Die Infektionsrate ist der Goldstandard

Werbung
© by-studio - Fotolia
politik
Fachgespräch zur Praxisbegehung
„Die Infektionsrate ist der Goldstandard“
Sie sind ungeliebt, gehasst oder gefürchtet – nur gleichgültig sind sie keinem Zahnarzt: die
Praxis­b egehungen. In einigen Bundesländern gehören sie bereits zum Alltag, in anderen ist ein
Blitzschlag wahrscheinlicher als eine amtliche Begehung. Doch eines haben alle Begutachtungen gemein: Sie sind ein Riesenaufreger.
Die Wogen schlagen hoch, die Empörung bricht sich Bahn,
wenn über das Thema „Praxisbegehung“ gesprochen wird. Eine
ganze Branche lebt inzwischen davon, Praxisinhaber zu informieren und zu indoktrinieren, wie die behördliche Begehung
richtig vorbereitet wird. Die Schauergeschichten vom „Begeher“,
der mutwillig Schränke aufreißt, mit dem Finger über Ablagen
streift, teure Auflagen verhängt und mit der Schließung der Praxis droht, wenn er auch nur einen Mangel findet, sind allgegenwärtig. Zeit für ein fachliches Gespräch zwischen Kritikern der
allgemeinen Praxisbegehungen, dem FVDZ-Bundesvorsitzenden Harald Schrader und DFZ-Chefredakteur Dr. Joachim
Hüttmann, sowie dem studierten Mikrobiologen, Professor für
Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Dresden und
Vorsitzenden des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der
Zahnheilkunde (DAHZ) sowie des Arbeitskreises Dentalinstrumente (AKDI) der Bundeszahnärztekammer, Professor Dr.
Lutz Jatzwauk. Er hält Praxisbegehungen für sinnvoll und notwendig, denn an erster Stelle steht für ihn die Senkung des Infektionsrisikos für Patienten.
Hüttmann: Die Anforderungen an die Hygiene in der Zahnarztpraxis sind in den vergangenen Jahren gestiegen. Es hat sich für die
niedergelassenen Kollegen vieles verändert und verschärft. In
Schleswig-Holstein, wo ich meine Praxis habe, gibt es flächendeckende Praxisbegehungen. Aus „Kann“-Anweisungen sind auf Anweisung des Ministeriums „Muss“-Bestimmungen geworden. Gibt
es einen konkreten Hinweis darauf, dass in Zahnarztpraxen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht?
Jatzwauk: Die gibt es tatsächlich. Es gibt eine Publikation, in der
16
DFZ 01 ∙ 2017
gut begründet dargelegt wird, dass es zu Legionärskrankheit
nach zahnärztlicher Behandlung gekommen ist. Das war in Italien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die ältere Dame, die
dann verstorben ist, in der Zahnarztpraxis mit Legionellen infiziert hat. Man hat ja lange gesagt, man findet Legionellen in
den Zahnarzteinheiten. Inzwischen gibt es diesen Fall. Das Risiko, dass Legionellen über das Betriebswasser von Dentaleinheiten übertragen werden, ist begründeter geworden.
DFZ: Es gibt einen Fall! Rechtfertigt das, bereits von „erhöhtem Infektionsrisiko“ zu sprechen?
Jatzwauk: In Deutschland gibt es jedes Jahr rund 5.000 gemeldete Neuerkrankungen von Hepatitis B und Hepatitis C. Davon sind mehr als ein Drittel ohne bekannte oder vermutete
Infektionsquelle oder bestimmte Risikofaktoren. Und für diese Menschen ist es aller Wahrscheinlichkeit nach eine blutige
Prozedur im Alltag, die diese Erreger überträgt. Und dafür gibt
es nicht allzu viele Möglichkeiten: Da haben Sie den Fußpfleger, die Kosmetikerin und den Zahnarzt – der Friseur hat ja
kein Messer mehr. Also muss die Infektionsquelle wohl in diesen Bereichen liegen.
DFZ: Gibt es da gesicherte Zahlen?
Jatzwauk: Nein, bisher nicht. Aber es ist sehr erstaunlich: Seit
sich die Bundeszahnärztekammer und die Landeszahnärztekammern mit dem Thema Hygiene vermehrt beschäftigt haben und das Thema Anfang des Jahrtausends so richtig losging, ist die Anzahl der Fälle an Hepatitis C deutlich zurückgegangen, obwohl es ja keine Schutzimpfung dafür gibt. Dem-
© stockWERK / fotolia.com
politik
nach muss ein erheblicher Risikofaktor raus sein. Es lässt sich
nicht beweisen, aber es ist zu vermuten, dass auch die bessere
Hygiene in Zahnarztpraxen dazu beigetragen hat. Das ist ja
positiv zu sehen.
Hüttmann: Es gibt einen Streit darüber, was denn nun die bessere
Aufbereitung der Instrumente ist, die maschinelle oder die manuelle. Es heißt, die Aufbereitung von Medizinprodukten muss in einem validierten Verfahren stattfinden, so dass es fast nur noch möglich ist, Instrumente maschinell aufzubereiten. Ist es fachlich gerechtfertigt, die maschinelle Aufbereitung als zwingend erforderlich anzusehen oder ist die manuelle Aufbereitung, rein fachlich
gesehen, vertretbar?
Jatzwauk: Bei kritischen Medizinprodukten, also denjenigen,
die Wunden setzen und die Wunden berühren – mit anschließendem speicheldichtem Wundverschluss – ist es so, dass die
Krinko-Empfehlungen (Empfehlungen der Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RobertKoch-Instituts, Anm. der Red.) lauten: „grundsätzlich maschinell“ – und das heißt: von wenigen Ausnahmen abgesehen, immer. Aber in der normalen Zahnarztpraxis sind das nicht viele.
DFZ: Die darf man dann gar nicht mehr manuell aufbereiten?
Jatzwauk: Da diese Krinko-Empfehlung Stand der Wissenschaft
ist, wird dieser Weg begangen werden. Das heißt, nur die maschinelle Aufbereitung ist möglich. Bei semikritischen Instrumenten steht drin: „bevorzugt maschinell aufbereiten“ – und
das heißt eben nicht immer. Das betrifft rund 90 Prozent des
zahnärztlichen Instrumentariums. Ich habe dazu gemeinsam
mit Kollegen in Schwerin eine Studie gemacht und nach meinem Ermessen ist die manuelle Aufbereitung bei „semikritisch“
auch möglich. Allerdings wird man sich daran gewöhnen müssen, dass man auch die manuelle Aufbereitung validieren muss.
Es wäre ja auch paradox, dass ich eine teuer angeschaffte Maschine regelmäßig validieren und testen muss und den Menschen, der ein analoges Verfahren anwendet, nicht.
DFZ: Wie funktioniert die Validierung der manuellen Aufbereitung?
Ist eine Mitarbeiterin in der Zahnarztpraxis validierbar?
Jatzwauk: In gewisser Weise schon. Es ist ja nicht die Maschine,
die validiert wird, sondern der gesamte Prozess der Aufberei-
tung. Es ist lange darüber gestritten geworden, ob sich die manuelle Aufbereitung überhaupt validieren lässt. Da es aber inzwischen Leitlinien zur manuellen Aufbereitung gibt, dürfte der
Streit nun ausgestanden sein. Es gibt das Minimierungsgebot
bei Gefahrstoffen, und das wird dazu führen, dass die maschinellen Verfahren immer mehr zunehmen. Es wird aber auch
dazu führen, dass es nicht der Thermodesinfektor in der Zahnarztpraxis sein muss, sondern kleinere Geräte, die das schneller
tun. Es muss definiert sein, wie viel Restprotein nach dem Prozess auf dem Instrument vorhanden sein darf. Und wenn das
Ergebnis stimmt, dann ist der Prozess in Ordnung. Dann ist die
manuelle Aufbereitung äquivalent zur maschinellen Instrumentenaufbereitung.
DFZ: Aber ist die Validierung dieser Geräte nicht ein unnötiger – und
kostenintensiver – Vorgang? Die Maschinen kontrollieren sich doch
quasi immer selbst. Und wenn das Ergebnis nicht stimmt, gibt es
eine Fehlermeldung.
