Welternährung und Klimawandel – ein komplexes Problem

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J. Verbr. Lebensm. 4 (2009): 34 – 38
1661-5751/09/010034-5
DOI 10.1007/s00003-009-0426-0
© Birkhäuser Verlag, Basel, 2009
Journal für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Journal of Consumer Protection and Food Safety
Welternährung und Klimawandel – ein komplexes Problem
P. Brandt
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Berlin
Korrespondenz an: Prof. Dr. Dr. Peter Brandt, BVL, Redakteur des JVL und der BVL-Reporte,
Wissenschaftliche Redaktionsgruppe, Mauerstraße 39 – 42, D-10117 Berlin, Germany,
Tel.: +49 30-18-444-00300, Fax: +49 30-18-444-89999, E-mail: [email protected]
Eingegangen: 8. Januar 2009
Die Sicherstellung der Ernährung aller Menschen weltweit
scheint – nur vordergründig aus ökonomischer Sicht betrachtet – wie bei jeder Ware von dem Angebot von Lebensmitteln und der Nachfrage nach ihnen abzuhängen. Sicher
sind das zwei wesentliche Aspekte zur Beurteilung der Versorgungslage der Bevölkerung, sie allein sind jedoch bei weitem nicht hinreichend. So wird die Entwicklung des Angebots
von Lebensmitteln u. a. von der Größe der Anbauflächen und
deren Bodenqualitäten, der Flächenproduktivität und den
klimatischen Bedingungen bestimmt; die Nachfrage nach
Lebensmitteln wird u. a. durch des persönliche Einkommen
(USDA, 2008), die geforderten Preise1, die bevorzugten Essgewohnheiten2 (bzw. deren Wandel), die regionale Verfügbarkeit der Lebensmittel sowie durch die Größe und weitere
Entwicklung der Bevölkerung weltweit wie auch in spezifischen Regionen bestimmt. Diese Wechselbeziehung würde
eigentlich unproblematisch sein können, solange auch bei
wachsender Weltbevölkerung stets genügend landwirtschaftliche Anbaufläche sowie genügend Ressourcen zur
Verteilung und Erwerb der auf diesen Anbauflächen produzierten Lebensmittel zur Verfügung stehen würden.
Dieser wünschenswerte Idealzustand wurde jedoch in der
Vergangenheit – global betrachtet – wenn überhaupt, dann
aus sehr unterschiedlichen Gründen nur in bestimmten Regionen der Erde erreicht. Auch für die Zukunft erscheint eine
positive Wende in dieser Hinsicht aus heutiger Sicht mehr
denn je als nicht erreichbar. Gravierende Gründe dafür sind –
bei weiterhin unvermindertem Anstieg der Weltbevölkerung
1
2
In jngster Zeit sind die Preise fr Weizen, Mais und andere Grundnahrungsmittel nicht nur durch unzureichendes Angebot und große Nachfrage, sondern
zustzlich noch durch spekulative Geldgeschfte stark gestiegen (ref. Pace et
al., 2008).
Global zeichnet sich eine rasante nderung der Ernhrungsgewohnheiten ab
(„nutrition transition“); es werden zunehmend „moderne“, hochverarbeitete
Lebensmittel verzehrt, whrend herkçmmliche Zubereitungsformen in Vergessenheit geraten. Es ist abzusehen, dass im Jahr 2030 in den Entwicklungslndern
der Fleischkonsum/Person auf 37 kg steigt (10 kg im Jahr 2000) (FAO, 2002).
Unter anderem auch deshalb erwartet die FAO (2002), dass die weltweite Nahrungsmittelproduktion bis zu diesem Zeitpunkt verdoppelt werden muss.
