Nr. 22 Treffpunkt 28. Mai 2015 13 Rausch und Risiko: Wie gefährlich leben Jugendliche heute? Die Suchtprävention Zürcher Unterland organisiert am 24. Juni in Bülach eine Fachveranstaltung unter dem Titel «Was konsumieren Jugendliche heute?». Der Anlass bietet Informationen zu Rausch- und Suchtmitteln sowie Orientierungshilfen für Eltern und erwachsene Bezugspersonen im Umgang mit Jugendlichen, die risikoreich konsumieren. Ein Interview mit der zuständigen Sozialpädagogin. Mit Gabriela Jegge sprach Sibylle Grimm Nafzger Präsenz zeigen, den Kontakt aufrecht erhalten, das Gesprächsangebot erneuern. Eltern erhalten professionelle Unterstützung bei der Suchtberatung/-prävention. Auch der Austausch mit anderen Eltern kann helfen. Bezugspersonen können sich zudem im Internet oder mittels Ratgeberbroschüren informieren. Manchmal hat auch eine andere erwachsene Bezugsperson (Onkel, Gotte, Schulsozialarbeiterin, Lehrmeister) einen besseren Draht zum Heranwachsenden. Frau Jegge, sind Kinder heutzutage suchtgefährdeter als früher? Die Voraussetzungen, süchtig zu werden, haben sich verändert. Kinder sind materiell «überfüttert». Das Konsumangebot ist riesig und die Wahlmöglichkeiten heutzutage unendlich. Dafür sind sie emotional ausgehungerter. Nein sagen und sich abgrenzen können, ist nicht immer einfach und muss gelernt werden. Wie meinen Sie das? Für Jugendliche besteht die Herausforderung darin, sich in dieser Multioptionsgesellschaft zu orientieren. Ein Heranwachsender kann sich darin verlieren, ein starkes Kind entwickelt früh Strategien, mit solchen Herausforderungen umzugehen. Welches sind die Suchtfaktoren? Als Risikofaktoren gelten zum Beispiel soziale Isolation, geringes Selbstvertrauen, Überforderung oder Unterforderung, fehlende Zuwendung, geringer Selbstwert, Konfliktunfähigkeit und vieles mehr. Als Schutzfaktoren gelten Kompetenzen im Umgang mit Frustration, Verzicht und Konflikten. Die Familie ist ein wichtiger Ort, solche Fähigkeiten einzuüben. Thematisiert den Konsum von Rausch- und Suchtmitteln: Gabriela Jegge, Sozialpädagogin bei der Suchtprävention Zürcher Unterland. Bild: sg Ab welchem Alter ist ein Kind suchtgefährdet? Die Experimentier- und Risikofreudigkeit und das Ausloten von Grenzen steigen mit Beginn der Pubertät. Jugendliche sind in dieser Zeit mit grossen seelischen und körperlichen Veränderungen konfrontiert und zusätzlich durch soziale Erwartungen, zum Beispiel Schulerfolg oder Berufswahl, belastet. chen täglich. 30 Prozent der 15-jährigen Jungen und 19 Prozent der Mädchen haben bereits Cannabis probiert. Was konsumieren Jugendliche heute? Die meisten Jugendlichen konsumieren Suchtmittel wie Alkohol, Tabak oder Cannabis. Ungefähr ein Drittel der 15-Jährigen hat schon geraucht, etwa 7 Prozent rau- Sind sich die Jugendlichen der Gefahren von synthetischen und anderen illegalen Drogen bewusst? Im Jugendalter interessieren Gefahren nicht. Die Heranwachsenden sind neugie- Ist das alarmierend? Nein. Alarmierend wird es, wenn sich Konsumgewohnheiten etablieren, sich also eine gewisse Regelmässigkeit einstellt. Von dort ist der Schritt in die Sucht nicht mehr gross. rig, experimentieren und probieren aus, was zum Erwachsenwerden gehört. Es gibt gefährliche synthetische Drogen, die schnell abhängig machen und Auswirkungen auf den ganzen Körper