Kriminelle sitzen oft in Chefetagen 22 Prozent aller Wirtschaftsdelikte werden laut einer Studie von Top-Managern begangen Essen. In den Geschäftsführungen und Vorstandsetagen nordrhein-westfälischer Unternehmen finden sich häufig Wirtschaftskriminelle. Das geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) hervor, die der WAZ vorliegt. Wenn es um Wirtschaftsverbrechen wie Industriespionage oder Schmiergeldzahlungen geht, sind besonders Top-Manager als Täter identifiziert worden. „Bei 22 Prozent der Delikte gegen NRW-Unternehmen wurde die Tat von Tätern aus dem Top-Management begangen", sagt Steffen Salvenmoser, Leiter der Studie. Damit ist für mehr als ein Fünftel der landesweit aufgedeckten Fälle die oberste Führungsspitze verantwortlich. Bundesweit sind es 18 Prozent, weltweit 20 Prozent. Rechne man in Nordrhein-Westfalen die Manager aus der zweiten Führungsebene auch noch hinzu, seien es sogar 40 Prozent. PwC hat 263 Unternehmen im Land über das Marktforschungsinstitut TNS Emnid befragen lassen. Darunter waren Mittelständler, aber auch große Konzerne. Im Schnitt entstand jedem betroffenen Unternehmen ein Schaden in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Bei einer bundesweiten PwC-Untersuchung war es gerade eine Million Euro. Die Täter sind im Durchschnitt 42 Jahre alt, fast ausnahmslos männlich (92 Prozent) und seit 13 Jahren im Unternehmen tätig. Vom Gesamtschaden in Höhe von über sechs Milliarden Euro, der deutschen Unternehmen durch aufgedeckte Wirtschaftsdelikte entsteht, entfallen 1,25 Milliarden Euro auf die nordrhein-westfälische Wirtschaft. Einer der Hauptgründe ist die hohe Exportquote hiesiger Unternehmen. Die Chance, Opfer von Produktpiraten zu werden, ist so deutlich höher. Dass zahlreiche Unternehmenslenker zum engen Kreis der Wirtschaftskriminellen zählen, ist für Salvenmoser nicht außergewöhnlich. „Viele Top-Manager sind erfolgs- und karriereorientierte Persönlichkeiten, für die sich oft die Chance ergibt, noch mehr haben zu können." Überführte Manager zeigten sich oft als moralisch nicht so gefestigt und besäßen ein mangelndes Unrechtsbewusstsein. Mit einer Anzeige müssen die Manager in den wenigsten Fällen rechnen. Firmen nehmen laut PwC lieber den Schaden in Kauf als einen Kratzer am sauber polierten Image. Allerdings treffen manche Firmen inzwischen Vorkehrungen, um den Kriminellen in Nadelstreifen auf die Spur zu kommen. Die Telekom etwa hat ein Hinweisgeber-System installiert, an das Mitarbeiter anonym entsprechende Auffälligkeiten melden können. Betrüger im eigenen Büro Die NRW-Wirtschaft ist immer wieder Opfer krimineller Machenschaften. Korruption und Industriespionage sind allgegenwärtig. Nach einer Studie der Prüfungsgesellschaft PwC sind die Täter oft unscheinbare Mitarbeiter Essen. Steffen Salvenmoser kann spannende Geschichten erzählen. Außergewöhnlich an seinen Erzählungen aber ist vor allem: Sie alle sind wahr. Im Besprechungszimmer 1128 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) in Essen sitzt der 43-Jährige zurückgelehnt bei Kaffee und Gebäck und plaudert über einen der intimsten Bereiche der NRW-Wirtschaft: die Kriminalität. An die Öffentlichkeit geht kein Unternehmen mit solchen Geschichten. Dahinter steckt die bloße Angst, das teuer aufgebaute Image zu verlieren. Salvenmoser aber weiß genau, wie es zugeht bei Mittelständlern, aber auch bei großen Konzernen. 