10 Juli 2005/1 V e r e i n Kinderwunsch Zukunftsorientiertes eigenes Modell für die Kassenpflicht der modernen Fortpflanzungsmedizin unterstützte Fortpflanzungsmedizin offene Türen eingerannt. Sowohl dem Bundesamt für Gesundheit als auch den Fachärzten ist längst klar, dass gemäss dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) die Be- Das ewig lange Warten auf die Kassenpflicht für die moderne Fort- dingungen für die Kassenpflicht der In- pflanzungsmedizin soll nun endlich ein Ende haben. Der Verein Kinder- vitro-Fertilisation (IVF) schon längst erfüllt wunsch hat ein eigenes, zukunftsorientiertes und ausgewogenes sind. Niemand zweifelt ernsthaft mehr an Modell für die Vergütung der Fortpflanzungsmedizin ausgearbeitet, der Erfüllung der Voraussetzungen des das nebst Mehrkosten auch beachtliche Einsparungen bringen soll. KVG für die Kassenpflicht der IVF (Arti- Auf der Basis dieser Zielvorgabe wird nun nach einer Vernehmlassung kel 32): «Die Leistungen müssen wirksam, bei den IVF-Zentren und den Fachgesellschaften der Fortpflanzungs- zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die mediziner eine eigene Eingabe des Vereins Kinderwunsch an das Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Bundesamt für Sozialversicherung vorbereitet. Methoden nachgewiesen sein.» Täglich kommen in der Schweiz dank der unter- «Enttäuscht und vor allem traurig für die guter Erfolgschancen – auf die Erfüllung stützten Fortpflanzungsmedizin zwei Babys betroffenen Paare, die sich nur aus finan- des Kinderwunsches verzichten müssen. zur Welt. Die IVF-Erfolgsquoten liegen bei ziellen Gründen den Kinderwunsch nicht Doch woran liegt es, dass es nicht wirk- den guten Kinderwunsch-Zentren über der erfüllen konnten, mussten wir zur Kenntnis lich vorwärts geht mit der Kassenpflicht? «natürlichen» Fruchtbarkeit der Mutter nehmen, dass wir bei der Kassenpflicht für Conrad Engler, Sekretär des Vereins Kinder- Natur. Die letzte Beurteilung mit einer ab- die moderne Fortpflanzungsmedizin in wunsch, hat sich an vorderster Front en- lehnenden Stellungnahme zur Kassen- den letzten Jahren zwar viel bewegt haben, gagiert: «Der Leidensdruck liegt einseitig pflicht für IVF basiert auf längst überhol- den Durchbruch aber nicht geschafft ha- nur bei den betroffenen Paaren, während ten und veralteten Studien. Traurig, aber ben,» stellt Ursula Tamburlini als Präsiden- die privaten und öffentlichen Kinderwunsch- wahr: Das Eidgenössische Versicherungsge- tin des Vereins Kinderwunsch fest. Und Zentren und auch die Industrie mit dem richt stellt immer noch auf diese alten für Brigitte Eichenberger, Betreuerin des Status quo eigentlich recht bequem und Studien und die damaligen Entscheide ab Beratungsdienstes Infoline Kinderwunsch, gut leben können. Die Angst vor Verän- und schmettert Beschwerden von betroffe- ist klar: «Nebst den enormen physischen derungen ist grösser als der Wille zur nen Kinderwunsch-Paaren kategorisch aus und psychischen Belastungen, die Sterilitäts- Nutzung der vielen Chancen.» Verständ- formalen Gründen ab, ohne sich um die abklärungen und -behandlungen mit sich licherweise steigen die Krankenkassen, die neusten Entwicklungen zu kümmern. Ganz bringen, sind für viele betroffene Paare später zahlen müssen, mit angezogener anders gehen in den jüngsten Entschei- die finanziellen Probleme enorm gross.» Handbremse in