OCR Document - Wildtiermanagement

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Erkrankung
Die Borreliose oder Lyme-Borreliose ist eine Infektionskrankheit, die durch Zeckenstiche übertragen
wird. Insbesondere wild lebende Warmblüter stellen das wesentliche Reservoir des Erregers
(Borrelia burgdorferi sensu lato) dar und spielen eine wichtige Rolle als Wirtstiere für Zecken. Die
Borreliose ist in Europa, Nordamerika und Asien verbreitet. Wenngleich vorliegende Daten regionale
Unterschiede zeigen, so ist in allen Teilen Deutschlands von einer Infektionsgefährdung
auszugehen. Nach bisherigen Erkenntnissen ist nach einem Zeckenstich bei 3 bis 6 % der
Betroffenen mit einer Infektion und bei 0,3 bis 1,4 % mit einer Erkrankung zu rechnen. Erkrankte
Personen sind nicht ansteckend.
Die Erkrankung ist vielgestaltig und wird in drei Stadien eingeteilt, wobei eine spontane Ausheilung
in jedem Stadium möglich ist und einzelne Stadien übersprungen werden können. Hauptsächlich
betroffene Organe sind die Haut, das Nervensystem sowie die Gelenke.
Die akute Erkrankung zeigt sich in einer lokalen Infektion der Haut der so genannten Wanderröte
(Erythema migrans, Stadium I), die mit grippeartigen Allgemeinsymptomen einhergehen kann.
Kommt es zu einer Streuung der Bakterien, so kann es im Stadium II zu Hirnhaut- oder auch
Herzmuskelentzündung kommen. Es können in diesem Stadium auch Gelenke betroffen sein. Im
chronischen Stadium III sind vor allem die Gelenke (Lyme-Arthritis) oder in seltenen Fällen auch
das Nervensystem betroffen.
Die Diagnose wird in erster Linie auf der Grundlage des Erscheinungsbildes gestellt. BorrelienInfektionen sind grundsätzlich in jedem Stadium Labor gestützt serologisch zu diagnostizieren. An
Antikörper lassen sich in der Regel frühestens 14 Tage nach der Infektion nachweisen. In den
ersten vier bis sechs Wochen einer Infektion misslingt häufig jedoch ein Antikörpemachweis. In
diesem Fall sind lediglich 40 bis 50 % der Betroffenen mit einer Wanderröte positiv. Im Stadium II
sind es bereits 60 bis 80 %. Im Stadium III können Antikörper praktisch in allen Fällen
nachgewiesen werden. Bevölkerungsmedizinische Untersuchungen bei gesunden Erwachsenen
zeigen in etwa 7 % der Fälle Zeichen einer überstandenen Infektion. Die Diagnose Borreliose ist
daher nicht allein aufgrund des Laborbefundes zu stellen, sondern immer auch im Zusammenhang
mit bestehenden Symptomen.
Eine Therapie ist in der Frühphase in der Regel am erfolgreichsten und erfolgt durch Gabe von Antibiotika. Eine generelle prophylaktische Antibiotikagabe nach einem Zeckenstich wird nicht
empfohlen.
Epidemiologie
Neuerkrankungen werden vor allem in den Sommermonaten beobachtet. Hinsichtlich der
Altersverteilung zeigen sich Häufigkeitsgipfel in den Altersgruppen von 5- bis 9- und 60- bis 64Jährigen.
Seit Entdeckung des Erregers der Borreliose zu Beginn der 80er Jahre wird in zahlreichen Staaten
ein Anstieg der jährlich neu auftretenden Erkrankungen beobachtet. Dies gilt auch für die östlichen
Bundesländer, in denen eine Meldepflicht auf der Grundlage von Länderverordnungen nach dem
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen
(Infektionsschutzgesetz) besteht. Als ursächlich für den beobachteten Anstieg werden ein erhöhtes
Bewusstsein der Öffentlichkeit und Verbesserungen in der Diagnostik und der Überwachung
diskutiert. Darüber hinaus spielen möglicherweise auch landschaftsgestaltende Einflussnahmen
durch den Menschen eine wichtige Rolle, die mit Vergrößerungen und Veränderungen des Habitats
für wild lebende Zeckenwirte sowie die Vermehrung der Zeckenpopulation begünstigenden
Klimaeinflüssen einhergehen. Derartige Veränderungen mit Vermehrung der Zeckenpopulation
können für den Menschen zu einem erhöhten Infektionsrisiko durch den Stich infizierter Zecken
führen und somit zu einer Erhöhung der Erkrankungszahlen beitragen.
Die Meldungen beziehen sich auf akute Erkrankungsformen, da nur diese die aufgetretenen
Neuerkrankungen repräsentieren. Chronische Formen (Stadium III) sind hiervon nicht erfasst.
