Diabetes und Sport Praxis für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen Diabetologische Schwerpunktpraxis Torsten Plachta Diätassistent, Diabetesberater DDG Dr. med. Jan Wildbrett FA für Innere Medizin Endokrinologie und Diabetologie www.diabetespraxis-dresden.de Jeder zweite Deutsche ist ein „Bewegungsmuffel“ • 43,8 % der M‚nner und 49,5 % der Frauen treiben ƒberhaupt keinen Sport • 13 % der Bev„lkerung bewegen sich ca. 30 min/d mit einer Intensit‚t, welche ein leichtes Schwitzen verursacht….. Täglich 30 Minuten Bewegung Die Bewegungspyramide als Orientierungshilfe Bereits eine halbe Stunde Bewegung pro Tag mit leicht beschleunigtem Atem kann die Gesundheit von Frauen und Männern jeden Alters beträchtlich verbessern. Die weiteren Stufen versprechen zusätzlichen Nutzen. weitergehende sportliche Aktivit€ten Ausdauertraining 3x/Woche Kraft/ Beweglichkeit 2x/Woche Eine halbe Stunde Bewegung t€glich in Form von Alltagsaktivit€ten oder Sport mit mind. „mittlerer“ Aktivit€t Nach Martin BW, Marti B. Ther Umschau, Band 55, 1998, Heft 4 Messbare Erfolge durch Bewegung Pat.: R.S.; geb.: 1955 Repaglinid 3x2 mg Rosiglitazon 8 mg Metformin 2x1000 mg Repaglinid 1 mg b.B. Pioglitazon 45 mg Physiologie der Muskelarbeit I • Definition: körperliche Aktivität durch Muskelkontraktionen, die zum Energieverbrauch zusätzlich zum Grundumsatz führt • Deckung des Energiebedarfs in Ruhe durch Oxidation freier Fettsäuren • Steigerung des Energiebedarfs bei Muskelarbeit auf das 8-10fache, welcher in der ersten Stunde durch Glukose und danach aus Glukose und freien Fettsäuren gedeckt wird. Entwicklung des Typ 2-Diabetes Stadium 3: Typ 2-Diabetes Makroangiopathie Stadium 2: Eingeschränkte Glukosetoleranz Mikroangiopathie Postprandialer BZ Gluconeogenese Glukosetransport Insulinsekretions-Defizienz Stadium 1: Normale Glukosetoleranz Lipogenese/ Adipositas Atherogenese Triglyzeride Hyperinsulinämie HDL Taille-HüfteQuotient Insulinresistenz Arterielle Hypertonie Diabetesgene Matthaei S et al., Endocr Rev 2000: 21 (6): 585-618 sozialmedizinische Aspekte und Lebensbegleitung Behandlung mit Medikamenten (Tabletten, Insulin) Selbstkontrolle (Blutzucker, Blutdruck, Füße, Gewicht u.a.) Schulung zur Beherrschung des Diabetes in allen Lebenslagen gesunde Lebensweise, besonders die Ernährung betreffend Die Säulen der Diabetesbehandlung Grundlagen für die Behandlung des Diabetes mellitus Die Wichtigkeit der einzelnen Säulen ist abhängig vom Diabetestyp, von der Form der Therapie und den sich ergebenden Lebensumständen. Therapeutischer Nutzen • Senkung des Blutzuckers, Verbesserung kardiovaskul‚rer Risikofaktoren (†bergewicht, Dyslipid‚mie, art. Hypertonie) • Verbesserung der Insulinsesitivit‚t h‚lt nur wenige Tage nach Aktivit‚t an: lebenslange Umstellung auf einen aktiven Lebensstil • ↓Konversion von IGT zu DM • ↓ Manifestationsrisiko bei Personen mit †bergewicht fƒr DM2 und Hypertonie bei pos. FA Hindernisse • Patientenalter • Komorbidität (KHK, pAVK, Neuropathie, PR, Hypertonie) • Immobilität • Motivation • körperliche bzw. psychische Überforderung • Berücksichtigung des altersbed. Leistungsabbaus, krankheitsbed. Beeinträchtigungen, Interessen, sozialer Bindungen, Lebensgewohnheiten Praktisches Vorgehen • Steigerung der aeroben Ausdauer • Ausdauersportarten mit dynamischer Beanspruchung gr„ˆerer Muskelgruppen gegen geringen Widerstand in rhythmisch gleich bleibender Form (Nordic Walking, schnelles Gehen, Bergwandern, langsamer Dauerlauf, Skiwandern, Schwimmen, Radfahren…) • Vorbeugung altersbedingter Verluste durch motorische Beanspruchungen z.B. Ballspiele (Ausdauer und Geschicklichkeit, Schnellkraft, Reaktionsverm„gen, Koordination, Gelenkigkeit) • Elemente von Krafttraining (cave KI, z.B. Hypertonie) • Steigerung der Alltagsaktivit‚t (Treppen, Garten….) Faustregeln für das Bewegungsprogramm • Nutzung der HF als indirektes Maß für die körperl. Belastung (gesicherte Beziehung zwischen HF und O2Aufnahme) • Geringe initiale Belastungsintensität; anfangs Belastungsdauer nicht > 10 min • HF 180/min minus Lebensalter nicht überschreiten (nicht unter