die Diskussion und freu- den die Steuergerichte vor, die wie in ei- Es gibt immer wieder Fälle, in denen Paa- en sich über jede Verzögerung einer Leis- nem Baselbieter Modellfall den Abzug der re aus rein finanziellen Gründen – trotz tungspflicht, die sie gemäss Gesetz eigent- nicht kassenpflichtigen Leistungen für eine lich erbringen müssten. IVF-Behandlung als korrekt beurteilt haben IMPRESSUM Verein Kinderwunsch Postfach 251 CH-8027 Zürich Infoline 0848 86 86 80 www.kinderwunsch.ch [email protected] (siehe Artikel auf Seite 4). Offene Türen beim Bund Beim zuständigen Bundesamt für Sozial- Leidensdruck nur bei Betroffenen versicherungen ist der Verein Kinderwunsch Die Vorstellungen unter den Kinderwunsch- mit dem Anliegen Kassenpflicht für die Zentren über die Ausgestaltung der Kas- 2 senpflicht liegen leider zum Teil weit aus- im Schlussbericht aus dem Jahr 2004 nach- einander. Die privaten und die öffentli- zulesen: «Die Kosten für diese IVF-Behand- chen IVF-Zentren ziehen nicht am glei- lung werden von der sozialen Grundversi- chen Strick, während die universitären cherung nicht übernommen. Zu Unrecht – Zentren wegen ihrer Rolle in Ausbildung findet eine Mehrheit von Personen, die und Forschung noch eine besondere Stel- am Publifocus zur IVF teilgenommen haben. lung einnehmen, respektive eine Sonder- Ihrer Ansicht nach ist Unfruchtbarkeit ei- Der Vorstand des Vereins Kinder- behandlung wünschen. Es ist schwierig, ne Krankheit und müsste entsprechend in wunsch hat eingehend über die eine Einigung zu erzielen, wenn an der den Grundleistungskatalog der Krankenkas- Rahmenbedingungen und die «Front» um kinderlose Paare und ihre sen aufgenommen werden. Andernfalls dro- Beschränkungen für die Kassen- Gunst «gekämpft» wird und hinter den he eine 2-Klassen-Medizin, weil sich nur ver- pflicht beraten und folgende Kulissen um Tarife und Preise gefeilscht mögensstarke Paare die IVF-Behandlung Zielvorgaben als Diskussions- werden muss. Der Status quo ist zu be- überhaupt leisten können.» Die klare Aus- basis und Dialogangebot verab- quem als dass sich bei den Kinderwunsch- sage gab den Befürwortern der Kassen- schiedet: Zentren etwas bewegt. Auch die Industrie pflicht für die moderne Fortpflanzungsme- ■ Betroffene Paare mit unerfülltem Kin- ist hin- und hergerissen zwischen den dizin Rückenwind und sorgte auch im zu- derwunsch lassen sich so rasch als mög- privaten und öffentlichen Zentren und ständigen Bundesamt für Sozialversiche- lich bei ausgewiesenen Fachleuten oder mag sich nicht exponieren, wenn es um rung für eine positive Grundstimmung. in Zentren für moderne Fortpflanzungsmedi- die Kassenpflicht geht. Zu unterschiedlich Der Verein Kinderwunsch hat nun eigene zin richtig untersuchen und behandeln. sind auch die Interessen der involvierten Vorstellungen entwickelt mit einem Modell ■ Einsparungen bei heute kassenpflichti- Pharmaunternehmen, die auch nicht alle und klaren Zielvorgaben für die Kassen- an einem Strick ziehen. Mit der heutigen pflicht. Das Motto heisst «Geben und Neh- Situation leben eigentlich alle mehr oder men»: Es sollen auch Einsparungen erzielt weniger gut, obwohl sie unhaltbar ist und nicht nur Mehrkosten verursacht wer- und nicht KVG-konform ist, ausser die den. Generell wird ein mehrheitsfähiges betroffenen Kinderwunsch-Paare. Modell angestrebt, das auch politisch tragfähig ist, vor