Abstracts Magen-, Darm- und Leberkrankheiten: Interdisziplinäre Diagnostik und Behandlung Neustadt / Weinstraße Rostock 12. September 2009 Braunschweig 25. April 2009 Samstag, 19. September 2009 9.00 – 16.00 Uhr Magdeburg 5. Dezember 2009 Gladbeck 13. Juni 2009 Veranstaltungsort: Saalbau Neustadt Bahnhofstr. 1 67434 Neustadt/Weinstraße Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. F. Lammert, Homburg/Saar Prof. Dr. R. Jakobs, Ludwigshafen Bochum 21. März 2009 Böblingen 7. Februar 2009 Neustadt / Weinstraße 19. September 2009 München 10. Oktober 2009 Programm 9.00 Uhr Begrüßung Prof. Dr. F. Lammert, Homburg/Saar Sitzung I: Schnittstellen in der Viszeralmedizin Vorsitz: Prof. Dr. F. Lammert, Homburg/Saar Prof. Dr. H. Messmann, Augsburg 9.05 Uhr Sigmadivertikulitis – Operation wirklich nach dem ersten Rezidiv? Prof. Dr. S. Willis, Ludwigshafen 9.30 Uhr Morbus Crohn: von der Pathophysiologie zu interdisziplinären Therapiekonzepten PD Dr. E. Cario, Essen 9.55 Uhr Morbide Adipositas – konservative oder operative Therapie? Prof. Dr. H.E. Wasmuth, Aachen 10.20 Uhr Therapie des Reizdarms: von der Wissenschaft in die Klinik (ohne Abstract) Dr. S. Schmittgens, Krefeld 10.45–11.15 Uhr Kaffeepause Sitzung II: Endoskopie im Grenzbereich Vorsitz: PD Dr. S. Grüne, Neustadt/Weinstraße Prof. Dr. R. Jakobs, Ludwigshafen 11.15 Uhr Endoskopische Therapie bei Frühkarzinomen des Gastrointestinaltrakts: Standards und Zukunft Prof. Dr. H. Messmann, Augsburg 11.40 Uhr Metallstents bei benignen Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts – welche Indikationen? (ohne Abstract) PD Dr. A. Dormann, Köln 12.05 Uhr Transmurale Pankreasabszess- und Nekrosenausräumung – Was ist möglich? Was ist Standard? PD Dr. U. Will, Gera 1 12.30 Uhr NOTES – Endoskopie „off limits“? PD Dr. A. Eickhoff, Hamburg 12.55–14.00 Uhr Mittagspause Sitzung III: Viren und Tumoren Vorsitz: Prof. Dr. J.F. Riemann, Ludwigshafen Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn 14.00 Uhr Therapie der Virushepatitis: von der chronischen Hepatitis zur Karzinomprävention Prof. Dr. T. Berg, Berlin 14.25 Uhr Hepatozelluläres Karzinom: neue Therapiealgorithmen und neue Studien PD Dr. V. Schmitz, Bonn 14.50 Uhr Intraduktale Diagnostik bei unklaren Gallengangsstenosen Prof. Dr. J. Rädle, Homburg/Saar 15.15 Uhr Optimierte Diagnostik und Therapie für das Karzinom des Magens und des gastroösophagealen Übergangs PD Dr. M. Möhler, PD Dr. C.C. Schimanski, Prof. Dr. P.R. Galle, Mainz 15.40 Uhr Kolorektales Karzinom – Gibt es die optimale palliative Chemotherapie? Prof. Dr. T. Seufferlein, Halle 16.00 Uhr Verabschiedung Prof. Dr. R. Jakobs, Ludwigshafen Anschriften der Referenten und Vorsitzenden s. Seiten 39–40 2 Sigmadivertikulitis – Operation wirklich nach dem ersten Rezidiv? S. Willis Chirurgische Klinik A, Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Unfallchirurgie, Klinikum der Stadt Ludwigshafen Die Divertikulitis ist die häufigste Komplikation der Divertikulose. Die Diagnostik bei Verdacht auf Divertikulitis beruht neben der klinischen Untersuchung, Laborchemie und Ultraschall im Wesentlichen auf der CT. Aufgrund der Schnittbildverfahren wird die Divertikulitis in Stadium I (unkomplizierte Divertikulitis), Stadium II (komplizierte Divertikulitis) und Stadium III (chronisch rezidivierende Divertikulitis) eingeteilt. Die Therapie der akuten Divertikulitis erfolgt stadienadaptiert: Im Stadium I ist die Behandlung aufgrund einer fast 100%igen Heilungs- und minimalen Komplikationsrate konservativ mit Antibiose und Nahrungskarenz. Das Stadium II wird weiter unterteilt. Im Stadium IIa (phlegmonöse Divertikulitis) erfolgt eine konservative Therapie mit frühelektiver Sigmaresektion nach Ausheilung der akuten Entzündung. Im Stadium IIb (abszedierende Divertikulitis) sollte ebenfalls ein konservativer Therapieversuch mit ggf. interventioneller Abszessdrainage erfolgen, um dann anschließend frühelektiv eine Sigmaresektion mit primärer Darmanastomose vornehmen zu können. Das Stadium IIc beschreibt eine freie Divertikelperforation mit Peritonitis, welche die umgehende Notfalloperation mit Sigmaresektion und Anlage eines protektiven Stomas oder gar eine Diskontinuitätsresektion erfordert. Das Rezidivrisiko nach konservativer Therapie eines akuten Schubs beträgt etwa 10–30% und scheint sich auch mit weiteren Schüben nur minimal zu erhöhen. Im Gegensatz zu älteren Studien scheint das Risiko für einen komplizierten Verlauf auch nach mehreren Entzündungsschüben nicht wesentlich zuzunehmen. Aus diesem Grund wurde das bisherige Vorgehen, eine rezidivierende Divertikulitis elektiv nach dem zweiten Schub zu operieren, weitgehend verlassen. Divertikulitisrezidive werden in der Regel wie der erste Divertikulitisschub konservativ behandelt. Die Indikationsstellung zur patientenspezifischer Operation Faktoren erfolgt individuell (Häufigkeit, unter Schweregrad, Berücksichtigung Leidensdruck, Komorbidität). Das Patientenalter scheint hierbei eine geringere Rolle zu spielen, als 3 lange Zeit vermutet: Eine große Kohortenstudie aus den USA konnte zwar ein signifikant erhöhtes, klinisch aber nicht relevantes Risiko für eine Notfallintervention bei jungen Patienten nachweisen (Anaya DA, Flum DR. Arch Surg. 2005; 140: 681– 685; Abb. 1). Eine Ausnahme stellen immunsupprimierte Patienten dar, die aufgrund eines deutlich erhöhten Komplikationsrisikos immer frühelektiv nach dem ersten Divertikulitisschub operiert werden sollten. Aufgrund verringerter Schmerzen, eines geringeren Narbenhernienrisikos und einer besseren Lebensqualität