Things to Come. Science · Fiction · Film

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Deutsche Kinemathek – Museum für Film
und Fernsehen, Berlin: Things to Come.
Science · Fiction · Film
Uns alle beschäftigt die Frage: Wie werden wir in Zukunft leben?
Während man in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik versucht, mögliche Entwicklungen anhand
von Statistiken, Modellen und Prognosetechniken vorherzusagen, boomt im Bereich des Films
das Science-Fiction-Genre: In Spielfilmen wie „District 9" (USA/NZ/CDN/SA 2009, Neill
Blomkamp) oder „Interstellar" (USA/GB 2014, Christopher Nolan) und Fernsehserien wie „Äkta
Människor / Real Humans – Echte Menschen" (S 2012–2014, Lars Lundström) oder „Extant"
(USA 2014–2015) wird die nähere oder fernere Zukunft visualisiert, in bewegte Bilder und
Geschichten übersetzt. Auf der Grundlage meist großzügiger Budgets beeindrucken sie ihr
Publikum mit neuesten digitalen Techniken, spektakulären Sets, bombastischen Sound Designs
und aufwändigen Special Effects. Aber auch in den Blockbustern geht es um grundlegende
Fragen der menschlichen Existenz, wie beispielsweise die Angst vor Naturkatastrophen und
Ressourcenknappheit, Totalitarismus und Überwachung. Dabei sagen Science-Fiction-Filme
immer auch etwas über die Gegenwart aus, in der sie entstehen, über aktuelle Ängste im
Zusammenhang mit gesellschaftspolitischen Entwicklungen und das Verhältnis der Menschen
gegenüber dem technologischen Fortschritt. Was fürchten wir, und was erhoffen wir uns? Und:
Wo hat die Realität die in Filmen beschriebene Zukunft längst eingeholt?
Die Gestaltung der Ausstellung in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
nimmt
auf drei zentrale Szenarien von Science-Fiction-Filmen Bezug: Während „das Weltall" als Ort
der Entgrenzung von Raum und Zeit zu erleben ist, thematisiert die „Gesellschaft der Zukunft"
die Frage nach dem sozialen Miteinander unter den Bedingungen des technischen Fortschritts
und gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Die „Begegnung mit dem Fremden" bzw. den
Außerirdischen schließlich ermöglicht dem Menschen eine existenzielle Selbstbestimmung. Eine
wichtige Rolle werden in der Ausstellung insbesondere Filmproduktionen aus den letzten rund
zehn Jahren spielen, in denen die drängenden gesellschaftlichen Fragen der Gegenwart
aufgegriffen werden, darunter „I, Robot" (USA/D 2004, Alex Proyas), „Children of Men"
(USA/GB 2006, Alfonso Cuarón), „The Island" (USA 2005, Michael Bay) und „Oblivion" (USA
2013, Joseph Kosinski). Starke Parabeln zur Zukunft des Menschen kommen jedoch nicht nur
aus Hollywood, sondern auch aus europäischer, insbesondere britischer und russischer sowie
aus japanischer Produktion.
„Things to Come. Science · Fiction · Film" hat einen stark
inszenatorischen und atmosphärischen Charakter. Als Ort
der Unterhaltung ebenso wie der Reflexion macht die
Ausstellung die oben skizzierten Themen in drei
raumgreifenden medialen Installationen sinnlich und
intellektuell erfahrbar: Im ersten Raum geht es um das
Weltall als Schauplatz vieler Science-Fiction-Filme. Der
Besucher betritt ein Raumschiff und kann von der
Kommandobrücke aus in nachtblaue unendliche Weiten
blicken. Eine Kompilation von Filmszenen unter anderem
aus „2001: A Space Odyssey" (GB/USA 1968, Stanley
Kubrick), „Moon" (GB 2009, Duncan Jones), „Gravity"
(GB/USA 2013, Alfonso Cuarón) und „Interstellar" lässt beim
Ausstellungsbesucher den Eindruck entstehen, durchs All zu
fliegen. Im Raumschiff begegnet man verschiedenen Crews,
die seit der Entstehung von Fernsehserien wie „Star Trek"
(USA 1966–1969) und „Raumpatrouille – Die Phantastischen
Abenteuer des Raumschiffes Orion" (BRD 1966), ähnlich wie
in der realen Raumfahrt, meist international besetzt sind.