– die Folgen des jetzt als evident angesehenen globalen Klimawandels und seiner anthropogenen Ursachen. Deshalb
wächst u. a. die Einsicht, (i) drastische Maßnahmen zur Minimierung der CO2-Produktion (und anderer „Atmosphäre
schädigender“ Gase) zu ergreifen, (ii) die Produktion von
Kraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen zu forcieren, (iii)
alternative Energiequellen vermehrt und effizienter zu nutzen
und (iv) nach Möglichkeiten zu suchen, auf den aufgrund der
Klimawandels noch verfügbaren Anbauflächen dennoch
möglichst ertragreich landwirtschaftliche Kulturpflanzen anbauen zu können3. Es erscheint durchaus angezeigt, bei dieser
komplexen Ausgangslage im Detail Teilaspekte zu hinterfragen und dann auch nicht konformen Ansichten Gehör zu
schenken. Es kann aber nicht das Ziel dieser kurzen Einführung sein, die best-möglichen Lösungsansätze aufzuzeigen.
In dem Zeitraum von 1964 bis 2004 hat sich die Weltbevölkerung auf etwa 6,6 Milliarden Menschen verdoppelt und
soll bis zum Jahr 2050 weiter auf über 9 Milliarden anwachsen
(United Nations, 2004). Steigender Wohlstand, insbesondere
in Indien und China, vergrößert den Bedarf an Energie und
Mobilität. Ausgehend von 900 Millionen Fahrzeugen weltweit
im Jahr 2000 wird ein Bestand von 2 Milliarden Fahrzeugen für
das Jahr 2050 prognostiziert (World Business Council for Sustainable Development, 2004). In dieser Hinsicht erscheint
derzeit der Vorrat an fossilen Brennstoffen (Öl, Kohle und Gas)
und für die Zukunft – aus verschiedenen Gründen – als problematisch. Die Folge sind u. a. hohe Ölpreise, von denen die
Staaten der Dritten Welt vorrangig betroffen sind; manche
von ihnen müssen deshalb erhebliche Summen für Brennstoffe ausgeben (United Nations, 2007). Sicherlich auch deshalb hat zum Beispiel Brasilien seinen Benzinverbrauch um
3
Es sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass hier im Folgenden aufgrund der
programmatischen Zielsetzung des JVL grundstzlich weder auf die Thematik
der verschiedenen Formen der Gewinnung von Primrenergie noch auf die Implikationen der konventionellen Landwirtschaft, der Landwirtschaft nach çkologischen Prinzipien oder des landwirtschaftlichen Anbaus gentechnisch vernderter Pflanzen eingegangen werden wird.
Welternährung und Klimawandel – ein komplexes Problem
etwa 15 % durch Bioäthanol ersetzt4. Andererseits bedeutet die
Produktion von Biokraftstoffen zusätzlichen Gewinn für landwirtschaftliche Betriebe, die den bisherigen Verfall der Herstellerpreise landwirtschaftlicher Produkte umkehrt (mit
durchaus positivem Effekt auf den Subventionsbedarf der
Landwirtschaft).
Es wird jetzt nicht mehr in Frage gestellt, dass es zu einer
über die üblichen Variationen hinausgehenden Erderwärmung kommen wird (Kerr, 2006; Solomon et al., 2007; Rosenzweig et al., 2008). Während der vergangenen 100 Jahre ist
die globale Durchschnittstemperatur um ca. 0,74 oC gestiegen
und es wird für das Jahr 2010 eine höhere Erwärmung von 1,8
bis 3,9 oC prognostiziert (Solomon et al., 2007). Die fünf
wärmsten Jahre seit 1890 waren 1998, 2002, 2003, 2004 und
2005 (NASA, 2006). Das bedeutet mehr heiße Tage und Hitzewellen, Abnahme an kalten Tagen (weniger Bodenfrost und
Kältewellen), Zunahme von Trockenheit in Äquator-nahen
Regionen (Li et al., 2008) und Zunahme der Niederschläge in
Äquator-fernen Landstrichen.