allem durch die Beschränkung Zielvorgaben für die Kassenpflicht gen, aber unnötigen, teilweise kontraproduktiven Sterilitätsbehandlungen bei GynäkologInnen ohne Spezialausbildung und qualitativ schlechten Kinderwunsch-Zentren. ■ Zur Kassenpflicht aller Sterilitätsbehandlungen sind nur noch ÄrztInnen zugelassen mit einem anerkannten Fähigkeits- Schon viel bewegt... der Kassenpflicht unter anderem beim Al- Vier Jahre ist’s her, seit die erste General- ter und der Anzahl Kinder sowie dem versammlung des Vereins Kinderwunsch Wegfall von unnötigen oder kontrapro- im Jahr 2001 eine Resolution für die Kassen- duktiven Leistungen. pflicht der modernen Fortpflanzungsme- Der Vorstand des Vereins Kinderwunsch dizin verabschiedet hat. Die damalige «Fa- hat auch klare Vorstellungen entwickelt milien- und Gesundheitsministerin» Ruth über das weitere Vorgehen. In einem ersten Dreifuss reagierte auf das Schreiben und Schritt werden die Fachgesellschaften der ■ Wegfall jahrelanger Abklärungen und die Resolution des Vereins Kinderwunsch Reproduktionsmediziner um eine Stellung- Behandlungen der Sterilität bei allgemein und beauftragte das Zentrum für Technolo- nahme gebeten sowie die Kinderwunsch- praktizierenden Gynäkologen ohne die giefolgen-Abschätzung TA-SWISS mit der Zentren, die im IVF-Guide empfohlen wer- dafür nötigen Fachkenntnisse. Durchführung einem Publifocus-Mitwir- den. Aufgrund des Feedbacks soll dann ■ Keine Anreize mehr für Gynäkologen, kungsverfahren zum Thema In-vitro-Fertili- eine Eingabe erarbeitet werden an das zu- ohne Spezialausbildung einen Zusatzver- sation. Laien und Betroffene sollten sich ständige Bundesamt für Sozialversicherung, dienst zu generieren bei der Direktabga- einerseits zur Kassenpflicht für die IVF unter Einbezug des Advisory Boards des be von Medikamenten und Hormonpräpa- und zur Präimplantationsdiagnostik äus- Vereins Kinderwunsch für die medizinisch- raten (Kantone mit Selbstdispensation). sern. Die Kernaussage ist überraschend klar wissenschaftlichen Bereiche. ausweis oder der FMH-Zusatzausbildung Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Inseminationen und IVF/ICSI werden CE nur vergütet, wenn sie von Fachpersonen mit FMH-Titel Reproduktionsmedizin vorgenommen werden. ■ Reduktion der Zyklen mit Einsatz von Clomifen auf maximal drei bis sechs kassenpflichtige Zyklen. ■ Reduktion der Zyklen mit Insemination auf maximal drei bis sechs kassenpflichtige Inseminationen. ■ Reduktion der Mehrlingsschwangerschaften bei der Hormonbehandlung mit gezielter Überwachung der Anzahl reifender Eizellen bei natürlicher Zeugung Der lange Leidensweg, obwohl die Voraussetzungen für die Kassenpflicht längst erfüllt sind geführten Abstimmungskampf wurde die «Volksinitiative für menschenwürdige Fortpflanzung» wuchtig mit 72 Prozent Neinstimmen am 12. März 2000 abgelehnt und endete mit einer grossen Niederlage der fundamentalen Gegner der modernen Fortpflanzungsmedizin. ■ Das Fortpflanzungsmedizingesetz wurde nach der Abfuhr der Volksinitiative für ein IVF-Verbot auf den 1. Januar 2001 in Kraft gesetzt. ■ Während der Auseinandersetzung um in Utero durch Beschränkung der Kassenpflicht auf Ärztinnen und Ärzte mit ■ Drohendes IVF-Verbot: Aus Angst die IVF-Verbots-Initiative und das Fort- Fähigkeitsausweis. und Respekt vor dem«Damoklesschwert» pflanzungsmedizingesetz verstaubte das ■ Reduktion der