und Kosmetik ist die laparoskopische Sigmaresektion die Operation der Wahl beim elektiven Eingriff. Die Mortalität ist minimal, die Morbidität beträgt etwa 25% und das Rezidivrisiko nach Operation liegt zwischen 1% und 10%. Mehr als 80% der Patienten sind postoperativ mit dem Operationserfolg zufrieden. Abb. 1 (aus Anaya, Arch. Surg. 2005): 4 Morbus Crohn: von der Pathophysiologie zu interdisziplinären Therapiekonzepten E. Cario Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsklinikum Essen Morbus Crohn ist eine in Schüben verlaufende, transmurale chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED), die vor allem jüngere Patienten betrifft und deren Inzidenz und Prävalenz zunimmt. Als Ursache steht eine vernetzte Triade, bestehend aus genetischer Prädisposition, Barrieredysfunktion und Fehlregulation angeborener und erworbener Immunantworten auf die residente Mikroflora, im Mittelpunkt (1, 2). Exogene Umweltfaktoren wie Rauchen, Stress oder pathogene Infektionen, triggern den Krankheitsverlauf zusätzlich. Komplexe Defekte (z. B. (3–5)) in Barriereintegrität, Zell-Zell Kommunikation, Restitution und bakterieller Erkennung (TLR/NLR) sowie Eliminierung (Autophagie, antimikrobielle Peptide) führen zu Störungen der intestinalen Homöostase mit überschießenden Entzündungsreaktionen der Mukosa (6). Im letzten Jahrzehnt sind bedeutende und biologisch faszinierende Fortschritte in der Aufklärung der multikausalen Pathogenese des Morbus Crohn, insbesondere durch die genomweiten Assoziationsstudien, gemacht worden. So wurden u. a. NOD2/CARD15, IL23R und ATG16L1 als genetische Risikomarker für den Morbus Crohn identifiziert. Nicht alle Patienten weisen jedoch Mutationen in diesen Suszeptibilitätsgenen auf. Die Heterogenität des Krankheitsbildes Morbus Crohn legt nahe, dass verschiedene Patientensubgruppen mit unterschiedlichen Geno-/Phänotypen bestehen. Die Signalvernetzung diverser Krankheitsgene sowie die Einwirkung zahlreicher weiterer Genmutationen beeinflussen den Krankheitsverlauf und die Therapieansprechbarkeit entscheidend mit. In der postgenomischen Phase haben nun die zell-/molekularbiologische und immunologische Detailklärung der CED-assoziierten Gendysfunktionen und ihre pathophysiologische Relevanz Vorrang. Bisher zielen immunmodulatorische/-suppressive Therapiestrategien meist auf die unspezifische Hemmung der proinflammatorischen „Effektorseite“. Die verbesserte Kenntnis der Ätiopathogenese eröffnet neue therapeutische Optionen zur spezifischen Beeinflussung der 5 „Induktorseite“. Cluster-Analysen von Patientensubpopulationen aufgrund der differenzierten Geno-/Phänotyp-Wirkungen könnten in Zukunft ein individualisiertes Vorgehen für Beratung, Therapie und Prävention erlauben. Die Zukunft: Individualisiertes Vorgehen in Beratung, Diagnostik, Therapie und Prävention von M. Crohn NOD2 IBD5 IL23R ATG16L1 NCF4 PHOX2B PTPN2 TNFSF15 etc. GWA Gegenwart: Biofunktion, Mechanismen Klinische Relevanz Zukunft: Individualisiertes Vorgehen Referenzen: 1. Xavier RJ, Podolsky DK. Unravelling the pathogenesis of inflammatory bowel disease. Nature. 2007; 448: 427–434. 2. Sartor RB. Microbial influences in inflammatory bowel diseases. Gastroenterology. 2008; 134: 577–594. 3. Cario E, Gerken G, Podolsky DK. Toll-like receptor 2 controls mucosal inflammation by regulating epithelial barrier function. Gastroenterology. 2007; 132: 1359–1374. 4. Ey B*, Eyking A*, Gerken G, Podolsky DK, Cario E. TLR2 mediates gap junctional intercellular communication through connexin-43 in intestinal epithelial barrier injury. J Biol Chem. 2009; 284: 22332–22342 (*co-first authors). 5. Podolsky DK, Gerken G, Eyking A, Cario E. Colitis-associated variant of TLR2 causes impaired mucosal repair because of TFF3 deficiency. Gastroenterology. 2009; 137: 209–220. 6. Cario E. Innate immune signalling at intestinal mucosal surfaces: a fine line between host protection and destruction. Curr Opin Gastroenterol. 2008; 24: 725–732. 6 Morbide Adipositas – konservative oder operative Therapie? H.E. Wasmuth Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Aachen Übergewicht (BMI > 25 kg/m2) und Adipositas (BMI > 30 kg/m2) nehmen in den westlichen Industriegesellschaften an Häufigkeit dramatisch zu. Die Nationale Verzehrsstudie 2008 in Deutschland zeigt, dass mittlerweile über 60% der Bevölkerung über 60 Jahre übergewichtig oder adipös sind. Übergewicht ist einer der Hauptrisikofaktoren für metabolische Erkrankungen (Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen), Hypertonie, Lebererkrankungen und auch einige Arten von Karzinomen. Hierdurch erklärt sich, dass die Lebenserwartung übergewichtiger oder adipöser Patienten um 3–6 Jahre reduziert ist, wenn das Übergewicht bereits im 40. Lebensjahr vorlag. Eine Extremform des Übergewichts ist die morbide Adipositas mit einem BMI > 40 kg/m2. Diese Patienten sind besonders gefährdet, Komplikationen ihres Übergewichts zu erleiden, da neben den oben beschriebenen internistischen Erkrankungen auch orthopädische und chirurgische Komplikationen (z. B. bei notwendigen Routineeingriffen) drohen. Insgesamt ist die Lebenserwartung dieser Patienten daher im Mittel sehr deutlich eingeschränkt. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, frühzeitig therapeutisch in die Ausbildung der Adipositas einzugreifen, nach Möglichkeit bereits bevor schwerwiegende Spätkomplikationen eingetreten sind. Neben öffentlichen präventiven Maßnahmen, die bereits in der Jugend beginnen müssen, stehen konservative Therapieformen zur Gewichtsreduktion zunächst im Vordergrund. Hierzu zählt eine intensive Schulung der Patienten hinsichtlich Ernährung und den Möglichkeiten der Kalorienrestriktion. Diese ernährungstherapeutischen Konzepte müssen von Maßnahmen zur Steigerung der körperlichen Aktivität (sogenannte „Life-style“-Interventionen) flankiert werden. In großen Studien konnte gezeigt werden, dass hierdurch kurzfristig meist eine Gewichtsabnahme möglich ist, die bereits nach Verlust weniger Kilogramm z. B. zu einer Reduzierung der Häufigkeit des Diabetes mellitus und zu einer Verbesserung der Blutdruckeinstellung führt. Die meisten dieser Interventionsprogramme waren allerdings langfristig nicht effektiv, da die Gewichtsreduktion höchstens während der multimodalen Intervention nachweisbar war und die meisten Patienten nach Beendigung der Intervention rasch wieder an Gewicht zunahmen. Daher wurde in 7 den letzten Jahren vermehrt nach pharmakologischen Maßnahmen zur Gewichtsreduktion gesucht. Die Ergebnisse der Studien waren aber in der Regel enttäuschend, da nur eine geringe (und häufig nicht dauerhafte) Gewichtsreduktion erreicht werden konnte und einige der Medikamente wegen Nebenwirkungen (kardial, psychiatrisch) sehr schnell nach der Zulassung wieder vom Markt genommen werden mussten. Da die konservative Therapie somit häufig keinen langfristigen Erfolg bei der morbiden Adipositas bietet, wurden in den letzten Jahren chirurgische Verfahren zur Gewichtsreduktion entwickelt, die die sogenannte Übergewichtschirurgie oder bariatrische Chirurgie (Bariatrie von griechisch βαρος: Schwere, Gewicht) repräsentieren. Unterschieden werden hierbei prinzipiell restriktive Verfahren und Methoden, die zu einer Malabsorption von Nährstoffen führen. Das mittlerweile am häufigsten verwendete restriktive Verfahren ist das Magenband, während die biliopankreatische Diversion ein typisches Beispiel für ein malabsorptives Verfahren ist. Die bariatrischen Methoden können bei Patienten angewandt werden, die einen BMI von > 40 kg/m2 haben, bei denen das Übergewicht länger als 3 Jahre besteht, die zwischen 18 und 65 Jahren alt sind, bei denen die konservativen Methoden ausgeschöpft sind und bei denen keine Suchterkrankung vorliegt. Bei diesen Patienten konnte mittlerweile in diversen Studien und Metaanalysen ein deutlicher Benefit hinsichtlich verschiedener Endpunkte für die bariatrische Chirurgie im Vergleich zu keiner oder einer nur konservativen Intervention nachgewiesen werden. Wichtig ist, dass die Effekte der bariatrischen Chirurgie eine Nachhaltigkeit besitzen, da ihre positiven Effekte auch nach 10 Jahren noch nachweisbar waren. Bei der Betreuung morbid übergewichtiger Patienten ist allerdings zu beachten, dass adipositaschirurgische Eingriffe derzeit nicht im Regelleistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) enthalten sind, aber als Einzelfall beantragt und von der Kasse finanziert werden können (Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R[1]). Voraussetzung hierfür ist der Nachweis über das Ausschöpfen der konservativen Methoden zur Gewichtsreduktion, welche daher, trotz ihrer leider nur sehr begrenzten Effektivität, weiterhin die Basis der Therapie aller Patienten mit Übergewicht sein muss. 8 Endoskopische Therapie bei Frühkarzinomen des Gastrointestinaltrakts: Standards und Zukunft H. Messmann Innere Medizin III, Klinikum Augsburg Die endoskopische Therapie von Frühkarzinomen des Gastrointestinaltrakts hat sich in den letzten Jahren zunehmend auch hierzulande etabliert, da unter Berücksichtigung bestimmter Indikationen die Langzeitergebnisse mit denen chirurgischer Interventionen vergleichbar sind, bei jedoch deutlich geringeren Komplikationen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken zur endoskopischen Mukosaresektion (EMR) wurde v. a. in Japan entwickelt. Je nach Größe und Lokalisation kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Ziel ist es, immer eine en-bloc-Resektion durchzuführen und eine piece-meal-Resektion zu vermeiden. Für Läsionen mit einer Größe von mehr als 2 cm Durchmesser stellt die endoskopische Submukosadissektion (ESD) ein attraktives Verfahren dar, da es eine en-bloc-Resektion von Frühkarzinomen unabhängig von der Tumorgröße erlaubt. Ein großer Vorteil der ESD ist dabei das signifikant geringere Rezidivrisiko. Dennoch sind die Komplikationsraten (wie z. B. von Perforationen) höher und die Technik sehr schwierig und zeitaufwendig. Generell muss man festhalten, dass eine Infiltration der Submukosa immer eine Grenzsituation darstellt, da es zu einem deutlichen Anstieg der Lymphknotenmetastasen kommen kann. Dieses Risiko ist jedoch im Ösophagus, Magen und Kolon sehr unterschiedlich. Beim Plattenepithelkarzinom des Ösophagus sollten nur mukosale Karzinome endoskopisch behandelt werden. Das Barrett-Adenokarzinom sollte maximal 250 µm in die Submukosa infiltriert sein. Beim Magenkarzinom orientierte man sich bisher an den klassischen Kriterien (G1/G2; nicht ulzeriert; < 2 cm; mukosal) der japanischen Leitlinien. Mittlerweile gibt es die sog. erweiterten Kriterien, die unter gewissen Voraussetzungen auch eine endoskopische Therapie unabhängig von der Größe des Tumors, dem Vorhandensein einer Ulzeration, dem Vorliegen eines G3/G4Karzinoms oder einer Submukosainfiltration bis 500 µm erlauben (siehe Tab. 1) Am Kolon haben sich schon lange die low-risk-Kriterien (G1/G2; L0, V0, Submukosainfiltration < 1000 µm) für die endoskopische Therapie bewährt. 9 Tab. 1: Klassische (guideline criteria) und erweiterte (expanded criteria) Kriterien für die endoskopische Therapie eines Magenkarzinoms Soetikno R et al. J Clin Oncol. 