«Isolierung des Tessins muss um jeden Preis verhindert werden»

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Freitag, 20. Mai 2011 / Nr. 117
Schweiz
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NACHRICHTEN
Bundesrat will
Dialog mit Italien
BERN sda. Der Bundesrat will im
Steuerstreit mit Italien den Dialog
wiederaufnehmen. Dies schreibt er
in seiner Antwort auf einen Vorstoss aus dem Parlament. Er messe
der Entschärfung der Situation
grosse Bedeutung bei, hält der
Bundesrat fest.
AKW sollen 2029
vom Netz gehen
BERN sda. Im Jahr 2029 soll das
letzte Atomkraftwerk in der
Schweiz vom Netz gehen. Dies
fordern die Grünen mit ihrer Atomausstiegsinitiative. Gestern begann die Unterschriftensammlung.
Abstimmung
über Burkaverbot
TESSIN sda. Im Tessin wird zum
ersten Mal in der Schweiz das
Stimmvolk über ein Burkaverbot
abstimmen. Ein Komitee um den
Journalisten Giorgio Ghiringhelli
hat über 10 000 Unterschriften für
eine Initiative gesammelt, die ein
Verschleierungsverbot fordert.
Trämler wollen
heute streiken
ZÜRICH sda. Das Fahrpersonal der
Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) macht
mit seiner Streikdrohung Ernst: Vertreter der Gewerkschaft VPOD haben
gestern Störaktionen für heute Morgen in Aussicht gestellt. Es gehe um
eine «punktuelle Arbeitsniederlegung», damit deutlich werde, dass das
Personal entschlossen sei, sagte
VPOD-Generalsekretär Stefan Giger.
Allerdings werde der Streik nicht im
Berufsverkehr und nicht flächendeckend umgesetzt. Trotzdem empfahl
Giger: «Wer mit dem öffentlichen Verkehr zur Arbeit fährt, sollte vielleicht
einen Zug früher nehmen.» Heute
seien die Massnahmen auf der VPODHomepage einsehbar. Der VPOD war
vor zehn Tagen aus den Mediationsgesprächen mit den VBZ über bessere
Arbeitsbedingungen
ausgestiegen.
Der VPOD machte den Streik von der
Unterzeichnung einer Vereinbarung
abhängig und setzte eine Frist bis
gestern. Der Stadtrat trat nicht auf das
Ultimatum der Gewerkschaft ein.
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«Isolierung des Tessins muss um
jeden Preis verhindert werden»
GOTTHARD Auch nach dem Urner Nein
drängt der Kanton Tessin auf eine zweite Röhre,
bevor der alte Strassentunnel saniert wird.
Regierungsratspräsidentin Laura Sadis sagt,
welche Mittel der Bund dafür einsetzen kann.
INTERVIEW KARI KÄLIN
[email protected]
Laura Sadis, was bedeutet das Nein des
Kantons Uri zur zweiten Gotthardröhre
für den Kanton Tessin?
Laura Sadis*: Ich interpretiere das
Abstimmungsergebnis als Ausdruck einer Sorge, welche den Urnern und den
Tessinern gemeinsam ist: Die Sorge vor
zu viel Verkehr in unseren Tälern. Es ist
auch eine Bestätigung des Zieles, dass
noch mehr Güter von der Strasse auf
die Schiene verlagert werden müssen.
Der Kanton Tessin pocht weiterhin auf
eine zweite Röhre, bevor der alte Strassentunnel saniert werden soll. Gar nicht
enttäuscht über den Urner Entscheid?