Mehrlingsschwanger- der Volksinitiative «für eine menschen- Begehren um die Kassenpflicht in den schaften bei IVF/ICSI durch ein neues würdige Fortpflanzungsmedizin» mit ei- Schubladen des zuständigen Bundes- Vergütungsmodell gemäss belgischem nem radikalen Verbot der In-vitro-Fertili- amtes für Sozialversicherung (BSV). Vorbild durch Verknüpfung der Kassen- sation war die ganze Diskussion um die ■ Ein neuer Anlauf sorgte erneut für Hoff- pflicht mit der Reduktion der Mehrlings- Kassenpflicht und patientenfreundliche nung. Die Eidgenössische Leistungskom- schwangerschaften mit vorgeschriebe- Lösungen blockiert. Das im Januar 1994 mission des BSV befürwortete im Jahr ner, altersabhängiger Anzahl der einzu- eingereichte Volksbegehren eines ultra- 2000 in einem Grundsatzentscheid die setzenden Embryonen, abgestuft nach konservativen Komitees verlangte ein Kassenpflicht für IVF/ICSI. Das Departement der Anzahl der Zyklen. radikales Verbot der Zeugung ausserhalb des Innern schloss sich dieser Beurteilung ■ Vergütung aller von der Swissmedic des Körpers der Frau, wollte also die In- an, der Antrag von Bundesrätin Dreifuss zugelassenen Medikamente (urinäre und vitro-Fertilisation für unzulässig erklären, scheiterte jedoch im Gesamtbundesrat. rekombinante Produkte) und Applikations- so der Initiativtext. ■ Resolution: Nach diesem Rückschlag formen (Sticks). ■ Restriktives Fortpflanzungsmedi- griff der frisch gegründete Verein Kin- ■ Beschränkung der Kassenpflicht IVF/ICSI zingesetz: Als indirekter Gegenvor- derwunsch in die Diskussion ein. An der durch Alterslimite von 40 Jahren bei der schlag wurde ein neues Fortpflanzungs- ersten Generalversammlung verabschie- Frau für Beginn der Behandlung und ei- medizingesetz ausgearbeitet, das vom dete der Verein eine Resolution und for- ner Limite von 42 Jahren für den Abschluss. Parlament Mitte Dezember 1998 in der derte die Kassenpflicht für die Un- ■ Beschränkung der Kassenpflicht IVF/ICSI Schlussabstimmung verabschiedet wur- fruchtbarkeitsbehandlung mit den mo- und Inseminationen durch Alterslimite de. Die damals noch hängige IVF-Verbots- dernen Methoden der Fortpflanzungs- von maximal 45 Jahren beim Mann. Initiative sorgte für ein politisches Klima, medizin. Bundesrätin Dreifuss wurde ■ Kassenpflicht für alle anerkannten in dem restriktive Lösungen Mehrheiten aufgerufen, die Sterilität als Krankheit Sterilitätsabklärungen und -behandlun- fanden. Unter anderem enthält das Ge- anzuerkennen und damit in der Schweiz gen durch ÄrztInnen mit FMH-Titel. setz ein Verbot der Eispende und ver- nachzuvollziehen, was die Weltgesund- ■ Vergütung von 4 Zyklen IVF/ICSI für bietet auch die Präimplantationsdia- heitsorganisation WHO längst getan ein erstes und zweites Kind. gnostik. Nach der Verabschiedung des hat. Mit der Zulassung der modernen ■ Vergütung in den staatlichen/kantona- Fortpflanzungsmedizingesetzes war der Fortpflanzungsmedizin zur Kassenpflicht len, universitären und in den privaten Weg frei für die Abstimmung über die könne der stossenden Zweiklassen-Medi- Kinderwunsch-Zentren, die Mitglied der Volksinitiative. zin in diesem Therapiebereich ein Riegel Fivnat sind. ■ Wuchtige Ablehung der IVF-Ver- geschoben werden. Das Hinauszögern bots-Initiative: Nach einem emotional des längst fälligen Entscheids für die 3 Kassenpflicht steht in krassem Wider- Dreifuss, IVF und ICSI