Seminar im Medizinrecht WS 2015/2016 – Themenliste

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Seminar im Medizinrecht WS 2015/2016 – Themenliste
Prof. Dr. Helmut Frister und RA Dr. Karl-Heinz Möller
1
Regelungsgehalt und Schutzzweck des Embryonenschutzgesetzes
Das 1991 in Kraft getretene Embryonenschutzgesetz (ESchG) enthält eine Vielzahl von Vorschriften, die
den Umgang mit menschlichen Keimbahnzellen und Embryonen im Bereich der Reproduktionsmedizin
und der Gentechnologie regeln.
In seiner Arbeit sollte der Verfasser zum einen anhand der entsprechenden Gesetzesmaterialien, der einschlägigen Literatur sowie ggf. der Rechtsprechung herausarbeiten welchen Schutzzweck das Embryonenschutzgesetz tatsächlich verfolgt. Zum anderen wird die Darstellung des Regelungsgehalts des ESchG
erwartet, in deren Rahmen auch eine Analyse der wichtigsten Problempunkte des Gesetzes vorgenommen
werden sollte.
2
Die Voraussetzungen einer Samenspende in Deutschland und die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Rechtsprobleme
Die Samenspende ist im Unterschied zur Eizellspende in Deutschland erlaubt. Trotzdem ergeben sich
einige Rechtsprobleme, die insbesondere mit dem vom BVerfG bestätigten Recht des Kindes auf Kenntnis
der eigenen Abstammung zusammenhängen. Schlagworte sind u.a. die Dokumentation von Spenderdaten,
Vaterschaftsanfechtung, Unterhaltsansprüche und Umgangsrecht.
3
Die Legitimation des Verbots der Eizellspende und die sich in diesem Zusammenhang ergebenden Strafbarkeitsrisiken bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Zentren
Die Vornahme einer Eizellspende ist in Deutschland mit der Einführung des Embryonenschutzgesetzes
(ESchG) im Jahre 1991 ausdrücklich gesetzlich verboten worden.
Der Verfasser sollte in seiner Arbeit die Legitimation dieses Verbots einer kritischen Überprüfung unterziehen und dabei auch die Rechtsprechung des EGMR berücksichtigen. Daneben sollte auch auf die Strafbarkeitsrisiken eingegangen werden, die sich für die Beteiligten bei der Zusammenarbeit mit Zentren in
den Ländern, in denen die Eizellspende zulässig ist, ergeben können.
4
Das Verbot der Leihmutterschaft und die Probleme im Zusammenhang mit der Anerkennung ausländischer Statusentscheidungen bei grenzüberschreitender Leihmutterschaft
Bei der Leihmutterschaft trägt eine Frau im Auftrag der Wunscheltern ein Kind für diese aus. In Deutschland ist die Leihmutterschaft verboten, Paare mit Kinderwunsch weichen daher zunehmend auf Staaten
aus, in denen sie zulässig ist. Wollen sie dann mit dem im Ausland geborenen Kind wieder in Deutschland
einreisen, wird dem Kind häufig bereits die Ausstellung eines deutschen Reisepasses mangels deutscher
Staatsangehörigkeit verweigert - und damit auch die Einreise. Zudem ist fraglich, welche Personen rechtlich als Eltern des Kindes anzusehen sind. Erwirken die Wunscheltern im Geburtsland des Kindes die
gerichtliche Feststellung ihrer Elternschaft, stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung auch in Deutschland anzuerkennen ist.
Das Thema wirft vor allem familienrechtliche Fragen und solche des Internationalen Privatrechts auf. Den
Einstieg in das Thema dürfte ein kürzlich veröffentlichter Beschluss des Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 10.12.2014 – XII ZB 463/13) erleichtern.
5
Die gesetzlichen Regelungen und Rechtsprobleme der Präimplantationsdiagnostik (PID)
Die Präimplantationsdiagnostik ist ein Verfahren, das im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung der Untersuchung extrakorporal erzeugter Embryonen vor dem Transfer in die Gebärmutter
dient. Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen diese reproduktionsmedizinische Maßnahme vorgenommen werden darf, ist in Deutschland mittlerweile (nahezu vollständig) gesetzlich geregelt.
Der Verfasser sollte in seiner Arbeit die gesetzlichen Regelungen zur PID sowie deren Entstehungsgeschichte – insbesondere die in diesem Zusammenhang relevanten Urteile des LG Berlin (Urt. v.
