Klimavariabilität Peter Hupfer und Jucundus Jacobeit Deutschland NAO-Index und Temperatur im Januar 1901/10 - 1989/98 Gleitende zehnjährige Monatsmittelwerte 1,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 -2,5 Temperatur -3,0 1980 2000 0,5 0,0 -0,5 -1,0 1900 NAO-Index 1920 1940 °C 1960 Druck-Index und Temperatur im Juli 1901/10 - 1989/98 Gleitende zehnjährige Monatsmittelwerte Jahr °C 1,0 18,0 0,5 17,5 0,0 17,0 -0,5 16,5 -1,0 1900 Druck-Index 1920 Temperatur 1940 1960 1980 16,0 2000 Jahr Dargestellt sind die gleitenden zehnjährigen Monatsmittelwerte der Lufttemperatur (gemittelt über den Gesamtraum Deutschlands) sowie zweier Zirkulationsindizes: für Januar ein standardisierter Index der Nordatlantischen Oszillation (NAO), für Juli ein standardisierter Index, der die Luftdruckschwankungen im südskandinavischen Raum widerspiegelt. Die Werte beziehen sich jeweils auf die Dezennien 1901 - 1910, 1902 - 1911 usw. bis 1989 - 1998. © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 100 90 80 70 60 30 1960 1980 Jahr 70 60 50 40 30 20 1900 Westregion (Köln Kassel - Wittlich Aschaffenburg) 1920 1940 Ostregion (Dessau Spreewald - Zeitz Dresden) 1960 1980 2000 Jahr Dargestellt sind die gleitenden zehnjährigen Monatsmittelwerte des Januar- und Juli-Niederschlags für zwei Beispielsregionen in Deutschland (Westregion: 50 - 51°N und 7 - 9°O, Ostregion: 51 - 52°N und 12 - 14°O). Die Werte beziehen sich jeweils auf die Dezennien 1901 - 1910, 1902 - 1911 usw. bis 1989 - 1998. © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 60 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Klima, Pflanzen- und Tierwelt 50° 6 00 10 Azoren 10 101 10 28 20° 60° 4 101 2 10 1030 06 10 10 1008 1026 40° n. Br. 30° 4 100 10° w. L. 50° 16 40° 10° ö. L. 0° 20° 30° Luftdruckfeld bei negativer Phase der Nordatlantischen Oszillation (NAO) Beispiel Januar 1963 20° 10° 10° 0° 20° 1 01 Island 10 14 30° 1012 8 10 16 10 22 60° 60° 10 10 20 18 1024 50° 50° 1020 40° n. Br. Azoren 10 16 1012 80 20° 994 998 1002 1006 1010 1014 1018 1022 1008 90 99 990 06 100 Island 60° 10° 0° 992 10 10 Niederschlag im Juli 1901/10 - 1989/98 Gleitende zehnjährige Monatsmittelwerte 2000 10° 14 1940 20° 10 mm 1920 Beispiel Januar 1984 10 20 1900 Oszillation (NAO) 22 40 Luftdruckfeld bei positiver Phase der Nordatlantischen 10 50 Bei schwachem oder (wie im Januar 1963 ) sogar negativem Druckgefälle zwischen Azoren und Island besteht die Möglichkeit für Strömungslagen, bei denen im Winter Kaltluft aus Norden oder Osten nach Mitteleuropa geführt wird. Abbildung zeigt für Januar die Schwankungen in einem standardisierten NAO-Index für gleitende zehnjährige Mittelwerte. Dabei wird erkennbar, dass die Temperaturschwankungen über Deutschland ähnliche Verlaufsformen zeigen ( Korrelationskoeffizient r = 0,62), 20 10 mm Ausgewählte Regionen Niederschlag im Januar 1901/10 - 1989/98 Gleitende zehnjährige Monatsmittelwerte nach Ost gerichtet ( S. 14, Abb. 5), gleichzeitig jedoch beträchtlichen Schwankungen unterworfen. Ein häufig verwendetes Maß zu ihrer Beschreibung ist die Nordatlantische Oszillation (NAO), die sich aus der Luftdruckdifferenz zwischen