der Kassenpflicht Sterilitätsbehandlungen und IVF sind abzugsfähige Krankheitskosten zu erstellen. Das Steuergericht Baselland hat einen wegweisenden Entscheid ■ Als Reaktion auf diesen Brief beauf- gefällt für einen Steuerabzug von Krankheitskosten für eine medi- tragte Ruth Dreifuss das Bundesamt für zinisch indizierte In-vitro-Fertilisation. St. Gallen hat auch so ent- Gesundheit und das Bundesamt für schieden – doch die Betroffenen und die Steuerbehörden wissen Sozialversicherung, eine Technologiefol- nichts oder kaum davon. spruch zu den Zielen des Krankenversicherungsgesetzes. ■ Nach der einstimmigen Verabschiedung der Resolution verlangte der Verein Kinderwunsch in einem Brief an Bundesrätin geabschätzung mit Publifocus zum The- 4 ma Kassenpflicht zu organisieren. Ohne grosses Aufsehen hat das Steuer- Rechtsprechung gilt die Sterilität daher als ■ Das Resultat des von TA Swiss, Schwei- gericht Baselland mit dem Entscheid Nr. Krankheit, die zu Pflichtleistungen der Kran- zer Zentrum für Technologiefolgeab- 12/2003 vom 7.3.2003 einen Meilenstein kenkasse Anlass gibt. (...) Es besteht kei- schätzung, durchgeführten Publifocus: gesetzt mit Signalwirkung. Im Entscheid ne Veranlassung, den Krankheitsbegriff Laien und Betroffene sprachen sich und der Begründung wird auch klarge- im Steuerrecht ohne sachlichen Grund mehrheitlich für Kassenpflicht und stellt, dass es sich bei der Sterilität und anders als im Sinn des Krankenversiche- Präimplantationsdiagnostik bei schwe- deren Behandlung um eine Krankheit rungsrecht zu definieren.» ren Erbleiden aus. Ihrer Ansicht nach ist handelt im Sinne des Krankenversicherungs- Für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit Unfruchtbarkeit eine Krankheit und gesetzes. Im Kanton St. Gallen hat die Ver- von Kosten im Zusammenhang mit einer müsste entsprechend in den Grundleis- waltungsrekurskommission mit dem Ent- IVF-Behandlung ist laut dem Urteil des tungskatalog der Krankenkassen aufge- scheid vom 26.02.2004 ebenfalls entschie- Steuergerichts Baselland aus steuerrecht- nommen werden. Andernfalls drohe den, dass die Auslagen für die Behand- licher Sicht nicht massgebend, ob die eine Zwei-Klassen-Medizin, weil sich lung der Unfruchtbarkeit durch In-vitro- angewandte Behandlung den Anforde- nur vermögensstarke Paare die IVF- Fertilisation mit Embryotransfer als Krank- rungen für die Kassenpflicht gemäss Behandlung überhaupt leisten können. heitskosten abzugsberechtigt sind. Krankenversicherungesetz (KVG) ent- ■ Das BAG und das BSV nahmen Kontakt Damit herrscht mindestens in zwei Kanto- spricht: «Massgebend ist einzig, ob eine auf mit den Interessengruppierungen nen Klarheit, dass solange die Kranken- legale, ärztliche Behandlung medizinisch im Bereich Fortpflanzungsmedizin und kassen die Kosten für IVF und ICSI nicht indiziert ist und zur Beseitigung oder Lin- regten ein Mediationsverfahren für einen bezahlen die Betroffenen diese Beträge derung des Krankheitszustands bzw. zu Konsens über die Kassenpflicht an. in der Steuererklärung abziehen können. dessen Überwindung führt. Die IVF ist ■ In einem ersten Anlauf scheiterte das Im Kontakt mit vielen Patientinnen haben ein im Rahmen des Bundesgesetzes über Vorhaben dann jedoch an den zu unter- wir aber erfahren, dass viele Betroffe- die medizinisch unterstützte Fortpflan- schiedlichen Interessen der privaten und