Prävention
Die Vermeidung von Infektionen richtet sich gegen einen Zeckenstich. Von Mensch zu Mensch ist
die Infektion nicht übertragbar.
Grundsätzlich sollten in der freien Natur, insbesondere im Wald, die Wege nicht verlassen werden.
Bei Durchstreifen des Unterholzes sollte möglichst den Körper bedeckende Kleidung und festes
Schuhwerk getragen werden. Darüber hinaus können Zecken abweisende Hautschutzmittel
eingesetzt werden. Die wichtigste Maßnahme besteht darin, Kinder nach dem Spielen in Wald und
Wiese gründlich auch an vorher bedeckten Körperstellen abzusuchen. Das gilt natürlich auch für
Erwachsene, wenn sie sich in entsprechender Umgebung aufgehalten haben. Am besten sollte am
Abend auch die Kleidung ausgeschüttelt bzw. gewaschen werden. Auch bei Spaziergängen
mitgeführte Tiere sollten immer kontrolliert werden, da umherwandernde und noch nicht
festsitzende Zecken bei engem Kontakt auf den Menschen übergehen können. Bei Zeckenbefall
muss die Zecke umgehend entfernt und die Wunde sorgfältig desinfiziert werden.
Zu 1:
Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) hat einen Ratgeber erstellt, der in der 2.
Auflage vom MS herausgegeben wird. Des Weiteren werden sowohl auf den Internetseiten des
NLGA wie auch des Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Informationen
zur Verfügung gestellt. Speziell für die Vorbereitung von Veranstaltungen "in der Natur" von
Schulen und Kindertagesstätten wurde durch das MK ein entsprechendes Merkblatt herausgegeben,
welches auch über dessen Internetseite abrufbar ist. In den letzten Jahren wurde das Thema
darüber hinaus zunehmend zu Beginn der Sommersaison intensiv von der Presse aufgenommen
und die Bevölkerung entsprechend informiert.
Im Zusammenhang mit dem Vollzug des Infektionsschutzgesetzes stehen die Landkreise und
kreisfreien Städte in regelmäßigem Austausch mit Gemeinschaftseinrichtungen wie z. B.
Kindertagesstätten und insbesondere Waldkindergärten. Es ist beabsichtigt, im Frühjahr 2006 die
Landkreise und kreisfreien Städte bzw. die Region Hannover auf die Problematik der Borreliose und
anderer durch Zecken übertragbaren Erkrankungen aufmerksam zu machen. Auf die Broschüre des
MS und des MK wird dabei erneut hingewiesen, damit insbesondere Kindertagesstätten und
WaIdkindergärten auf die möglichen Gefahren aufmerksam gemacht werden können. Gleichzeitig
wird ein Hinweis auf das Merkblatt des NLGA und auf dessen Homepage erfolgen.
Zu 2:
Das akute Krankheitsbild der Borreliose ist in den sechs östlichen Bundesländern auf der Grundlage
einer Landesverordnung meldepflichtig. Zur Prüfung, ob und wie eine Meldepflicht auch in
Niedersachsen eingeführt werden sollte, wurden seitens des MS Erfahrungsberichte angefordert.
Die Auswertung der Berichte führte zu dem Ergebnis, dass in Niedersachsen eine Meldepflicht der
Borreliose auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes nicht eingeführt werden sollte.
Denn Zweck des Infektionsschutzgesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen
vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.
Mit der namentlichen Meldepflicht wird der öffentliche Gesundheitsdienst im Einzelfall in die Lage
versetzt, Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung ergreifen zu können. Dies gilt in erster Linie für
Infektionen, die von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Würde ein Fall einer Borreliose bekannt,
so stehen dem keine konkreten Maßnahmen gegenüber, eine Weiterverbreitung zu verhindern.
Die rein statistische und epidemiologische Auswertung der Daten rechtfertigt nicht die zwangsweise
Preisgabe personenbezogener Angaben. Grundsätzlich steht hierfür auch das Instrument der
anonymen Meldepflicht zur Verfügung. Nach dem Infektionsschutzgesetz gilt dies für einige wenige
Krankheitserreger wie z. B. das HI-Virus. Die Leiterin oder der Leiter des diagnostizierenden Labors
meldet in diesen Fällen direkt an die Bundesbehörde (Robert Koch-Institut) auf eigens dafür zur
Verfügung gestellten Meldeformularen. Ein großes Problem stellen dabei jedoch eventuelle
Doppelmeldungen dar. Außerdem stützt sich, wie einleitend beschrieben, die Diagnose Borreliose
nicht allein auf einen Laborbefund, sodass die Bewertung gemeldeter Borreliosenachweise
problematisch bleibt. Nicht zuletzt müssten für die anonyme Meldepflicht auf Landesebene neue
Meldestrukturen aufgebaut und gepflegt werden.