ß-Blocker anwendbar; ev. Ergo zur Bestimmung der max. HF • Steigerung der Belastungsdauer und Intensität über Wochen • Belastungsintervalle 30-60 min 3-4x/Woche anzustreben Vermeidung von Komplikationen • Differenzierte Anamnese, klin. Untersuchung, RR-Messung, EKG, ev. Ergometrie • Herzsportgruppe für Pat. mit KHK-Risiko (Arztanwesenheit) • BZ-Messung vor, während- und nach dem Sport (Insulin- oder SUH-Therapie) • Insulindosisanpassung, Zusatz-KHE Diabetes mellitus Typ 1 • fehlende endogene Insulinproduktion • gest„rter Substratfluss durch exogen zugefƒhrtes Insulin w‚hrend der Muskelarbeit (Insulinƒberschuss) • Verhinderung der bedarfsgerecht gesteigerten hGP bei parallel stimulierter Glukoseaufnahme in die Myozyten→Blutglukosespiegel↓ →Hypoglyk‚mie • Insulinmangel (ausgelassene Insulininjektion, Katheterokklusion (Pumpe), Infekte • • • • Steigerung der hGP unzureichende Glukoseaufnahme in die Muskulatur Blutzuckeranstieg Deckung des Energiebedarfs aus freien Fetts‚uren → Ketoazidose Unter 14 mmol/l Konsequenzen fƒr den Umgang mit Sport • Verbesserung des kardiovaskul‚ren Risikoprofils, HbA1c↓ • St„rung der Glukosehom„ostase, daher keine Therapieoption des Diab. mell. Typ 1 zu langfristigen Verbesserung der Stoffwechseleinstellung • Jedoch Steigerung der Lebensqualit‚t, integratives Moment v.a. fƒr Kinder u. Jugendliche • Vermeidung von Hypoglyk‚mien durch Imitation der phys. Insulinsekretion und exogene Kohlenhydratzufuhr • BZ > 13,9 und Keton‚mie (Blutazeton > 1,1 mmol/l bzw. Ketonurie) → Insulinmangel (muss vor Beginn der Muskelarbeit behoben werden) • Praktische Wissensvermittlung im Rahmen strukturierter Schulungsprogramme Basisregeln • Blutzuckerselbstkontrollen, welche mit Insulindosis und Zusatz-KHE in einem Sporttagebuch protokolliert werden (Basis der Analyse individ. Stoffwechselreaktionen) • Traubenzucker, Glukosegel etc. mitfƒhren • Berƒcksichtigung von Umgebungsbedingungen (Hitze, K‚lte, H„he….) Dosisfindung fƒr Insulin und Zusatz-KHE • Art und Intensit‚t, Dauer der Muskelarbeit • Trainingszustand • Einflƒssen auf Insulinverfƒgbarkeit durch Temp., Injektionsort und –zeitpunkt; Insulinpr‚parat (Normal-, Basal-, Analog-, Mischinsulin), Insulindosis, Therapieform (CT, ICT, CSII) • BZ vor Bewegung • Zeitpunkt der letzten Mahlzeit • Art und Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate • Reduktion des Normal- und Basalinsulins um bis zu 50 % vor mehrstündigem Sport • Reduktion des Basalinsulins nach Sport am Nachmittag und Abend um 10-50 % (Muskelauffülleffekt), Erhöhung der KHE-Zufuhr nach dem Sport • nur zusätzl. KHE bei Sport geringer Dauer u. Intensität • Zusätzl. KHE (1-2, hohe Energiedichte) alle 20-30 min bei Unmöglichkeit der Verringerung der Insulindosis – Cola, Fruchtsäfte, Müsliriegel, Obst, Brot Muskelauffülleffekt Sport bei diabetischen Spätschäden • Proliferative Retinopathie – kein RR-Anstieg > 180-200/100 mmHg – nach Laserung am Auge 6 Wo. keine körperl. Belastung – ungeeignet: Kraft- und Kampfsport • periphere Neuropathie – passendes Schuhwerk! Cave: diab. Fuß • autonome Neuropathie – Beachtung der gestörten Blutdruck- und Herzfrequenzregulation Pat. Stefan S., 35 Jahre • Diabetes mellitus Typ 1 (ED im 32. Lj.) • funktionelle Insulintherapie – Insulin Aspart: 2-1-1,5 IE/BE; 1 IE senkt den BZ um 2 mmol/l – Insulin Detemir: 14-0-0-16 IE • HbA1c 6,8; keine Spätkomplikationen Intensivierte konventionelle Insulintherapie Essensinsulin basales Insulin natürlicher Insulinbedarf 6 Uhr 12 Uhr 18 Uhr 24 Uhr Halbmarathon, 21,0975 km Startzeit 9.15 Uhr Reduktion des morgendl. Basalins. um ca. 50 % (6 IE Detemir) Frühstück: 5 BE (4 BE Müsli, 1 BE Obst, Quark statt Joghurt) Start ca. 2 h nach dem Frühstück: BE-Faktor belassen BZ vor Start: > 8 mmol/l alle 30 min 1 BE zuführen (Banane, Apfel, Müsliriegel, Jubin) Ziel (ca. 11.15 Uhr): BZ messen, weitere Messungen ca. stdl. bis zum Abend • nachfolgende Mahlzeiten: BE-Faktor um 50 % reduzieren (mittags 0,5 IE/BE, abends 0,75 IE/BE) • Basalinsulin zur Nacht (Reduktion um 50 %: 7 IE Detemir), nächtliche BZ-Messung • • • • • • Viel Erfolg und vielen Dank