ne dies nicht wissen und – noch schlim- zung erlaubtes Fortpflanzungsverfahren.» öffentlichen Kinderwunsch-Zentren. mer – dass auch viele Veranlagungsbe- Damit sei klar, dass es sich um abzugs- ■ Darauf hin schlug der Verein Kinder- hörden keine Ahnung haben. fähige Krankheitskosten handle. wunsch eine komplette Neugestaltung Das Steuergericht Baselland stellt in den Die St. Galler Verwaltungsrekurskommis- der Kassenpflicht für die Sterilitätsbe- Erwägungen fest: «Das Eidgenössische sion kam rund ein Jahr später zur glei- handlung mit Einsparungen und Mehraus- Versicherungsgericht erwog, dass der Steri- chen Beurteilung: «Es gibt medizinisch gaben vor als Diskussionsbasis für die lität in der Regel Störungen zugrunde lie- anerkannte Massnahmen, mit denen die Entwicklung einer zukunftsgerichteten gen, die durch pathologische Vorgänge ansonsten nicht stattfindende natürliche und patientenfreundlichen Lösung. verursacht worden sind. Nach ständiger Befruchtung gezielt begünstigt oder künst- lich vorgenommen werden kann. Die Aufwendungen dafür stehen mit der Erkrankung in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang. Ob es letztlich tatsächlich zu einer Schwangerschaft und Präimplantationsdiagnostik erlauben und regeln Geburt eines Kindes kommt, spielt dabei Embryonen sollen künftig auf Krankheiten untersucht werden dür- keine Rolle. Es rechtfertigt sich daher, so- fen, bevor sie bei der künstlichen Befruchtung einer Mutter einge- wohl die künstliche Insemination als auch setzt werden. Der Nationalrat hat in der Sommersession mit deutli- die IVF unter die Massnahmen zur Wieder- chem Mehr eine Motion gutgeheissen, die vom Bundesrat eine herstellung der Gesundheit zu subsumie- Aufhebung des geltenden Verbots der Präimplantationsdiagnostik ren und die Kosten dafür gemäss Steuer- (PID) und eine strenge Regelung verlangt. gesetz (Art. 46 lit. a) grundsätzlich zum Abzug zuzulassen.» Das St. Galler Paar Die Präimplantationsdiagnostik erlaubt sagte Christine Egerszegi (FDP, Aargau). konnte demnach die Kosten für zwei es, bei durch In-vitro-Fertilisation erzeug- Missbräuche müssten durch klare Leitplan- IVF-Behandlungen vom steuerbaren Ein- ten Embryonen im Acht- oder 16-Zell-Sta- ken verhindert werden. Mehrmals erwähnt kommen abziehen. Der Staat übernahm dium eine Zelle herauszulösen und diese wurde auch die positive Stellungnahme die Verfahrenskosten und erstattete den hinsichtlich ihrer genetischen Eigenschaften der Nationalen Ethikkommission zur PID. Kostenvorschuss für das Verfahren zurück. zu untersuchen, wie Kommissionsspre- Auch Bundesrat Pascal Couchepin stellte cher Johannes Randegger (FDP, Basel- sich hinter eine Aufhebung. Stadt) erklärte. Mit dem Verbot der PID Die Gegner kritisierten, das Verbot sei bei stehe die Schweiz in Europa und auch der Abstimmung im Jahr 2000 ein ent- weltweit isoliert da, zusammen mit Deutsch- scheidendes Argument gegen die restrik- land und Italien. In elf europäischen Län- tive Volksinitiative «für eine menschen- dern werde die PID zugelassen, und welt- würdige Fortpflanzung» gewesen. Nur weit seien Tausende von Kindern nach PID knapp vier Jahre nach der Inkraftsetzung gesund geboren worden. des Gesetzes solle das Ganze schon wie- Steuerabzug vornehmen und sich wehren Für betroffene Paare gilt: Ziehen sie die Behandlungskosten in der Steuererklärung ab. Weisen Sie im