Azorenhoch und Islandtief ermitteln lässt. Ist diese Differenz groß (positive Phase der NAO wie im Januar 1984 ), entwickelt sich über dem Nordatlantik eine kräftige Westströmung, mit der zumeist milde Meeresluft nach Mitteleuropa geführt wird. 24 10 Klima ist als Synthese des Wetters über einen längeren Zeitraum zu begreifen. Betrachtet man verschiedene derartige Zeiträume, ergeben sich meist etwas unterschiedliche klimatische Verhältnisse. In der zeitlichen Abfolge resultiert daraus eine natürliche Variabilität des Klimas, die längerfristige Trends ( Beitrag Rapp/Schönwiese, S. 56) überlagert. Im vorliegenden Beitrag blicken wir auf das 20. Jahrhundert und vergleichen verschiedene jeweils zehnjährige Zeiträume miteinander. Die mittlere Temperaturverteilung über Deutschland im Januar und Juli ist für die jeweils wärmsten bzw. kältesten 10 Jahre des Zeitraums 1901-1998 dargestellt ( bis ). Datengrundlage sind Monatsmittelwerte der Temperatur, die von zahlreichen Messstationen von der Climatic Research Unit in Norwich auf Gitterfelder von 0,5° Kantenlänge umgerechnet worden sind. Im Hochwintermonat Januar zeigt sich zunächst in beiden Dezennien ( und ) mit steigender Kontinentalität das bekannte Temperaturgefälle in Richtung Osten und Südosten, das kälteste und das wärmste Jahrzehnt unterscheiden sich jedoch in den mittleren Temperaturen um bis zu mehr als 5 °C. Im Hochsommermonat Juli sind die Temperaturunterschiede geringer als im Winter, erreichen aber stellenweise noch Werte von 2-3 °C ( und ). Innerhalb des 20. Jhs. hat es also thermisch deutlich kontrastierende Zeitabschnitte gegeben. Bildet man zehnjährige Mittelwerte fortlaufend nach Zeitschritten von jeweils einem Jahr (also für 1901-1910, 1902-1911 etc. bis 1989-1998), wird ein kontinuierlich variabler Temperaturverlauf deutlich. Abbildung zeigt dies für die über Deutschland gemittelten Januar- und Julitemperaturen. Man erkennt, dass sich zusätzlich zur beobachtbaren langfristigen Temperaturzunahme, die v.a. im Winter deutlich ausgebildet ist, immer wieder Zeitabschnitte höherer und niedrigerer Temperaturen abgelöst haben. Sucht man nach Erklärungen für diese Variabilität, ist zu beachten, dass sich das Klima einer Region nicht nur aus den örtlichen Bedingungen der geographischen Lage und des Energiehaushaltes bestimmt, sondern auch durch die Eigenschaften von Luftmassen geprägt wird, die durch die atmosphärische Zirkulation großräumig transportiert werden und dabei in die betreffende Region gelangen können. Dieser Advektionsanteil ist für Deutschland ein äußerst wirksamer Klimafaktor und in erster Linie die Ursache für die beobachtete Klimavariabilität. Über Mitteleuropa ist die atmosphärische Zirkulation im Mittel von West 1018 20° 10° w. L. 101 8 0° 10° ö. L. 20° 40° 30° Mittlerer monatlicher Luftdruck 1010 1018 10 hPa - Isobare 2 hPa - Isobare © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 Hochdruckgebiet Tiefdruckgebiet Autoren: P. Hupfer, J. Jacobeit Wärmstes Dezennium (1988 -1997) des Zeitraums 1901 - 1998 nach den Januartemperaturen Kältestes Dezennium (1938 -1947) des Zeitraums 1901 - 1998 nach den Januartemperaturen