Jatzwauk: Ganz so einfach ist das nicht. Die Validierung bezieht
sich nicht ausschließlich auf das Gerät, sondern auf den Prozess
der Instrumentenaufbereitung. In einer leeren Kammer wäre
das Ergebnis immer gleich. Aber so arbeiten wir ja nicht. Der
Prozess hängt davon ab, wie verschmutzt die Instrumente sind,
wo sie in der Maschine platziert werden, wie sie platziert werden. Kurz: Validiert werden muss das Gerät und der menschliche Einfluss auf das Ergebnis. Das ist wie bei der Spülmaschine
zu Hause. Das hängt das Spülergebnis auch davon ab, wo der
dreckige Topf steht, wie er steht und vor allem, welche Speisereste dran kleben.
Schrader: Wenn wir noch mal zurückgehen zu den Instrumenten
und den verschiedenen kritischen Stufen. Der Begeher, der in meiner Praxis war, sagte, dass manche Anforderungen gar nicht erfüllbar seien, beispielsweise die Scharniere von Zangen könnten gar
nicht keimfrei gemacht werden.
Jatzwauk: Es ist schon seit einiger Zeit so, dass der Hersteller angeben und nachweisen muss, dass sein Produkt mit bestimmten
Verfahren sauber, desinfiziert oder steril wird. Das können Sie
nicht der Zahnarztpraxis anlasten. Das kann doch dort niemand beurteilen. Darauf, was der Hersteller angibt, muss sich
der Zahnarzt dann verlassen können. Wenn ein solches Instru01 ∙ 2017 DFZ
17
politik
ment im Verkehr ist, das nicht sauber oder keimfrei gemacht
werden kann, und der Begeher dies feststellt, dann müsste das
als sogenannte „Beinah-Komplikation“ angezeigt werden. Dann
müsste man dem Hersteller das Inverkehrbringen dieses Produktes untersagen. Das ist der rechtlich richtige Weg. Es gibt
eine ganze Menge Produkte, die schlechte Aufbereitungsvorschriften haben. Das sind vor allem diejenigen, die wir im Ausland einkaufen.
Schrader: Wir werden dann aber mit solchen allgemeinen Aussagen von Begehern konfrontiert. Das schafft einige Unsicherheit im
Berufsstand.
Jatzwauk: Jedes in Verkehr gebrachte Medizinprodukt, das nicht
als Einweg-Produkt klassifiziert ist, muss eine Vorschrift haben,
wie ich es sauber, desinfiziert oder steril bekomme. Und darauf
müssen Sie sich verlassen können. Punkt. Dem Zahnarzt allerdings kommt die Aufgabe zu, sich vor dem Kauf von Produkten
mit den Vorschriften zu beschäftigen, ob er die geforderte Aufbereitung des Instrumentes leisten kann. Wenn ein Hersteller
„ausschließlich maschinelle Aufbereitung“ angibt, dann muss
es maschinell gemacht werden.
DFZ: Haben Sie ein Beispiel?
Jatzwauk: Beispiel Mundspiegel: Es gibt welche, die muss man auseinanderschrauben zur Reinigung, andere nicht. Wenn ich von
vornherein weiß, dass die Schrauberei zu aufwändig in meiner
Praxis ist, dann muss ich ein anderes Modell kaufen. Also der Appell an die Zahnärzte: Erst überlegen, was kann ich wie machen,
bevor man irgendwas mal eben von der Messe mitbringt.
Hüttmann: Was beim Thema Praxisbegehung auffällig ist, sind die
extremen regionalen Unterschiede.
Jatzwauk: Was wollen Sie machen? Es gibt Unterschiede im
Schulsystem, im Gesundheitssystem… So ist der Föderalismus.
Aber es gibt nur wenige Bundesländer, in denen es ganz extrem
hakt. Das hat vielleicht auch ein bisschen damit zu tun, wie man
insgesamt zusammenarbeitet zwischen Kammer und Behörden.
Letztlich finde ich externe Praxisbegehungen gut. Man selbst
wird ja auf die Dauer auch ein bisschen betriebsblind. An bestimmten Defekten gehen Sie in der eigenen Praxis einfach vorbei. Der Fremde sieht das. Aber die Überwachungsbehörden
sollten bei allen Begehungen gut zwischen dem von der Krinko
vorgegebenen und ihrer persönlichen Meinung zum Stand der
Hygiene trennen.
den muss, oder warum beklagt er jetzt überlagerte Papierspitzen?
Jatzwauk: Eigentlich müsste der Zahnarzt dafür ein Bußgeldverfahren bekommen, wenn man es mal ganz genau nimmt. Wir
reden hier von Paragraf 4 des Medizinproduktegesetzes. Auf
den Papierspitzen steht ein Verfallsdatum. Wenn sie überlagert
sind, dann ist das eine Ordnungswidrigkeit. So steht es im Gesetz. Auch wenn es manchmal nicht nachvollziehbar ist. Aber
das ist wie in der Straßenverkehrsordnung. Wenn da steht, dass
man dort nicht parken darf und es trotzdem tut, dann kriegt
man einen Strafzettel.
Schrader: Externe Begehungen gab es ja schon immer – auch anlassbezogen. Halten Sie es für möglich, dass der Berufsstand das
selbst regelt? Durch die Kammern zum Beispiel.
Jatzwauk: Einige Kammern tun das ja schon. Sachsen zum Beispiel. Aber ich bin in der Klinik gewohnt, mit unterschiedlichen
Behörden zusammenzuarbeiten. Wenn sie das vernünftig machen, ist es eigentlich egal, ob der Begeher von der Kammer oder
einer Behörde kommt. Krinko ist der Stand der Dinge. Im Infektionsschutzgesetz ist alles genau festgelegt. Es ist die Erfahrung und die Kunst des Begehers, dass er das in einer angenehmen Atmosphäre macht und trotzdem herauskriegt, wo die
Schwachpunkte sind. Wenn es Kritikpunkte gibt, muss man das
der Praxis sagen.
Hüttmann: Man muss allerdings schon sagen, dass sich manche Begeher richtig aufführen. Da gibt es Extrembeispiele, in denen Mitarbeiter zusammengestaucht wurden…
Jatzwauk: Es gab mal ein Lied von Reinhard Mey, darin hieß
es: „Mein Verhältnis zu Behörden war nicht immer ungetrübt,
was allein nur daran lag, dass man nicht kann, was man nicht
übt.“ Und da ist was dran. Eigentlich kommen die viel zu selten. Beide Seiten wissen nicht, was sie voneinander zu halten
haben. Beide Seiten sind gestresst. Beide gehen kritisch miteinander um. Es ist zu selten, und es ist neu. Der eine wird unfreundlich empfangen, der andere hat vielleicht Angst, dass
wirklich was falsch sein könnte. Das führt dazu, dass es Berührungsängste gibt.
„Der Umgang miteinander ist entscheidend“: Dr. Joachim Hüttmann
„Alles wird an der Infektionsrate gemessen“: Prof. Dr. Lutz Jatzwauk
© (3) Schmitt
Schrader: Bei manchen Begehungen allerdings fragt man sich schon,
reklamiert der Begeher da jetzt Kleinigkeiten, weil er irgendetwas fin-
DFZ: Was ist zu tun, um diese Berührungsängste abzubauen?
Jatzwauk: Im Grunde wollen doch beide Seiten das Gleiche: den
Schutz der Patienten. Das Ziel der Zahnärzteschaft sollte nicht
sein, Begehungen zu überstehen, sondern das Ziel sollte es sein,
Infektionen bei Patienten und Personal zu vermeiden. Wenn ich
wirklich Qualität haben möchte, dann müsste man Infektionen
viel genauer überwachen. Dann müsste man bei den 3.000 Hepatitis-C-Fällen fragen: Waren Sie im letzten halben Jahr beim
18
DFZ 01 ∙ 2017
politik
Neue Sichtweisen: Prof. Dr. Lutz Jatzwauk (re.) und der FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader im Gespräch zur Praxishygiene
Zahnarzt? Und dann anlassbezogen hingehen. Aber auch das ist
schon wieder schwierig im föderalen System. In Sachsen sind
etwa 60 unterschiedliche Infektionskrankheiten durch den Arzt
meldepflichtig, in Brandenburg sind es weniger als 20. Die Infektion ist das Qualitätskriterium und nicht die zufriedene Behörde.
ist logisch. Da müssten die medizinischen Fachgesellschaften etwas tun. Die müssten einen Warnschuss geben: Dieser Wert würde uns reichen. Und eines noch: Ordnung, Sauberkeit und Disziplin sind die Ordnungspfeiler in der Zahnmedizin. Die patientennahen Flächen müssen sauber sein.
