Ressourcenmanagement Kritischer Erfolgsfaktor für das Prozessund Projektorientierte Unternehmen der Zukunft Das Management von Humanressourcen in Unternehmen ist ein emotional behaftetes Thema, das sich sofort gegen den Vorwurf der Personalüberwachung verteidigen muss. Als Konsequenz wird diese Baustelle in Unternehmen meist erst gar nicht angegangen. Dabei drückt der Schuh offensichtlich erheblich: in diversen Umfragen über die Ursachen für Schwierigkeiten in Projekten finden sich Ressourcenprobleme in den Top 3. Wie kann Ressourcenmanagement nun funktionieren, um die für das Unternehmen notwendige Transparenz zu schaffen und die Mitarbeiter von dessen Vorteilen überzeugen? von Christian Sterrer Tatsachen & Mythen Der professionelle Einsatz von Ressourcen in Projekten und Linienaufgaben ist erfolgskritisch für ein Unternehmen. Darüber herrscht meist Einigkeit. Da die Einführung dieser Professionalität immer auch ein Mehr an Transparenz über die Auslastung der verschiedenen Ressourcen mit sich bringt, fürchten viele Mitarbeiter und Führungskräfte eine Personalüberwachung. Ein Irrglaube, zumal es bei qualifiziertem Ressourcenmanagement einfach nur darum geht, die verplanten Kapazitäten in Projekten und die Verfügbarkeiten in der Linie zu erheben, um Ressourcen gezielt und strategisch sinnvoll einsetzen zu können. Nutznie- ßer sind hierbei aber nicht nur die Unternehmen, die dadurch Ziele eher erreichen und Kosten einsparen können sondern auch der Mitarbeiter selbst. In Zeiten von Burn-out stellt ein professionelles Ressourcenmanagement die effiziente Steuerung der Ressourcen sicher und kann so eine quantitative Überlastung von Mitarbeitern verhindern. Eine unternehmensweite Angelegenheit Eine zentrale Herausforderung bei der Optimierung des Ressourcenmanagements im Unternehmen ist die Komplexität. Für eine optimale Nutzung der verfügbaren Ressourcen im Unternehmen bedarf es einer Erhebung der sowohl in Projekten als auch in den Linien gebundenen Ressourcen. Dies erfordert eine Zusammenarbeit der Projekt- und Linienwelt. Während die Projektleiter um notwendige Ressourcen ansuchen, ist es Aufgabe der Linienverantwortlichen über die Auslastung ihrer Mitarbeiter Bescheid zu wissen, damit auf Ebene des Multiprojektmanagements realistische Aussagen über den Ressourcenstatus gemacht werden können. Zusammenarbeit bedeutet in einem ersten Schritt das Finden eines gemeinsamen Detaillierungsgrades. Werden die Ressourcen auf Abteilungs-, Team-, Kompetenz- oder Mitarbeiterebene geplant? Während die Genauigkeit mit dem >> Der Autor Christian Sterrer (Mag., geboren 1968) ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der pmcc consulting GmbH, Referent an mehreren Hochschulen (Steinbeis Hochschule Berlin, UNI St. Gallen, etc.) und Erfolgsautor zum Projektmanagement. Seine 20jährige, internationale Erfahrung als Trainer, Coach und Berater projektorientierter Organisationen macht ihn zu einem der führenden Experten zum Projektmanagement im deutschsprachigen Raum. Abb.1: Ebenen des Ressourcenmanagements RestRess. Basis IstRess. Differenz Aktuelle Hochrechnung Abb.2: Controlling der Ressourcen auf Projektebene Grad der Detaillierung steigt, ist jedoch auch die Umsetzbarkeit nicht außer Acht zu lassen. Es hat sich als sehr praktikabel erwiesen, auf jener Ebene zu planen, auf der die Ressourcen im Unternehmen üblicherweise gesteuert werden. Das bedeutet, liegt die Ressourcenverantwortung in einem Unternehmen bei den Teamleitern, so sollte der Ressourcenstatus in den Projekten und Linien auch auf Teamebene erhoben und geplant werden. Eine weitere Voraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit ist die Harmonisierung dieser drei Ebenen. Auf Multiprojektebene kann nur gesteuert werden, was in den Einzelprojekten geplant wird und Projekte können nur verantwor- tungsvoll beauftragt werden, wenn Linienverantwortliche eine Auskunft über die Projektverfügbarkeit