Ohne den Kohleausstieg gehen die Treibhausgasemissionen nicht runter. Der Ausstieg wird dringlich. Wie kann er geschehen? Energietisch Bündnis 90/Die Grünen, WK Waldshut Information und offene Diskussion am 30.01.2017 in Hauenstein mit Ulrich Martin Drescher, BT-Kandidat für den WK, www.umd.de Startvortrag von Martin Lohrmann, Bad Säckingen, www.wirtschaft-umwelt.de Quellen der Stromerzeugung in Deutschland Werte 2016: Kernkraft 13,1% Braunkohle 23,1 % Steinkohle 17,0 % Ziel: Ablösung von 53,2 % Atom + Kohle Stand EE 2016 am Verbrauch 32,3 %, an Erzeugung 29,5 % ML/GrüneWT 2 Die zentralen Fragen Kommt die Treibhausgasminderung durch die eingeleiteten Entwicklungen schnell genug voran? ja/nein/Argumente • Falls eine moderate? oder starke? Beschleunigung nötig ist: Kann sie mit moderaten Eingriffen oder einer Taktik der vielen kleinen Nadelstiche bewirkt werden? Oder nur durch einen technisch, wirtschaftlich, rechtlich und politisch intensiven Eingriff? Darf es zu Strukturbrüchen kommen? Ist ein festes Enddatum sinnvoll oder notwendig? Bleibt die Versorgung dann noch sicher und kostengünstig? Gabriel warnt vor der Operation am offenen Herzen. • Wären dafür politische Mehrheiten denkbar? Wie stark sollen, können und wollen wir uns dafür engagieren? ML/GrüneWT 3 Treibhausgasemissionen in Deutschland Wir kamen seit 2007 kaum nach unten 2015 und 2016 ging es wieder nach oben 916 Mio. t 2016 Klimaschutzplan Marrakesch -39% in 14 Jahren = 562 Mio. t 2030 84 Mio. t = 1,0 t/Einwohner 2050? ML/GrüneWT 4 Zielvorgaben aus dem in Marrakesch von der Bundesregierung vorgelegten Klimaschutzplan Knapp 80 % verursacht durch Kohleverbrennung Ohne Kohleausstiegsplan kommen wir da nie hin - 39% - 49% - 21% - 15% - 39% 100 % 2014 ML/GrüneWT Stand 2016: 916 Mio. t/a 5 Alle sagen: Das Paris-Ziel (Begrenzung der Erwärmung auf +1,5°) ist mit dem jetzigen Tempo nicht machbar Deshalb fordern die Umweltverbände, Wissenschaftler und auch wir Grünen politische Beschlüsse zum beschleunigten Kohleausstieg • Greenpeace fordert Ausstieg bis 2030 • WWF fordert Ausstieg bis 2035 und legte Studie vor • Agora Energiewende legte elf Eckpunkte für einen Konsens über den Kohleausstieg bis 2040 vor und warnt vor Fundamentaldebatten • Wir Grünen fordern einen Fahrplan zum Kohleausstieg binnen 20 Jahren Die Bundesregierung betont Planungssicherheit für eine weiterhin sichere und kostengünstige Stromversorgung und sieht sich auf gutem Weg. ML/GrüneWT 6 ML/GrüneWT 7 ML/GrüneWT 8 Aus dem Fraktionsbeschluss vom 17.1.2017 ML/GrüneWT 9 ML/GrüneWT 10 WWF-Studie Kohleausstieg 2035 ML/GrüneWT 11 meint aktuellen Regierungspfad Agora Energiewende ML/GrüneWT Vorschlag von Agora 2016. Elf Eckpunkte für einen Kohlekonsens. Konzept zur schrittweisen … 12 Klimaschutzplan der BReg, S. 30 ff. ML/GrüneWT 13 Klimaschutzplan, Fortsetzung Alles im Trend und Fluss – und auf bestem Weg? ML/GrüneWT 14 Meine Thesen Gelingen kann nur, was einen hohen Realitätsbezug hat und einen hohen, in der Ausgangssituation liegenden Handlungsdruck aufgreift. Realitätsbezug fordert also einerseits zur Klärung auf, ob dieser hohe und dringliche Handlungsdruck gegeben ist, und ob das Tempo der Änderungen diesem gerecht wird oder nicht