Dieser fortschreitende Klimawandel hätte weit reichende
Folgen in vielen Bereichen der Umwelt. Durch ihn würde z. B.
die Vermehrung von Stechmücken und Zecken begünstigt
werden und damit die weltweite Zunahme der Übertragung
von Malaria, Dengue, Chargas-Krankheit, Borreliose und FSME
(Harrus und Baneth, 2005; Hemmer et al., 2007). Eisen (2008)
konnte die klimabedingte, nördliche Ausweitung des Lebensraumes der Zecken Ixodes ricinus in Schweden bzw. Dermacentor andersoni in den Rocky Mountains nachweisen.
Schon jetzt sind Folgen des Klimawandels beleg- und für
die Zukunft absehbar; so waren durch die Hitzewelle im Jahr
2003 insgesamt 15.000 Menschen in Frankreich betroffen
(WHO, 2003). Für Populationen von Pteropus poliocephalus
bzw. Pteropus alecto (Fliegende Hunde) berichten Welbergen
et al. (2008) bei Hitzewellen von bis zu 42 oC in Australien von
über 3.500 Todesfällen, wobei überwiegend weibliche und
junge Tiere von Pteropus alecto betroffen waren. Das Zurückweichen der Permafrost-Regionen in den Hochgebirgen, das
damit verbundene Nachrücken der Vegetation, aber auch die
erhöhte Erosionsgefahr sind sicherlich durch die Medien allseits bekannt gemacht worden. Analog dazu wird ein Vorrücken der Baumgrenze gen Norden in Russland (MacDonald
und Kremenetski, 2008), das Abschmelzen der Gletscher auf
Grönland (Steffensen et al., 2008) und in der Antarktis (McClintock et al., 2008) sowie die klimawechselbedingten Veränderungen der physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften von hochalpinen Seen im Banff National
Park in Kanada (Parker et al, 2008) beschrieben.
Es steht jetzt außer Frage, dass der Klimawandel seit 1970
mit hoher Wahrscheinlichkeit anthropogenen Ursprungs ist.
Rosenzweig et al. (2008) haben diesen Klimawandel insbesondere für die einzelnen Landregionen mit statistischen
Daten der letzten 35 Jahre belegt. Da davon ausgegangen
werden kann, dass allgemein bekannt ist, wie die CO2-Produktion durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wesentlich zu dem Klimawechsel beträgt (Topping, 2007), soll hier in
Kürze auf zwei weitere Komponenten anthropogenen Ursprungs hingewiesen werden, die zum Klimawandel beitragen (Koneswaran und Nierenberg, 2008). Dies sind CH4 und N2
O, die – im Vergleich zu CO2 – einen 23fachen bzw. 296fachen
negativen Einfluss auf das Klima haben sollen (Paustian et al.,
2006; Steinfeld et al., 2006). Beträgt der Anteil der CO2-Emission aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung nur 9 %, so liegt
der Anteil der Methan-Emission durch die landwirtschaftliche
Tierhaltung bei 35 bis 40 % (86 Mill. t) und der Anteil der N2OEmission bei 65 % (Steinfeld et al., 2006). Koneswaran und
Nierenberg (2008) weisen darauf hin, welche ernsten gesellschaftlichen Konflikte in solchen Regionen schon jetzt entstehen, in denen aufgrund der mit dem Klimawandel einhergehenden Versteppung ganzer Landstriche landwirtschaftliche Tierhaltung erschwert wird oder nicht mehr möglich ist
(UNEP, 2007).