ihrer Mitarbeiter geben können. Aber einmal alles der Reihe nach: 1) Planung der Ressourcen in den Projekten Für ein professionelles Management von Projekten ist eine Planung der erforderlichen Ressourcen unumgänglich. Wie kann der Endtermin eines Arbeitspaketes realistisch geschätzt werden, wenn nicht bekannt ist, ob die dafür notwendigen Ressourcen verfügbar sind? Dementsprechend muss ein professionelles Projektmanagement auch das regelmä- ßige Controlling der Ressourcen beinhalten. Obwohl in der Praxis meist angewandt, ist die Effizienz dieses Controllings häufig mittelmäßig. In vielen Projekten werden im Rahmen der Controllingzyklen zwar die bereits verbrauchten Ressourcen (Ist-Stunden) dokumentiert, allerdings wird nicht erhoben, wie viele Ressourcen zur Fertigstellung des Arbeitspaketes, der Phase oder des Projektes noch notwendig sind. Diese noch notwendigen Ressourcen entsprechen nämlich nicht immer den noch budgetierten Personenstunden. Allerdings kann nur durch diese Methode sichergestellt werden, dass Ziele und Termine planmäßig erfüllt werden können. Für eine seriöse Kalkulation der Ressourcen ist die Planung der Ressourcen auf ArbeitspaketEbene zu empfehlen. Basis für die Kalkulation sind die Leistungsplanung und Erfahrungswerte. Das heißt, der Projektleiter erstellt gemeinsam mit seinem Projektteam einen Projektstrukturplan und definiert die Arbeitspaketverantwortlichen, die wiederum die Verantwortung für das Abschätzen des Ressourcenaufwandes in ihrem Arbeitspaket haben. Im Anschluss daran konsolidiert der Projektleiter den von den AP-Verantwortlichen gemeldeten Ressourcenbedarf. Nun kann der Ressourcenbedarf mit den budgetierten Ressourcen im Projektauftrag verglichen und eventuelle Abweichungen mit dem Projektteam bzw. Projektauftraggeber abgestimmt werden. Im Sinne einer unternehmensweiten Ressourcenplanung muss bereits auf Einzelprojekt-Ebene der beschlossene Detaillierungsgrad angewandt werden. Wurde entschieden, auf Teamebene zu kalkulieren, so muss der Projektleiter melden können, wieviele Personenstunden er vom jeweiligen Team wann für das Projekt benötigt. >> nalverantwortliche nur bei Ressourcenkonflikten oder -überlastungen herangezogen. Wie bei der Ressourcenplanung auf Projektebene ist auch hier der definierte Detaillierungsgrad anzuwenden. Wird auf Teamebene geplant, muss der Ressourcenverantwortliche dem Multiprojektmanagement melden können, wieviele Personenstunden des jeweiligen Teams wann für Projekte verfügbar wären. Abb.3: Ressourcenplanung auf Arbeitspaket-Ebene 3) Zusammenführung auf Multiprojektmanagementebene Abb.4: Ressourcenplanung auf MA-Ebene in der Linie 2) Planung der Ressourcen in der Linie Die zunehmende Projekttätigkeit von Mitarbeitern stellt die Ressourcenverantwortlichen in den Linien vor neue Herausforderungen. Während Mitarbeiter vor einigen Jahren noch meist mit Linienaufgaben beschäftigt waren, erhöht die starke Verbreitung der Matrixorganisation (Mitarbeiter arbeiten sowohl in Projekten als auch in der Linie) die Komplexität der Ressourcensteuerung erheblich. Als Konsequenz haben viele Organisationen die Übersicht über ihre Ressourcen verloren und kämpfen mit einem ständigen Ressourcenengpass. Für ein übergeordnetes Ressourcenmanagement muss das Ziel der Ressourcenplanung in der Linie die Erhebung der Projektverfügbarkeit pro Ressource sein. Der Ressourcenverantwortliche sollte somit aussagen können, wieviel und wann seine Mitarbeiter mit Linienaufgaben beschäftigt bzw. für Projekte verfügbar sind. Dafür werden die Mitarbeiter/innen mit den verfügbaren Stunden pro Kalenderwoche oder Monat eingeplant. Zur Erhebung der Projektverfügbarkeit werden Urlaube und Krankenstände sowie Linientätigkeiten abgezogen. Die Verantwortung der Ressourcenplanung liegt je nach Organisation und Position entweder bei dem Ressourcenverantwortlichen oder dem Mitarbeiter. Steuert der Mitarbeiter die Ressource selbständig (dies ist z.B. in der Forschung sehr häufig der Fall), werden Perso- Das Multiprojektmanagement spielt beim unternehmensweiten Ressourcenmanagement eine zentrale Rolle: hier werden die Ressourcenbedarfe aus den Projekten, den Ressourcenverfügbarkeiten aus den Linien gegenübergestellt. Entsprechend ist das Multiprojektmanagement für ein Unternehmen von großer strategischer Bedeutung, da hier Über- und Unterlastungen der Unternehmensressourcen erkannt und somit die Basis für strategisch wichtige Steuerungsentscheidungen gelegt wird. In der Projekt- und Prozessorientierten Organisation obliegt diese Aufgabe dem Projektesteuerkreis (PSK). Ein Projektesteuerkreis setzt sich aus ausgewählten Linienverantwortlichen zusammen, die zum einen die Sicherstellung der Linientätigkeiten verantworten UND zum anderen über die Ressourcenzuteilung in den Projekten und damit auch über Projektbeauftragung und Projektepriorisierung entscheiden. Ein PSK ist demnach jene notwendige Instanz, der die Linien- und Projektwelt vereint, um im Sinne des Gesamtunternehmens arbeiten zu können. Damit ein Projektsteuerkreis entsprechend funktionieren kann, müssen Verantwortungen >> MPM Multiprojektmanagement (PSK, PS) Verplante Ressourcen Verfügbarkeiten EPM Einzelprojektmanagement (PL) RM Ressourcenmanagement (Abteilungsleiter) ZM Zeitmanagement (PTM, PMA) Abb.5: Zusammenhang Linie / Projekt im unternehmensweiten Ressourcenmanagement und Pflichten klar definiert und entsprechend wahrgenommen werden. Eine der wichtigsten Aufgaben des PSK ist die Auswahl und Priorisierung von Projekten unter strategischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten: in welchem Ausmaß unterstützt das Projekt die Strategie des Unternehmens? Wie sieht es mit dem Return on Investment aus und ist das zu erwartende Risiko vertretbar? Eine weitere Aufgabe ist die aktive Steuerung der Projekte entsprechend der vorherrschenden Ressourcensituation: auf Über- bzw. Unterlastungen der Ressourcen muss mit adäquaten Steuerungsentscheidungen reagiert werden. Dies kann von der kurzen Abstimmung zwischen Linie und Projekt bei geringfügigen Überlastungen bis hin zu weitreichenderen Maßnahmen wie dem „On hold“-Setzen eines Projektes, einer temporäre Reduktion der Linientätigkeiten oder der Erhöhung der Ressourcen reichen. Herausforderungen & Nutzen von professionellem Ressourcenmanagement Die Einführung eines professionellen Ressourcenmanage- ments bedeutet Veränderung und Mehraufwand für Führungskräfte, Projektleiter und Mitarbeiter und ist daher nicht selten von Widerstand begleitet. Dieser Widerstand sollte unter keinen Umständen ignoriert sondern von Beginn an ernst genommen und entgegnet werden. Intensive Kommunikation ist dabei genauso erfolgskritisch wie das aktive Einbinden betroffener Personen und Meinungsbildner im Unternehmen. In der Praxis erwiesen sich zum Beispiel Informationsveranstaltungen oder Beiträge in unternehmensinternen Zeitungen in denen Veränderungen angekündigt und Nutzen kommuniziert werden als sehr hilfreich. Professionelles Ressourcenmanagement ist nicht nur gewinnbringend für das Unternehmen sondern erhöht letztlich die Mitarbeiterzufriedenheit. Aufgrund gesteigerter Transparenz wird die Rolle des Mitarbeiters für das Unternehmen klarer, Mehrfachbelastungen sichtbar und Überlastungen nicht nur gefühlt sondern auch durch Zahlen bestätigt. Letzten Endes kann ein Ressourcenmanagement zu einer verbesserten Work-Life-Balance der Mitarbeiter beitragen. Die Vorteile für das Unternehmen sind wesentlich offensicht- licher und ungleich leichter zu argumentieren: Optimierung der Mitarbeitereinsatzplanung, frühzeitiges Erkennen von Kapazitätsengpässen und Reduktion von Personal- und Projektkosten. Zudem wird der Bedarf eines Ressourcenmanagements meist in der Führungsebene erkannt und auch von dort unterstützt. Praxisbeispiel aus der Dienstleistungsbranche Ausgangssituation • Mittelständisches