Schrader: Erlaubt die Krinko denn da so viele Spielräume in der Auslegung?
Jatzwauk: Die Krinko macht unterschiedliche Empfehlungen, und
in allen Empfehlungen gibt es unterschiedliche Kategorien IAoder IB-Empfehlungen sollten alle Gesundheitseinrichtungen
umsetzen. Bei anderen, beispielsweise II- und II-Empfehlungen,
kann man nach einer (zahn)ärztlichen Risikoanalyse selbst entscheiden. Also gibt es Kategorien, die sagen, das ist zwingend, das
ist wichtig oder das kann man lassen. Evidenzbasierung hat man
bei der Krinko bei der Empfehlung zur Medizinprodukteaufbereitung leider aufgegeben. Da gibt es Auslegungsmöglichkeiten.
Und es wäre nun zutiefst unethisch, auszuprobieren, wo die Grenze ist. Also, grob gesagt: Eitert es oder tut es das nicht. In allen
anderen Empfehlungen gibt es die Evidenzbasierung.
DFZ: Da bleibt doch zu fragen, ob anlassbezogene Begehungen
nicht doch ausreichen würden.
Jatzwauk: Ja und nein. Die flächendeckende wie die zufällig generierte Begehung deckt sich mit dem Präventionsgedanken.
Wenn es mich jederzeit treffen kann, halte ich Ordnung. Die
anlassbezogene Begehung hat etwas mit „Leichen zählen“ zu
tun. Aber es ist tatsächlich die Frage, ob man nicht beide Verfahren kombinieren kann. In einigen Gesundheitsämtern ist das
wohl bereits Realität.
Schrader: Aber eine eindeutige Klassifizierung würde die Sicherheit
auch für die Zahnärzte erhöhen. Dann gäbe es eine eindeutige Aussage und keine interpretierbare.
Jatzwauk: Völlig richtig. Es stellt sich da immer die Frage: Maschinelle Aufbereitung gegen manuelle Aufbereitung. Was ist
äquivalent? Muss das Ergebnis gleich sein, oder muss das Verfahren gleich wirksam sein. Um diese Frage kümmern sich jetzt
Juristen. Es ist schon die Frage, wie man auf bestimmte Zahlen
zur Restverschmutzung eigentlich kommt. Wenn der Jurist nun
einen Zahnarzt fragt: Wie viel Restschmutz darf denn dran sein
an dem Mundspiegel, bevor ich den wieder benutze – also wir
reden hier von Spuren im Mikrogrammbereich (ein Millionstel
Gramm) – und der Zahnarzt sagt, das wisse er auch nicht, dann
nutzt der Jurist die Aussagen der Hersteller, bis zu welchen Bereichen die Restverschmutzung zu reduzieren ist. Dass die deutlich niedriger sein kann als diejenige, die tatsächlich Schaden
anrichten könnte, versteht sich. Da gelten für Implantate gleiche
Grenzwerte wie für Mundspiegel. Das ist absurd. Und so lange
die zahnmedizinische Wissenschaft nicht eigene Grenzwerte
festlegt, sagt der Jurist: Dann gilt das Minimierungsgebot. Das
Hüttmann: Da sind wir auch wieder bei der Frage von vorhin. Was
will man eigentlich? Schuldige suchen, Behörden zufriedenstellen,
Zahnärzte verunsichern oder Infektionen vermeiden?
Jatzwauk: Am Ende muss man alles an der Infektionsrate messen – das ist der Goldstandard. Eigentlich müsste man Hygiene
anhand der Infektionsraten messen, nur leider gibt es dazu keine Studien. Aussagen wie „kaum Infektionen“ sind einfach nicht
wissenschaftlich. Da braucht man Statistik und Systematik.
DFZ: Welche Entwicklung sehen Sie für die Zukunft?
Jatzwauk: Also, wenn ich noch mal jung wäre, hätte ich eine prima Idee, um aus dem ganzen Kreislauf mit Thermosterilisator,
Validierung und hohen Kosten rauszukommen. Es wäre doch
eine gute Möglichkeit, den gesamten Prozess an einen externen
Anbieter auszulagern. Im Idealfall haben Sie mit der Aufbereitung Ihrer Instrumente gar nichts mehr zu tun, sondern Sie leasen die Instrumente, benutzen sie und bekommen diese frisch
aufbereitet aus der zentralen Sterilisation zurück. Der Dienstleister kauft die Instrumente, wartet und verleiht sie. Dann wäre
der Zahnarzt aus der Sache der als „kritisch B“ eingestuften Instrumente raus, und das Ganze wäre ökonomisch.
Hüttmann: Herr Jatzwauk, wir danken herzlich für das anregende
Gespräch.
Interview: Sabine Schmitt, Melanie Fügner
01 ∙ 2017 DFZ
19
politik
Ärger mit Praxisbegehungen
Spielwiese für persönliches Prüfergusto
Als die Praxisbegehungen begannen, stellten sich ob des meist vorgefundenen Zustandes wenige Fragen nach der Rechtmäßigkeit oder Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen.
Das schlägt sich in den veröffentlichten Entscheidungen nieder. Das Verwaltungsgericht (VG)
Würzburg bestätigte in einer aktuellen Entscheidung (Az. W 6 S 16.993) eine zwangsweise Praxisbegehung bei einem Arzt, dessen Praxis in der Vergangenheit bereits mehrfach wegen
schwerwiegender Hygienemängel behördlich geschlossen worden war. Dagegen kann niemand
ernsthaft Einwendungen erheben.
Es gibt aber mittlerweile viele Hinweise, dass die mit Praxisbegehungen befassten Behörden ein Eigenleben entwickelt haben.
Die Auslegung der rechtlichen Grundlagen scheint nach persönlichem Dafürhalten zu erfolgen. Dass es bisher nur wenig
gerichtliche Kontrolle gibt, scheint Fehlentwicklungen zu begünstigen. Das geht so weit, dass in Anordnungen, über deren
Rechtsqualität als Verwaltungsakte man sich streiten mag, Vorgaben zur Gestaltung der Praxishygiene gemacht werden, ohne
dass dafür eine Rechtsgrundlage angegeben wird oder ersichtlich ist. Nach wie vor scheint die Frage nach der Validierung eine
beliebte Spielwiese für persönliches Prüfergusto zu sein. Dagegen muss man sich wehren.
Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut (RKI), Krinko,
erarbeitet. Das gilt auch für die 2006 veröffentliche Empfehlung
zur „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene“ (Bundesgesundheitsblatt 2006, Nr. 49, S.
375–394). Zwar haben an der Ausarbeitung zahnärztliche Kliniker mitgearbeitet, aber es handelt sich im Wesentlichen eben
Rechtsgrundlagen – eine Übersicht
Rechtsgrundlage für die Praxisbegehungen sind das Infektionsschutzgesetz (IfSG) und vor allem die auf der Basis von § 23 Abs.
8 IfSG erlassenen 16 Hygieneverordnungen der Bundesländer.
Dabei folgt das Hygienerecht guter bundesdeutscher Föderalismustradition. Die Bundesländer halten es für sachgerecht, für
ein und dieselbe Aufgabe divergierende Bezeichnungen zu finden und darunter auch Divergierendes zu verstehen.
Als weitere Rechtsgrundlagen für Maßnahmen dienen:
▶Medizinproduktegesetz, insbesondere die auf dessen Grundlage erlassene Medizinproduktebetreiber-Verordnung (MPBetreibV),
▶Gefahrstoffverordnung,
▶Biostoffverordnung und die darauf fußende Technische Regel
für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 250: „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“,
▶Arbeitsschutzgesetz und die dafür geltenden Arbeitsstättenregeln,
▶Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
(DGUV), hier insbesondere die BGR 250, die der TRBA 250
entspricht.
Für die behördliche Überwachung sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Behörden zuständig. Die Hauptschwierigkeiten in der Praxis liegen nach wie vor darin, dass die
meisten Vorschriften für den Krankenhausbetrieb entwickelt
wurden, und es nur wenige Normen gibt, die dezidiert die Bedingungen niedergelassener Tätigkeit regeln.