2005; 23: 4490–4498. 10 Transmurale Pankreasabszess- und Nekrosenausräumung – Was ist möglich? Was ist Standard? U. Will Medizinische Klinik, SRH Wald-Klinikum Gera Bei der akuten Pankreatitis unterscheidet man im Wesentlichen zwischen einer milden und einer schweren Verlaufsform der Erkrankung. Während die milde akute ödematöse Pankreatitis im Regelfall spontan, ohne Ausfälle der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktion ausheilt, ist die schwere akute nekrotisierende Pankreatitis mit einem Multiorganversagen und langwierigen, komplizierten Verläufen assoziiert. In 20–25% der Fälle mit akuter Pankreatitis kommt es zu einem schweren Verlauf. Das Ausmaß der Nekrosen sowie das Auftreten einer bakteriellen Infektion der Nekrosen bestimmen den Verlauf und sind Determinanten für die Schwere und Prognose der Erkrankung. Beim Pankreasabszess handelt es sich um bindegewebig umschlossene Ansammlungen von infiziertem nekrotischem Material oder Eiter (durch die Sekundärinfektion von Flüssigkeitsansammlungen oder Pseudozysten), die meist in der Bursa omentalis lokalisiert sind. Im Gegensatz zur infizierten Nekrose, bei der sich die infizierten Areale diffus im Retroperitoneum ausdehnen, handelt es sich beim Pankreasabszess um uni- oder multilokuläre, umschriebene und abgekapselte Areale infizierten Materials. Bis vor 20 Jahren war das chirurgische Vorgehen bei Pankreaspseudozysten, Abszessen sowie infizierten Nekrosen das Mittel der ersten Wahl, in Kombination mit externen CT- und US-gestützten Entlastungen der infizierten Hohlräume. Mit der inneren endoskopischen Drainage wurde Ende der 1980er-Jahre begonnen und durch die Hinzuziehung der interventionellen Endosonografie hat sich die innere Drainage zum Therapiestandard des 21. Jahrhunderts entwickelt. Die Zahl der Akutoperationen von Komplikationen der akuten nekrotisierenden Pankreatitis konnte dramatisch minimiert werden. Mit der Verbesserung der intensivmedizinischen Versorgung und der Kombination minimal invasiver externer und endoskopisch interner Drainagen konnte parallel die Letalität der nekrotisierenden Pankreatitis von über 20–30% auf 5–10% gesenkt werden. 11 Die erste Publikation einer endoskopisch durchgeführten Nekrosektomie wurde 2000 von Seifert in Lancet publiziert. Seither hat sich die Zahl der publizierten Fälle beachtlich gesteigert (Tab.1). Tab. 1: Aktuelle Ergebnisse endoskopischer Nekrosektomie Studie Anzahl Erfolg Komplikationen Interventionen Escourrou Ann Surg 2008 13 100% 23% Mortalität 0% 1–3 (2) Hocke/Will Z Gastroenterol 2008 30 96,7% Long time 83,4% 10% Mortalität 6,6% 1–16 (3) Schrower Pancreatology 2008 8 75% 1 operiert 15% Mortalität12,5% 2–6 (4) Voermans GIE 2007 25 93% 2 operiert 7% (30%) Mortalität 0% 2–4 (2) Charnley Endoscopy 2006 13 85% 1 operiert 18% Mortalität 15% 1–10 (4) Seewald GIE 2005 13 92% (69%) 4 operiert 30% Mortalität 0% 2–23 (7) Jürgensen GIE 2009 AB 163 28 96% 8% Mortalität 4% 1–16 (6) Baron GIE 2009 AB 264 80 88% 20% Mortalität 5% 1–8 (3) Seifert Gut 2009 93 80% 11 operiert 26% Mortalität 7,5% 2–35 (7) 96,8% 2 operiert 12,9% Mortalität 3,2% 1–4 (2) Will GIE 2009 AB 208 31 In diesem Jahr konnten die Ergebnisse unserer multizentrischen deutschen Studie (6 Zentren) an 93 Patienten die hohe Effektivität endoskopischer Verfahren in der Behandlung der nekrotisierenden Pankreatitis zeigen (Seifert, Gut 2009). Eine Mortalität von 7,5% im untersuchten Kollektiv ist im Vergleich zu 20,6% in historischen Kontrollkollektiven der chirurgischen Literatur (Sammelstatistik bei Beger, Chirurg 2000) eine beachtenswerte Tatsache, die in der Behandlung der nekrotisierenden Pankreatitis das minimal invasive Vorgehen präferiert. 12 Dennoch sollten Patienten mit Pankreasabszessen oder infizierten Nekrosen auch heute vordergründig interdisziplinär betreut und behandelt werden. Der interventionelle Endoskopiker, der Chirurg und der interventionelle Radiologe ergänzen sich häufig in ihrem Vorgehen, sodass dieses interdisziplinäre Behandlungskonzept die Grundlage für eine weitere Senkung der Mortalität der schweren akuten nekrotisierenden Pankreatitis darstellt. 13 NOTES – Endoskopie „off limits“? A. Eickhoff Klinik und Poliklinik für Interdisziplinäre Endoskopie, Universitätsklinikum HamburgEppendorf, Hamburg Einleitung Chirurgie und Endoskopie haben in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung durchlaufen. Paradebeispiel auf chirurgischer Seite ist die therapeutische Laparoskopie, sodass heute beispielsweise ca. 95% aller Gallenblasenoperationen laparoskopisch durchgeführt werden. Auf der anderen Seite hat sich die Endoskopie von einer rein diagnostischen Methode zunehmend zur komplementären therapeutischen Endoskopie entwickelt. Meilensteine sind hier z. B. Polypektomie, Sphinkterotomie und neue Techniken wie endoskopische Mukosaresektion (EMR) und endoskopische Submukosadissektion (ESD). Wir haben somit auf der einen Seite eine konsequente Minimierung des Zugangstraumas und auf der anderen Seite eine zunehmende komplementäre endoskopische minimalinvasive Therapieoption für eine Vielzahl von viszeralmedizinischen Erkrankungen. Eine Kombination aus flexibler therapeutischer Endoskopie und Laparoskopie wurde in den letzten Jahren in der Klinik weitgehend bei „Rendezvous-Techniken“ etabliert. Die genannten Entwicklungen sind erwiesenermaßen mit deutlichen Vorteilen für die Patienten verbunden. Konsequenterweise ergeben sich somit zunehmend Schnittstellen zwischen Chirurgie und Gastroenterologie bzw. Endoskopie. Dies