Demografischer Wandel und Raumentwicklung

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Demografischer Wandel und Raumentwicklung – Forschungsbereiche der Professur für
Städtebau und Bodenordnung
Der demografische Wandel verlangt für die Städte und Dörfer, die Infrastruktur und die Landnutzung
innovative Ansätze und Strategien, denn vielerorts stellt der rapide Rückgang der Einwohnerzahlen eine
neue Herausforderung für die räumliche Planung und Entwicklung dar. Seit der „demographischen
Zeitenwende“ zu Beginn der 1970er Jahre weist die natürliche Bevölkerungsentwicklung (Geburtenrate
- Sterberate) in Deutschland und den europäischen Nachbarländern einen negativen Saldo auf. Zugleich
führen starke regionale und lokale Wanderungen in Städten und Dörfern zu einer Gleichzeitigkeit von
Wachstum und Schrumpfung (Entwicklungsparadoxon). Überlagert werden diese Trends neben den
sinkende Geburtenraten durch die Alterung, Individualisierung und wachsende Vielfalt der Gesellschaft.
Traditionelle Familienzusammenhänge verlieren an Bedeutung, Lebensstile differenzieren sich aus und
globale Wanderungsströme verstärken die Internationalisierung. Die vielfältigen Wechselwirkungen
sowie die Auswirkungen auf die Stadt-, Dorf- und Regionalentwicklung, die Landnutzung und die
Immobilienmärkte sind noch weitgehend unbekannt und es besteht zugleich ein dringender Bedarf an
plausiblen Theorien, Modellen und Strategien für die Weiterentwicklung der Siedlungsstruktur unter
Schrumpfungsbedingungen. Die aktuellen Forschungsbereiche für Städtebau und Bodenordnung lassen
sich wie folgt umreißen:
Forschungsbereich Stadt- und Dorfumbau: Abwanderungen und damit einhergehende
Schrumpfungsprozesse führen in zahlreichen Städten und Dörfern insbesondere in strukturschwachen
Regionen zu typischen kumulativen und sich gegenseitig verstärkenden Effekten wie
Wohnungsleerständen, Unterauslastungen der technischen und sozialen Infrastruktur und Verödung der
Stadt- und Ortskerne. Adäquate Strategien zur Schaffung von demografieresilienten Strukturen mit
effektiven Handhaben und partizipativen Steuerungsprozessen bedürfen dringend einer
wissenschaftlichen Fundierung und Optimierung. Zugleich bestehen in stark prosperierenden Groß- und
Universitätsstädten aufgrund der Bevölkerungs- und Haushaltszuwächse mit angespannten
Wohnungsmärkten erhebliche Gefahren der Verdrängung und sozialen Polarisierung. Angesichts der
zunehmenden Alterung der Stadtbevölkerung rücken auch Maßnahmen des Klimaschutzes und der
Klimaanpassung zur Sicherung der Wohnqualität in den Städten und Dörfern in den Fokus.
Forschungsbereich Landnutzung: Haushaltsverkleinerungen und regionale Zuwanderungen führen
nicht nur in den prosperierenden Verdichtungsräumen zu einer anhaltend hohen
Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrszwecke vor allem für den Wohnungsbau, und
zugleich fallen immer mehr Flächen brach (Flächennutzungsparadoxon). In Verbindung mit weiteren
Flächenansprüchen für erneuerbare Energien, Nahrungsmittelproduktion und Sicherung der
Biodiversität nehmen die Flächenengpässe, Nutzungskonkurrenzen und –konflikte zu. Die Effizienz der
Flächennutzung sowie die sozialgerechte Allokation und Distribution des Grund- und Bodens stellen
ein vorrangiges Problem der nachhaltigen Entwicklung und Herausforderung für die Forschung dar.
Forschungsbereich Daseinsvorsorge: Die öffentlichen und privaten Daseinsvorsorgeeinrichtungen
sind für die Lebensqualität von essentieller Bedeutung. In den Abwanderungsgebieten mit
Schrumpfungsprozessen kommt es in Folge von Unterauslastungen zu wirtschaftlichen
Tragfähigkeitsproblemen, Remanenzkosteneffekten sowie zu erheblichen qualitativ und quantitativen
Angebotsverschlechterungen. Bereits das traditionelle raumordnerische Leitbild der gleichwertigen
Lebensbedingungen erfordert eine wirtschaftliche und sozialverträgliche Stabilisierung, eine
bedarfsgerechte Anpassung und einen quantitativen Umbaubedarf von technischen und sozialen
Infrastrukturen.
Forschungsbereich Immobilienmärkte: Schrumpfende Immobilienmärkte in Abwanderungsgebieten
sind regelmäßig kaufpreisarm und daher in hohem Maße intransparent. Dies gilt oftmals auch für
angespannte Märkte in Zuwanderungsgebieten mit rapide steigenden Preisen für Bauland und für
Immobilien, was die soziale Kohärenz der Städte gefährdet. Zwar sind signifikante Korrelationen
zwischen demografischen Trends und Immobilienwerten zu vermuten, diese können indessen bislang
noch nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit modelliert werden. Die Funktionsfähigkeit der
Immobilienmärkte als wesentlicher Teil der Volkswirtschaft setzt indessen eine möglichst große
Transparenz voraus. Eine Verbreiterung der empirischen Grundlagen und Entwicklung plausibler
Analyse- und Bewertungsansätze sind hier dringend erforderlich.
Forschungsbereich Theorie-, Modell- und Methodenentwicklung: Die künftigen räumlichen
Entwicklungen und Interaktionen des gekoppelten Mensch-Umwelt-Systems sind angesichts der
kumulativen Effekte des demographischen Wandels mit anderen Einflüssen durch neue und äußerst
dynamische raumzeitliche Entwicklungsmuster mit Umbrüchen und erheblichen Unsicherheiten
gekennzeichnet. Für diese Prozesse fehlt es sowohl an validen theoretischen Erklärungsmodellen als
auch an plausiblen Modellierungsansätzen für fundierte Prognosen und Szenarien sowie für die
Unterstützung von Planungs- und Landnutzungsentscheidungen.
Die Forschung des Städtebaus und der Bodenordnung ist auf diese Bereiche ausgerichtet, um einen
Beitrag zum Verständnis der komplexen Wirkungszusammenhänge und Effekte des demografischen
Wandels sowie zur Fortentwicklung von adäquaten Strategien, Instrumenten und Verfahren für
umwelt- und sozialgerechtes Wachstum sowie für eine ökonomisch tragfähige und sozialverträgliche
Stabilisierung und Anpassung zu leisten. Die nachfolgenden Forschungsprojekte sind in diesem
Themenspektrum angesiedelt.
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