gerecht wird. Realitätsbezug meint zum anderen die sorgfältige Beachtung der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge der heutigen Energieversorgung sowie die Entdeckung und Entwicklung des hervortretenden Neuen. Wenn dieses Neue bereits geboren ist, dann funktionieren der Weg zurück und Festhalten am Alten nicht mehr. Das Ziel kann dann nur heißen: Freier Weg für den Durchbruch des Neuen. ML/GrüneWT 15 Fragen zum Realitätsbezug A) Ist die Substitution technisch möglich? 1. Können wir den aktuellen Ausstieg aus der Atomenergie so auffangen, dass die Erzeugung aus fossilen Energien nicht ansteigt? 2. Können wir uns dazu auch noch den Abbau des Stroms aus Biomasse leisten, ohne in die fossile Sackgasse zu geraten? 3. Wie groß ist der Stromanteil aus Stein- und Braunkohle, der bis (2038?) ausscheiden soll? Wieviel wird durch Energieeinsparung kompensiert, wieviel durch den Ausbau der Wind- und Solarkraft? 4. Wie stellen wir die Versorgungssicherheit in der Dunkelflaute sicher? 5. Ist die großtechnisch zentrale oder verbrauchsnah dezentrale Stromerzeugung zukunftsfähiger? ML/GrüneWT 16 Fragen zum Realitätsbezug B) Finanzwirtschaftliche Auswirkungen 1. Welches neue Niveau an Stromgestehungskosten stellt sich mit der Systemumstellung ein? 2. Verteuert sich die Stromversorgung? Wenn ja, um wie viel? 3. Wurde die kostengünstige Option für die Systemgestaltung gewählt? Welche Mechanismen bewirken, dass die kostengünstigsten Optionen ausgewählt werden? 4. Was bedeutet der Systemwechsel für die in hohem Umfang exportorientierte deutsche Industrie? 5. Was bedeutet der Systemwechsel für die sozial Schwachen? ML/GrüneWT 17 Fragen zum Realitätsbezug C) Politische Umsetzung 1. Sind die Strukturbrüche in den Kohleförderregionen und in der Kraftwerksindustrie so groß, dass soziale Unruhen drohen, sodass erst dann Gas mit der Umstellung gegeben werden kann, wenn die neuen Zukunftsperspektiven für die Braunkohlereviere geklärt sind? 2. In welchem Umfang kann für den Systemwechsel auf die Kräfte des Marktes gebaut und vertraut werden? 3. Der billige Strom war und ist noch immer die Grundlage für ein hohes Konsumniveau in Deutschland und für eine weltwirtschaftliche Dominanz der deutschen Industrie. Kann der Systemwechsel ohne größere gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen überhaupt schnell genug vorankommen? ML/GrüneWT 18 Stromerzeugung Jan 2017 - das wollen wir ablösen: Atomstrom (grau) und Kohlestrom (braun + schwarz) ML/GrüneWT 19 Kompensation des Atomstroms ist mit EEG-2016-Ausbaupfaden nicht gewährleistet Ausbaupfad gemäß EEG 2016 Windenergie onshore 2850 MW brutto p.a. im ø Windenergie offshore 9500 MW installierte Leistung Solarstrom 2500 MW brutto p.a. Summe Mehrertrag aus fEE im Jahr 2022 Zubau bis 2022* MW 15900 5392 14400 Vbh 2500 4500 1000 Folgende Menge an Atomstrom muss ersetzt werden Fehlbetrag, der nicht ausgeglichen wird Ertrag 2022 aus Zubau TWh 39,8 24,3 14,4 78,4 84,9 -6,5 *Kürzung bei den Bruttoausbaupfaden: Wind onshore - 200 MW p.a. wg. Repowering Solarstrom - 100 MW p.a. wegen nachlassender Erträge der Altmodule und Schäden ML/GrüneWT 20 Stromaufkommen im Transformations-Szenario für ein beschleunigtes Auslaufen