Zehnjährige Monatsmittelwerte der Lufttemperaturen Zehnjährige Monatsmittelwerte der Lufttemperaturen 55° 55° O O Inn 12° -1,0 -3, 0 Sa ale -3,0 Dresden -4,0 L a be (Elbe) Main -5,0 Mainz Nürnberg -2,0 Saarbrücken Regensburg Stuttgart u na Do -4,0 49° -1 , 13° -2 ,0 0 ,0 Frankfurt a.M. Inn München -3 ,0 Freiburg i. Br. -6, 0 -5,0 7° ö. L. 14° Wärmstes Dezennium (1986 -1995) des Zeitraums 1901 - 1998 nach den Julitemperaturen 8° Rh ein 11° Erfurt -2,0 -3,0 10° Leipzig Kassel Köln 48° n. B. ,0 -1 9° 10° --7,0 11° Inn 12° 13° 14° Kältestes Dezennium (1907 -1916) des Zeitraums 1901 - 1998 nach den Julitemperaturen Zehnjährige Monatsmittelwerte der Lufttemperaturen Zehnjährige Monatsmittelwerte der Lufttemperaturen 55° 55° 0 8° 9° 10° 11° 12,0 Inn 12° se r We o 18,0 13° Mainz Saarbrücken 49° 18,0 48° n. B. 16,0 14,0 14° 7° ö. L. Nürnberg schwächer. Allerdings fällt im Juli die Veränderlichkeit in der Ostregion (sOst = 13,6 mm) wesentlich stärker aus als in der Westregion (sWest = 4,1 mm). Exzeptionelle Anomalien lassen es in den 1950er Jahren im Osten sogar zu höheren Niederschlägen kommen als im Westen. Dagegen fallen die Niederschlagswerte im Osten in den darauf Autoren: P. Hupfer, J. Jacobeit folgenden Jahrzehnten deutlich unter das weitgehend gleichbleibende Niveau der Westregion, so dass die beiden Reihen auf Dezennienbasis keine signifikante Korrelation mehr zeigen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei den Niederschlagsschwankungen in Deutschland erhebliche regionale Unterschiede auftreten. L abe (Elbe) 18, 0 Regensburg 16,0 9° ,0 Stuttgart nau Do Freiburg i. Br. 8° 15 10° Inn München 13,0 11° 14,0 0 15, Inn 0 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2003 1 8, 0 Sa ale Frankfurt a.M. Inn 17,0 7° ö. L. M 1 7 ,0 19,0 Mo selle E S Sa ale 18 l se Rhe in 19 , 16 s aa 18,0 19 , 0 München 1 7,0 ,0 nau Do Freiburg i. Br. 50° (Molda u ) Stuttgart Dresden Erfurt va Vlta Regensburg 51° Köln Leipzig in 48° n. B. Nürnberg (Molda u ) 1 9,0 va Vlta Saarbrücken 49° Kassel Ma Mainz Dortmund Essen 17, 0 Mai n M ,0 18 Frankfurt a.M. o Odra Elbe 1 7, 0 ,0 M ,0 L abe (Elbe) Potsdam Magdeburg iße 19 ,0 Hannover Bielefeld 52° rta Wa ) he ( W art BERLIN Lau s . Ne 19,0 Erfurt 18 Dresden O 1 6, 0 Leipzig Kassel El b e Bremen 53° ein Rh 51° Köln Elbe iße Dortmund Essen Lau s . Ne M Odra Magdeburg er 52° Potsdam Hannover We s Bielefeld E E Rostock l rta Wa ) he ( W art BERLIN S Hamburg Rhe in d er O 19,5 19,0 18,5 18,0 17,5 17,0 16,5 16,0 15,5 15,0 14,5 14,0 13,5 13,0 12,5 12,0 11,5 11,0 10,5 10,0 9,5 9,0 R N O D 17,0 19 ,0 Bremen 53° El b e T Kiel se in °C s Rostock Hamburg 54° 16 D aa Kiel Mo selle S E E E E E S S ,0 R N O T 17 ,0 54° O O S 50° Odra Elbe 0 0,0 1,0 Rh ein 9° 50° Potsdam Magdeburg ein 0,0 ein Rh 8° 51° Rh M os el 0 2, 2,0 7° ö. L. Dortmund Essen s aa M Inn München Freiburg i. Br. Bielefeld (Moldau) 48° n. B. 52° va Vlta u na Do 0 -1, 1,0 (Moldau) Stuttgart Regensburg Hannover We s -5,0 Nürnberg 49° Od er Warta e) (Warth BERLIN -6,0 va Vlta selle L a be (Elbe) Main Mainz Saarbrücken Mo Sa ale 3,0 0 0, Frankfurt a.M. 0,0 e iße Erfurt Köln Elb Lau s . Ne Dresden Rostock