Zentrum Mathematik Technische Universität München Prof. Dr. Gero Friesecke Dr. Dominik Jüstel WS 2016/2017 Blatt 2 Fallstudien der mathematischen Modellbildung [MA2902] Fachgebiet 3: Röntgenkristallographie P 3 (Energietransport) Beweisen Sie folgendes Lemma aus der Vorlesung: Für reelle Lösungen E, B der Maxwell-Gleichungen (M1)-(M4) gilt ∂ e + div S = 0, ∂t wobei für (x, t) ∈ R3 × R: 1 e(x, t) = 2 1 ε 0 |E(x, t)| + |B(x, t)|2 µ0 2 und S(x, t) = 1 E(x, t) × B(x, t). µ0 Hinweis: Für a, b ∈ R3 gilt folgende Identität: div (a × b) = b · rot a − a · rot b. Lösungsvorschlag. Wir wenden den Hinweis auf a = E(x, t) und b = B(x, t) an, verwenden (M1) und (M3), sowie die Identität c12 = ε 0 µ0 : 1 1 div (E(x, t) × B(x, t)) = (B(x, t) · rot E(x, t) − E(x, t) · rot B(x, t)) µ0 µ0 ( M1),( M3) 1 ∂ 1 ∂ = − B(x, t) B(x, t) − E(x, t) E(x, t) 2 µ0 ∂t ∂t µ0 c c −2 = ε 0 µ 0 1 ∂ 2 ∂ = − 2ε 0 E(x, t) E(x, t) + B(x, t) B(x, t) . 2 ∂t µ0 ∂t div S = Die Behauptung folgt nun mit ∂t∂ |E|2 = ∂t∂ (E · E) = 2E ∂t∂ E (und analog für B), wobei verwendet wurde, dass E (bzw. B) reell sind. P 4 (Das duale Gitter von fcc) Bestimmen sie das duale Gitter des fcc-Gitters. Lösungsvorschlag. Das fcc-Gitter ist laut Vorlesung gegeben durch Cfcc = AZ3 mit 1/2 1/2 0 A = a 1/2 0 1/2 , 0 1/2 1/2 a > 0. 0 = 2πA− T Z3 . Eine kurze Rechnung ergibt Das duale Gitter ist dann Cfcc 2πA−T 1 1 −1 2π = 1 −1 1 . a −1 1 1 Dass es sich hierbei um ein bcc-Gitter handelt sieht man folgendermaßen. Es ist Cbcc = BZ3 mit 1 0 1/2 B = b 0 1 1/2 , b > 0. 0 0 1/2 Wir müssen also zeigen, dass 2πA−T Z3 = BZ3 für ein geeignetes b > 0. 0 = 2π (1, 1, −1) T , v0 = Wir bezeichnen die Spalten von 2πA−T und B folgendermaßen ufcc fcc a 2π T und w0 = 2π (−1, 1, 1) T , bzw. u T, v T und w ( 1, − 1, 1 ) = b ( 1, 0, 0 ) = b ( 0, 1, 0 ) bcc bcc bcc = fcc a a 4π T b(1/2, 1/2, 1/2) . Es gilt für b = a , dass 2π (2, 0, 0)T = ubcc , a 2π = (0, 2, 0)T = vbcc , a 2π = (1, 1, 1)T = wbcc . a 0 0 ufcc + vfcc = 0 0 ufcc + wfcc 0 0 0 ufcc + vfcc + wfcc 0 für b = Damit folgt Cbcc ⊂ Cfcc | det(2πA−T )| = | det(B)| = 4π a . Dass die Gitter tatsächlich identisch sind folgt mit (2π )3 4 a3 . P 5 (Bestimmung der Maschenweite von Stoffen) Ein zweidimensionales Modell für die Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen ist die Beugung von sichtbarem Licht an feinen Stoffen. Im Gegensatz zur Kristallographie wird dabei nicht die Elektronendichte zu Oszillationen angeregt. Stattdessen können die Lichtstrahlen nur die „Löcher“ der Struktur passieren, wobei jeder Punkt eines Loches eine Kugelwelle aussendet. Modelliert man den Stoff durch eine zweidimensionale L-periodische Struktur, wobei L ein zweidimensionales Bravais-Gitter ist, und hat die kohärente Lichtquelle (Laserpointer) die Wellenlänge λ, so kann man zeigen, dass die Maxima des Beugungsbildes in guter Näherung auf dem Gitter Dλ 0 LMuster = L 2π liegen, wobei D der Abstand des Stoffes zum Detektor (Wand) und L0 das zu L duale Gitter ist. a) Verifizieren Sie durch geeignete Experimente die Abhängigkeit des Beugungsbildes von den Parametern D und λ. b) Verifizieren Sie durch geeignete Experimente die Tatsache, dass die Maxima auf dem reziproken Gitter liegen. c) Bestimmen Sie die Struktur und Maschenweite verschiedener Stoffe. Lösungsvorschlag. a) Mit wachsendem Abstand zur Wand wächst auch das Beugungsmuster. Mit wachsender Wellenlänge (roter Laserpointer statt grüner Laserpointer) wächst das Beugungsmuster ebenfalls. Qualitativ stimmt das Verhalten also mit der Formel für LMuster überein. Die Messung der Abstände der Maxima liefert die lineare Abhängigkeit. b) Ist der Stoff elastisch, so kann man durch Verzerrung des Stoffes eine Verzerrung des Beugungsmuster erreichen. Die Verzerrung des Musters ist dabei ’reziprok’ zur Verzerrung des Stoffes: Dehnt man den Stoff in einer Richtung wird das Muster in dieser Richtung gestaucht und andersherum. Dies ist ein klarer Hinweis auf den reziproken Zusammenhang der Gitter. Ein ähnliches Experiment ist folgendes: Vergleicht man die Muster zweier Stoffe unterschiedlicher Feinheit, so erzeugt der feinere Stoff das gröbere Muster. c) Bei den betrachteten Stoffen handelte ! es sich näherungsweise um quadratische Gitter, 1 0 also L = AZ2 mit A = a mit Maschenweite a > 0. Das reziproke Gitter 0 1 ! 1 0 ist also gegeben durch L0 = 2πA−T Z2 . Es gilt 2πA−T = 2π . Die Maxima a 0 1 der Beugungsmuster liegen auf einem quadratischen Gitter LMuster mit (gemessener) Gitterweite b > 0. Der angegebene Zusammenhang zwischen Muster und reziprokem Gitter liefert Dλ Dλ b= ⇔ a= . a b Für den betrachteten Stoff ergaben sich die zwei Näherungen a ≈ 0.32mm und a ≈ 0.318mm. Eine optische Überprüfung bestätigt die Werte: a ist etwas kleiner als ein Drittel Millimeter. Aktuelle Informationen und Materialien zur Vorlesung finden Sie auf der Vorlesungsseite http://www-m7.ma.tum.de/bin/view/Analysis/Fallstudien2016Friesecke