Unternehmen, ca 450 Mitarbeiter • Jährlich ca. 30 Projekte mit 10.000 Personentagen Problem Aufgrund von extremen Ressourcenengpässen vor allem im IT-Bereich konnten geplante Projekte nicht mehr durchgeführt werden. So wurde der Ruf nach einem professionellen Projekt- und Ressourcenmanagement laut. Vorgehensweise In einem ersten Schritt wurde ein Führungskräfte-WS durchgeführt mit dem Ziel, die Sensibilität hinsichtlich professionellem Projekt- und Ressourcenmanagement zu erhöhen. Den Führungskräften wurde in einem Ein-Tages-Workshop der Zusammenhang zwischen Strategie, (Multi-) Projekt- und Ressourcenmanagement erläutert. Zum Schluss wurde eine weitere Vorgehensweise vereinbart. Auf dem Weg zum Ressourcenmanagement wurde in einem ersten Schritt das Einzelprojektmanagement optimiert und ein passendes Tool eingeführt. Nach Konzeptionierung, Umsetzung und Roll-out wurde als nächstes das Multiprojektmanagement professionalisiert (Methoden, Prozesse, Organisation). In einem letzten >> Checkbox PSK Geschäftsführung Projektesteuerkreis • Wurde definiert, wie detailliert die Ressourcen in den Projekten und den Linien geplant werden sollen (MA-, Team-, Abteilungsebene)? Bereichsleiter Abteilungsleiter Abteilungsleiter Bereichsleiter Abteilungsleiter Bereichsleiter Abteilungsleiter Abteilungsleiter Abteilungsleiter Abteilungsleiter • Werden Ressourcen in den Projekten auf Arbeitspaket-Ebene geplant und controlled? • Werden in den Linien die Projektverfügbarkeiten erhoben? • Gibt es eine zentrale Stelle auf Ebene des Multiprojektmanagement (PSK), die für Projekte erforderlichen Ressourcen den verfügbaren Kapazitäten gegenüberstellt? • Werden Ressourcenbedarfe und Projektverfügbarkeiten regelmäßig an das Multiprojektmanagement gemeldet? • Reagiert das Multiprojektmanagement über Ressourcenüber- bzw. -unterlastungen? • Wird die Ressourcensituation bei der Projektebeauftragung mitberücksichtigt? Abb.6: PSK in der Unternehmensorganisation Schritt wurde das eigentliche Problem, das Management der Ressourcen, angegangen. Aus Gründen der Effizienz entschied man sich, das Ressourcenmanagement vorerst einmal nur für Engpassressourcen einzuführen. Der gesamte Prozess nahm ca. ein Jahr in Anspruch. Lessons Learned • Die Planung aller Projekte muss standardisiert und konsequent durchgeführt werden. • Der Projektsteuerkreis sollte sich aus ausgewählten Linienverantwortlichen zusammensetzen, die in dieser Funktion sowohl die Interessen der Linie als auch jener der Projekte vertreten. • Es sollte Einigkeit darüber herrschen, wer als Engpassressource gehandelt wird. • Auch Führungskräfte müssen an den vereinbarten Richtlinien festhalten, das heißt, alle Projekte müssen über das Portfolio gesteuert werden. Zusammenfassung Zunehmende Projekttätigkeit in Unternehmen erhöht die Komplexität des Ressourcenmanagements massiv, da Mitar- beiter nicht mehr ausschließlich mit Linientätigkeiten sondern immer öfter mit Projekten beschäftigt sind. Als Konsequenz haben viele Organisationen den Überblick über ihre Ressourcen verloren und können keine qualifizierte Auskunft geben, wann und wo ihre Ressourcen im Einsatz sind. Für die professionelle Führung eines Unternehmens muss diese Antwort allerdings gegeben werden können. Ressourcenmanagement plant und steuert alle im Unternehmen verfügbaren Ressourcen mit dem Ziel, diese strategisch effizient einsetzen zu können. Eine Zusammenarbeit verschiedener Unternehmensbereiche ist dafür unbedingt erforderlich: auf Projektebene müssen Ressourcen entsprechend dem definierten Detaillierungsgrad geplant und controlled werden, in der Linie sind die Projektverfügbarkeiten zu erheben und auf Ebene des Multiprojektmanagements sind erforderlichen Ressourcen den verfügbaren Kapazitäten entgegenzustellen und entsprechend zu allokieren. Sind diese drei Ebenen harmonisiert, kann das Portfolio eines Unternehmens professionell und strategiekonform gesteuert werden.