Die 1998 veröffentlichten „Anforderungen an die Hygiene in
der Zahnmedizin“ (Bundesgesundheitsblatt 1998, Nr. 41, S. 363–
369) wurden von der Kommission für Krankenhaushygiene und
20
DFZ 01 ∙ 2017
© freshidea / Fotolia
Schwierigkeiten in der Praxis
politik
um die Arbeit von Klinikern. Die Frage, ob und inwieweit diese Empfehlungen – sinnvollerweise – in den Zahnarztpraxen
umgesetzt werden sollten, wird von den einzelnen Zahnärztekammern unterschiedlich beantwortet.
RKI spricht Empfehlungen aus
Bei den Stellungnahmen des RKI handelt es sich um Empfehlungen. Die Nichtbefolgung dieser Empfehlungen ist nicht zwingend
verboten. § 4 Abs. 2 MPBetreibV stellt nur eine Vermutungsregel
für eine ordnungsgemäße Aufbereitung von bestimmungsgemäß
keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten auf, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission
für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI und
des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten beachtet wird.
Es handelt sich bei der Empfehlung zur „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene“
aus dem Jahr 2006 nicht um eine solche gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am RKI und des BfArM. Das wird leider regel-
haft übersehen, wenn es um die Frage der Einhaltung dieser
Empfehlung geht.
Als Folge dieser Unklarheiten kommt es zu durchaus seltsamen
Vorgängen. Sterilisatoren werden beispielsweise in Baden-Württemberg durch das Gesundheitsamt mit Sporenproben überprüft.
Die Regierungspräsidien verlangen bei Begehungen dagegen für
denselben Sterilisator eine Validierung durch den Hersteller.
Überwachung von Zahnarztpraxen
Die infektionshygienische Überwachung von Zahnarztpraxen
durch die Gesundheitsämter erfolgt in der Regel anlassbezogen
(§ 36 Abs. 2 IfSG: Kann-Überwachung).
Überwacht werden:
▶die Einhaltung der baulich-funktionellen Voraussetzungen,
▶Vorhandensein und Zustand der (erforderlichen) technischen
Ausstattung,
▶die Erfüllung der organisatorischen Voraussetzungen,
▶das Vorliegen eines Qualitätsmanagementsystems,
▶die Beschäftigung ausreichend qualifizierten Personals,
▶der Instrumentenkreislauf, und es werden
▶Stichproben aufbereiteter Instrumente genommen.
Als häufigste Beanstandungen werden genannt:
▶fehlende Validierung der maschinellen Prozesse,
▶fehlende oder unzureichende Arbeitsanweisungen,
▶falsch angewendete Desinfektionsmittel,
▶nicht ausreichende Sachkenntnis des Praxispersonals/der
Praxisinhaber.
Mit der „nicht ausreichenden Sachkenntnis“ hat es so eine Bewandtnis. Verlangt wird in der Regel die Absolvierung eines 40
Stunden-Theorie-Kurses bei der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung e.V. (DGSV), die allerdings selber für einen
verbindlichen 120-Stunden-Kurs eintritt (Pressemitteilung vom
Oktober 2014). Da bleiben Fragen offen.
Umsetzung der Medizinhygieneverordnungen
Die Medizinhygieneverordnungen (MedHygVO) gelten – mit
den vier Ausnahmen Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt
und Schleswig-Holstein – im Grundsatz unterschiedslos für
Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Arztund Zahnarztpraxen und andere dort aufgeführte Gesundheitsbetriebe. Aus der nebeneinander erfolgenden Erwähnung von
Einrichtungen für ambulantes Operieren und Arzt- und Zahnarztpraxen z. B. in § 23 Abs. 3 IfSG ist zu folgern, dass Arzt- und
Zahnarztpraxen grundsätzlich keine Einrichtungen für ambulantes Operieren im Sinne des IfSG sind, sondern darunter lediglich die z. B. von vielen Anästhesisten, aber auch von Kliniken vorgehaltenen ambulanten Operatinoszentren fallen sollen.
Unter den Begriff der Einrichtungen für ambulantes Operieren
werden aber auch alle Praxen subsumiert, für die die Qualitätssicherungsvereinbarung ambulantes Operieren nach § 135 Abs.
2 SGB V anwendbar ist. Das dürfte im zahnärztlichen Bereich
derzeit nur MKG-Chirurgen betreffen.
Allgemeine Forderungen der MedHygVO sind die Einhaltung
der Hygiene in den Einrichtungen, Maßnahmen zur Erkennung,
Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen
und Krankheitserregern mit Resistenzen sowie die Pflicht, einen Hygieneplan zu erstellen. Der Hygieneplan ist für alle ver01 ∙ 2017 DFZ
21
politik
bindlich, auch für Zahnarztpraxen, während die übrigen Maßnahmen in der Regel für Praxen, die nicht unter den Begriff der
Einrichtungen für ambulantes Operieren fallen, nicht gelten.
Für Zahnarztpraxen besteht dagegen keine Pflicht, sich durch
Hygienefachkräfte beraten zu lassen oder gar einen Arzt als Hygienebeauftragten zu bestellen. Die Bundeszahnärztekammer
beispielsweise hat im Internet einen vielseitigen Musterhygieneplan veröffentlicht.
Hygieneplan – Beispiel Handwaschbecken
Offenbar bieten die Handwaschbecken bei den Praxisbegehungen Anlass für regelmäßige Beanstandungen. Eine Publikation
des VAH vom 29.01.2015 wird mit folgender Frage eingeleitet:
„Wir finden bei der Begehung von Arztpraxen und ambulant
operierenden Einrichtungen regelmäßig, dass die Handwaschplätze nicht gemäß bestehenden Vorgaben ausgestattet sind, das
heißt, der Händedesinfektionsmittelspender hängt, aber statt
eines entsprechenden Waschlotionsspenders gibt es dann die
Seifenpumpflasche vom Drogeriemarkt. Welche Daten beziehungsweise Literatur würden unsere Argumentation, dass „medizinische“ Waschlotion zu verwenden ist, stützen (bisher haben wir mit dem Zusatz von Konservierungsstoffen bei letzteren argumentiert)?“
Dies lenkt das Augenmerk auf einen wichtigen Aspekt. Für
vieles, was in Praxisbegehungen gefordert oder beanstandet
wird, gibt es vermutlich keine valide Rechts- noch Datenbasis.
Dabei gibt es klare Vorgaben für den Handwaschplatz – doch
die Auslegungen gehen auseinander. In der Praxis lassen sich
viele Ärzte und Zahnärzte hier „ins Bockshorn“ jagen und folgen zähneknirschend entsprechenden Anmerkungen bei Praxisbegehungen. Aber müssen sie das auch?
Angst vor den Folgen von Begehungen
Die Praxishygiene hat sich – auch bedingt durch die Angst vor
den Begehungen – zu einem Bereich entwickelt, der in den Pra-
©
fot
om
22
ek
ot
/f
o li
a.c
om
DFZ 01 ∙ 2017
xen viel Arbeitskraft bindet, auch durch den Dokumentationsaufwand, ohne dass es viel Evidenz für einen Zusatznutzen gibt.
Die Anzahl der sogenannten nosokomialen Infektionen in
Deutschland ist nicht bekannt. Die Schätzungen variieren stark,
wobei man den Eindruck hat, als würde die Schätzung der jährlichen Todesfälle von den verschiedenen Institutionen nicht
ohne Hintersinn erfolgen. Daten aus den USA belegen, dass für
nosokomiale Infektionen Gefäßzugänge, wie etwa zentrale Venenkatheter, die Hauptrolle spielen. Da die menschliche Haut
nur bedingt keimfrei zu bekommen ist, und die Übertragungswege kaum abzustellen sind, wenn man Patienten nicht vollständig isolieren will, stellt sich die – heutzutage fast schon ketzerische – Frage, ob man sich mit dem wohl schon seit Langem
bestehenden und keineswegs hohen Infektionsniveau möglicherweise einfach abfinden muss.
Jedenfalls ist nicht alles, was sich auf dem Papier als Verbesserung liest, auch fachlich und damit rechtlich geboten. Die Begehungsprotokolle dienen der Information, stellen aber keine
Verwaltungsakte dar. Sie sollten sorgfältig gelesen werden.
