Sprung in sich Gewässer In der nördlichen Adria erforscht und rettet eine kroatische Naturschutzorganisation Delphine. Die gemeinen Delphine sind praktisch ausgerottet und andere Arten sind akut bedroht. Doch nun zeichnet sich nach 16 Jahren Arbeit ein Grosserfolg ab: die Gründung des ersten marinen Schutzgebietes in kroatischem Gewässer. Text: Urs Fitze 22 Natürlich | 3-2004 Fotos: Blue World Manchmal scheinen die Delphine ihren Spass daran zu haben, dem Fotografen etwas Besonderes zu bieten. meinen Delphine (Delphinus delphis), die hier einst sehr verbreitet waren. Da sie vor allem Sardinen frassen und die Fischer um ihr Einkommen bangten, wurden sie mit staatlicher Förderung jahrzehntelang gejagt. Der Raubbau hat aber letztlich auch dem Menschen geschadet: Die Fischdosenfabriken sind längst stillgelegt, die gnadenlose Überfischung hat die Sardinenbestände dramatisch einbrechen lassen. Selten geworden sind auch die gestreiften Delphine (Stenella coeruleoalba). In nennenswerter Zahl überlebt hat einzig der grosse Tümmler (Tursiops truncatus). Dieser bis zu 4 Meter lange und bis zu 500 Kilogramm schwere Delphin erlangte dank der «Flipper»-Serie in den 60er-Jahren grosse Berühmtheit. In freier Wildbahn, in der nördlichen Adria, macht er Jagd auf Fischarten, die den Menschen bislang industriell nicht interessiert haben. Grosse Tümmler sind anpassungsfähiger und nicht so ausschliesslich in der Wahl des Futters wie eres Delphine NATUR andere Delfinarten. «Das hat der Art das Überleben ermöglicht», sagt die Meeresbiologin Annika Wiemann. «Doch ihre Zahl ist gering, und ihr langfristiges Überleben kann dadurch gefährdet sein.» Rund 120 grosse Tümmler kommen in einem 1000 Quadratkilometer grossen Meeresgebiet zwischen den Inseln Cres, Losinj und Krk vor. Wiemann kennt sie bis auf einige wenige persönlich. Seit 6 Jahren fährt sie zusammen mit einem Kollegen vom Frühjahr bis in den Herbst hinein regelmässig mit dem Schlauchboot aufs Meer hinaus – immer auf der Suche nach Delphinen. Wiemann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des «Blue World Institutes für Meeresforschung und Schutz» mit Sitz in Veli Losinj, einem Kurort im Süden der Insel Mali Losinj. «Ich erkenne die Tiere an ihrer Rückenflosse», erklärt sie. Manchmal sei es die Form, manchmal auch eine Einkerbung, die von einer Verletzung aus einem Kampf herrührt, an der sie die Delphine ausmachen kann. Wenn es auf dem Wasser Bis zu sechs Meter hoch kann der Grosse Tümmler springen. W er das Glück hat, von einem Fährschiff aus in der nördlichen kroatischen Adria einen Delphin zu sichten, vergisst dieses Erlebnis nicht. Die Meeressäuger folgen dem Schiff eine Weile, vielleicht, weil sie auf einen Happen Nahrung hoffen, vielleicht, weil es ihnen Spass macht, durch die Bugwellen zu reiten. Das Ereignis ist selten. Delphine haben sich rar gemacht in diesen Gewässern. Praktisch ausgerottet sind die geNatürlich | 3-2004 23 NATUR Delphine Aus Schlauchbooten heraus werden die Delphine fotografiert und gelegentlich auch gefilmt. nicht gelingt, dann lässt sich das Tier spätestens im Büro identifizieren, wo es eine umfangreiche Daten- und Bildersammlung über die Delphine gibt. Gute Gesundheit – rückläufiger Bestand Freiwillige gesucht Die Arbeit von «Blue World» wäre kaum machbar ohne die Mitarbeit junger Freiwilliger, die während der Sommermonate auf eigene Kosten nach Veli Losinj reisen, um sich an der Beobachtung der Delphine zu beteiligen. Sie werden nach einer Einschulung auf den beiden Booten eingesetzt, mit denen die Forscher aufs Meer fahren. Gutes Wetter und ruhige See ist dafür die wichtigste Voraussetzung. Denn sobald Seegang herrscht, sind die Delphine im blitzenden Wasser nicht mehr zu erkennen. Über jede Sichtung wird genau Buch geführt, und die Tiere werden dazu fotografiert. Interessierte können sich bei Blue World anmelden. Die Platzzahl ist beschränkt. Weitere Infos unter www.blueworld.org. Zu den am meisten gesichteten zählt «Monk», ein stattliches Männchen, das schon vor 12 Jahren erstmals registriert wurde. Monk ist oft zusammen mit Phil zu sehen, einem Delphin, der sich zuweilen einen Spass daraus macht, die Wissenschaftler mit einem frisch gefangenen Fisch zu beeindrucken. Beobachtet werden die grossen Tümmler schon seit 1987, als ein italienischer Wissenschaftler sich zum Ziel gesetzt hatte, die Delphine in seinem Lieblingssegelrevier genauer zu erforschen und zu schützen. Das anfänglich vor allem von italienischen Naturschützern getragene Projekt entwickelte sich nach und nach und konnte schliesslich zur Jahrtausendwende in kroatische Hände übergeben werden. Heute arbeiten die Projektverantwortlichen in Veli Losinj eng mit dem kroatischen Naturmuseum in Zagreb zusammen und beziehen Fördergelder sowohl vom kroatischen Staat als auch der Europäischen Union. Das sei auch eine Anerkennung der jahrelangen Mit ihren Schwanzflossen können die Delphine gewaltige Schläge ausführen. 