Sadis: Der Kanton Uri ist wirtschaftlich und sozial stärker in Richtung
Norden orientiert. Der Kanton Tessin
mit seinen 330 000 Einwohnern hat
gegenüber Uri mit 35 000 Einwohnern
ein grösseres wirtschaftliches Gewicht –
mit entsprechenden Auswirkungen bei
einer Totalsperre. Er würde bei einer
Sperrung des Strassentunnels völlig von
der Deutschschweiz abgekoppelt.
rätlichen Bericht zur Totalsanierung
kritisch studieren. Die Kosten für die
Begleitmassnahmen, zum Beispiel für
die Investitionen und den Betrieb des
Verkehrsmanagements, belaufen sich
auf rund 500 Millionen Franken. Dieses
Geld ist nach der Totalsanierung verloren. Es stellt sich also die Frage, ob es
der Bundesrat nicht besser anders investieren würde, zum Beispiel in den
Bau einer zweiten Röhre, bevor der alte
Tunnel saniert wird. Dies, ohne die
Kapazität zu erweitern, um dem Alpenschutzartikel Rechnung zu tragen. Der
Bundesrat sollte diese Variante intensiv
prüfen, denn wir brauchen eine praktikable Lösung. Die Tessiner Regierung
will die Isolierung unseres Kantons um
jeden Preis verhindern.
Welche wirtschaftlichen Folgen befürchten Sie?
Sadis: Eine wichtige Wirtschaftsader
wäre unterbrochen, der Austausch von
«Dieses Geld ist nach
der Totalsanierung
verloren.»
Der Kanton Graubünden hat seine Haltung nach dem letzten Sonntag geändert und plädiert nicht mehr für einen
zweiten Tunnel. Wie wollen Sie andere
Kantone von Ihrer Haltung überzeugen?
Sadis: Ich finde es richtig, dass der
Kanton Graubünden den Urner Entscheid respektiert. Graubünden hat ein
Interesse daran, für die Zeit der Totalsanierung eine Lösung zu finden, denn die
Kapazität des San Bernardino ist nicht
grenzenlos. Zudem hat der Urner Landammann Markus Züst betont, dem Thema der Nord-Süd-Verbindung während
der Zeit der Totalsanierung weiterhin
grösste Aufmerksamkeit zu schenken.
Waren, aber auch die Mobilität jedes
einzelnen würde massiv erschwert. Natürlich würde auch der Tessiner Tourismus leiden. Wir müssen uns auch
bewusst sein, dass es sich nicht nur um
ein Tessiner, sondern um ein Schweizer
Problem handelt. Es geht aber nicht nur
um die Wirtschaft, sondern auch um
den persönlichen und kulturellen Austausch.
Der Bundesrat favorisiert derzeit aber
zwei Varianten, in dem der Strassentunnel entweder das ganze Jahr oder 280
Tage pro Jahr ganz verriegelt wäre.
Diese Lösung kommt für den Kanton
Tessin nicht in Frage?
Sadis: Nein. Wir müssen den bundes-
Halten Sie es für möglich, dass im Tessin
bald eine Konsultativabstimmung für
eine zweite Röhre stattfindet?
Sadis: Die Regierung hat darüber
noch nicht diskutiert. Eine Antwort zu
geben, wäre verfrüht. Aber es ist ein
denkbares Szenario.
LAURA SADIS, TESSINER
R E G I E R U N G S R AT S P R Ä S I D E N T I N
Laura Sadis, Regierungsratspräsidentin
des Kantons Tessin.
Keystone/Karl Mathis
Economiesuisse weibelt weiterhin für eine zweite Röhre. Sind Sie froh um die
Unterstützung des Wirtschaftsverbandes?
Sadis: Es handelt sich um eine gewichtige Stimmung auf nationaler Ebene, die realisiert hat, wie wichtig diese
Nord-Süd-Verbindung für den Kanton
Tessin und die Schweiz ist. Vergessen
wir nicht: Italien ist nach Deutschland
der zweitwichtigste Handelspartner unseres Landes.
Was halten Sie von den Ideen der
Alpen-Initiative, dauerhaft eine rollende
Landstrasse für Lastwagen und eine
Alpentransitbörse einzuführen?
Sadis: Die Kapazität der rollenden
Landstrasse reicht nicht aus. Eine Alpentransitbörse ist eine mögliche Alternative, um den Transitverkehr zu reduzieren. Es ist schwierig, zu sagen, ob
eine solche Lösung im europäischen
Kontext umgesetzt werden könnte.
HINWEIS
* Laura Sadis (50, FDP) ist Regierungsratspräsidentin des Kantons Tessin.
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