14.05.2009 – [512] 1 Kap Js 1424/06 KLs [26/08]) und des BGH (BGHSt 55, 206) – in der gebotenen
Kürze darstellen und erläutern. Im Anschluss sollte der Verfasser ausführlich auf die sich infolge der gesetzlichen Regelung ergebenden Probleme eingehen, zu diesen Stellung nehmen und ggf. mögliche Lösungsansätze formulieren.
6
Rechtsprobleme des Social Freezing
Vom Verfasser wird zunächst die Darstellung des Social Freezings als das Einfrieren von Eizellen ohne
medizinische Indikation erwartet. Sodann ist dessen Zulässigkeit insbesondere nach dem ESchG zu untersuchen. Es sollten auch Überlegungen angestellt werden, welche Voraussetzungen wie etwa eine Altersgrenze für das Social Freezing sinnvoll sein könnten. Schließlich wären vom Verfasser denkbare Problemfelder wie der rechtliche Status der eingefrorenen Eizellen und die beschränkte Verfügungsbefugnis
hierüber, die Haftung bei Zerstörung der Eizellen sowie arbeitsrechtliche Probleme zu diskutieren. Letztere könnten sich insbesondere stellen, wenn Arbeitgeber wie Apple oder facebook neben der Bezahlung
des Social Freezings ihrer Mitarbeiter dessen Vornahme als Einstellungsvoraussetzung postulieren.
7
Die Strafbarkeit des Dopingsportlers und des Dopingarztes anhand des neuen Gesetzes
Mangels eines verkündeten Antidopinggesetzes richtet sich die Strafbarkeit des Dopingarztes und des
Dopingsportlers nach den allgemeinen Bestimmungen aus StGB, AMG und BtMG. Die nun neuen Regelungen
des
Entwurfs
der
Bundesregierung
(http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/11/
entwurf-des-anti-doping-gesetzesvorgelegt.html) sollten auszugsweise dargestellt und einer kritischen Würdigung unterzogen werden.
8
Der Referentenentwurf zum „neuen“ § 299a StGB
Vom Bearbeiter wird eine kriminalpolitische Analyse der Notwendigkeit des § 299a StGB erwartet. Hierbei bedarf es zunächst der Erörterung, warum (bisher) keine hinreichende gesetzliche Regelung in Bezug
auf das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt besteht, bevor im Anschluss daran auf den aktuellen Referentenentwurf eingegangen werden soll. Es wird erwartet, dass der Anwendungsbereich des geplanten
§ 299a StGB dargestellt und sodann kritisch Stellung genommen wird.
9
Der Behandlungsabbruch
Der Behandlungsabbruch und die in diesem Zusammenhang bestehenden Probleme, wie zum Beispiel die
Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe haben bereits mehrfach Eingang in die Rechtsprechung gefunden. So
hat auch unter anderem der BGH in seiner Entscheidung vom 25.06.2010 - 2 StR 454/09 Stellung zu der
Beendigung nicht gewollter lebenserhaltender Maßnahmen genommen.
Der Verfasser sollte zunächst darstellen, was unter einem Behandlungsabbruch zu verstehen ist und wie
ein solcher Behandlungsabbruch erfolgen kann. Es ist danach zu differenzieren, ob und ggf. welche Probleme sich bei einem Behandlungsabbruch durch aktives Tun bzw. durch Unterlassen stellen.
Hierbei ist insbesondere auch auf die Abgrenzung zu § 216 StGB, der nach der Rspr. des BGH zum Behandlungsabbruch gerade nicht berührt sein soll, einzugehen, ebenso wie auf das Spannungsverhältnis
zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmungsrecht.
Zudem ist die Frage zu erörtern, wer einen Behandlungsabbruch vornehmen darf. Darf dies nur der Arzt
oder auch ein Betreuer oder ein naher Angehöriger? Darf evtl. sogar ein außenstehender Dritter, der zufällig die Wünsche des Patienten kennt, den Behandlungsabbruch vornehmen?
10
Legitimation des Verbots der aktiven Sterbehilfe im Rechtsvergleich mit den Niederlanden
Nach deutschem Recht ist die aktive Sterbehilfe (also die gezielte Lebensverkürzung durch die Hand eines
anderen auf Wunsch des Patienten) strafbar. In der Regel handelt es sich um eine Tötung auf Verlangen.