Auch vor dem Hintergrund der Verwaltungsmodernisierung und des Bürokratieabbaus ist eine
Einführung der Meldepflicht in Niedersachsen, ob namentlich oder anonym, nicht zu befürworten.
Im Rahmen einer eventuellen Novellierung des Infektionsschutzgesetzes wird auch der Katalog der
meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger einer Überprüfung durch den Bund unterzogen
werden. In diesem Zusammenhang bleiben erste Erfahrungen aus Brandenburg abzuwarten. Hier
wird versucht, mit modernen Methoden der Epidemiologie unter Einbeziehung von
Geoinformationssystemen spezielle Risikogebiete für Borreliose- Infektionen zu definieren.
Außerdem werden durch zusätzliche Erhebungen weitere spezifische Risikofaktoren analysiert.
Inwieweit hierbei die Meldepflicht erforderlich ist oder auch stichprobenhafte Untersuchungen
ausreichen, bedarf der abschließenden Bewertung durch den Bund.
Zu 3:
Die Borreliose- Diagnostik erfolgt in der Universitätsklinik Göttingen, Bereich Humanmedizin, und in
der Medizinischen Hochschule Hannover in den Abteilungen für Mikrobiologie nach akkreditierten
Verfahren. Forschungsarbeiten zu dieser Thematik werden bereits an beiden Hochschulen
durchgeführt. Zusätzliche Therapiestudien können grundsätzlich, beispielsweise im Rahmen einer
Fördermaßnahme von klinischen Studien, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bzw.
der Deutschen Forschungsgemeinschatt (DFG) unterstützt werden, sofern ein dringender Bedarf
hieran von der DFG anerkannt wird.
Für die Behandlung der Borreliose mit Antibiotika stehen in den verschiedenen Stadien des
Krankheitsverlaufs bereits ausreichend Erfahrungswerte und Therapien zur Verfügung. Dies gilt
besonders für das häufigere Krankheitsbild der Lyme-Borreliose. Die Medizinische Hochschule
Hannover sieht es daher nicht als zwingend an, die geforderten Therapiestudien zum jetzigen
Zeitpunkt durchzuführen. An der Universitätsklinik Göttingen, Bereich Humanmedizin, erfolgen
solche Studien in der Abteilung Mikrobiologie seit 15 Jahren wissenschaftlich und in der
Patientenversorgung.
Zu 4:
Fortbildungsveranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte wurden bereits in der Vergangenheit initiiert
und werden auch in Zukunft fortgesetzt.
Für das Jahr 2004 hat das NLGA auch in Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Göttingen,
Bereich Humanmedizin, im Rahmen von zehn Veranstaltungen das Thema Borreliose behandelt; es
waren dies
- vier Veranstaltungen anlässlich des Göttinger Forums für den öffentlichen Gesundheitsdienst,
- drei Impfveranstaltungen für Ärztinnen und Ärzte sowie -, drei Impfveranstaltungen für
Arzthelferinnen.
Für das Jahr 2005 hat das NLGA im Rahmen von elf Veranstaltungen das Thema Borreliose
behandelt.
Dazu gehören das 1. Norddeutsche Forum für Infektionsschutz, an dem Teilnehmerinnen und
Teilnehmer des öffentlichen Gesundheitsdienstes und darüber hinaus niedergelassene Ärztinnen
und Ärzte teilgenommen haben. Sechs Veranstaltungen fanden für Ärztinnen und Ärzte im Raum
Braunschweig, Helmstedt, Gifhorn, Peine statt; vier .weitere Veranstaltungen für Arzthelferinnen,
ferner ein Aufbaukurs für hygienebeauftragte Ärztinnen und Ärzte aus der stationären Versorgung.
Entsprechende Veranstaltungen werden auch 2006 fortgesetzt.
Zu 5:
Die Einrichtung von Spezialambulanzen ist eine Möglichkeit, um zur Aufklärung über die Folgen der
Borreliose beizutragen und Therapiemöglichkeiten zu vermitteln.
Die Universitätsklinik Göttingen, Bereich Humanmedizin, hält Spezialambulanzen für sinnvoll, um
Patientinnen und Patienten im Rahmen einer Lyme-Borreliose einer adäquaten Diagnostik und
Therapie zuzuführen. So könnte eine Spezialambulanz in enger Kooperation mit den Abteilungen
Neurologie und medizinische Mikrobiologie sowie unter Einbeziehung anderer erfahrener klinischer
Abteilungen (Pädiatrie, innere Medizin, Psychiatrie, Dermatologie) dieser Aufgabe gerecht werden.
Voraussetzung für deren Wirtschaftlichkeit ist eine adäquate Refinanzierung durch die
Krankenkassen.
Quelle: Niedersächsischer Landtag- 15. Wahlperiode; Drucksache 15/ 2528
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