Raumstationen, Spaceshuttles und Satelliten – Modelle aus
bekannten Science-Fiction-Filmen – machen die beeindruckende Inszenierung von
Schwerelosigkeit im Weltraum ebenso präsent wie eine weitere Projektion: Bereits 1957 ließ
der russische Filmemacher Pawel Kluschanzew in „Doroga k Zvezdam /Der Weg zu den Sternen"
Schauspieler scheinbar schwerelos durchs All schweben; Alfonso Cuarón perfektionierte in
„Gravity" mit modernster digitaler 3D-Technik die Illusion der Schwerelosigkeit. Außerdem ist
zu erfahren, was reale Raumfahrer wie Sigmund Jähn, Ulf Merbold oder Alexander Gerst im
Weltraum erlebt haben und wie weit die Vorbereitungen zur Besiedlung des Mars gediehen sind.
Der Raum zum Thema „Gesellschaft der Zukunft" konfrontiert die Museumsbesucher/-innen mit
einer Medieninstallation, bei der es um reale und fiktive Nachrichten geht: Von einer
Monitorwand prasseln Meldungen über Flüchtlingskrisen, Klimakatastrophen, Pandemien und
postapokalyptische Szenarien auf die Besucher ein. Eine futuristische Straße mit
Überwachungskameras, Robotern und einer begehbaren Rauminstallation steht für eine
mögliche Stadt der Zukunft. Wie in Neill Blomkamps „Elysium" (USA/CAN/MEX 2013) und
„District 9" führen reiche Menschen hier ein Leben im Luxus, während von Armut Betroffene
unter dem Mangel an lebenswichtigen Gütern und unter Verelendung leiden. Die
Gegenüberstellung eines an „Elysium" und „Oblivion" angelehnten, gleißend hell gestalteten
Lofts und eines dunklen, schmutzigen Ghettos („Children of Men", „District 9") zeigt, wie eine
Zweiklassengesellschaft der Zukunft aussehen könnte.
Der Rundgang endet mit einer Begegnung mit dem Fremden, die immer auch eine Begegnung
mit uns selbst ist. Beim spannungsgeladenen „First Contact" dominiert das Gefühl der Angst
und Abwehr, das am Ende oft zur Vernichtung der Fremden führt („Age of Tomorrow", USA
2014, James Kondelik). Dass solche Begegnungen auch friedlich verlaufen können, ist in einer
Videoinstallation zu sehen, vor allem am Beispiel von „Enemy Mine" (USA/BRD 1985, Wolfgang
Petersen) und „Mission to Mars" (USA 2000, Brian de Palma). In einem als klinisches Labor
angelegten weiteren Bereich sind wie in einem anatomischen Kabinett Alienplastinate und
-kostüme in überdimensionierten Reagenzgläsern aufgereiht. Kostümentwürfe und Fotografien
bilden eine Porträtgalerie der Außerirdischen. Die Vielfalt der Darstellungsformen wird hier
ebenso deutlich wie die Experimentierfreude von Kostümbildnern und Special-Effects-Künstlern
im Umgang mit ungewöhnlichen Materialien.
Am Ende des Ausstellungsrundgangs steht die Begegnung mit uns selbst: Wer sind wir? Wer bin
ich? Woran erkenne ich ein Alien? Was sagt mir die Konfrontation mit dem Alien über mich? Bin
ich womöglich selbst das Alien?
Die Diskussion darüber, wie unser Leben in der Zukunft aussehen wird, impliziert nicht allein
Fragen nach bevorstehenden technischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen, sondern auch
nach dem künftigen Erscheinungsbild unserer Welt: Wie wird die Architektur unserer Städte
aussehen, wie verändert sich das Design unserer Mobilitäts- und Kommunikationstechnologie
oder auch unsere Kleidung? Viele Elemente des Alltags wirken auf uns schon heute wie aus
einem Science-Fiction-Film. Ist die Zukunft bereits zur Gegenwart geworden? Die Einsicht
„Today is Yesterday's Tomorrow" beinhaltet auch die Erkenntnis, dass der Horizont unseres
Vorstellungsvermögens begrenzt ist durch die Tatsache, dass wir Zukünftiges immer nur in
einer Entwicklungskontinuität zur Jetztzeit begreifen können.
Kristina Jaspers, Nils Warnecke, Gerlinde Waz
Kuratoren der Ausstellung
Things to Come. Science · Fiction · Film
Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen
Ausstellung, 30. Juni 2016 bis 23. April 2017
Zur Ausstellung erscheint im Kerber Verlag ein gleichnamiger Katalog mit Textbeiträgen,
Interviews und zahlreichen, zum Teil bisher unveröffentlichten Abbildungen.
AsKI KULTUR lebendig 1/2016
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