Es gibt jedoch auch Rechtsordnungen, in denen die ärztlich durchgeführte aktive Sterbehilfe straflos ist –
beispielsweise in den Niederlanden. In der Arbeit sollte die deutsche und die niederländische Regelung
rechtsvergleichend dargestellt werden. Anschließend sollte sich der/die Bearbeiter(in) damit auseinandersetzen, ob sich die Auferlegung einer Strafe in Fällen aktiver Sterbehilfe verfassungsrechtlich legitimieren
lässt.
11
Die aktuelle rechtspolitische Diskussion um die Strafbarkeit der Beihilfe zur Selbsttötung
Angesichts der Tatbestandslosigkeit der eigenverantwortlichen Selbsttötung bleiben Dritte, die dem Suizidenten Hilfe leisten, nach geltendem Recht straflos. Derzeit gibt es (erneut) Bestrebungen, die Beihilfe
zum Suizid unter bestimmten Umständen unter Strafe zu stellen. Der/die Bearbeiter(in) müsste sich mit
den Gesetzentwürfen und Positionspapieren kritisch und problembewusst auseinandersetzen. Dabei sollte
auch skizziert werden, aus welchen Gründen die derzeitige Rechtslage als reformbedürftig empfunden
wird und ob (und gegebenenfalls wie) die Strafandrohung legitimiert werden kann.
12
Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der mechanischen oder medikamentösen Fixierung
Ein interessantes Problemfeld im Zusammenhang mit der betreuungsrechtlichen Unterbringung nach dem
BGB, der Unterbringung nach öffentlichem Recht (Unterbringungsgesetze der Länder) sowie im Maßregelvollzug besteht hinsichtlich der Zulässigkeit von Maßnahmen, die der Patientensicherung dienen – zum
Zwecke des Schutzes des Patienten vor Selbstgefährdung einerseits, aber gegebenenfalls auch zum
Schutze Dritter (vgl. etwa § 20 Abs. 1 PsychKG/NRW). Seitens des Verfassers soll hierbei konkret die
Zulässigkeit der mit Freiheitsentzug verbundenen Fixierung des Patienten in den Blick genommen werden, die zum einen durch mechanische Vorrichtungen wie Bettgurte o.ä., aber auch medikamentös, also
durch Verabreichung entsprechender sedierender Substanzen, erfolgen kann. Es gilt zu untersuchen, auf
welcher jeweiligen Rechtsgrundlage und unter welchen Voraussetzungen ein solch gewichtiger Eingriff in
die Rechte des Betroffenen zulässig sein kann und welche rechtlichen Grenzen für derartige Maßnahmen
bestehen.
13
Unter welche Voraussetzungen darf der Arzt zum Wohl eines kindlichen Patienten seine
Pflicht zur Verschwiegenheit brechen?
Bei der ärztlichen Schweigepflicht handelt es sich um eine zentrale Vorschrift des ärztlichen Berufsrechts.
Handelt ein Arzt dieser zuwider, hat dies nicht nur einen Bruch im Vertrauensverhältnis Arzt-Patient zur
Folge. Auch drohen strafrechtliche Sanktionen (§ 203 Abs.1 Nr.1 StGB) sowie Schadensersatzansprüche
(§ 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 203 Abs.1 Nr.1 StGB). Andererseits scheint die Pflicht zur Verschwiegenheit
dann nicht sachgerecht zu sein, wenn der Verdacht einer Kindesmisshandlung aufkommt. Vom Bearbeiter
des Seminarthemas wird eine Erörterung der Möglichkeit zur Durchbrechung der Schweigepflicht erwartet, wobei insbesondere auch auf § 4 Abs. 3 KKG einzugehen ist.
14
Der Fall Andreas Lubitz – sollte die ärztliche Schweigepflicht gelockert werden?
Die Frage, ob und wann eine tatbestandliche Verletzung des § 203 StGB durch den Arzt gerechtfertigt
sein kann, ist ein Dauerbrenner in der arztrechtlichen Literatur und erfährt durch das aufgrund einer
schweren Depression ausgelöste Flugzeugunglück in den südfranzösischen Alpen neue Aufmerksamkeit.