war die Grundvoraussetzung für die nun in sinnvoller Weise entstehenden viszeralmedizinischen Zentren, in denen gemeinsame Patienten interdisziplinär behandelt werden. Transluminale Diagnostik und Therapie sind keine neuen Techniken. So beschrieb Hans Seifert 1998 erstmals die aktive Eröffnung der Magenwand zum Retroperitoneum, um bei Patienten mit infizierten Pankreasnekrosen abgestorbenes Gewebe transgastral nicht-chirurgisch zu entfernen. Er gilt somit als Pionier für die entstandene NOTES-Entwicklung. Der Begriff NOTES („Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery“) wurde von einer interdisziplinären amerikanischen Arbeitsgruppe der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore geprägt, nachdem diese Gruppe erstmals seit Ende der 1990er-Jahre gezielt tierexperimentell NOTES14 Eingriffe durchführte und 2004 die erste NOTES-Publikation in Gastrointestinal Endoscopy veröffentlichte. Um diese Entwicklung auf eine solide Basis zu stellen und weiter voranzubringen, wurde im Jahr 2006 von der amerikanischen Gesellschaft für Endoskopie (ASGE) und der amerikanischen Gesellschaft für endoskopische und minimalinvasive Chirurgie (SAGES) ein spezielles Gremium gebildet. Dieses Konsortium (NOSCAR) beschreibt in einem Grundlagenpapier u. a. die potenziellen Hindernisse und Probleme, die sich heute bei NOTES-Eingriffen ergeben. Da sich zunehmend Gastroenterologen und Chirurgen für das Thema NOTES begeistern, ist es sinnvoll, diese Probleme zunächst schrittweise zu lösen und in tierexperimentellen Studien zu überprüfen. Potenzielle Hindernisse und Barrieren für NOTES: • Zugang zur Peritonealhöhle • Verschluss von Magen und/oder Darm • Infektionsprobleme/Prophylaxe von Infektionen • Entwicklung von Instrumenten zum Nähen und Anastomosieren • Räumliche Orientierung • „Multitasking platform“ für verschiedene Eingriffe und Instrumente • Behandlung intraperitonealer Komplikationen • Physiologische unerwünschte Nebenwirkungen • Kompressionssyndrome • Training, Berufspolitik („Wer darf was“?) Ursprünglich aus Ansätzen in der flexiblen gastroenterologischen Endoskopie entstanden, berührt die konkrete Weiterentwicklung von NOTES heute – v. a. bei der Suche nach sinnvollen Indikationen – neben den operativen Kerngebieten der Chirurgie und interventionellen Gastroenterologie zunehmend auch Fragestellungen aus der Urologie und Gynäkologie. Die Durchführung von NOTES erfordert daher neben der souveränen Beherrschung des Endoskops nun zunehmend auch spezifische chirurgische Fähigkeiten. Weiterhin fordert die erfolgreiche Umsetzung von NOTES medizintechnische Innovationen, sodass neben der Medizin auch die Ingenieurwissenschaften gefragt und involviert sind. NOTES ist inzwischen aber auch ein Markenbegriff geworden, der für eine Vielzahl von unterschiedlichen Eingriffen gebraucht wird, die das ursprüngliche NOTESKonzept nur noch rudimentär widerspiegeln. Neben „PURE-NOTES“ finden sich 15 auch Begriffe wie „HYBRID-NOTES“, also NOTES unter Nutzung zusätzlicher transabdominal eingeführter Hilfsinstrumente, oder „E(mbryonic)-NOTES“, also das (vorwiegend starr-laparoskopische) Operieren über den Bauchnabel als alleinigem Zugang. Inwieweit dies NOTES widerspiegelt, ist ungeklärt. Es handelt sich aber in keinem Fall um „Endoskopie off limits“. Warum nicht? Dafür gibt es eine Vielzahl von einleuchtenden Erklärungen. Aktuelle EndoskopTechnologien erlauben keine adäquaten und sicheren NOTES-Operationstechniken. Durch die Begrenzung auf max. 2 Arbeitskanäle und dem Problem der fehlenden Triangulation liegen darüber hinaus auch noch optischer Kanal und Arbeitskanal in einer Ebene und erschweren somit die Übersicht im OP-Feld. Ferner ist ein sicherer Verschluss des Zugangswegs essenziell, um Komplikationen im postinterventionellen Verlauf zu verhindern. Das Problem der Keimverschleppung und intraabdominellen Kontamination durch Keime der oralen oder fäkalen Flora sind bis dato ungelöst. Wünschenswert wären sterilisierbare Endoskope und Trokarsysteme, um das Endoskop keimfrei an das Zielorgan zu bringen. Erfreulicherweise ergeben sich erste technische Verbesserungen und lassen in Zukunft eine klinische Implementierung von NOTES möglich erscheinen. Relevante Indikationen müssen dann im Rahmen von Studien evaluiert werden. Perspektiven für Gastroenterologen/Endoskopiker ergeben sich v. a. bei transluminalen Resektionstechniken, enteralen Anastomosen, diagnostischer Peritoneoskopie und bariatrischen Eingriffen. Möglicherweise entwickelt sich zukünftig in diesem Zusammenhang eine neue Zunft von „endoskopischen Interventionalisten“ mit gastroenterologischer und viszeralchirurgischer Grundausbildung. 16 Therapie der Virushepatitis: von der chronischen Hepatitis zur Karzinomprävention T. Berg Medizinische Klinik m. S. Hepatologie und Gastroenterologie, Charité – Universitätsmedizin, Campus Virchow-Klinikum, Berlin Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion Die therapeutischen Möglichkeiten bei chronischer Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Inzwischen sind in Europa 7 Medikamente zur Behandlung der chronischen Hepatitis B zugelassen (StandardInterferon [IFN]-α und Peg-IFN-α2a sowie die Nukleos(t)id-Analoga Lamivudin, Adefovir, Telbivudin, Entecavir und Tenofovir) (Tab. 1). Für die langfristige Kontrolle der HBV-Infektion benötigt die Mehrzahl der HBV-infizierten Patienten eine antivirale Langzeittherapie über mehrere Jahre. Die Aufrechterhaltung der Therapieadhärenz und Strategien zur Resistenzvermeidung gehören zu den besonderen Herausforderungen