haben. Wir müssen Jugendliche zumindest darüber informieren. Wie merken Eltern oder andere Bezugspersonen, ob ein Jugendlicher Suchtprobleme hat? Mögliche Anzeichen können ein verändertes Verhalten, Verschlossenheit oder ein Leistungsabfall in der Schule sein. Dies kann jedoch auch Ausdruck einer pubertären Krise sein. Für Eltern gilt es deshalb, in Kontakt zu bleiben, Interesse zu zeigen und nachzufragen. Was soll bei einem Verdacht gemacht werden? Das Gespräch mit dem Jugendlichen suchen und zeigen, dass man sich Sorgen macht. Im Gespräch zu klären versuchen, ob diese Sorge berechtigt ist. Nachfragen zeigt dem Kind, dass es den Eltern nicht egal ist. Wichtig ist, dass die Eltern nicht überreagieren – Gelassenheit ist Trumpf. Und wenn ein Gespräch nicht möglich ist? Was können Eltern und Bezugspersonen machen, damit es nicht soweit kommt? Fürsorge zeigen und aktiv die Kommunikation suchen ist ganz wichtig. Kinder sollen ihrem Alter und Entwicklungsstand entsprechend gefördert und gefordert werden. Dazu gehört auch, dass sie sich mit Regeln und einschränkenden Vorgaben auseinandersetzen und eigenverantwortlich Konflikte lösen müssen. Emotionale Geborgenheit in der Familie, das Erleben des eigenen Könnens sowie die Sicherheit, nicht beim ersten Fehlverhalten abgeschrieben zu werden, sind ebenfalls sehr wertvoll. Und schliesslich sollten Eltern sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sein. Öffentliche Fachveranstaltung zum Thema «Was konsumieren Jugendliche heute?»: Mi, 24. Juni, 20 bis zirka 21.30 Uhr im Alterszentrum im Grampen (Surber Saal), Allmendstrasse 1, 8180 Bülach. Der Besuch ist kostenlos. Weitere Informationen unter: www.praevention-zu.ch Zur Person Gabriela Jegge ist Sozialpädagogin FH, Ausbilderin mit eidg. FA und hat einen Master in Gesundheitsförderung und Prävention. Sie ist bei der Suchtprävention Zürcher Unterland verantwortlich für das Ressort Gemeinden. «Ich habe kein Interesse an Glimmstängeln» Am Sonntag ist Welt-NichtraucherTag. Mit ihm will die Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf den weltweiten Tabakkonsum aufmerksam machen. Der «Klotener Anzeiger» sprach mit verschiedenen Personen und über deren Meinung und Einstellung. Interviews/Bilder: Hakan Aki James Jandug (33), Service Fachangestellter, Supervisor «Ich bin Nichtraucher. Als 13-Jähriger habe ich aus reinster Neugier zwar einmal eine Zigarette geraucht, empfand aber seither kein weiteres Interesse nach mehr. Es mag vielleicht daran liegen, das meine einzige Zigarette damals nach nichts geschmeckt hat. Zudem bin ich Profisportler. Als Basketballspieler des Basketball Clubs Opfikon ist mir meine Gesundheit sehr wichtig. Viele aus meinem Kollegenkreis sind Raucher. Sie haben mir mehrmals eine Zigarette angeboten. Sie sagen immer wieder, dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht rauche. Sie werden es nicht schaffen, mich zu einem von ihnen zu machen. Ausserdem ist es auch eine Frage des Geldes. Ich habe kein Interesse, mein Geld in Zi- garetten zu investieren. Ich möchte aber betonen, dass ich absolut nichts gegen Raucher habe.» Toey Chimloilap (22), Rezeptionistin «Ich bin Nichtraucherin. Obwohl viele meiner Kolleginnen und Kollegen Raucher sind, haben sie Verständnis dafür, dass ich nicht rauche. Nicht einmal als Jugendliche, wo