Stimmen sie in Teilen nicht mit der eigenen Wahrnehmung
überein, sollte das der Behörde mitgeteilt werden. Es hilft überhaupt, bei der Begehung einen Praxismitarbeiter zu bitten, ebenfalls Protokoll zu führen. Bedenken, dass dies bei den Praxisbegehern nicht gut ankommen könnte, kann man haben. Aber:
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!
Sachlichkeit und Souveränität als Praxisinhaber zeigen sich
auch und gerade im Umgang mit Behörden. Man sollte sich –
was wir leider immer wieder erleben – nur nicht als in Sache
Praxishygiene völlig ahnungslos gerieren. Die von allen Zahnärztekammern erlassenen Hygieneleitfäden sind nun mal schon
Pflichtlektüre, nicht nur für die Aufbereitung zuständigen Praxismitarbeiter, sondern auch für die Chefs.
Nicht einfach nur abarbeiten
Ehe man den Praxisbegehern Änderungen an der Praxiseinrichtung oder der Handhabungsweise zusagt, sollte man sich genau
und am besten schriftlich erklären lassen, auf welcher Rechtsgrundlage diese erforderlich sind.
Die stets übersandten Begehungsprotokolle sind nicht einfach
abzuarbeiten, da sie keine Verwaltungsakte sind. Wenn beispielsweise das Gesundheitsamt eine Änderung haben will,
dann soll es einen Bescheid, versehen mit Rechtsbehelfsbelehrung, schicken. Aus diesem Bescheid muss sich auch die Rechtsgrundlage ergeben. Es ist in der Praxis offenbar gar nicht so selten, dass die Behörden sich nicht an diese Vorgaben des allgemeinen Verwaltungsrechts halten.
Die Begehungsprotokolle allerdings einfach zu ignorieren, ist
auch keine Lösung. Sie bedürfen sorgfältiger Prüfung. Das meiste, was in ihnen vermerkt wird, ist zumeist durchaus vernünftig. Außerdem kommt es nach Erstbeanstandungen zu einer
Zweitbegehung.
Gegebenenfalls ist zu überlegen, die Zweitbegehung mit rechtlicher Begleitung, sei es Anwalt oder spezialisiertem Kammer-/
KZV-Mitarbeiter durchzustehen. Beharrliche Verstöße gegen
die Praxishygienevorschriften können zum Verlust der vertragszahnärztlichen Zulassung und sogar zum Verlust der Approbation führen.
Prof. Dr. Thomas Ratajczak
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht
© by-studio / Fotolia
politik
Skeptische Zahnärzte
„Dann kann ich ja nur noch zwei Patienten
am Tag behandeln“
Die Stimmung kommt schnell in Fahrt, denn das Thema brennt den Kollegen spürbar unter den
Nägeln. Und so dauert es auch nicht lange, bis die Wogen bei einer Berliner Fortbildungsveranstaltung zum Thema Praxisbegehungen hoch schlagen. Die Referentin vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) hat keinen leichten Stand.
Samstag in Berlin Mitte: Rund 30 Zahnärztinnen und Zahnärzte sitzen bei schönstem Wetter in einem Raum, um mehr Infos
über etwas zu erfahren, das bundesweit für reichlich Aufregung
sorgt und Ängste schürt. Claudia Aklé, die in der Hauptstadt mit
vier weiteren Kollegen Praxisbegehungen durchführt, beginnt ihr
Referat zum Thema „Inspektion zur Medizinproduktevertreiberverordnung durch das LaGeSo Berlin“ sehr sachlich mit rechtlichen Grundlagen für die ungeliebten Kontrollbesuche. Aklé weiß,
dass sie hier mit viel Gegenwind rechnen muss, aber dennoch ist
sie am Wochenende gekommen, um aufzuklären. Sie liefert zunächst Basisinformationen und berichtet beispielsweise, dass das
Medizinprodukterecht seine Grundlage im europäischen Recht
hat und dass die Medizinproduktebetreiberverordnung auf Empfehlungen von Fachgesellschaften fußt sowie dem aktuellen Stand
der Wissenschaft und der Technik entspricht. Die Verordnung
und mit ihr die vorgeschriebene Instandhaltung von Medizinprodukten seien also keine Erfindungen der Behörden, betont sie.
„Wir müssen nur die Einhaltung der Vorschriften überprüfen.“
Trotz bundesweiter Unterschiede
Behörden der Länder tauschen sich aus
Obwohl die Praxisbegehungen bundesweit sehr unterschiedlich ausfallen, sind die zuständigen Behörden der Bundesländer im Dialog. Es finden abseits der Ministerialebene regelmäßige Treffen von Mitarbeitern
statt, die aus der Inspektionspraxis kommen. „Wir können konkret Probleme lösen. Wenn zum Beispiel Medizinprodukte nicht gut sind, sprechen
wir eine Empfehlung aus“, berichtet Claudia Aklé vom LaGeSo Berlin. Aber
sie räumt auch ein, dass die Begeher „das große Ganze nicht lösen können“. Die verwaltungsrechtlichen Verfahren und die Zuständigkeiten in
den Behörden seien in den Bundesländern extrem verschieden. Das Medizinproduktegesetz gelte zwar bundesweit, aber andere Gesetze unterschieden sich enorm.
Was die bundesweiten Unterschiede bei Praxisbegehungen betrifft,
hat Aklé keine großen Hoffnungen, dass sich daran etwas ändert. „Es gibt
zwar seit Jahren Bestrebungen zu vereinheitlichen, allerdings nur inhaltlich. Da sehe ich schon Fortschritte“, sagt sie, „aber das Vorgehen der Behörden ist reine Ländersache.“mf
Die Verantwortung trägt der Praxisinhaber
Die ersten Zwischenrufe werden laut: Warum müssen wir überprüft werden? Misstraut man den Zahnärzten? Und was ist eigentlich, wenn ein Hersteller keine Angaben zur Wartung des
Gerätes macht? Die Themen vermischen sich. Doch die LaGeSo-Mitarbeiterin antwortet ruhig auf die letzte Frage: „Die Angaben des Herstellers sind verbindlich. Wenn der Hersteller aber
keine konkreten Angaben zur Überwachung des Gerätes macht,
dann sind Sie als Betreiber gefordert, sich Gedanken zu machen.“ Das bedeute, dass der Zahnarzt nach bestem Wissen und
Gewissen Wartungsintervalle festlege. Die Verantwortung trage grundsätzlich der Betreiber, also der Praxisinhaber.
Es laufen viele Zwiegespräche in den Reihen. Darin lassen die
Zahnärzte ihrem Ärger freien Lauf. Eine Kollegin um die 50
wählt krasse Worte: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich
kotzen möchte.“ Auch ist zu hören: „Diese ganze Warterei und
Dokumentationspflicht und Kontrolle sind gar nicht nötig.
Wenn ein Gerät funktioniert, dann funktioniert es doch.“ Und
ein anderer flüstert seinem Nachbarn zu: „Dann kaufen wir uns
keinen Thermodesinfektor, wenn die Handhabung und Validierung so kompliziert und umfangreich ist.“
Alle Kritikpunkte zeigen deutlich, wie sehr sich die Zahnärzte durch die mannigfaltigen Vorschriften in ihrer eigentlichen
Arbeit als Zahnmediziner eingeschränkt sehen. Ein Mann
bringt es auf den Punkt: „Dann kann ich ja nur noch zwei Patienten am Tag behandeln.“ Und ein anderer ergänzt: „Wie viele Mitarbeiter soll ich denn da haben, damit ich die Aufbereitung meiner Instrumente und die Wartung der Geräte korrekt
erledige?“ Mit diesen Bemerkungen wird schnell klar, dass Theorie und Praxis offenbar weit auseinanderklaffen.
Dokumentation und Aufbereitungsraum im Fokus
Aber zurück zur eigentlichen Frage des Tages: Wie läuft denn
so eine Praxisbegehung genau ab? Die Referentin berichtet zunächst von standardisierten Anschreiben, Terminvereinbarungen, Anforderungen von Unterlagen zur Inspektionsvorbereitung und einer Stichprobenprobenkontrolle von Dokumenten.
Die Praxisbegehung selbst beschreibt sie als unspektakulär.