Rechtfertigungen kommen entweder über § 34 StGB, § 4 Abs. 3 Kinderschutz-Kooperationsgesetz, § 193
StGB analog (str.) oder §§ 6 – 15 Infektionsschutzgesetz in Betracht. Man denke an uneinsichtige HIVErkrankte oder schwer alkoholabhängige oder sehschwache Berufskraftfahrer. Aber nicht nur eine Berechtigung zur Information des Arztes an die zur Gefahrenabwehr zuständigen Stellen kommt in Betracht,
sondern vielleicht sogar eine Verpflichtung über § 323c StGB (gemeine Gefahr durch schwer depressiven
Piloten oder durch HIV erkrankte Prostituierte?) oder §§ 223 ff., 13 StGB.
15
Die ärztliche Schweigepflicht beim Verkauf einer Arztpraxis oder eines Praxisanteils
Will der bisherige Praxisinhaber seine Praxis oder seinen Praxisanteil verkaufen, wird dessen Patientenkartei für einen potentiellen Erwerber von erheblichem Interesse sein. Die darin enthaltenen Informationen unterliegen jedoch der (gem. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrten) ärztlichen Schweigepflicht.
Macht der Arzt sie Dritten ohne Einwilligung der betroffenen Patienten zugänglich, verletzt er das informationelle Selbstbestimmungsrecht seiner Patienten und verstößt gegen seine Schweigepflicht. Daraus
ergeben sich Probleme bei den Vertragsverhandlungen, bei dem Kaufvertrag selbst und bei der Übergabe
der Kartei.
Der/die Bearbeiter(in) sollte diese Probleme genau herausarbeiten, die diskutierten Lösungsmodelle vorstellen und sich damit kritisch auseinandersetzen.
16
Die postmortale Schweigepflicht und das postmortale Einsichtsrecht in Patientenakten
Die ärztliche Schweigepflicht besteht, als wichtige Basis für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und
Patient zu Lebzeiten, auch nach dem Tod des Patienten fort – Informationen aus dem Behandlungsverhältnis unterliegen damit grundsätzlich der sogenannten postmortalen Schweigepflicht. An der Weitergabe
derartiger Informationen können jedoch der Patient selbst, Dritte (z.B. Angehörige, Erben, Strafverfolgungsbehörde, Versicherung, Presse) und unter Umständen auch der behandelnde Arzt selbst ein erhebliches Interesse haben. Eine Vielzahl von Informationen beinhaltet die Patientenakte des Verstorbenen,
wodurch die Gestattung einer Einsichtnahme in diese unmittelbaren Bezug zur postmortalen Schweigepflicht hat. Der Verfasser soll im Rahmen der Bearbeitung untersuchen, wem gegenüber der Arzt unter
welchen Umständen zur Offenbarung der Patienteninformationen befugt oder gegebenenfalls sogar verpflichtet sein kann und wie sich das nunmehr in § 630g Abs. 3 BGB ausdrücklich normierte postmortale
Einsichtsrecht in diese Materie einfügt.
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Die Bedeutung des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs bei Behandlungsfehlern
Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung setzt voraus, dass der
Erfolg sich als Verwirklichung der unerlaubt gesetzten Gefahr darstellt. In der Arbeit sollte der/die Bearbeiter(in) dieses Kriterium näher darstellen, die Problemfelder und die besondere Relevanz bei Behandlungsfehlern – gegebenenfalls unter Heranziehung von ausgesuchten Beispielen aus der Rechtsprechung
– herausarbeiten. Thematisiert werden sollte dabei unter anderem auch der Streit zwischen Vermeidbarkeits- und Risikoerhöhungslehre.
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Die hypothetische Einwilligung
Auch die Kodifikation der „hypothetischen Einwilligung“ im BGB hat die Akzeptanz dieser bis dahin
ungeschriebenen Rechtsfigur in der Strafrechtswissenschaft nicht (nennenswert) gesteigert. Auch wenn
zum Teil dahingehend Einigkeit besteht, dass es in Konstellationen der hypothetischen Einwilligung eines
Korrektivs bedarf, um (strafrechtliche) Verantwortlichkeit zu begrenzen, besteht Streit über die jeweilige
Ausgestaltung. Im Referat sollen – aus strafrechtlicher Sicht - vorrangig der Meinungsstand zum Institut
der hypothetischen Einwilligung sowie dessen dogmatische Verankerung erarbeitet und zugleich auch
mögliche Alternativen zu diesem aufgezeigt werden.
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