Falle von Problemen die Steuerbehörden auf die Entscheide in den Kantonen St. Gallen und Baselland hin. Der behandelnde Arzt kann zu der geändert werden, obwohl es keine Handen der Steuerbehörde summarisch festhalten, dass es sich um eine krankheitsbedingte IVF-Behandlung handelte. Wenn die Steuerbehörde nicht einsichtig ist, wehren sie sich dagegen. Wenden Sie sich für juristische Beratung an die lokalen Patientenstellen, welche die kantonalen Bestimmungen kennen sollten. Der Verein Kinderwunsch hat für den Kanton Baselland, wo die rechtliche Situation klar ist, ein Musterschreiben erarbeitet in Zusammenarbeit mit den IVF-Zentren im Einzugsgebiet. Bis die Kassenpflicht für IVF kommt, haben die betroffenen Paare wenigstens durch den Steuerabzug nicht noch eine «Bestrafung», sondern eine Linderung. Unlogische Gesetzgebung grundlegend neue Situation gebe. Die heutige Gesetzgebung sei unlogisch, Die PID sei ein Einfallstor für eugenische sagte Felix Gutzwiller (FDP, Zürich), der die Überlegungen, sagte Brigitte Häberli- Forderung nach einer Aufhebung des Ver- Koller (CVP, Thurgau). Mit der Aufhe- bots eingebracht hatte. Es sei nämlich bung würde Tür und Tor für Missbräuche nicht einsichtig, warum die Pränataldia- geöffnet. Es gebe kein Recht auf ein ge- gnostik in der zwölften Schwangerschafts- sundes Kind, und auf ein massgeschnei- woche zulässig sein solle, die Präimplan- dertes Kind schon gar nicht. Damit wür- tationsdiagnostik am Embryo in vitro aber de menschliches Leben unter Vorbehalt nicht. erzeugt und einer vorsätzlichen Qualitäts- In der Nationalratsdebatte verlief der Gra- kontrolle unterzogen, doppelte Hans ben zwischen Befürwortern und Gegnern Widmer (SP, Luzern) nach. Alexander quer durch die Parteien. Hinter die Aufhe- Baumann (SVP, Thurgau) befürchtet, dass bung des Verbots stellten sich die FDP, «zum ersten Mal seit braunen Zeiten» eine Mehrheit der SVP sowie Minderhei- zwischen lebenswertem und -unwertem ten der SP und der Grünen. Es gehe nicht Leben unterschieden werde. Die Hemm- darum, die Tür zur Eugenik zu öffnen, schwelle für eine Selektion dürfe nicht 5 Die PID sei eine Ohrfeige für alle Behinderten, hiess es bei der EDU/EVP-Fraktion. Streng regeln, Missbräuche verhindern Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik Aber auch Befürworter argumentierten Die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin NEK hat mit der Menschenwürde. «Man sollte an sich in einem offenen Brief an das Parlament klar und unmissver- die Kinder denken», sagte Anne-Catherine ständlich für die Aufhebung des Verbots der Präimplantationsdia- Menétrey-Savary (Grüne/VD). Auch sie gnostik ausgesprochen. hätten Anrecht auf ein schönes Leben. 6 Und Luc Recordon (Grüne/VD) ergänzte, Eine Woche vor dem Entscheid des Natio- wäre. Gewichtige Gründe für die Zulas- Eltern müssten alles tun, damit ihre Kin- nalrates über die Motion der zuständigen sung der PID liegen aber auch vor, wenn der gute Chancen im Leben hätten – Nationalratskommission für eine Rege- im Falle einer Sterilitätsbehandlung eine dazu könne auch PID gehören. lung der Präimplantationsdiagnostik (PID) In-Vitro-Befruchtung vorgenommen Für alle war klar, dass eine Bewilligung veröffentlichte die Nationale Ethikkom- wird, insbesondere wenn wegen des klare Schranken setzen müsse. PID müs- mission im Bereich Humanmedizin einen Alters der Frau