Große Unannehmlichkeiten hätten Zahnärzte dadurch nicht,
01 ∙ 2017 DFZ
23
politik
versucht Aklé die Anwesenden zu beruhigen. „Die Praxis muss
während einer Begehung nicht geschlossen werden, der Praxisbetrieb kann weitergehen“, sagt sie. Doch das sehen die Teilnehmer der Fortbildung anders, einige lachen. Auch dann, als die
LaGeSo-Mitarbeiterin erzählt, dass sie bei Inspektionen in der
Regel nicht in die Behandlungsräume geht, es sei denn, es gebe
einen begründeten Anlass, wenn zum Beispiel ein Medizinprodukt kein Medizinproduktebuch hat.
Das Hauptaugenmerk der Behörden liegt Aklés Angaben zufolge auf der Überprüfung der Dokumentationspflichten und der
Aufbereitungsräume. Zur Dokumentation gehören unter anderem die namentliche Nennung des Personals in Verbindung mit
einzelnen Aufbereitungsschritten sowie ein Bestandsverzeichnis
aller Geräte in der Praxis (inklusive Kaffeemaschine!) und deren
Wartungsfristen. „Es reicht nicht, wenn geschrieben wird, dass
eine erfolgreiche Sterilisation stattgefunden hat. Die einzelnen
Schritte müssen belegt werden“, erläutert die Inspektorin. Und
wenn Fristen abgelaufen seien, nehme das Amt das Gerät außer
Betrieb.“ Dafür erntet sie wieder negative Kommentare.
Aklé weist darauf hin, dass der Betreiber von Medizinprodukten grundsätzlich in der Pflicht ist, ob er nun kontrolliert wird
oder nicht. „Der Betreiber ist nicht aus der Nummer raus, nur
weil er keine Praxisbegehung hat.“ Die Eigenverantwortlichkeit
sei ihm vom Gesetzgeber vorgeschrieben worden, sagt die Inspektorin. „Das kann man trefflich in Frage stellen, aber es gibt
kein zurück mehr. Es wird eher mehr werden.“
Melanie Fügner
Hygienebegehung in der Zahnarztpraxis
Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Einer Praxisbegehung durch das jeweilige Gesundheitsamt oder durch die zugehörige Zahnärztekammer/Bezirksregierung kann sich der Betreiber einer Zahnarztpraxis nicht entziehen – viel
mehr ist er zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet. Kontrollen wie diese sind meist
zeitintensiv und mit vielen Unsicherheiten im Vorfeld belastet. Ein Erfahrungsbericht.
Bei der Begehung unserer Praxis, einer Zahnarztpraxis mit integrierter oralchirurgischer Überweiserpraxis, hat uns ein gut
etabliertes Hygienekonzept geholfen. Dies erleichtert zum einen
den Praxisalltag, zum anderen führt es zu einer lückenlosen Dokumentation von Aufbereitungsprozessen und Arbeitsabläufen.
Das freut die Behörden.
Ankündigung und Vorbereitung
Je nach Behörde wird die anstehende Hygienebegehung ein bis
drei Monate im Voraus angekündigt. Hierzu erhält man, wie in
unserem Fall, von Zahnärztekammer Nordrhein einen 15-seitigen standardisierten Fragebogen. Vom Gesundheitsamt gibt
es einen achtseitigen Bogen. Drei Wochen vor der Begehung
müssen diese ausgefüllt an die zuständige ZÄK bzw. das Gesundheitsamt zurückgeschickt werden. Die Fragen beziehen
sich unter anderem auf Hygienevorschriften, Richtlinien des
Robert-Koch-Instituts, Arbeitsschutzgesetze und Biostoffverordnungen, aber auch auf Aufstellungslisten für aktive Medizinprodukte (MPVertriebV), Risikobewertung und Einstufung
von Medizinprodukten (unkritisch, semikritisch A und B, kritisch A und B), Qualitätsmanagementsystem (individualisierte
Standardarbeitsanweisungen, Dokumentationsnachweise, Herstellerliste der Medizinprodukte), Hygieneplan und auf die
Sachkenntnisse des Personals (Urkunden, Fortbildungsnachweise) – also jede Menge Bürokratie.
In unserem Fall war von Vorteil, dass wir uns bei der Praxisübernahme schon früh mit dem Thema der Hygienerichtlinien
und deren Umsetzung beschäftigt haben. Neben den baulichen
Anforderungen und den geforderten technischen Endgeräten
stützt sich unsere elektronische Hygienedokumentation auf eine
gute Abrechnungs- und Managementsoftware und eine Dokumentationssoftware für Instrumentenaufbereitung. Unterstüt-
24
DFZ 01 ∙ 2017
zung bieten auch die jeweiligen Zahnärztekammern an, beispielsweise für aktuelle Hygienevorschriften, Vordrucke oder
Schulungsangebote. Externe Berater können bei einer simulierten Praxisbegehung zur Aufdeckung möglicher Beanstandungen durch die Behörden hilfreich sein. Hierfür können beim
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sogar
staatliche Zuschüsse für die Beratung beantragt werden.
Praxisbegehung
Ist der Tag der Praxisbegehung gekommen, sollte neben dem
Praxisinhaber auch die schriftlich benannte Hygienebeauftragte (Sachkunde Hygiene) der Praxis anwesend sein, um etwaige
Fragen zu beantworten und Abläufe erläutern zu können. Nach
der Klärung von allgemeinen Fragen zur Praxisgröße, Anzahl
der Behandlungsräume und Mitarbeiter und der Sichtung des
individuellen Hygieneleitfadens beginnt die eigentliche Begehung der Praxisräume. Dass alle Räume und Flächen tipptopp
sein müssen, versteht sich von selbst (siehe Kasten).
Die Vorbereitung könnte wie folgt aussehen:
▶Sachgerechte Vorreinigung mittels verschließbarer Desinfektionswanne/Ultraschallgerät (Alufolientest) und Timer zur
Kontrolle der Einwirkungszeit
▶Reinigung, Desinfektion, Spülung und Trocknung durch den Thermodesinfektor/RDG unter Kontrolle von Wartungs-, Validierungsund Revalidierungsprotokollen und Prozessdokumentation
▶Pflege und Funktionsprüfung über die Lupenkontrolle am
Freigabeplatz zur frühzeitigen Erkennung und Behebung von
Rost, Funktionsdefekte und Anschmutzungen etc.
▶Versiegeln des Sterilguts (Schutzkappen) über das validierbare Siegelgerät (Seal- und Peel-Check)
▶Sterilisation (Sterilisator, Vakuum- und Helixtest) sowie thermische Desinfektion (DAC [Teststreifen]) der Instrumente
mit elektronischer Chargendokumentation (Wartungs-, Validierungs- und Revalidierungsprotokolle)
▶Freigabe der Medizinprodukte (Etikettierung) durch die freigabeberechtigten Mitarbeiter (aktueller Hygieneschein)
Begehungsschwerpunkte
Sachverständige der ZÄK legen insbesondere auf die vorschriftsgemäße Aufbereitung der Medizinprodukte ihr Augenmerk.
Kontrolliert werden dabei die geforderten Aufbereitungsprozesse (Vorbehandlung, Reinigung/Desinfektion, Pflege, Versiegelung, Sterilisation) und deren lückenlose Dokumentation (Freigabe und Sterilgutlagerung). Zudem sollte der Praxisbetreiber
die geforderten Wartungs- und Validierungs-/Revalidierungsprotokolle der benötigten Endgeräte zur hygienischen Aufbereitung vorlegen können. Abgeglichen werden auch die Listen
der geprüften STK/DGUV3-Geräte mit denen der aktiven Medizinprodukte in der Praxis.
Bei der Begehung durch das Gesundheitsamt liegt der Fokus
mehr auf der Infektionsprävention für das Praxisteam und der
Patienten sowie die Einhaltung von Rechtsvorschriften. Die
Kontrolle der individualisierten Arbeitsanweisungen, der jährlichen Einweisung in die Geräte und Richtlinien sowie die aktuellen Aushänge der Raumhygienepläne stehen im Vordergrund, ebenso die Vorführung der gelebten Hygiene im Alltag.
Inspektionsbericht
Nach der Begehung der Räume und der Aufnahme des Ist-Zustands der Praxis folgt die Abschlussbesprechung mit den Prüfern vor Ort. Etwaige Mängel werden in einem Abschlussbericht
aufgelistet und mit einer Nachfrist zur Behebung versehen.