Die Landwirtschaft hat aber nicht nur durch die Tierhaltung und der damit verbundenen Emission von CO2, CH4 und
N2O ursächlich Anteil am Klimawandel, sondern trägt selbst
jetzt noch zu einer Verstärkung des Klimawandels bei. Wenn
zum Beispiel in Malaysia, Indonesien und Brasilien Regenwälder gerodet werden, um auf den gewonnenen Flächen Soja
oder Palmen anzubauen, deren Pflanzenmaterial für die Produktion von Biodiesel verwendet werden soll, so ist dieses
Vorgehen im Sinne einer Minderung des Klimawandels kontraproduktiv. Regenwälder speichern große Mengen an Kohlenstoff; werden sie gerodet, wird dieser Kohlenstoff freigesetzt. Die nachfolgenden Plantagen mit Soja oder Ölpalmen
speichern aber bei weitem weniger Kohlenstoff. Studien
haben gezeigt, dass – unter Berücksichtigung all dieser Aspekte – Biodiesel aus Palmöl drei- bis zehnmal soviel CO2
emittiert im Vergleich zu der Verbrennung der entsprechenden Menge eines fossilen Brennstoffes (Reijinders und Huijbrechts, 2006). Die Bilanz für Biodiesel aus Soja ist noch
schlechter, da Soja weniger Öl enthält und weniger Kohlenstoff speichert als Ölpalmen.
In analoger Weise schlägt natürlich auch die Urbarmachung von Torfmooren, Feuchtgebieten und Brachflächen
negativ in der CO2-Bilanz zu Buche, wenn diese Rodungsflächen nachfolgend für den Anbau von landwirtschaftlichen
Nutzpflanzen zur Biodieselproduktion genutzt werden. Aber
auch der hohe Einsatz von Energie zur Produktion der in der
konventionellen Landwirtschaft verwendeten Düngemittel
sollte Eingang finden in die CO2-Bilanz der unter diesen Bedingungen produzierten Lebensmitteln aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen.
Wenn auf gleich großer oder sogar noch verminderter
Anbaufläche5 in Zukunft für immer mehr Menschen dennoch
genug Nahrungsmittel erzeugt werden sollen, so muss – bei
gleichzeitiger Schonung des Klimas – die Landwirtschaft intensiviert werden. Nach Berechnungen der Welternährungsorganisation FAO (Schmidhuber und Tubiello, 2007) ist davon
auszugehen, dass bis zur zweiten Hälfte des Jahrhunderts zwar
weite Ackerflächen durch die Folgen der Klimaerwärmung
nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sein werden, dass dafür
4
5
Die Washington Post schtzt diesen Wert sogar auf 40 % (20/08/07).
Vermindert durch die Anbauflchen fr nachwachsende Rohstoffe.
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P. Brandt
aber in den nördlichen, feuchten Breiten (Kanada, Skandinavien, Mongolei, Russland) sowie im südlichen Argentinien
bereits vorhandene sowie – klimatisch bedingt – neue Anbauflächen für eine effizient betriebene Landwirtschaft zur
Verfügung stehen werden6. Summarisch würden also die
durch den Klimawandel bedingten Verluste ausgeglichen;
jedoch bleibt das – dann noch verstärkte – Problem der globalen Lebensmittelverteilung. So wird für das Jahr 2080 geschätzt, dass in Folge des Klimawandels zusätzliche bis zu 170
Mill. Menschen nicht genügend Lebensmittel zur Verfügung
haben werden (Schmidhuber und Tubiello, 2007).
Die Folgen des Klimawandels für Flora und Fauna sind
bereits evident (Kelly und Goulden, 2008; ref. Visser, 2008). Es
gibt Belege sowohl für phenologische Veränderungen (zeitliche Veränderungen der Vegetationsperioden, früheres Laichen von Fröschen und Kröten, frühere Rückkehr der Zugvögel, frühere Eiablage bei Insekten und Vögeln) als auch für
räumliche Verschiebungen (Veränderungen im regionalen
Vorkommen von Schmetterlingen, Verlagerung der Brut- und
Überwinterungsgebiete von Vögeln nach Norden). Weniger
gut belegt sind bislang die durch den Klimawechsel bedingten
Veränderungen z. B. in der Körpergröße von Vögeln und die –
damit möglicherweise verbundene – Veränderung im Wettkampf zwischen verschiedenen Spezies7.
