeführt. Trotzdem sind
viele, zum Teil sehr konkrete, Fragen noch
offen. Diese sogenannten Zusatzfragen
wurden von den Regionalkonferenzen gesammelt. Welche Auswirkungen hat ein
Tiefenlager zum Beispiel auf Heilbäder und
Spitäler? Wie entwickelt sich das Image
von Nachbarschaftsregionen? Welche Zusatzbelastungen bringt ein Tiefenlager?
Zusammen mit den Partnern Streule
Consulting und Klaus Oegerle will die
Stiftung Risiko-Dialog Zusatzfragen aus
den Themengebieten Gesundheitswirtschaft, Nachbarschaftseffekte und kumulierte Belastungen beantworten. Im
Rahmen dieser Arbeiten erfasst das Konsortium möglichst viele unterschiedliche Stimmen über Onlinebefragungen
und
Gruppendiskussionen.
Welche
Implikationen hat ein Tiefenlager auf
die drei Themengebiete? Ziel ist es,
die Massnahmen für die Phasen eines Tiefenlagers («Diskussion», «Bau»,
«Betrieb» und «Verschluss») zu diskutieren
und Handlungsoptionen zu entwickeln,
um mögliche negative Auswirkungen zu
mildern.
Erwartete Resultate: Bandbreite (A) möglicher positiver und negativer Entwicklungen
sowie Massnahmen (grüne Pfeile, B)
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GELD.
Jenseits
von Gut undbuchtipp
Böse
buchtipp
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3D-Druck: Revolution in
Technik,
Recht und Medizin?
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welche die Stiftung Risiko-Dialog in
Zusammenarbeit mit dem Zentrum für
Technologiefolgeabschätzung (TA-SWISS)
durchführte, dieser Thematik an. Experten
aus Theorie und Praxis präsentierten dem
Publikum die aktuellsten Entwicklungen
der Technologie und diskutierten sowohl
damit verbundene Fragen des Rechts sowie auch der Ethik. In der Paneldiskussion
stellten sich die Experten zudem den
zahlreichen Fragen des Publikums. Den
Abschluss des gelungenen Anlasses bildete ein gemeinsamer Apéro.
www.risiko-dialog.ch/3ddruckevent
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Ab 15. November 2014,
Industrielle Prototypen, persönliche DeZeughaus Lenzburg
signstücke, Nahrungsmittel, individualiinterview
Geld ist Tauschund
Motivationsmittel.
sierte Prothesen
und sogar menschliche
tipp interview
tipp
Geld deckt Grundbedürfnisse und weOrgane – den 3D-Druckmöglichkeiten sind
ckt Begehrlichkeiten. Geld ist der Treibscheinbar keine Grenzen gesetzt. Doch
stoff unserer
Wirtschaft
und
die
Wähpersonelles personelles was kann die Technik heute wirklich leisrung unseres Wohlstandes. Geld ist ein
ten, welche Risiken birgt sie und wo wird
Glücksversprechen, aber auch Stoff für
sie eingesetzt?
grosse Tragödien. Und doch ist Geld jenseits von Gut und Böse: Geld kennt keiAm 27. August 2014 nahm sich die Lernne Moral, es ist charakterlos.
expedition zum Thema «3D-Druck: Revolution in Technik, Recht und Medizin?»,
Das Stapferhaus Lenzburg plant aktuell
eine interaktive Ausstellung, die ab dem
15. November 2014 im Zeughaus Lenzburg auf rund 1'500 m2 zu sehen sein
09
wird. Die Ausstellung wird begleitet
briefing
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durch Publikationen, Veranstaltungen
und ein zielgruppenspezifisches Vermittlungsprogramm.
www.stapferhaus.ch/ausstellung/uebuchtipp
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ber-die-ausstellung
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interview
personelles
Daniel Gregorowius
Impressum
riskBRIEF wird herausgegeben von:
Stiftung Risiko-Dialog
Technoparkstrasse 2
CH-8406 Winterthur
Tel. +41 (0) 52 551 10 01
[email protected]
www.risiko-dialog.ch
Redaktion: Dr. Roman Högg
Bildquellen:
Stiftung Risiko-Dialog; Seite 2: Hughunt, CC
BY-SA 3.0, Seite 3: Photocase (stockwerk23)
Produktion: panta rhei pr gmbh
Amriswil/Zürich
© 2014
Seit Juli 2014 verstärkt Dr. Daniel
Gregorowius das
Team der Stiftung
Risiko-Dialog als
neuer Projektleiter.
Er studierte Biologie und Geographie, schloss die
Ausbildung für das
Höhere Lehramt ab und studierte zusätzlich Diplom-Geographie (Vertiefung in
Landschaftsökologie) mit den Nebenfächern Umweltpsychologie und Umweltethik an den Universitäten Bochum und
Zürich. Im Jahre 2012 schloss Daniel seine
umweltwissenschaftliche Doktorarbeit an
der Universität Zürich zu gentechnisch
veränderten Pflanzen in der Schweizer
Landwirtschaft ab.
Später war Daniel als wissenschaftlicher
Assistent am Institut Technik-TheologieNaturwissenschaften (Institut TTN) in
München hauptverantwortlich für die
Entwicklung und Evaluation eines Webportals zur Biotechnologie (www.pflanzen-forschung-ethik.de)
Daniel wird in der Stiftung künftig für die
Themenfelder Energietechnologien sowie Bio- und Gentechnologien zuständig
sein. Aktuell arbeitet er an einem Projekt
zu den Trade-Offs der Stromzukunft in der
Schweiz. Wir freuen uns, Daniel bei uns im
Team begrüssen zu dürfen.
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