cult popart und belanglosen Innenschau zu werden. Der auf den ersten Blick nicht erschließbare Titel des Buches beschreibt genau diesen Wechsel zwischen Beschreiben und Auslassen. Es ist die alte Frage, die nie beantwortet werden kann: Was macht mich aus? Manchmal allerdings verliert sich das Objekt, das dem Leser nahe gebracht werden soll, hinter der Beschreibung. Der Gegenstand wird dann dick und ziellos mit Farbe übergossen, so dass die Form verloren geht. „Die drei Einkerbungen in der Muskulatur“, ein Grübchen, das „unter der linken Wange aufspringt“ oder „ein grüngolden gesprenkelter hellbrauner Blick“ – das lässt kein unverwechselbares Gesicht entstehen, sondern wirkt lediglich manieriert. Verrottete Kunst Wirft einen ironisch-liebevollen Blick auf das verzweifelte Bemühen um noch nie da gewesene Ideen: John Updike Foto: Martha Updike Ein Buch wie ein Bild z Die Kunst des 20. Jahrhunderts: Updikes SUCHT MEIN ANGESICHT Zwei Frauen unterhalten sich: die eine, fast 80-jährig, eine Malerin; die andere, Mitte zwanzig, eine Kunsthistorikerin. Sie reden aneinander vorbei, getrennt durch fast drei unüberbrückbare Generationen. Beide interessieren sich füreinander, können sich aber nicht ausstehen. Vielleicht auch: Sie mögen sich im Grunde, finden aber nicht zueinander. Mehr passiert nicht in John Updikes neuem Roman SUCHT MEIN ANGESICHT. Ein Experiment ist es, eine Geschichte rein aus einem Gespräch heraus zu entwickeln. Der Pulitzerpreisträger Updike hat es gewagt. Er vollzieht am Leben der Malerin Hope die Entwicklung der amerikanischen modernen Kunst nach. Die Frau war mit zwei der bedeutendsten Vertreter ihrer Epochen verheiratet: Der selbstzerstörerische und dem Suff verfallene Zack, der Jackson Pollock nachempfunden ist, revolutioniert mit seinem Verfahren, Farbe direkt auf die Leinwand zu spritzen, die abstrakte Malerei. Der andere Ehemann, Guy, ist Begründer der Pop Art. Werke wie Sternbilder Er betreibt Kunst in quasi-industrieller Fertigung und führt sie damit ad absurdum. Der Künstler fertigt dutzendfache Reproduktionen von Fast Food-Bildern und Elektrischen Stühlen an, verwendet Müll oder bildet diesen täuschend echt nach. Diese scheinbare 1:1-Übernahme von Banalitäten des Alltags thematisiert die Unmöglichkeit, eine äußere Realität wiederzugeben. In Guys fiktiven Werken finden sich Spuren von Roy Lichtenstein, Damien Hirst und der Boarderlinerin Tracey Emin. Vor allem aber von Andy Warhol. Hope rebelliert auf ihre Weise gegen die übermächtigen Geliebten: Sie malt nur in Grautönen, und immer das gleiche Motiv. Updike, der als junger Mann Bildende Kunst studierte, verwendet viel Raum, die Diskurse, welche die neue Malerei begleiteten, wiederzugeben. Niemals entsteht dabei jedoch der Eindruck einer als Prosa verkleideten Kunstgeschichts-Vorlesung. Vielmehr wird ein ironisch-liebevoller Blick auf das verzweifelte Bemühen um noch nie da gewesenen Ideen oder zumindest ein geldbringendes Image geworfen: Da suchen die abstrakten Expressionisten die ewige Wahrheit in immer abstruseren geometrischen Mustern; Zack benennt seine Werke nach Sternbildern, weil ihm nichts besseres einfällt, und die neuen „Jungen Wilden“ erklären alles zur Kunst und legen tote Schafe in Formaldehyd ein, um – nichts, aber auch gar nichts auszusagen. Was ja auch wieder ein Statement ist. SUCHT MEIN ANGESICHT ist wie ein Bild: Flächig und assoziativ breitet sich die Geschichte aus, entlang der unvollständigen und sehr subjektiven Erinnerungen von Hope. Selbst die teilweise sehr krude Übersetzung von Maria Carlsson, die uns Wendungen wie den „supererfolgreichen Wunderknaben der Pop-Art“ beschert, beeinträchtigt dabei die sprachliche Könnerschaft des Autors nur unwesentlich. Updike hat die Gabe, mit klaren, manchmal fast dürren Worten jede feine Nuancierung Die Geschichte, die Hope und damit auch Updike erzählt, besitzt keinen dramaturgischen Spannungsbogen, vollzieht eher eine Kreisbewegung, anstatt sich zu entwickeln. Trotzdem oder gerade darum ist sie einzigartig. Updike folgt in großen Teilen den realen Vorbildern Pollock und dessen Ehefrau Lee Krasner. Er füllt die Lücken in der öffentlichen Biografie mit seinem übergenauen, mikroskopischen Blick für nur scheinbare Banalitäten – hier ähnelt er Guy alias Andy Warhol. SUCHT MEIN ANGESICHT ist keine großformatige Sensation, die eine neue Formensprache findet wie Zacks/ Pollocks Dripping-Bilder. Es ist vielmehr eine genaue und kleinteilige Studie über Menschen, die Geschichte geschrieben haben. Eine Studie nicht nur in Grautönen. Aber, wie Hope sagt: Zur großen Kunst gehört immer auch Verrottetheit. Die lässt SUCHT MEIN ANGESICHT ein wenig vermissen. Das Gespräch zwischen den Frauen mäandert ziellos hin und her und endet oft bei Themen, die wir eher in Frauenzeitschriften erwarten würden. Diät und Schuhmode statt der großen Fragen des Lebens. Trotzdem: Das Experiment ist geglückt. Verena Krebs festzuhalten – ähnlich wie Hope in ihren unauffälligen Bildern. Hope wirft der jungen schönen Interviewerin Kathryn in alterswirren inneren Monologen ihre Schönheit vor, ihre Art zu essen und sogar ihre volle Blase. Hope ist kleinlich und pedantisch, obwohl sie sich als mondäne Kunst-Muse stilisiert. Die alte Frau kann sich selbst nicht eingestehen, dass sie eifersüchtig ist. Gleichzeitig erkennt sie sich selbst in der Gesprächspartnerin. Am Schluss gibt sie Kathryn den Rat mit auf den Weg: John Updike: SUCHT MEIN A NGESICHT. „Leben Sie ihr Leben!“. Das kann alles heißen Rowohlt Verlag, Frankfurt/Main 2005, und nichts. Hat Hope ihr Leben gelebt? Hat 19,90 Euro. sie sich abgefunden, eine alternde Frau mit schwachen Augen und Arthritis zu sein, die nur noch mit Mühe den Pinsel halten kann? John Updike, der Schöpfer des Familientyrannen Harry Angstrom in den berühmten R ABBIT Romanen, kann ebenso glaubhaft durch die Augen einer Frau sehen wie durch die Augen des machohaften ExB a s k e t b a l l s p i e l e r s. Hopes Zweifel, ihr Nachtrauern von verpassten Chancen und ihre sture Rechthaberei – das alles fühlt sich echt an, ohne jedoch zur trivialen Roy Lichtensteins ERTRINKENDES MÄDCHEN. Abbildung: R.L. Seite 13