Medizin AKTUELL Morbus Bechterew Es zeigt sich an der Ferse Spondylitis ankylosans, auch als Morbus Bechterew bekannt, gehört zu den chronisch entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit Befall des Achsenskeletts. Es kommt zu Verknöcherungen von Bändern und Wirbeln sowie zu Entzündungen in verschiedenen Gelenken. Nicht selten leiden die Betroffenen unter einem Fersensporn. Betroffen sind vor allem die Wirbelsäule, die Kreuz-Darmbein-Gelenke (ISG oder Ileo­ sacralgelenke), die kleinen Wirbelgelenke, Gelenke der Extremitäten und Sehnenansätze. Eine langsame zunehmende Verkalkung bis Verknöcherung (Ossifikation) des vorderen und hinteren Längsbandes der Wirbelsäule bestimmen das Krankheitsbild. Die Ursache des Morbus Bechterew S­ trümpell (auch Spondylitis ankylosans, Spondy­ larthritis ankylopoetica, Bechterew-Strümpell-Marie-Krankheit) ist nicht eindeutig geklärt. Obwohl er nicht zu den klassischen Erbkrankheiten zählt, besteht eine Verbindung mit HLA-B27 (human leuco­ zyte antigen system) zum Chromosom 6 (sogenanntes Erbkörperchen). In einigen Fällen ist in Familien bereits ein Morbus Bechterew bekannt. Knochige Bänder Die Annahme, dass Störungen im Immunsystem vorliegen, resultiert aus einer Linderung der Symptome mithilfe einer medikamentösen Hemmung. Dadurch werden Knochenneubildungen (Syndesmophyten) und Verknöcherungen der Längsbänder der Wirbelsäule in der Frühphase ver­ zögert. Zum Ausbruch der Krankheit bei gene­tischer Anlage werden zusätzliche äußere Faktoren angenommen. Bei Trägern des Gewebeantigens HLA-B27 beträgt das Risi­ko etwa sechs bis acht Prozent, an Spon­ dylitis ankylopoetica zu erkranken – vor allem zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr. Männer sind häufiger betroffen. Der Krankheitsverlauf ist schubförmig und häufig von einer auftretenden Versteifung der Wirbelsäule geprägt. Zu Beginn geben die Betroffenen einen diffusen tief sitzenden Schmerz in der Wirbelsäule und im Gesäß aufgrund einer Entzündung in den Kreuz-Darmbein-Gelenken (Sakroiliitis) vor allem nachts und frühmorgens an. Zudem kann in diesen Gelenken bereits zu diesem Zeitpunkt ein Druck- und Stauchschmerz ausgelöst werden. Die Nachtruhe ist gestört. Hinzu kommt eine morgendliche Steifigkeit in der Lendenwirbelsäule, die durch Bewegung häufig nachlässt. Gebeugte Haltung Bei der Haltung des Patienten fallen eine aufgehobene physiologische Lendenlor­ dose (konvexe Krümmung der Lendenwirbelsäule nach ventral) und eine verstärkte Brustkyphose (konvexe Krümmung der to ho p ck ll he el ng |a o ist Dr. med. Renate Wolansky Die promovierte Orthopädin, Sportmedizinerin und medizinische Fußpflegerin lehrt im Fach Podologie an mehreren Bildungseinrichtungen. Zudem ver­ öffentlichte die Expertin zahlreiche Bücher und schreibt für anerkannte Fachorgane. 12 FUSSPFLEGE AKTUELL 2/2013 Medizin AKTUELL oder eine Systemerkrankung mit Einlagerung von krankhaften Eiweißkörpern (Amyloid) in das Bindegewebe können ebenfalls die Folge von Morbus Bechterew sein. Abbildung 1: 48-jähriger Mann mit ­Morbus Bechterew); versteifte, fixierte Wirbelsäule mit Körperüberhang nach vorn Brustwirbelsäule nach dorsal) auf (Abbildung. 1). Der Oberkörper ist nach vorn ­gebeugt. Eine periphere Arthritis (Gelenkentzündung) und entzündliche Veränderungen an Sehnenursprüngen und -ansätzen (Enthesiopathien) sind bei 20 bis 3 ­0 Prozent der Patienten auffällig. Betroffen sind vor allem die Achillessehne und die Plantarfaszie (Fußsohlensehnenplatte) mit typischen Fersenschmerzen. Als Folge kommt es häufig zur Bildung eines plantaren Fersensporns oder zu schmerzhaften Kalkablagerungen am Achillessehnenansatz (Abbildung 2). Im weiteren Verlauf kann es zu krankhaften Veränderungen in den Schulter- und Hüftgelenken kommen. Zunehmende Versteifung Es entwickelt sich eine zunehmende Steifhaltung der Wirbelsäule am Übergang der Brustwirbelsäule in die Lendenwirbelsäule hin zur Halswirbelsäule (Abbildung 3). Es kommt zur massiven Bewegungseinschrän­ kung der Lendenwirbelsäule (LWS). Durch Verknöcherung des Brustkorbs (Thorax) sinkt die Atemleistung, verbunden mit ­häufiger Ateminsuffizienz. Im weiteren Verlauf nimmt die Versteifung weiter zu, was zur Einschränkung oder gar zur Aufhebung der Mobilität führen kann. Es kommt zur Entwicklung einer typischen Bambusstabwirbelsäule (Abbildung 4). Oft liegt eine Osteoporose (Verminderung der Knochendichte und -qualität) mit erhöhtem Risiko von Knochenbrüchen vor. Symptome zeigt aber nicht nur das Skelett. Eine Entzündung der Regenbogenhaut, kardiovaskuläre Schwäche (Herz und Gefäße), eine Dickdarmentzündung, das ­ Cauda-Syndrom (schlaffe Lähmung mit ­ Schmerzen und Sensibilitätsstörungen) Hinweise erkennen Im Vordergrund steht zunächst die Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) und be­ sonders des Schmerzgeschehens unter Angabe der Lokalisation. Weitere Hinweiszeichen sind zum Beispiel auch chronische, heftige Fersenschmerzen. Bei der klinischen Diagnostik mithilfe der Inspektion und Palpation sind Bewegungseinschränkung und Steifhaltung der Wirbelsäule, Druck- und Klopfschmerz in den KreuzDarmbein-Gelenken, Einschränkung der Atmung, Druckschmerz an der Plantarseite des Fersenbeins oder am Achillessehnenansatz und ferner schmerzhafte Be­ we­ gungs­ einschränkungen in den Gelenken der ­unteren Extremitäten hinsichtlich eines ­beginnenden Morbus Bechterews suspekt. Im Akutfall nehmen die Blutsenkungsgeschwindigkeit und weitere Entzündungsparameter zu. Auch der HLA-B27-Wert ist zu 95 Prozent positiv, während die Rheumafaktoren negativ liegen. Zur Beurteilung von Wirbelsäule und Becken kommen Röntgennativaufnahmen infrage, für die ISG die Magnetresonanztomografie und bei Verdacht auf Arthritis die Szintigrafie (nuklearmedizinische Diagnostik). Bewegung hilft Die Symptome werden häufig medikamen­ tös behandelt. Doch steht im Vordergrund eine regelmäßige aktive Bewegungstherapie. Die sogenannte Bechterewgymnastik soll als Einzel- oder Gruppenbehandlung die Mobilität erhalten. Joga- oder Pilatesübungen bieten sich ebenso an wie Patientenschulungen, in denen Betroffene die tägliche häusliche Gymnastik mit entsprechenden Atemübungen lernen. Eine manuelle Therapie kommt zur Behandlung der kleinen Wirbelgelenke und Dehnung der Rumpfmuskulatur in der Initialphase bei noch nicht vorliegender ­Verknöcherung infrage. Ferner werden Bindegewebsmassagen verabreicht. Die phy­ sikalische Therapie umfasst zum Beispiel Wärmeanwendung, Ultraschall, Interferenzstrom, Hydrotherapie zur Schmerz­ linderung und Steigerung der Motivation. Gut gepolstert Bei vorliegendem plantarem Fersensporn kann das GEHWOL Fersenpolster G aus hochelastischem Polymer-Gel eingesetzt werden. Bei zusätzlichem Knick-Senk-Fuß hilft eine orthopädische Maßeinlage mit Lochaussparung. Pufferabsätze garantieren eine notwendige Stoßdämpfung. Ortho­ pädische Schuhzurichtungen erleichtern FUSSPFLEGE AKTUELL 2/2013 Abbildung 2: Das Röntgenbild des seit­ lichen Rückfußes zeigt einen plantaren ­Fersensporn bei Morbus Bechterew. Abbildung 3: An der Halswirbelsäule wird deutlich, dass die normale konvexe Krümmung nach ventral aufgehoben ist und sich das vordere Längsband verknöchert hat. Abbildung 4: Im Röntgenbild der Lendenwirbelsäule liegen Syndesmophyten, eine Bam­­busstabform der Wirbel und Verknöcherungen des vorderen Längsbandes vor. den Abrollvorgang beim Gehen und Laufen. Bei Enthesopathie der Achillessehne ist ebenfalls auf ein Fersenpolster zu achten. Bei Hyperkeratose in der Fersenregion aufgrund eines plantaren Fersensporns sind podologische Behandlungen und Beratungen sowie die häusliche Anwendung von Cremes mit Ureazusatz ratsam. Bei besonders schweren Verläufen bleibt eine operative Behandlung alternativlos. Eine frühzeitige Diagnose, die Verabreichung kortisonfreier Antirheumatika und TNF-alpha-Blocker kann die Prognose günstig beeinflussen. Allerdings sind die Compliance und die konsequente tägliche regelmäßige Gymnastik wichtig. 13