erhöhte Risiken für die se zwingend an Krankheiten gebunden Offenen Brief an das Parlament mit bri- Gesundheit des Kindes bestehen.» In bleiben, sagte Christine Egerszegi (FDP/AG). santem Inhalt. Noch bevor der Schluss- einem Interview mit der Basler Zeitung Missbräuche dürfe es keine geben. bericht der Ethikkommission erklärte Christoph Rehmann- Gesundheitsminister Pascal Couchepin vorliegt, äussert sie sich klar Sutter, Präsident der Natio- pflichtete bei. Er versprach, in eine allfäl- für eine Aufhebung des im nalen Ethikkommission, die lige Gesetzesvorlage strenge Richtlinien Fortpflanzungsmedizingesetz Gründe, die für eine Zulas- einzubauen. verankerten Verbots der Prä- sung der PID sprechen, wie implantationsdiagnostik. Im folgt: «Es gibt verschiedene Nun Ständerat am Ball Offenen Brief wird festgehal- Situationen, in denen Betrof- Nach zweieinhalbstündiger Debatte über- ten: «Nach unserer Plenarsit- fene sich eine solche Dia- wies der Nationalrat dann aber mit 92 zu zung vom 8. Juni 2005 möch- gnostik wünschen könnten. 63 Stimmen bei sieben Enthaltungen ten wir bereits heute folgen- Zum Beispiel, wenn ein RisiChristoph Rehmann-Sutter, eine Motion seiner Wissenschaftskom- den grundsätzlichen Punkt mission, die den Bundesrat beauftragt, festhalten und Ihnen zur Ethikkommission: «Das erblichen Krankheit auf das eine Regelung vorzulegen, welche die Kenntnis bringen: Es gibt aus Verbot der PID durch eine Kind besteht. Heute kommt Präimplantationsdiagnostik ermöglicht der Sicht der Kommissions- differenzierte Regelung es in diesen Fällen zu einer und deren Rahmenbedingungen festlegt. mehrheit überwiegende ethi- Die Motion muss nun noch vom Ständerat sche Gründe, das Verbot der Präimplan- das heisst, die Frau lässt eine vorgeburt- behandelt werden, der sich bei der frü- tationsdiagnostik aufzuheben. Voraus- liche Diagnose durchführen, nachdem heren Behandlung von Vorstössen zu setzung aber ist, dass das Verbot durch sie schwanger geworden ist. Bei einem diesem Thema schon für die Präimplan- eine differenzierte Regelung ersetzt wird. entsprechenden Befund lässt sie abtrei- tationsdiagnostik ausgesprochen hatte. Gründe, die für eine Zulassung sprechen, ben. Dies ist eine sehr belastende Situa- Der Verein Kinderwunsch und die erkennt die Kommission vor allem dann, tion. Eine PID würde es erlauben, den Schweizerische Huntington Vereinigung wenn mit der Übertragung einer erbli- Embryo vor der Schwangerschaft auf hatten sich als Patienten- und Betrof- chen Krankheit auf das Kind zu rechnen dieses Krankheitsmerkmal zu untersu- fenen-Organisationen für die Zulassung ist und die Alternative zur PID eine chen, was viel weniger gravierend ist. der Präimplantationsdiagnostik enga- Schwangerschaft auf Probe mit einem Ein Verbot ist in diesem Fall schwer zu giert. eventuellen Schwangerschaftsabbruch vertreten.» Präsident der Nationalen ersetzen.» ko zur Übertragung einer Schwangerschaft auf Probe, Infos über Mitgliedschaft: Werden Sie Mitglied oder Gönner des Vereins Kinderwunsch. Sie können sich schriftlich oder per E-Mail anmelden: Verein Kinderwunsch, Postfach 251, 8027 Zürich oder [email protected]. Der Mitgliederbeitrag beträgt 30.– Franken für Einzelmitglieder und 50.– für Paare. Gönnerbeiträge und Spenden werden dankbar entgegengenommen (PC Verein Kinderwunsch: 87-82362-8). verschoben werden, forderten die Grünen.