01.09.2010 Friedel Bolle, Claudia Vogel Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen SS 2010 Spieltheorie und Anwendungen 1. Spiele mit simultanen und sequentiellen Zügen − Informationsmengen − Normalform vs. extensive Form − Nash-Gleichgewicht vs. Rückwärtsinduktion − Teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht 2. Spiele mit gemischten Strategien − Einleitung − Nash-Gleichgewichte in gemischten Strategien Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 2 1 01.09.2010 Spiele mit simultanen und sequentiellen Zügen • Bisher: 1. Sequentielle Spiele mit vollkommener Information (extensive Form, Spielbaum, Rückwärtsinduktion…) 2. Spiele mit simultanen Zügen (strategische Form, Auszahlungsmatrix, Nash-Gleichgewicht…) • Jetzt: – Spiele mit simultanen und sequentiellen Zügen Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 3 Informationsmengen • • • Das wesentliche an simultanen Zügen ist nicht, dass sie tatsächlich gleichzeitig stattfinden, sondern dass es keine Möglichkeit für einen der Spieler gibt, auf die simultanen Entscheidungen der anderen zu reagieren. Dies ist der Ausgangspunkt für die Darstellung simultaner Züge in Spielbäumen. Die Idee ist: − Willkürlich eine Reihenfolge der simultanen Entscheidungen festzulegen − diese im Spielbaum darzustellen und − durch Informationsmengen darzustellen, dass ein Spieler über die simultanen Züge anderer Spieler nicht informiert ist. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 4 2 01.09.2010 Informationsmengen Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 5 Externe Unsicherheit Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 6 3 01.09.2010 Normalform vs. Extensive Form • Sequentielle Spieler werden zu simultanen Spielen, wenn die Spieler die Züge ihrer Gegner nicht mehr beobachten können. • Simultane Spiele werden sequentiell, wenn einer der Spieler in der Lage ist, den Zug des anderen zu beobachten und darauf zu reagieren. • Jede Änderung der Spielregel führt zu einem anderen Ergebnis des Spiels. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 7 Beispiel 1: Keine Ergebnisänderung 1/2 Wife CONFESS DENY (Defect) (Cooperate) CONFESS (Defect) Husband DENY (Cooperate) 10yr, 10yr 1yr, 25yr 25yr, 1yr 3yr, 3yr Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 8 4 01.09.2010 Beispiel 1: Keine Ergebnisänderung 2/2 Sequentielles Spiel: Husband zieht zuerst Wife zieht zuerst Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 9 Beispiel 2: First-mover advantage 1/2 Dean James Swerve (Chicken) Straight (Tough) Swerve (Chicken) Straight (Tough) 0, 0 -1, 1 1, -1 -2, -2 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 10 5 01.09.2010 Beispiel 2: First-mover advantage 2/2 Sequentielles Spiel: James zieht zuerst Dean zieht zuerst Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 11 Beispiel 3: Second-mover advantage 1/2 Navratilova Evert DL CC DL 50,50 80,20 CC 90,10 20,80 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 12 6 01.09.2010 Beispiel 3: Second-mover advantage 2/2 Sequentielles Spiel: Evert zieht zuerst Navratilova zieht zuerst Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 13 Beispiel 4: Verbesserung für Beide 1/2 Federal Reserve Low interest High interest rates rates Budget Balance Congress Budget Deficit 3, 4 1, 3 4, 1 2, 2 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 14 7 01.09.2010 Beispiel 4: Verbesserung für Beide 2/2 Sequentielles Spiel: Congress zieht zuerst Fed zieht zuerst Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 15 Nash-Gleichgewicht vs. Rückwärtsinduktion 1/3 Federal Reserve Congress Low High if B if B Low, High, High Low Low High if D if D Balance 3,4 1,3 3,4 1,3 Deficit 2,2 4,1 4,1 2,2 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 16 8 01.09.2010 Nash-Gleichgewicht vs. Rückwärtsinduktion 2/3 • Jede Rückwärtsinduktionslösung in einem Spiel mit perfekter Information ist auch ein Nash-Gleichgewicht. Aber nicht jedes NashGleichgewicht in einem solchen Spiel ist auch eine Rückwärtsinduktionslösung. • Die Analyse in der strategischen Form geht davon aus, dass die Spieler sich zu Beginn des Spieles auf ihre Strategien festlegen. In einem Nash-Gleichgewicht hat kein Spieler einen Anreiz