viele es zumindest einmal ausprobieren, habe ich geraucht. Ich hatte einfach nie ein Interesse für die Glimmstängel. Heute bin ich froh, dass ich damals standhaft geblieben bin. In meiner ganzen Familie gibt es nicht einen Raucher. Wir sind sozusagen alle rauchfrei. Zum einen ist mir meine Ge- sundheit sehr wichtig, zum anderen bin ich froh, dass ich keine gelben Zähne habe, was das Rauchen in den meisten Fällen zur Folge hat.» Roman Fritschi (59), Restaurantleiter «Bis vor zwei Jahren habe ich noch geraucht. Knapp eine halbe Schachtel Zigaretten am Tag waren die Regel. Dann habe ich von heute auf morgen aufgehört. Grund dafür war ein Gesundheitscheck, vor dem ich eine Zigarette rauchte. Der behandelnde Arzt hat mir gesagt, dass ich körperlich und organisch topfit bin. Diese Nachricht war für mich Motivation genug, um mit dem Rauchen aufzuhören. Ich verliess die Praxis Ausgequalmt: Der Welt-Nichtraucher-Tag soll zum Aufhören bewegen. Bild: Bernd Kasper/pixelio.de und habe seither keine Zigarette mehr angefasst. Dafür esse ich heute sehr viel Süsses, am liebsten Schokolade. Das hat in den letzten zwei Jahren dazu geführt, dass ich um acht Kilogramm an Körpermasse zugelegt habe. Den Rauch einer Zigarette empfinde ich heute als abstossend.» Rolf Lüthi (54), Geschäftsführer «Es kommt schon mal vor, dass ich in gemütlicher Runde zur Zigarette greife. Mehr als drei Zigaretten an solchen Abenden werden es aber nicht. Ich würde mich daher als Gelegenheitsraucher bezeichnen. Da erinnere ich mich an meine Militärzeit. Damals haben wir unter Kollegen geraucht. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich zum Gelegenheitsraucher wurde. Ich selber habe keine Zigarettenschachtel Zuhause. Wenn, dann bekomme ich die Zigarette immer nur angeboten. Ich könnte also genauso gut ohne eine Zigarette auskommen.» Martina Buser (46), Hausfrau «Meine Mama hat geraucht genauso wie alle meine Kolleginnen rauchen. Also habe ich auch damit angefangen. Morgens zum Kaffee gönne ich mir eine Zigarette als Start in den Tag. Abends, wenn die Kinder im Bett liegen, dient der Glimmstängel als Beruhigung. Und besonders, wenn mich mein Freund nervt, wirkt sie entspannend. Mein Freund ist Nichtraucher, trinkt dafür aber sein Bier. So haben wir beide unserer Laster. Er hat mich bisher nie gebeten, das Rauchen sein zu lassen. Wenn das mal passieren sollte, dann müsste er auch auf den Gerstensaft verzichten. Während meinen Schwangerschaften habe ich dreimal aufgehört zu rauchen. Aber der Alltagsstress hat mich immer wieder zur Zigarette getrieben.» Sarah (27), Kauffrau «Im Alter von 15 Jahren habe ich zum ersten Mal eine Zigarette geraucht. Ich wollte wissen, wie es ist. Vor vier Jahren habe ich für zwei Wochen aufgehört zu rauchen. Das war am 1. Mai. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Damals gab es eine grosse Diskussion, dass Clubs und Kneipen rauchfrei werden sollen. Da dachte ich mir, wieso nicht damit aufhören. Aber wie gesagt, lang gehalten hat es nicht. Heute rauche ich knapp eine Schachtel pro Tag. In stressigen Situationen kann es schon mal mehr sein. Mein Ziel ist es, ganz mit dem Rauchen aufzuhören, wenn ich Kinder habe. Wann das sein wird, kann ich heute noch nicht sagen. Rauchen ja oder nein? Diese Frage soll sich jeder selbst stellen und beantworten.