24 Natürlich | 3-2004 Forschungsarbeit, die meist unentgeltlich von Freiwilligen geleistet worden sei, sagt Annika Wiemann. Dabei betreiben die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die freiwilligen Helferinnen und Helfer Grundlagenforschung. Von den grossen Tümmlern in der Adria war bis auf die Tatsache von deren Existenz bis vor wenigen Jahren praktisch nichts bekannt. Heute kennt Annika Wiemann nicht nur die einzelnen Individuen in dem Forschungsgebiet, sondern weiss auch einiges über die Bestandesentwicklung und die Gefahren. «Ihre Gesundheit ist mehrheitlich gut, trotzdem ist der Bestand leicht rückläufig.» Die Ursache dürfte in einem ganzen Bündel von Belastungen liegen, denen die Delphine ausgesetzt sind. Auch wenn die Gewässer der kroatischen Adria im Vergleich zur italienischen Seite noch relativ sauber sind, so fliessen die Abwässer an vielen Stellen noch immer ungeklärt ins Meer. Ein unterirdisches Gebirge, das sich längs durch die Adria zieht, wirkt immerhin als natürliches Hindernis für die mit dem Po ins Meer geleiteten Schadstoffe aus norditalienischen Industriebetrieben und Tierfabriken. Doch vor allem im Sommer, wenn Hunderttausende Touristen die kroatischen Strände bevölkern, steigt die Gewässerbelastung stark Delphine NATUR an. Zu schaffen machen den Delphinen aber auch die vielen Motorboote, die von Freizeitkapitänen gesteuert werden. Sie fahren nicht nur zu nah an die Tiere heran, sondern stören sie mit dem Lärm der Schiffsmotoren empfindlich. Delphine haben ein ausgezeichnetes Gehör, und sie können sich, wie die grossen Wale auch, über erhebliche Distanzen untereinander verständigen. Ein Muster des Gesangs der Delphine kann von der Webseite des Projekts heruntergeladen werden: www.blue-world.org. 1000 km2 grosses Schutzgebiet Delphins. Auch die Behörden haben ihr anfängliches Misstrauen abgelegt und erkannt, dass der Schutz der letzten Delphine in der nördlichen Adria auch ihre Sache ist. So hat die Gemeinde der Organisation in Veli Losinj ein Gebäude zur Verfügung gestellt, in dem sich jetzt ein Bildungs- und Informationszentrum befindet. Der nächste Schritt könnte für die Erhaltung der Delphine entscheidend sein. Auf Anregung von «Blue World» soll ein rund 1000 Quadratkilometer grosses regionales Schutzgebiet – das erste in kroatischen Gewässern – begründet werden, in dem Einschränkungen für Bootfahrer und Fischer gelten sollen: zum Schutz der Delphine, aber auch der gesamten marinen Fauna und Flora. «Wo es grosse Tümmler gibt, ist ein marines Ökosystem noch zu weiten Teilen intakt», erklärt Wiemann. «Wenn diese Tiere nicht überleben, sollte uns das stutzig machen. Ihre Zukunft betrifft auch die unsrige.» ■ Rivalenkämpfe zwischen Delphinen sind durchaus alltäglich. Für die Wissenschaftler sind die vernarbten Wunden in den Rückenflossen ein wichtiges Erkennungsmerkmal. Unmittelbar lebensbedrohlich für die Delphine sind die Dynamitfischer, von denen trotz eines Verbotes noch immer einige in den Gewässern rund um die Insel Mali Losinj unterwegs sind. Im vergangenen März fiel «Blow», ein seit Anfang der 1990er-Jahre beobachteter männlicher Delphin, einem Dynamitfischer zum Opfer. Blow war oft in einer grösseren Gruppe zu sehen, zu denen neben mehreren Weibchen und ihrer Jungtiere auch Phil und Monk gehörten. Es sei deshalb nicht auszuschliessen, dass noch andere Delphine betroffen sein könnten, sagt Wiemann. Sie stellt den Einheimischen aber insgesamt kein schlechtes Zeugnis aus. Anfangs seien sie zwar noch misstrauisch beäugt worden, doch nun klingle immer öfter das Telefon, und ein einheimischer Fischer melde die Sichtung eines Monk, ein seit 1991 beobachtetes Männchen. Der Grosse Tümmler ist in der nördlichen Adria gefährdet. Natürlich | 3-2004 25