von seiner Strategiewahl abzuweichen falls alle Spieler sich an ihre Strategien halten. In einer Rückwärtsinduktion wird zusätzlich überprüft, ob die Entscheidungen der Spieler nach jedem möglichen Verlauf des Spiels optimal sind. • • Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 17 Nash-Gleichgewicht vs. Rückwärtsinduktion 3/3 • Welches Lösungskonzept sollte man verwenden? − Nash-Gleichgewichte, die nicht einer Rückwärtsinduktion entsprechen, beruhen auf unglaubwürdigen Drohungen. Rationale Spieler werden die Unglaubwürdigkeit solcher Drohungen durchschauen. Schlussfolgerung: Betrachte nur die Rückwärtsinduktionslösung. − Das Konzept der Rückwärtsinduktion unterstellt ein Übermaß an Rationalität und Kenntnis der Spielsituation. Das Konzept des Nash-Gleichgewichts ist hier robuster. Schlussfolgerung: Betrachte alle Nash-Gleichgewichte und entscheide im Einzelfalle, o es gute Argumente gibt, eines oder mehrere zu eliminieren. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 18 9 01.09.2010 Weitere Definitionen • Außerhalb des Gleichgewichtspfades heißt, dass der gewählte Weg bei den gewählten Strategien der Spieler nicht erreicht werden kann. • Eine Strategiekombination ist ein teilspielperfektes NashGleichgewicht wenn sie in jedem Teilspiel ein Nash-Gleichgewicht induziert. Strategien müssen auch außerhalb des Gleichgewichtspfades optimal sein. Die Weiterführung der Strategie muss für jeden Spieler in jedem Teilspiel die beste Antwort auf die Strategie seiner Mitspieler sein. • • Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 19 Beispiel Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 20 10 01.09.2010 Teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht • In einem teilspielperfekten Nash-Gleichgewicht ist die Strategie jedes Spielers optimal, gegeben die Strategien der anderen Spieler im gesamten Spiel. − Optimal in allen Teilspielen, welche erreicht werden, wenn die Spieler ihre Strategien befolgen − Optimal auch in allen Teilspielen, welche nicht erreicht werden, wenn die Spieler ihre Strategien befolgen. • Jedes extensive Spiel mit perfekter Information hat ein teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 21 Beispiel: Kampf der Geschlechter 1/2 • • • • Zwei Spieler: Harry und Sally Sie müssen wählen, was sie am Abend unternehmen. Harry kommt als erster zum Zug und entscheidet, ob er zu Hause fernsieht oder ausgeht. Wenn er entscheidet auszugehen, müssen beide Spieler simultan entscheiden, ob sie ein Fußballspiel oder das Ballett besuchen. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 22 11 01.09.2010 Beispiel: Kampf der Geschlechter 2/2 H TV Sally ausgehen 2 2 F B (ausgehen, F) 3,1 0,0 (ausgehen, B) 0,0 1,3 (TV, F) 2,2 2,2 (TV, B) 2,2 2,2 H F B S Harry S F B F 3 0 1 0 B 0 1 0 3 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 23 Analyse des zweiten Teilspiels H TV Sally ausgehen 2 2 F B F 3,1 0,0 B 0,0 1,3 H F S F Harry B S B 3 0 1 0 F B 0 1 0 3 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 24 12 01.09.2010 Schlussfolgerung aus der Analyse des zweiten Teilspiels Ergebnis im letzten Teilspiel (F,F) Ergebnis im letzten Teilspiel (B,B) H TV 2 2 H ausgehen 3 1 TV 2 2 ((ausgehen, F),F) ist ein teilspielperfektes Gleichgewicht ausgehen 1 3 ((TV,B),B) ist ein teilspielperfektes Gleichgewicht Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 25 Finden teilspielperfekter Gleichgewichte • Es gibt zwei teilspielperfekte Gleichgewichte: − ((ausgehen,F),F) − ((TV,B),B) • Das Nash-Gleichgewicht ((TV,F),B) ist nicht teilspielperfekt: (F,B) ist kein Nash-Gleichgewicht im letzten Teilspiel. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 26 13 01.09.2010 Spieltheorie und Anwendungen 1. Spiele mit simultanen und sequentiellen Zügen − Informationsmengen − Normalform vs. extensive Form − Nash-Gleichgewicht vs. Rückwärtsinduktion − Teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht 2. Spiele mit gemischten Strategien − Einleitung − Nash-Gleichgewichte in gemischten Strategien Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 27 Gemischte Strategien • Reine Strategie: eine Aktion, die einem Spieler zur Verfügung steht • Gemischte Strategie: eine Mischung der reinen Strategien. Jede reine Strategie wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gewählt. • Erwartete Auszahlung einer gemischten Strategie: mathematische Erwartungswert der Auszahlungen Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen der 28 14 01.09.2010 Beispiel x Spieler 2 y z a 4,10 1,0 1,3 b 7,0 0,10 10,3 Spieler 1 Erwartete Auszahlung für „Münze“ von Spieler 2, wenn Spieler 1 a spielt: E=0.5×10+0.5×0 =5 Erwartete Auszahlung für „Münze“ von Spieler 2, wenn Spieler 1 b spielt: E=0.5×0 +0.5×10=5 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 29 Beste Antworten 1/3 Spieler 2 p Spieler 1 x y (1-p) a q 4,10 1,0 b (1-q) 7,0 0,10 Erwartungswert von Spieler 2: E1=10pq +0(1-p)q +0p(1-q) +10(1-p)(1-q) =20pq-10p-10q+10 Erwartungswert von Spieler 1: E2=4pq+1(1-p)q+7p(1-q) +0(1-p)(1-q) = - 4pq+7p+q Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 30 15 01.09.2010 Beste Antworten 2/3 Beste Antwort von Spieler 2 auf q von Spieler 1: E1=p(20q-10)-10q+10 q>0.5 (20q-10)>0 beste Antwort: p=1 q=0.5 (20q-10)=0 beste Antwort: jedes p q<0.5 (20q-10)<0 beste Antwort: p=0 Beste Antwort von Spieler 1 auf p von Spieler 2: E2=q(- 4p+1)+7p p<0.25 (- 4p+1)>0 beste Antwort: q=1 p=0.25 (- 4p+1)=0 beste Antwort: jedes q p>0.25 (- 4p+1)<0 beste Antwort: q=0 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen q 31 Beste Antworten 3/3 1 Spieler 2: q<0.5 Nash Gleichgewicht 0,5 0,25 0,5 1 p=0 q=0.5 jedes p q>0.5 p=1 Spieler 1: p<0.25 q=1 p=0.25 jedes q p>0.25 q=0 p Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 32 16 01.09.2010 Gemischte Strategien in Chicken Dean James ausweichen q ausweichen p 0,0 geradeaus (1-q) 1,-1 geradeaus (1-p) -1,1 -2,-2 Erwartungswert von DEAN: ED=0pq +1(1-p)q -1p(1-q) -2(1-p)(1-q) =p(1-2q)+3q-2 Erwartungswert von JAMES: EJ=0pq -1(1-p)q +1p(1-q) -2(1-p)(1-q) = q(1-2p)+3p-2 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 33 Beste Antworten 1/2 Beste Antwort von DEAN auf q von JAMES: ED= p(1-2q)+3q-2 q<0.5 (1-2q)>0 beste Antwort: p=1 q=0.5 (1-2q)=0 beste Antwort: jedes p q>0.5 (1-2q)<0 beste Antwort: p=0 Beste Antwort von JAMES auf p von DEAN: E2=q(1-2p)+3p-2 p<0.5 (1-2q)>0 beste Antwort: q=1 p=0.5 (1-2q)=0 beste Antwort: jedes q p>0.5 (1-2q)<0 beste Antwort: q=0 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 34 17 01.09.2010 q Beste Antworten 2/2 1 DEAN: q<0.5 p=1 q=0.5 jedes p q>0.5 p=0 0,5 JAMES: p<0.5 q=1 p=0.5 jedes q p>0.5 q=0 0,5 1 p Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 35 Allgemein 1/2 Spieler 2 p Spieler 1 x y (1-p) a q α,a β,b b (1-q) γ,c δ,d Erwartungswert für Spieler 2: E1=apq+b(1-p)q+cp(1-q)+d(1-p)(1-q) =p[qa-qb+(1-q)c-(1-q)d]+qb+(1-q)d Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 36 18 01.09.2010 Allgemein 2/2 Beste Antwort von Spieler 2 auf (q, 1-q) von Spieler 1 E1=p[qa-qb+(1-q)c-(1-q)d]+qb+(1-q)d p= 1 für […]>0 jedes für […]=0 0 für […]<0 Analog für Spieler 1. Indifferenzkriterium: Eine gemischte Strategie erfordert für beide Spieler, dass Sie zwischen ihren Strategien indifferent sind […]=0 Lösen von […]=0 für p bzw. q führt zu folgenden Formeln: p= δ-β α-β-γ+δ q= d-c a-b-c+d Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 37 Beispiel von oben Spieler 2 p Spieler 1 p= q= δ-β α-β-γ+δ d-c a-b-c+d x y (1-p) a q 4 α,10 a 1 β,0 b b (1-q) 7 γ,0 c 0 δ,10 d = 0-1 4-1-7+0 =0.25 Spieler 2: (0.25,0.75) =0.5 Spieler 1: (0.5,0.5) = 10-0 10-0-0+10 Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 38 19 01.09.2010 Anmerkungen zu Nash-Gleichgewichten in Gemischten Strategien • Jedes endliche Spiel mit simultanen Zügen besitzt mindestens ein Nash-Gleichgewicht in gemischten Strategien. − „endlich“ bedeutet, dass es eine endliche Anzahl von Spielern gibt, die jeweils über eine endliche Anzahl von Aktionen verfügen. − Auch ein Nash-Gleichgewicht in reinen Strategien ist ein NashGleichgewicht in gemischten Strategien. • Eigenschaften eines Nash-Gleichgewichts in gemischten Strategien: − Jeder Spieler ist zwischen seinen Handlungen indifferent (er kann sich aber nicht strikt verbessern). − Die Spieler wählen eine Strategie, welche den Gegner indifferent macht zwischen seinen Aktionen. Friedel Bolle, Claudia Vogel: Spieltheorie mit sozialwissenschaftlichen Anwendungen 39 20