dieser Nukleos(t)id-Analoga-Langzeittherapie. Nach Peg-IFN-Therapie kann bei ca. 30% der Patienten eine langfristige Remission erzielt werden mit HBsAg-Verlustraten bis zu 12%. Ein früher Abfall der HBsAg-Konzentrationen unter Therapie (zur Woche 12 < 1500 IU/ml) scheint prognostisch günstig für die Induktion einer Langzeitremission zu sein. Die HBsAg-Quantifizierung stellt daher einen interessanten Parameter im therapeutischen Management der HBV-Infektion dar. 17 Tab. 1: Übersicht über die in Deutschland zugelassenen Therapeutika zur Behandlung der chronischen Hepatitis B Medikament Dosierung Peg-IFN-α2a 180 µg s.c. (Pegasys®)2 1 x pro Woche Lamivudin 100 mg p.o. pro Tag Empfohlene Therapiedauer1 HBeAg-positive HBeAg-negative Patienten Patienten 48 Wochen 48 Wochen (Zeffix®) Adefovir 10 mg p.o. pro Tag (Hepsera®) 12 Monate über HBeAg- Entecavir 0,5 mg pro Tag (Baraclude®) bei unvorbehandelten Serokonversion bei Patienten mit fortgeschrittener Dauertherapie3 1,0 mg pro Tag bei bzw. Fortführung Lamivudin-Resistenz4 der Therapie bis 600 mg p.o. pro Tag zur HBsAg-Sero- (Sebivo®) Tenofovir (mind. 2–5 Jahre) Fibrose/Zirrhose Patienten Telbivudin Nicht definiert konversion 245 mg p.o. pro Tag (Viread®) IFN-α2a oder 2b 3 x 5–6 Mio IE s.c. (Roferon-A® oder pro Woche Intron® A) 5–6 Mio IE s.c. – 12 Monate 4–6 Monate – pro Tag oder 9–10 Mio IE s.c. 3 x pro Woche 1 Bei nicht ausreichendem virologischen Ansprechen sollte ggf. nach 6-monatiger Therapiedauer ein alternatives Therapieschema erwogen werden (s. Text, Abschnitt: Therapiedauer). 2 Peg-IFN-α2b (PegIntron®) ist ebenfalls bei chronischer Hepatitis B wirksam, jedoch zurzeit für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen. 3 Cave: schwere Reaktivierungen nach Absetzen möglich (in Einzelfällen fulminantes Leberversagen). 4 Entecavir wir heutzutage bei Lamivudin-Resistenz nicht mehr primär empfohlen, da in dieser Situation unter der Entecavir-Monotherapie hohe Entecavir-Resistenzraten beobachtet wurden. 18 Indikation zur antiviralen Therapie Potenzielle Kandidaten für eine antivirale Therapie sind Patienten mit HBsAgpositiver chronischer Hepatitis und quantitativ nachweisbarer Virusreplikation von ≥ 10.000 Kopien/ml, entsprechend ca. 2000 IU/ml. Die Differenzierung zwischen HBeAg-positiver (Wildtyp) und HBeAg-negativer (Präcore-Mutante) chronischer Hepatitis B spielt für die Indikationsstellung zur antiviralen Therapie keine Rolle, kann aber hinsichtlich der Auswahl der Therapieform bzw. der Therapiestrategie von Bedeutung sein. Bei Patienten mit HBV-induzierter Zirrhose sollte jede messbare Virämie Anlass zu einer antiviralen Therapie geben, die dann in der Regel mit Nukleos(t)id-Analoga zeitlich unlimitiert erfolgt. Eine Therapie mit (Peg)-IFN-α ist bei fortgeschrittener Zirrhose Child B bzw. C kontraindiziert. Inaktive chronische HBsAg-Träger (früher als gesunde HBsAg-Träger bezeichnet), charakterisiert durch HBeAg-Negativität und anti-HBe-Positivität sowie eine nicht messbare Hepatitis-B-Virämie bzw. HBV DNA < 10.000 Kopien/ml bzw. < 2000 IU/ml mit normalen Transaminasen und histologisch unauffälligem Befund (Nachweis einer minimalen Hepatitis ohne signifikante Fibrose), benötigen keine antivirale Therapie und sind von Patienten mit chronischer HBeAg-negativer Hepatitis B (PräcoreMutanten-Infektion) abzugrenzen. Die Unterscheidung zwischen inaktiven HBsAgTrägern und Patienten mit chronischer HBeAg-negativer Hepatitis kann jedoch im Einzelfall schwierig sein, da die Erkrankungsaktivität im Verlauf fluktuieren kann und erfordert daher zwingend eine Verlaufsbeobachtung mit initial 3-monatigen Bestimmungen der HBV DNA. In unklaren Situationen (diskrepante Befunde: erhöhte ALT bei niedriger HBV DNA) kann eine Leberbiopsie differenzialdiagnostisch hilfreich sein. Die Höhe der Transaminasen stellt keinen verlässlichen Parameter für die Krankheitsaktivität und die Langzeitprognose der HBV-infizierten Patienten dar und ist für die Therapieindikationsstellung nur begrenzt verwertbar. Auch bei Patienten mit nur gering erhöhten oder sogar normalen Transaminasen besteht ein signifikantes Risiko für die Entwicklung HBV-assoziierter Komplikationen wie der Zirrhose und des hepatozellulären Karzinoms (HCC). Therapieziele bei chronischer Hepatitis B Die komplette und anhaltende Suppression der HBV-Replikation wird aufgrund der bestehenden eindeutigen Korrelation zwischen der Höhe der Hepatitis-B-Virämie und der Progression der Erkrankungen als wichtigster Therapieendpunkt angesehen. 19 Nukleos(t)id-Analoga-Langzeitstudien konnten eindeutig belegen, dass durch die langfristige Suppression der Hepatitis-B-Virämie ein signifikanter Rückgang der histologischen entzündlichen Aktivität und der Fibrose einschließlich einer Reversion früher Zirrhose-Stadien induziert werden kann verbunden mit einer Reduktion bzw. Verhinderung der Langzeitkomplikationen (Zirrhose- und HCC-Entwicklung). Bei Patienten mit HBeAg-positiver chronischer Hepatitis B gilt die Serokonversion von HBeAg zu anti-HBe als ein Therapieendpunkt. Mit der HBeAg-Serokonversion kommt es in vielen Fällen zu einem Übergang in einen inaktiven HBsAg-Trägerstatus. Langzeitverlaufsbeobachtungen zeigen jedoch, dass die HBeAg-Serokonversion nicht in jedem Fall mit einer Remission der HBV-Infektion gleichzusetzen ist. Eine Reaktivierung der Erkrankung mit „Seroreversion“ (HBeAg wieder positiv) ist ebenso möglich, wie der Übergang in eine HBeAg-negative chronische Hepatitis (Präcore-Mutanten-Infektion) mit dem Risiko der Zirrhose und HCC-Entwicklung. Die