Eingedenk einer möglichen Unumkehrbarkeit (oder auch
nur nicht zureichenden Minderung) der Folgen des Klimawandels mehren sich die Überlegungen, wie das Management
in den verschiedenen Bereichen menschlicher Belange (z. B.
Land- und Forstwirtschaft wie auch Fischereiwesen8) ausreichend modifiziert werden kann, um unter den veränderten
Bedingungen – unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit –
weiterhin eine ausreichende Versorgung der Menschheit sicher stellen zu können (ref. Howden et al., 2007; ref. Kirilenko
und Sedjo, 2007; ref. Kellomäki et al., 2008; ref. Brander, 2007).
Schätzungen zufolge beläuft sich die weltweite CO2-Fixierung durch Pflanzen auf ca. 56 x 109 t pro Jahr (Field et al.,
1998). Die weltweite Produktion von Biomasse durch Pflanzen
liegt bei 170 bis 200 x 109 t pro Jahr (Lieth, 1975), davon entfallen
70 % auf das Zellwandmaterial der Pflanzen (Poorter und Villar,
1997). Da davon nur 2 % für Heizungszwecke, als Baumaterial,
für die Papierherstellung sowie als Rohmaterial für die Textilindustrie genutzt werden, ist es nicht verwunderlich, dass in
zunehmendem Maße auf diese nachwachsenden Rohstoffe zur
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8
Nicht ohne einige Brisanz ist in diesem Zusammenhang die Nachricht (aid,
Januar 2009), dass ein namhafter Automobil-Konzern aus Sdkorea 1,3 Millionen Hektar der insgesamt 2,5 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzflche
von Madagaskar auf 99 Jahre gepachtet haben soll, um vorwiegend durch den
Anbau von Mais zuknftig die Ernhrung der Sd-Koreaner sicherstellen zu
kçnnen. Derzeit leben 70 Prozent der 19,7 Millionen Madegassen nahe oder
unter der Armutsgrenze.
Aufgrund der thematischen Begrenzung auf die zuknftige Welternhrung kann
hier nicht weiter auf die durch den Klimawandel bedingten Vernderungen in
Fauna und Flora und ihre potentielle Adaptationsfhigkeit eingegangen werden
(siehe hierzu: Visser, 2008).
Es sollte in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass die berfischung der
Weltmeere auch darauf zurckzufhren ist, dass der Verzehr von Seefischen
angestiegen ist. Wenn die Menschen im Durchschnitt bis zu sieben Kilogramm
Seefisch pro Kopf im Jahr verbrauchen wrden, wre diese Verzehrsmenge fr
das çkologische Gleichgewicht der Meere unbedenklich; in Wirklichkeit betrgt
aber der Konsum etwa 15 Kilogramm Seefisch pro Kopf (dpa, 15.12.08; DOI
10.1371/journal.pone.0003881).
Erzeugung von Biokraftstoff zurückgegriffen wird (Schubert,
2006). Allerdings wird diese Erzeugung von Biokraftstoffen
auch zunehmend kontrovers diskutiert (Reijnders, 2009;
Chisti, 2007, 2008a und 2008b; Dismukes et al., 2008). Mit
Vehemenz wird von anderen (Mascal und Nikitin, 2008) die
Umwandlung von z. B. Cellulose zu Biotreibstoffen gefordert
und chemische Verfahren dazu beschrieben.
Verschiedene Forschungsansätze werden verfolgt, um das
divergente Pflanzenmaterial so zu modifizieren, dass es für
eine kostengünstige Herstellung von Biokraftstoff eingesetzt
werden kann. Dies betrifft zum Beispiel die Modifizierung der
Polysaccharide in der Zellwand, so dass sie zu fermentierbaren
Zuckern abgebaut werden können (Pauly und Keegstra, 2008;
Eijsink et al., 2008), die Modifizierung der Biosynthese für Alkane der pflanzlichen Cuticula (Jetter und Kunst, 2008) und die
Modifizierung der Triacylglycerol-Biosynthese in einzelligen
Algen (Hu et al., 2008).