263 NRW-Unternehmen mit durchschnittlich 2.000 Mitarbeitern hat der frühere Staatsanwalt und Richter mit Hilfe des Marktforschungsinstituts TNS Emnid durchleuchtet auf Betrügereien, auf Korruption und Industriespionage und ist dabei auf beeindruckende Fälle gestoßen. Da ist die unscheinbare Buchhalterin, die stets zuverlässig arbeitete und der man vertraute. Über Jahre stellte niemand fest, dass sie heimlich die Umsatzsteuer frisierte und dabei ordentlich Geld abzweigte aufs private Konto. 1,5 Millionen Euro waren es, bis alles aufflog. Das Unternehmen sah von dem Geld nicht viel, denn die leidenschaftliche Teddybär-Sammlerin hatte allein 600.000 Euro in ihr Hobby gesteckt. Eine Seltenheit? „Keineswegs“, sagt Salvenmoser, der etwas Detektivisches an sich hat und so nüchtern über die schlimmsten illegalen Abzocker der Wirtschaft rden kann. 2 „Sammler sind immer wieder unter den Wirtschaftskriminellen“, sagt er. Modelleisenbahner hat er schon erwischt, Freunde kostbarer Uhren oder Oldtimer-Anhänger. Mehr als die Hälfte sind vom Typ her wie die unscheinbare Buchhalterin, denen der Chef blind vertraut. Schließlich hat man doch Seite an Seite Tag für Tag jahrelang vertrauensvoll zusammengearbeitet. Wirtschaftskriminelle finden sich in NRW in diversen Branchen, besonders aber bei Banken, Versicherungen und im Handel. 23 Prozent der betroffenen Unternehmen sind Opfer von Produktpiraterie und Industriespionage geworden, wobei die meisten den chinesischen Markt fürchten. Zwölf Prozent der NRW-Firmen sollten in den vergangenen zwei Jahren Schmiergeld zahlen, um an einen Auftrag zu kommen. Fast jedes vierte Unternehmen geht davon aus, dass ihm ein Auftrag nicht zugesprochen wurde, weil ein Konkurrent Schmiergeld bezahlt hat. „Eine bemerkenswerte Zahl“, staunt sogar der so abgeklärt wirkende Salvenmoser. Um die Kriminalitätsfolgen zu bewältigen, müssen NRW-Unternehmen tief in die Tasche greifen. 270 Millionen Euro sind es pro Jahr, zusammengefasst unter dem neutral klingenden Namen „Managementkosten“ zur Bewältigung diverser krimineller Handlungen. Das Geld könnten sich viele Firmen sparen, wenn sie einfache Regeln beherrschten, etwa die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips oder die Einführung von Unternehmens-Richtlinien. Egal, wie das jeweilige Täterprofil nun ausfällt. Eines ist allen Wirtschaftskriminellen gemein. „Sie wollen sich über das, was ihnen zusteht, noch einen zusätzlichen Verdienst genehmigen.“ Die meisten bleiben unentdeckt. Denn aufgedeckte Fälle, wie der der unscheinbaren Buchhalterin bleiben die Ausnahme. Es gibt sie, die Ehrlichen (Kommentar) Nur keine Sorge! Wer demnächst einem Wirtschaftskapitän begegnet, muss nicht gleich um seine Brieftasche fürchten. ... Deutsche Top-Manager verhalten sich in der Regel ethisch korrekt, sie handeln verantwortungsbewusst für ihr Unternehmen und dessen Mitarbeiter. Es sind anständige Marktwirtschaftler, die sehr wohl wissen, dass sie viel mehr verdienen als der Bundesdurchschnitt. Illegale Zusatzgeschäfte kommen für die Allermeisten nicht infrage. Doch es gibt eben auch die anderen, die so abgehoben agieren, sich unangreifbar fühlen und ihre Macht gerade noch unter der vom lieben Gott einordnen. Die langen dann gern mal ordentlich zu, überschreiten Grenzen des Erlaubten, ohne es mitzubekommen, weil sie von ihrer Umgebung keine Grenzen mehr aufgezeigt bekommen. Beispiele aus der deutschen Wirtschaft gibt es genug. VW hat gerade eine Odyssee hinter sich. Herr Hartz lässt grüßen. Und dann wäre da die ganze Siemens-Mischpoke, die ein international so anerkanntes Unternehmen immer weiter zu Grunde richtet. Diese Typen ruinieren auch das Image hart arbeitender ehrlicher Manager, die noch immer klar in der Überzahl sind. WAZ vom 14. Mai 2008 – Berichte und Kommentar von Wolfgang Pott