der Kohleverstromung in D, 2015 – 2050 (Berechnungen von Öko-Institut und Prognos zur WWF-Studie, Abbildung Z-3) Stromverbrauch in TWh: 1995/542 2000/580 2005/614 2010/615 2015/595 2016/593 Sinkender Strombedarf: Ist diese Annahme realistisch? ML/GrüneWT 21 Der Strombedarf wird viel höher als heute sein! (ML) http://www.volker-quaschning.de/publis/studien/index.php siehe Studie zur Sektorenkopplung ML/GrüneWT 22 Mit den heutigen Ausbaupfaden verbleibt eine große Deckungslücke! (ML) Prof. Dr. Volker Quaschning ML/GrüneWT 23 Strom aus EE-Quellen aktuell im Januar 2017: Wetterabhängige Windkraft, schwache Wasserkraft, kaum Sonne, großer Block Biomasse https://www.agora-energiewende.de/de/themen/-agothem-/Produkt/produkt/76/Agorameter/ ML/GrüneWT 24 Strom aus EE-Quellen im Juli 2017 Solarspitze passt zu Nachfragespitze. Synchronisation mit Nachfragesteuerung und Kurzzeitspeichern möglich https://www.agora-energiewende.de/de/themen/-agothem-/Produkt/produkt/76/Agorameter/ ML/GrüneWT 25 Dunkelflaute erfordert hohe Speicherund/oder Reservekraftwerkskapazität Bei Vollausbau am 4. und 12.1. Überschussangebot 10 Tage Dunkelflaute ML/GrüneWT 26 Wer den Strom aus Biomasse auch noch rausdrängt, vergrößert das Dunkelflautenproblem Bei Vollausbau bleibt Dunkelflaute ML/GrüneWT Bessere Idee: Die Biomasseverstromung mehr in den Winter schieben! Den Biogasmethanertrag durch Kombination mit Elektrolyse steigern 27 Neuer Wein in alte Schläuche? Die neuen Energien sind marktreif. Die Gestehungskosten sind bekannt und volkswirtschaftlich kostengünstiger als die alten Energien. Wenn der Markt auf die neuen Energien umgeschrieben wird, dann können sie eine hohe und schnell wachsende Stromnachfrage kostengünstig bedienen. Eingezwängt in das alte Förderregime ist diese Entwicklung nicht möglich. Für die Deckung der Residuallasten liegen die Vorschläge auf dem Tisch. Für ihre Mobilisierung muss ein passendes Marktdesign geschrieben werden. Für die Verwertung der regelmäßig wiederkehrenden Kurzzeit-Stromberschüsse von den Solar- und Windkraftanlagen liegen die Lösungen ebenfalls auf dem Tisch. Auf sie werden durch ein neues Marktdesign befreit. Neuen Wein in alte Schläuche würde die Schläuche zerreißen und auch der neue Wein ginge verloren. Der neue Wein ist da. Unsere Aufgabe besteht darin, ihm die neuen Schläuche zu bereiten: das neue Marktdesign! ML/GrüneWT 28 Pause / Diskussion • Können wir die Entwicklung so laufen lassen, wie sie sich auf der Basis des EEG 2014 und 2017 jetzt eingespielt hat? • Was sind die Voraussetzungen für einen Kohleausstieg? • Wird sich die deutsche exportorientiere Industrie nicht mit Händen und Füßen gegen Strompreise wehren, die auf das Niveau der Gestehungskosten der erneuerbaren Energien ansteigen: 6 – 9 Ct/kWh • Woher soll der Druck für entschiedenes Handeln kommen? • Gibt es einfache Konzepte, mit denen der Ausbau der erneuerbaren Energien wieder beschleunigt werden kann, denn ohne massiven Ausbau wird auch der Kohleausstieg nicht kommen? ML/GrüneWT 29 Was wären die Alternativen zu den Verboten und oder grundlegendem Marktredisign? • Emissionshandelsrechte (ETS) mit stärkerer Mengenbegrenzung und höheren Preisen durch Verknappung • Steuer