Experimentalphysik I Bestimmung von Hauptträgheitsachsen und

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Experimentalphysik I
Universität zu Köln, Wintersemester 2016/2017
Prof. Dr. Andreas Zilges/ Mark Spieker
Bestimmung von Hauptträgheitsachsen und ihren
Hauptträgheitsmomenten
Gegeben sei ein 3x3 Trägheitstensor I von der Form


Ixx Ixy Ixz
I =  Iyx Iyy Iyz 
Izx Izy Izz
(1)
~ mit der Winkelgeschwindigkeit ω
Entsprechend der Vorlesung ist der Drehimpuls L
~ über
die Beziehung
~ = I~ω
L
(2)
verknüpft.
Denken Sie sich nun als Beispiel einen Zylinder, dessen Symmetrieachse mit der z-Achse
zusammenfällt (siehe Skizze). In diesem Falle nimmt der Trägheitstensor eine sehr einfache
Form an, indem alle Elemente, die nicht auf der Nebendiagonalen liegen gleich Null werden
Ixy = Ixz = Iyx = Iyz = Izx = Izy = 0. Ist dies der Fall, so sind die Koordinatenachsen
die sog. Hauptträgheitsachsen. Betrachtet man Rotationen um die Koordinatenachsen
ω
~ = ωex ,ωey , ωez , so sind die Diagonaleinträge Ixx , Iyy , Izz die Trägheitsmomente.
Abbildung 1: Ein Zylinder in einem kartesischen Koordinatensystem. Im Fall von a) fallen
die Hauptträgheitsachsen mit den Koordinatenachsen zusammen so dass der Trägheitstensor
diagonal ist. Wird der Zylinder um 45◦ getreht ist der Trägheitstensor nicht mehr diagonal.
Durch eine geeignete Koordinatentransformation (Diagonalisierung) nimmt der Trägheitstensor
in einem anderen Koordinatensystem wieder Diagonalgestalt an.
Stellen Sie sich nun vor, dass der Zylinder in der yz-Ebene um den Winkel φ = 45◦
gedreht wird. Dann nimmt der Trägheitstensor bezüglich des alten Koordinatensystems
nicht mehr Diagonalgestalt an, da die Hauptträgheitsachsen nicht mehr mit den Koordinatenachsen zusammenfallen. Man kann jedoch ein Koordinatensystem finden, indem der
Trägheitstensor wieder Diagonalgestalt hat (in diesem Fall einfach das um φ = 45◦ um
1
die x-Achse gedrehte Koordinatensystem). Diese Koordinatentransformation wird als Diagonalisierung bezeichnet. Die Koordinatenachsen dieses neuen Koordinatensystems sind
dann wiederum die Hauptträgheitsachsen.
Ziel soll es nun sein, für einen gegebenen Trägheitstensor, der in einem Koordinatensystem
O gegeben ist, die Hauptträgheitsachsen und die zugehörigen Trägheitsmomente zu finden.
Die Bedingung, dass eine Achse Hauptträgheitsachse ist, ist dass der Drehimpuls bei einer
Rotation um eine Hauptträgheitsachse parallel zum Drehimpuls ist. (Andere Rotationen
sind nicht stabil, d.h. es würde ein Drehmoment und damit eine Drehimpulsänderung
geben.) Mathematisch lässt sich diese Bedingung formulieren als:
~ = λ~ω
I·ω
~ =L
(3)
oder anders formuliert:
I·ω
~ − λ~ω = 0
(4)
Diese Gleichung hat für den Fall eines 3x3-Trägheitstensors drei Lösungspaare (λi , ωi ),
welches die Trägheitsmomente und Hauptträgheitsachsen sind.
Zur Lösung von (4) kann man die folgt vorgehen: Für ω
~ 6= 0 muss gelten:
C(λ) := det(I − λE) = 0
(5)
wobei E die Einheitsmatrix darstellt. C(λ) ist dann ein Polynom 3. Grades und somit
sind die Trägheitsmomente λ die Nullstellen dieses Polynoms. Durch Bestimmung dieser
Nullstellen sind also bereits die Trägheitsmomente gefunden.
Es bleiben also noch die Hauptträgheitsachsen zu bestimmen. Definitionsgemäß ist ω~i eine
Hauptträgheitsachse mit dem Trägheitsmoment λi , wenn
(I − λi E)~ωi = 0
(6)
gilt. Schreibt man diese Gleichung mit den Komponenten von ω
~ i explizit aus, erhält man
ein 3-dimensionales Gleichungssystem für die unbekannten Komponenten von ω
~ i . Durch
lösen dieses Gleichungssystems für alle drei Trägheitsmomente erhält man die Hauptträgheitsachsen.
Beispiel Dies soll nun anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Gegeben sei ein
Trägheitstensor:


5 0 0
I= 0 3 0 
(7)
0 0 1
Setzt man den Ausdruck für I in Gleichung (5) ein, erhält man das Polynom:


5−λ
0
0
3−λ
0 
C(λ) = det  0
0
0
1−λ
⇒ C(λ) = (5 − λ) · (3 − λ) · (1 − λ)
(8)
(9)
2
Dieses Polynom hat die Nullstellen λ1 = 5, λ2 = 3, λ3 = 1. Damit sind die Trägheitsmomente für Rotationen um die Hauptträgheitsachsen bestimmt.
Damit bleiben noch die Lage
von Gleichung (6) erhält man


0 0
0
ω1,1
 0 −2 0   ω1,2
0 0 −4
ω1,3
der Hauptträgheitsachsen selbst zu bestimmen. Mit Hilfe
für die erste Nullstelle λ1 = 5

=0
(10)
mit ω1,i den Komponenten von ω~1 . Durch explizites ausrechnen erhält man, dass ω1,1 beliebig, und ω1,2 = ω1,3 = 0 ist. Generell gilt, dass mit ω
~ auch c·~ω eine Hauptträgheitsachse
ist, so dass bei der Bestimmung einer Hauptträgheitsachse immer eine Komponente frei
wählbar ist. Diese kann z.B. durch Normierung bestimmt werden.
Durch analoge Rechnung
Für dieses
 erhält man
 auch
 die anderen
 Hauptträgheitsachsen.

1
0
0
Beispiel wäre ω
~ 1 =  0 , ω
~ 2 =  1  und ω
~ 3 =  0  ein Satz von Hauptträgheits0
0
1
achsen mit den Trägheitsmomenten λ1 , λ2 und λ3 .
Anmerkung Formal ist Gleichung 4 ein Eigenwertproblem. Jede lineare Abbildung
f : V →W
(11)
zwischen zwei Vektorräumen V und W lässt sich durch eine Matrix A darstellen, sodass
x → f (x) = A · x
(12)
gilt. Besondere Bedeutung kommt denjenigen Vektoren x zu, bei denen sich die Abbildungsvorschrift (12) zu einer Multiplikation mit einer Zahl vereinfacht:
x → A · x = λx
(13)
Die Zahlen λ und Vektoren x heißen dann die Eigenwerte und Eigenvektoren zur Matrix A.
In dem oben beschriebenen Fall sind die Trägheitsmomente und die Hauptträgheitsachsen
die Eigenwerte bzw. Eigenvektoren des Trägheitstensors. Das Polynom C(λ) in Gleichung
(5) ist das sog. charakteristische Polynom der Matrix A. Im allgemeinen können die Nullstellen komplexe Zahlen sein, im Fall von Trägheitstensoren sind die Eigenwerte und damit
die Trägheitsmomente jedoch als physikalische Observablen immer reelle Zahlen.
Eigenwerte und Eigenvektoren sind wichtige Konzepte der Mathematik, die auch Anwendungen in der Physik finden. Beispielsweise sind die Energiewerte eines quantenmechanischen Systems die Eigenwerte des Hamilton-Operators. Weitere Informationen zu
Eigenwerten und Eigenvektoren finden sich in einschlägigen Lehrbüchern der linearen Algebra.
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