HBeAg-Serokonversion sollte daher nur in Verbindung mit einer anhaltenden und kompletten HBV-DNA-Suppression als prognostisch günstiger Endpunkt betrachtet werden. Eine Ausheilung der HBV-Infektion mit Verlust des HBsAg und Bildung von antiHBs-Antikörpern wird mit den heutzutage zur Verfügung stehenden Medikamenten nur selten erreicht und stellt daher zwar ein optimales, jedoch bisher wenig realistisches Therapieziel dar. Therapie der chronischen Hepatitis B In Tabelle 1 sind die zugelassenen Therapeutika zur Behandlung der chronischen Hepatitis B dargestellt. Prinzipiell kann die Primärtherapie mit (Peg)-IFN-α oder einem Nukleos(t)id-Analogon initiiert werden. Die Ergebnisse einer (Peg)-IFN-α- oder Nukleos(t)id-Analoga-basierten Therapie der chronischen Hepatitis B lassen sich jedoch nicht direkt miteinander vergleichen. Während die (Peg)-IFN-α-Therapie aufgrund des Nebenwirkungsprofils nur über einen begrenzten Zeitraum erfolgen kann, werden die Nukleos(t)id-Analoga in der Regel zur Langzeittherapie eingesetzt, da es bei der Kurzzeitanwendung (z. B. über 48 Wochen) nach dem Absetzen der Therapie meist zu einem virologischen Relaps kommt. Das Prinzip der (Peg)-IFN-αTherapie basiert auf der (immunologischen) Induktion einer anhaltenden Remission bei begrenzter Therapiedauer (z. B. über 6–12 Monate). Im Gegensatz dazu ist es das Ziel der Langzeittherapie mit Nukleos(t)id-Analoga, die Virusreplikation anhaltend zu kontrollieren. Eine primäre Kombinationstherapie von Nukleos(t)id20 Analoga oder von (Peg)-IFN-α plus Nukleos(t)id-Analogon ist bisher nicht etabliert. Unter der Voraussetzung einer raschen und kompletten Suppression der HBVReplikation scheint auch aktuell eine initiale Monotherapie mit Nukleos(t)id-Analoga vertretbar zu sein. Bei sekundärem Therapieversagen im Rahmen der Nukleos(t)idAnaloga-Resistenzentwicklung kommen jedoch bereits kombinierte Therapiestrategien zum Einsatz. Diese sollten mit 2 Substanzen erfolgen, die untereinander nicht kreuzresistent sind (d. h. Nukleosid-Analogon plus Nukleotid-Analogon). Ein primäres inkomplettes virologisches Ansprechen stellt heutzutage das Hauptproblem bei der Nukleos(t)id-Analoga-Therapie dar. Die unter der Behandlung persistierende Virämie kann nicht nur zu einer Progression der Erkrankung führen, sondern ist auch mit einer hohen Rate an Resistenzentwicklungen assoziiert. Bei inkompletter virologischer Response sollte daher frühzeitig (vor Resistenzentwicklung) ein alternatives Therapieschema eingesetzt werden. Es zeigt sich aber, dass die neuen und im Vergleich zu Adefovir und Lamivudin stärker antiviral wirksamen Inhibitoren der HBV-Polymerase wie Entecavir, Telbivudin und Tenofovir die therapeutischen Optionen bei der chronischen HBV-Infektion weiter verbessern und auch zu einem Rückgang der Resistenzraten beitragen. So wurden Resistenzentwicklungen (mit virologischem Durchbruch) gegenüber Entecavir bei nur 1,2% der Patienten beobachtet, die über 6 Jahre mit einer Entecavir-Monotherapie im Rahmen der Zulassungsstudien behandelt wurden, und für Tenofovir sind bisher keine Resistenzentwicklungen beschrieben worden. Unter einer Telbivudin-Therapie liegen die Resistenzraten bei < 5% im Langzeitverlauf, wenn eine komplette virologische Response zur Therapiewoche 24 erreicht worden ist. Chronische Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion Der Einsatz von pegylierten Interferonen (Peg-IFN-α) in Kombination mit Ribavirin hat zu einer signifikanten Steigerung der Heilungsraten bei Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion geführt und ist aktueller Standard. Durch ein verbessertes Nebenwirkungsmanagement kann die Therapie heutzutage bei der Mehrzahl der Patienten ohne signifikante Dosisreduktion bzw. vorzeitigen Therapieabbruch durchgeführt werden. Dies hat zu einer weiteren Steigerung der Ansprechraten beigetragen. Primäres Behandlungsziel ist die Ausheilung bzw. die Induktion einer dauerhaften Remission, definiert durch den fehlenden Nachweis von HCV RNA im Serum 24 Wochen nach Therapieende. Mit der antiviralen Kombinationstherapie können – je nach virologischer Ausgangssituation – Heilungsraten von 50–90% 21 erzielt werden. Ferner gelingt es, Langzeitkomplikationen der chronischen Hepatitis C wie Zirrhose- und HCC-Entwicklung zu verringern oder zu vermeiden. Antivirale Therapie Die Indikation zur Therapie sollte gestellt werden, wenn die chronische Hepatitis C nachgewiesen ist und keine Kontraindikationen (dekompensierte Zirrhose, Patienten mit malignen oder schweren psychiatrischen Erkrankungen, schwere Thrombozytopenie oder Leukozytopenie) vorliegen. Junge Patienten ohne fortgeschrittene Fibrose haben auch bei HCV-Typ-1-Infektion mit > 70% sehr hohe Heilungschancen. Die SVR-Raten nehmen jedoch mit zunehmendem Alter und Fibrosestadium kontinuierlich ab. Auch die Verträglichkeit nimmt mit zunehmendem Alter und Schweregrad der Erkrankung ab. Die Frühdiagnose der chronischen Hepatitis C und der frühzeitige Behandlungsbeginn sind daher von besonderer Bedeutung. Das in Abhängigkeit von bestimmten Wirts- und Virusfaktoren unterschiedliche Responseverhalten hat dazu geführt, das antivirale Therapieregime individuell anzupassen. Die größte Bedeutung für die Therapiesteuerung (d. h. die Festlegung der individuellen Behandlungsdauer) hat neben dem HCV-Genotyp die Höhe der Ausgangsviruslast und die Geschwindigkeit des Abfalls der Viruslast (Viruskinetik) unter der Therapie. Je schneller ein Patient auf die Behandlung anspricht, umso größer sind seine individuellen Heilungschancen. Anhand dieser Kriterien erfolgt heutzutage eine individuelle Anpassung der Therapiedauer von minimal 16 (rasche Responder mit HCV-Typ-2/3 und niedriger Ausgangsviruslast, keine Zirrhose) bis zu maximal 72 Wochen (bei Patienten mit sehr langsamer virologischer Response) (Abb. 1). 