Hierbei erfolgt eine Einteilung in kritische Mängel (Behebung
innerhalb von 24 h), schwerwiegende Mängel (Behebung innerhalb von drei Monaten) und sonstige Mängel (Behebung innerhalb von sechs Monaten). Die Beseitigung der offenen Mängel
muss bis zum Ende der jeweiligen Frist mit einer Stellungnahme und Nachweisen erbracht werden. Die Nichtbehebung von
Mängeln kann mit Bußgeldern belegt werden, im schlimmsten
Fall droht die Schließung der Praxis.
Schlussfolgerung
Auf Basis der gesetzlichen Grundlagen sollen in der Zukunft
alle Praxen hygienetechnisch inspiziert werden. Durch eine
sorgfältige Vorbereitung und Planung anhand der Fragebögen
ist eine reibungslose und überraschungsarme Begehung möglich. In unseren Augen sollte eine Praxisbegehung weniger als
lästiges Übel, sondern vielmehr als Ansatz der kontinuierlichen
Verbesserung und Weiterentwicklung der eigenen Praxis angesehen werden. Ein gut etabliertes Hygienemanagement unterstützt den Praxisinhaber und dessen Team bei der Umsetzung
wesentlicher Maßnahmen zum Patienten- und Personalschutz,
insbesondere im Sinne der Infektionsprävention. Die Anhebung
von Hygienestandards und deren Kontrolle führen zu einer höheren Sicherheit in den Praxen und dienen letztlich der verbesserten Absicherung gegenüber Patientenansprüchen.
Zur Vorbereitung einer Praxisbegehung siehe auch die Checklisten auf Seite 26.
Dr. Markus Fandel
Fachzahnarztpraxis für Oralchirurgie und Zahnmedizin, Bonn, www.dr-fandel.de
Lutz Florian Weber
Steuerberater und Fachberater für das Gesundheitswesen (DStV e.V.), www.dhpg.de
© Okea - Fotolia
politik
Standards für Praxisräume
Nicht nur sauber, sondern rein - das gilt fast überall
Wartezimmer
Das Wartezimmer sollte sich, wie die gesamte Praxis, in einem aufgeräumten und hygienisch sauberen Zustand präsentieren. Die Sitzgelegenheiten müssen desinfektionsmittelbeständig und abwaschbar sein, wie auch
das Spielzeug der Kinder oder die Bücher/Zeitschriften im Wartebereich.
Toiletten
Eine strikte Trennung zwischen der Personaltoilette und der Patiententoilette ist in der Praxis anzustreben, da die Anforderungen grundverschieden sind. Während die Personaltoilette über einen berührungsarmen/berührungslosen Seifenspender und Desinfektionsspender sowie eine berührungsarme Armatur verfügen muss, sind für die Patiententoilette lediglich der Seifenspender und eine berührungsarme Armatur gefordert.
In beiden Bereichen ist der Einsatz von Mülleimern mit Tretdeckeln angebracht, ebenso wie der Gebrauch von Einmalhandtüchern. Des Weiteren
sollte die Patiententoilette den baulichen Anforderungen einer behindertengerechten Toilette entsprechen.
Röntgenraum
Der Röntgenraum muss von außen klar gekennzeichnet sein: „Kein Zutritt.
Röntgen“. Es gelten die gleichen hygienischen Bestimmungen wie in den
Behandlungsräumen. Glatte und leicht zu desinfizierende Oberflächen,
ein berührungsarmer/berührungsloser Desinfektionsspender und ein
Mülleimer mit Tretdeckel erleichtern die täglichen Arbeitsabläufe.
Behandlungsräume
Die Oberflächen in den Behandlungsräumen sollten glatt, wischdesinfizierbar und frei von unnötigen Gegenständen sein. Neben der sinnvollen
Strukturierung der Räume und den staubdichten Schubladen mit Einlegeböden helfen Hygienehängeschränke mit integrierten Infrarotspendern
bei der übersichtlichen Anordnung von Hygieneprodukten. Die jeweilige
Behandlungseinheit sollte regelmäßig inspiziert (Wartung, STK/DGUV3)
und täglich mehrfach gereinigt werden (Wischdesinfektion intakter Oberflächen, Desinfektion der wasserführenden Systeme). Zudem sollten die
jährlichen mikrobiellen Untersuchungen des Betriebswassers jeder Einheit in den Ordnern des Qualitätsmanagements aufbewahrt werden.
Jede Flasche und Tube sollte nach Anbruch mit einer Etikettierung (Anbruch- und Ablaufdatum, Mitarbeiterkürzel) versehen werden. Der
Bohrerständer muss auf Sauberkeit geprüft und frei von korrodierten und
verbrauchten Schleifern sein. Generell empfiehlt sich hier eine VorlegePinzette zur Vermeidung unnötiger Kontamination weiterer Instrumente
in den Schubladen.
Aufenthaltsraum
Der Aufenthaltsraum dient als Rückzugsort für das Personal und sollte
auch als solcher genutzt werden. Hier kann ggf. kontrolliert werden, ob
der vorhandene Kühlschrank neben Lebensmitteln auch zur Aufbewahrung von Medikamenten zweckentfremdet wird.
Sterilisationsraum
Der Sterilisationsraum bedarf ebenfalls der klaren Beschriftung: „Kein Zutritt. Sterilisationsraum“. Die Aufteilung des Aufbereitungsraums erfolgt
durch eine räumliche Trennung in zwei Arbeitsbereiche oder sofern nicht
möglich, durch eine Plexiglas-Trennwand auf der einseitigen Aufbereitungszeile. Ein klar strukturierter Aufbereitungsablauf mit den geforderten Endgeräten muss erkennbar sein.
Oberflächen
Die in den Räumlichkeiten befindlichen Oberflächen sollten hygienisch
leicht zu desinfizieren sein (PVC-Boden, Latexfarbe, freie und glatte Oberflächen) und der Transport der kontaminierten Instrumente sicher in
Transportboxen erfolgen.
01 ∙ 2017 DFZ
25
© Peter Atkins - Fotolia
politik
Hilfsmittel im Praxisalltag
Checkliste Praxisbegehungen
Diese Übersicht stellt einen notwendigen Minimalstandard dar und hilft zur Überprüfung der
bestehenden Anforderungen.
Von Thomas Heinze, Berater im Gesundheitswesen, QM-Auditor-TüV, www.neoqm.de
Medizinprodukte
Gemäß der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) ist eine Vielzahl von Anforderungen zu berücksichtigen,
die von Zahnarztpraxen zu erfüllen sind.
Medizinprodukte
Inhalt
Grundlage
Verzeichnis aller elektrisch betriebenen (aktiven) Medizingeräte (Medizinprodukte)
§ 8 MPBetreibV
☐
Hinweis:
Erstellen Sie eine Tabelle mit folgenden Inhalten:
1. Bezeichnung, Art und Typ, Loscode oder die Seriennummer
2. Anschaffungsjahr des Medizinproduktes
3. Name oder Firma und die Anschrift des Herstellers
4. die der CE-Kennzeichnung hinzugefügte Kennnummer (vierstellige Nummer)
5. soweit vorhanden, betriebliche Identifikationsnummer
6. Standort und betriebliche Zuordnung
7. die vom Hersteller angegebene Frist für die sicherheitstechnische Kontrolle
Medizinproduktebücher zu Geräten der Anlage 1 und 2 der MPBetreibV
§ 7 MPBetreibV
☐
Hinweis:
In der Zahnarztpraxis betrifft dies insbesondere folgende Geräte:
Defibrillator (sofern kein AED),
Hochfrequenz-Chirurgiegerät,
Laser (Klasse 3R, 3B, 4).
Grundsätzlich sollten diese und ähnlich risikoreiche Geräte in der Anwendung von befugten Personen
des Herstellers oder im Einvernehmen des Herstellers eingewiesen werden.
Protokolle der sicherheitstechnischen Kontrollen nach Herstellervorgabe
§ 6 MPBetreibV Abs. 3
Nachweise der Prüfung der elektr. Sicherheit der Medizinprodukte gemäß DGUV V3
§ 2 MPBetreibV
26
DFZ 01 ∙ 2017
Erledigt?
☐
☐
Instrumentenaufbereitung
In § 4 der Medizinproduktebetreiberverordnung wird auf die
gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut
und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufberei-
tung von Medizinprodukten verwiesen. Somit stellt diese RKIEmpfehlung die rechtliche Grundlage für die Instrumentenaufbereitung dar.