Bremen ei n Rh Leipzig Kassel 2,0 50° iße 1,0 Dortmund Essen s aa M Elbe E E Hamburg er Bielefeld Odra Lau s . Ne er 52° Potsdam Magdeburg D M os el Hannover We s S Kiel 53° selle Od er Warta e) (Warth 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 -2,5 -3,0 -3,5 -4,0 -4,5 -5,0 -5,5 -6,0 -6,5 -7,0 R N O in °C 2,0 e T E 54° BERLIN 51° E 2,0 1,0 Elb Bremen 53° ein Rh von den Schwankungen der NAO also erheblich beeinflusst werden. Im Sommer ist dieser Einfluss viel geringer. Jetzt bestimmen eher die Luftdruckschwankungen im südskandinavischen Raum (in Abb. durch einen standardisierten Druckindex repräsentiert) den Verlauf der Julitemperaturen in Deutschland (r = 0,51): Es ist tendenziell wärmer (kühler) bei höherem (tieferem) Druck über Südskandinavien. Allerdings kann dieser Zusammenhang zwischenzeitlich auch nicht bestanden haben, wie es die Zeit um 1930 zeigt. Das räumlich und zeitlich veränderlichste Klimaelement ist der Niederschlag. Auch er hängt von der atmosphärischen Zirkulation ab, wird aber durch Kontinentalitätsgrad, Reliefeinfluss und lokale Faktoren räumlich besonders stark differenziert ( Beiträge Klein/Menz, S. 42-47 und Endlicher/Hendl, S. 32). Um die Variabilität des Niederschlags zu verdeutlichen, werden daher gleitende zehnjährige Mittelwerte des Januar- und Juli-Niederschlags für eine West- und eine Ostregion dargestellt : das im RheinMain-Gebiet gelegene Gitterfeld von 50-51°N und von 7-9°O sowie das sich südlich von Berlin erstreckende Gitterfeld von 51-52°N und von 12-14°O. Im Januar ist bei einem einigermaßen parallelen Verlauf der beiden Kurven (Korrelationskoeffizient r = 0,51) ein durchgängig niedrigeres Niederschlagsniveau in der Ostregion zu sehen (Mittelwerte von 61 bzw. 38 mm). Die zeitliche Veränderlichkeit ist in der Westregion höher ( Standardabweichung sWest = 7,0 mm, sOst = 4,7 mm), insbesondere kommen dort die niederschlagsreicheren Phasen um die 1930er und 1980er Jahre prägnanter zum Ausdruck. Die mittleren Werte für Juli liegen mit 71 mm (West) und 64 mm (Ost) deutlich über den Januar-Werten, wie es für kontinentalere Lagen charakteristisch ist. Der Unterschied zwischen den Regionen ist meist Rostock 2,0 Standardabweichung – Streuungsmaß s einer statistischen Verteilung als algebraische Funktion aller Messwerte der Verteilung in Beziehung zum arithmetischen Mittel D Hamburg ei n Rh Korrelationskoeffizient – statistisches Maß r für einen linearen Zusammenhang zwischen zwei voneinander unabhängigen Verteilungen. Die Werte von r liegen zwischen –1 und +1, wobei –1 einen maximalen negativen Zusammenhang, +1 einen maximalen positiven Zusammenhang und 0 gar keinen Zusammenhang bedeutet. Alle hier angegebenen Korrelationskoeffizienten sind mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% von Null verschieden und somit signifikant. R N O Advektion – horizontale Zufuhr von Luftmassen E E Kiel S 54° S S Mo E E T S S d er 12° 50 13,0 12,0 0 , 13° 1 1 14° 100 150 200 km Maßstab 1 : 8 500 000 Die Lufttemperatur variiert wesentlich gleichförmiger und lässt dabei deutlicher den Einfluss atmosphärischer Zirkulationsschwankungen erkennen. Klimavariabilität 61