In diesem Sinne heißt es dazu im Dritten Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit dem Gentechnikgesetz,
dass „biotechnische Verfahren ökologische und ökonomische
Vorteile bieten, durch die sich die notwendigen Investitionen
mittel- bis langfristig rechnen. Zu diesen Vorteilen zählen u. a.
die Reduktion von Prozessschritten, die Reduktion von Energieverbrauch und Schadstoffemission, die Erhöhung der
Rohstoffproduktivität, der Ersatz fossiler durch nachwachsende Rohstoffe und die Vereinfachung der Sicherheitstechnik
durch die Verwendung weniger gefährlicher Stoffe“ (Deutscher Bundestag, 2008).
Die Biokraftstoffe der „ersten Generation“ sind derzeit
hauptsächlich Bioäthanol und Biodiesel, zukünftig könnten
Methanol, Propanol und Butanol an Bedeutung gewinnen. Im
Jahr 2005 stammte 1 % der weltweit für Verkehrszwecke verbrauchten Kraftstoffe von diesen Biokraftstoffen der ersten
Generation; zur ihrer Erzeugung wurden hauptsächlich die
landwirtschaftlichen Nutzpflanzen Mais und andere Getreide,
Zuckerrohr, Sojabohnen, Cassava, Rapssamen und Ölpalmen
verwendet.
Die Biokraftstoffe der „zweiten Generation“ werden aus
Ausgangsmaterialien hergestellt, die – wie Stroh oder Holzabfälle – nicht zur Lebensmittelproduktion genutzt werden.
Zu diesen Biokraftstoffen zählen Zellulose-Äthanol, die sogenannten „biomass-to-liquid“-Kraftstoffe und Biomethan. Die
direkte Konkurrenz zu der Produktion von Lebensmitteln aus
landwirtschaftlichen Nutzpflanzen entfällt also bei der Produktion der Biokraftstoffe der „zweiten Generation“. Es bestehen sogar Forschungsansätze, mittels biotechnologischer
Verfahren über Photosynthese-Mechanismen „Biowasserstoff“
und „Bioelektrizität“ erzeugen zu können (Gressel, 2008).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verwendung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zur Erzeugung
von Biokraftstoffen der „ersten Generation“ an Stelle von Lebensmitteln auf mittlere Sicht negative Folgen für die weltweite Bekämpfung des Hungers haben kann (Tenenbaum,
2008) und dass erst langfristig der Preisanstieg bei Kraftstoffen
gedämpft werden könnte (einhergehend mit einer minderen
Abhängigkeit vom Angebot fossiler Brennstoffe). Schwerwiegender ist das Argument, dass die Biokraftstoffe für den Anbau
und die Verarbeitung des Pflanzenmaterials große Wasser-
Welternährung und Klimawandel – ein komplexes Problem
mengen benötigen und dass bereits heute in vielen Regionen
der Erde Wassermangel herrscht. Bereits im Zeitraum von
2003 bis 2007 war die globale Nachfrage nach Getreide größer
als das Angebot. Die Biokraftstoffbranche trägt zusätzlich zu
dieser steigenden Nachfrage bei. Die Auswirkungen bei einer
wachsenden Weltbevölkerung sind derzeit noch nicht absehbar.
Augenscheinlich sind gemeinsame Anstrengungen unabdingbar, um die Folgen des Klimawandels global bewältigen
und der zukünftigen Weltbevölkerung die Ernährungsgrundlage sichern zu können. Jeder, der meint, sich diesem
„collective risk social dilemma“ folgenlos entziehen zu können, irrt sich zu seinem eigenen Schaden und gefährdet das
gemeinsame Ziel Aller (Milinski et al., 2008; Dreber und
Nowak, 2008).
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