Die Tabellen sollen auf der Grundlage der RKI-Empfehlung eine
Vielzahl von Notwendigkeiten verständlich darstellen.
Instrumentenaufbereitung
Inhalt
Erledigt?
Baulich-funktionale Gestaltung des Aufbereitungsbereichs:
separater Aufbereitungsraum in der Praxis,
Bereichstrennung in unrein, rein und Lagerung.
☐
Mitarbeiterqualifikation
Die Mitarbeiter der Aufbereitung müssen eine abgeschlossene Ausbildung im Medizinalberuf haben mit entsprechendem Inhalt zur Instrumentenaufbereitung im Rahmenlehrplan z. B. ZMF.
Sachkundelehrgänge/Fortbildungen z. B. der DGSV sollten für Mitarbeiter erfolgen, die keine Medizinausbildung besitzen oder keine aktuellen Kompetenzen zur Aufbereitung innehaben.
Persönliche Schutzausrüstung
In den Schritten der Instrumentenaufbereitung sind geeignete Schutzausrüstungen zu tragen.
☐
☐
Unreine Tätigkeiten
• Schutzkleidung (z. B. flüssigkeitsdichte Schürze)
• Schutzbrille (insbesondere bei manueller Reinigung und Ansetzen von Lösungen)
• Geeignete Handschuhe
Reine Tätigkeiten
• Schutzkleidung
• Einmalhandschuhe
• Instrumentenentnahme aus Desinfektionswanne oder RDG mit Einmalhandschuhen ausreichend
Risikoeinstufung der Instrumente
Legen Sie eine Übersicht Ihrer Instrumente an, um diese wie folgt zu klassifizieren:
• Unkritisch
Nur Kontakt mit intakter Haut,
• Semikritisch A (massive Instrumente)
Kontakt mit Schleimhaut oder krankhafter Haut
• Semikritisch B (Instrumente mit erhöhten Anforderungen z. B. Hohlkörpern)
Kontakt mit Schleimhaut oder krankhafter Haut
• Kritisch A (massive Instrumente)
Kontakt mit inneren Geweben, Blut und Wunden
• Kritisch B (Instrumente mit erhöhten Anforderungen z. B. Hohlkörper)
Kontakt mit inneren Geweben, Blut und Wunden
Arbeitsanweisungen zu allen Prozessschritten der Aufbereitung
Folgende Aufbereitungsschritte sind, soweit zutreffend, mindestens zu beschreiben:
• Vorbehandeln,
• Sammeln,
• Vorreinigen,
• Zerlegen,
• Reinigung, ggf. Zwischenspülung, Desinfektion,
• Spülung, Trocknung,
• Prüfung auf Sauberkeit/Unversehrtheit,
• Pflege, Instandsetzung,
• Funktionsprüfung,
• Verpackung,
• Sterilisation,
• Kennzeichnung,
• Dokumentierte Freigabe
• Schnittstellenregelung (Vorgaben Reinigung und Desinfektion, Übergabe, Transport, Lagerung)
• Umgang mit Abweichungen/Fehlern
☐
☐
01 ∙ 2017 DFZ
27
Instrumentenaufbereitung
Inhalt
Wartungen entsprechend der Herstellervorgabe (Gebrauchsanleitungen) der Geräte.
Validierungen
Die Validierung setzt sich aus Installationsqualifikation, Betriebsqualifikation und Leistungsqualifikation zusammen. Die Validierung wird mit
einem Validierungsbericht nachgewiesen.
Nach Erstvalidierungen erfolgen wiederkehrende Leistungsqualifizierungen.
Bei Reinigungs-/Desinfektionsgeräten sind wiederkehrende Leistungsqualifizierungen jährlich umzusetzen.
Bei Sterilisatoren ist kein Intervall normativ festgelegt. Somit kann behördlich eine jährliche oder 2-jährliche Einforderung bestehen. Wir
empfehlen die Abklärung mit dem Validierer.
Qualitätssicherung in der Routine bei Anwendung eines Reinigungs-/Desinfektionsgeräts
Folgende Routinekontrollen sind bei Einsatz eines Reinigungs-/Desinfektionsgeräts zu berücksichtigen bzw. entsprechend des Validierungsberichts durchzuführen:
Erledigt?
☐
☐
☐
☐
Arbeitstägliche Prüfungen:
• Sichtprüfungen (z. B. Kammer, Spülarme, Konnektoren, Dichtungen, Siebe)
• Funktionsprüfungen
• Füllungszustand Chemikalienbehälter, täglicher Verbrauch
Chargenbezogene Prüfungen:
• Chargenprotokoll und Freigabeprotokoll mit Leistungsdaten des RDG (z. B. Ausdruck, EDV-Dokumentation)
• Dokumentation zur Sichtprüfung (Sauberkeit, ggf. unter Bezug Reinigungsindikator, Unversehrtheit, Trocknung, Restfeuchte)
• Reinigungsindikatoren nach Vorgabe des Validierers
Qualitätssicherung in der Routine bei Anwendung eines Sterilisators
Folgende Routinekontrollen sind bei Einsatz eines Sterilisators zu berücksichtigen bzw. entsprechend des Validierungsberichts durchzuführen:
☐
Arbeitstägliche Prüfungen:
• Sichtprüfungen (z. B. Kammer und Dichtungen, Speisewasserbehälter, Speisewasser, ggf. Kühlwasser)
• Funktionsprüfungen (ggf. Vakuumtest [Herstellervorgabe], ggf. Dampfdurchdringungstest [entsprechend Validierungsbericht])
Chargenbezogene Prüfungen:
• Prüfung und Dokumentation des Ergebnisses der Behandlungsindikatoren
• Prüfung und Dokumentation der Prozessparameter (Messwerte der Verfahrensparameter, ggf. Prozessbeurteilungssystem)
• Prüfung und Dokumentation des Ergebnisses des Prozessindikators (beiliegender Chemoindikator).
Bei Instrumenten der Klasse kritisch A einen Chemoindikator Klasse 5 verwenden
Bei Instrumenten der Klasse kritisch B einen Chemoindikator in einem PCD z. B. Helixtest (Kl. 2) verwenden.
Unterweisungen in die Bedienung
Mitarbeiter, die die maschinelle Reinigung und Desinfektion sowie die Sterilisation durchführen, sind regelmäßig zur Prozessdurchführung zu
unterweisen. Eine jährliche Unterweisung sollte mindestens erfolgen.
Kennzeichnung der Sterilgutverpackung
• Bezeichnung des Instruments, sofern nicht unmittelbar erkennbar
• Mitarbeiterkennung des Freigebenden
• Chargenbezeichnung der erfolgten Sterilisation
• Sterilisierdatum
• Verfalldatum
Qualitätssicherung zu Heißsiegelgeräten für Sterilgutverpackungen
Protokolle/Nachweise für folgende Kontrollen sind nachzuweisen:
Täglich Peelcheck (Peelbarkeit)
Wöchentlich Sealcheck
Jährlich Siegelnahtfestigkeit (Abstimmung mit Validierer)
Lagerhaltung
Sterilgutverpackungen sind entsprechend zu lagern:
• trocken
• staubarm
• lichtgeschützt
• geschützt vor Beschädigung
• geschützt vor mechanischen Einflüssen
• geschützt vor extremen Temperaturschwankungen
• getrennt von unsterilen Produkten
Lagerungsdauer:
Ungeschützte Lagerhaltung z. B. in Regalen oder auf Arbeitsflächen der Sterilgüter bis maximal 48 Stunden.
Geschützte Lagerhaltung z. B. in geschlossenen Schränken und Schubladen bis maximal 6 Monate.
28
DFZ 01 ∙ 2017
☐
☐
☐
☐
politik
springer.com
SpringerPlus
Die Open Access-Plattform Ihrer Wahl für
Forschungsergebnisse aus allen Fachbereichen!
•
•
•
•
•
Unkompliziertes Einreichen der Artikel
Strenges Peer Review
Klare, transparente und schnelle redaktionelle Abläufe
Open
Access
Erfüllt alle Anforderungen an Open Access-Publikationen
Indizierung in den wichtigsten Datenbanken wie Web of
Science, Scopus und PubMed Central
Weitere Informationen unter springerplus.com
A19900
01 ∙ 2017 DFZ
29
Herunterladen