auf Primärenergieverbauch oder CO2-Steuer • Internationales THG-Mengenregime unter Führung der UNO: Jeder Mensch ist gleich viel wert und hat die gleichen Freiheitsrechte. Heute sind die globalen Emissionen 6 Tonnen pro Kopf und Jahr. Im ersten Schritt auf 5 Tonnen senken. Jedes Land erhält ein Emissionsrecht für 5 Tonnen x Zahl der Einwohner. Die Starkemittenten kaufen den Entwicklungsländern, die weit weniger als 5 Tonnen benötigen, die ungenutzten Rechte ab. Auf die Weise kommt auch der Finanztransfer aus den Hochindustrie- in die Entwicklungsländer auf einer logischen Bezugsbasis in Gang. ML/GrüneWT 30 Im BMWi müsste man den Fahrplan kennen Rainer Baake, zuständiger Staatssekretär, auf dem BBEn-Konvent 16.9.2016: "Die Atmosphäre wird als kostenlose Deponie für Kohlendioxid genutzt", gestand auch Baake ein. Doch werde die Internalisierung der externen Kosten bei den Fossilen nicht kommen: darauf würde sich die Politik in Europa nicht einigen. Baakes Exit-Strategie für die fossilen Energien ist eine Dekarbonisierung auf ordnungsrechtlichem Weg: "Völliger Verzicht auf fossile Investitionen, die über 2050 hinausgehen.„ https://www.buendnis-buergerenergie.de/treffen/konvent-2016/ Kommentar: Die drei Varianten gemäß vorhergehender Folie haben im Augenblick wenig Chancen, politisch aufgegriffen zu werden. Wir bekommen wir dann die Treibhausgasemissionen bzw. Den Kohleausstieg dann in den Griff? Verbote oder radikales Marktredesign? ML/GrüneWT 31 Barrack Obama´s schmerzliche Erfahrungen Aus seiner Schlussrede als US-Präsidet in Chicago: • Das Amt des Bürgers ist das wichtigste Amt in einer Demokratie. • Wenn Sie unzufrieden sind, dann krempeln sie die Ärmel hoch und unternehmen etwas • … ich habe gelernt, dass sich nur etwas verändert, wenn ganz normale Bürgerinnen und Bürger sich einsetzen, sich engagieren und sich zusammentun, um diese Veränderung einzufordern. Als Bürger und zusammen mit den Bürgern will er sich weiterhin für die wichtigen Themen einsetzen. Dazu gehört der Klimaschutz. ML/GrüneWT 32 Wie zur Bedeutung des Schutzes der Erdatmosphäre aufrütteln? Drei spannende Bücher: 1. Dalai Lama mit Sofia Stril-Rever: Die Berge sind so kahl geworden wie der Kopf eines Mönchs: Herderverlage 2016 Darin Beschreibungen, wie der Klimawandel in Tibet „zuschlägt“ 2. Stephen Emmott: Zehn Milliarden. Suhrkampverlag 2013 3. Felix Ekardt: Klimaschutz nach dem Atomausstieg Herderverlag 2013 ML/GrüneWT 33 Manöverkritik / Verabredung • Für viele Teilnehmer blieben die von Martin vorgetragenen komplexen fachlichen Zusammenhänge, in die ein Kohleausstieg eingebettet sein muss, nicht nachvollziehbar. Es besteht der große Wunsch, einfachere Bilder und Forderungen für das Gespräch mit den Bürger auf der Straße an die Hand zu bekommen. • Antwort von Martin: Auch wenn es mühsam und nicht leicht nachvollziehbar ist, sollten wir im Interesse einer soliden Aufklärung mit einer Analyse der Ausgangssituation beginnen. • Vorschlag: In einem weiteren Treffen (ohne Vortrag) könnte nun Ulrich Martin Drescher seine Pinwandtechnik einsetzen, um einfache Erklärungen, Bilder und Forderungen zu finden, die dann jeder in seine Gespräche mit den Mitbürgern mitnehmen kann. ML/GrüneWT 34