22 (Berg T et al. Gasroenterology 2006) (Sanchez-Tapias JM et al. Gasroenterology 2006) (Ferenci P et al. AASLD 2007 Abstract #1301) (Jensen DM et al. Hepatology 2006; 43: 954) SVR 93% (bei < 800.000 IU/ml) 20 Wochen Wo 4 Relapserate < 10% Wo 24 SVR 70-80% Relapserate ca.20% 36 Wochen Wo 12 Wo 48 48 Wochen Wo 24 SVR 40-60% Relapserate 30% Wo 72 Abb. 1: Response- und Relapsraten in Abhängigkeit von der Ausgangsviruslast sowie der Geschwindigkeit des Virusabfalls unter Therapie bei HCV-Genotyp-1Infektion. Rasche Responder erzielen SVR-Raten > 90%, Patienten mit langsamem virologischen Ansprechen erreichen Heilungsraten von 40–60%, wenn sie über 72 Wochen behandelt werden. Zahlreiche direkt antivirale Substanzen wie Polymerase- oder Proteaseinhibitoren befinden sich zurzeit in der präklinischen und klinischen Entwicklung. Man erhofft sich durch den Einsatz direkter Virusinhibitoren einen deutlichen Fortschritt für die Therapie der HCV-Infektion. Erste Phase-II-Studienergebnisse zeigen ermutigende Ergebnisse mit hohen virologischen Responseraten bei verkürzter Therapiedauer. Aufgrund von Resistenzentwicklungen in der Monotherapie werden die direkt antiviralen Substanzen jedoch aktuell nur in Kombination mit Peg-Interferon plus Ribavirin eingesetzt. Auch bei erfolgreichem Verlauf der Phase-III-Studien ist mit einer Zulassung der Substanzen nicht vor 2011/2012 zu rechnen. HCC-Prävention Weltweit stellt das hepatozelluläre Karzinom (HCC) das fünfthäufigste Karzinom bei Männern und das achthäufigste Karzinom bei Frauen dar. Jährlich werden mehr als 500.000 Neuerkrankungen diagnostiziert, die Zahl der HCC-bedingten Todesfälle ist 23 fast ebenso hoch. Die Inzidenz variiert regional sehr stark. Aufgrund der engen Korrelation von chronischer Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion und HCC-Entwicklung findet sich eine besondere Häufung der Erkrankung in Ländern mit hoher HBVPrävalenz wie z. B. im südostasiatischen Raum. Obwohl aus einigen Gebieten mit besonders hoher HCC-Inzidenz in den letzten Jahren sinkende Inzidenzraten berichtet wurden, wird weltweit und insbesondere in den industrialisierten Ländern eine Zunahme der Erkrankungshäufigkeit registriert. Die Ursache hierfür wird vorrangig in der Zunahme chronischer Virushepatitiden gesehen, insbesondere der chronischen Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion. Männer sind etwa 3-4-fach häufiger betroffen als Frauen, der Erkrankungsgipfel liegt bei 75–80 Jahren, allerdings finden sich die größten Zuwachsraten bei jüngeren Patienten. Asiatischstämmige Patienten und Schwarzafrikaner haben im Vergleich zu Kaukasiern ein erhöhtes Risiko, an einem HCC zu erkranken. Die Prävention der chronischen Hepatitisvirus-Infektion bzw. der Entstehung einer Leberzirrhose hat daher zentrale Bedeutung für die Primärprävention des HCC. Durch eine konsequente Impfung gegen HBV kann die Rate der HBV-Infektionen signifikant reduziert und die HCC-assoziierte Mortalität gesenkt werden. Wegen des Fehlens eines Impfstoffs gegen HCV müssen sich die Bemühungen zur Primärprävention der HCV-Infektion auf die Reduktion risikoreicher Verhaltensweisen und die Verbesserung hygienischer Bedingungen beschränken. Im präzirrhotischen Stadium einer chronischen HBV- oder HCV-Infektion kann durch eine effektive antivirale Therapie mit dem Ziel eines dauerhaften virologischen Ansprechens das Risiko der Zirrhose praktisch komplett verhindert und das Risiko der HCC-Entwicklung signifikant gesenkt werden. Bei Patienten mit bereits bestehender Zirrhose bleibt jedoch selbst bei anhaltender virologischer Remission nach antiviraler Therapie das Risiko für die HCC-Entwicklung erhöht und erfordert weiterhin ein regelmäßiges Screening zur HCC-Früherkennung. Inwiefern virologische Nonresponder hinsichtlich der HCC-Entwicklung von einer antiviralen Dauertherapie profitieren, kann noch nicht sicher beurteilt werden. Die Frühdiagnose der chronischen HBV- und HCV-Infektion stellt daher den entscheidenden Faktor bei der Prävention des HCC dar. Eine Sekundärprävention nach kurativer Resektion bzw. lokal ablativer Therapie durch antivirale Therapie scheint die Rate später Rezidive zu senken. Die Lebertransplantation stellt heutzutage die wirksamste sekundär präventive Strategie für ausgewählte HCC-Patienten dar. Im Anschluss an eine Lebertransplantation spielt das Immunsuppressivum Sirolimus aufgrund seiner 24 zusätzlichen antiproliferativen Eigenschaften möglicherweise eine Rolle in der Sekundärprävention des HCC (Abb. 2). HCC Prävention bei Virushepatitis: Strategien Hepatitisvirus Impfung Infektionskontrolle Akute Infektion ? Chronische Infektion Kofaktoren Alkohol Übergewicht (Insulinresistenz) Nikotin … Antivirale Therapie Cirrhose HCC ? Sekundärprophylaxe Abb. 2: Prävention des hepatozellulären Karzinoms (HCC) 25 Hepatozelluläres Karzinom: neue Therapiealgorithmen und neue Studien V. Schmitz Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit gesehen die fünfthäufigste Tumorerkrankung und stellt die dritthäufigste tumorassoziierte Todesursache dar. Die Inzidenz fällt mit ca. 5/100.000 in westlichen Ländern niedriger aus als beispielsweise im asiatischen Raum, ist aber im Westen über die Jahre ansteigend. Insgesamt richtet sich die Behandlung nach dem Barcelona Clinic Liver Cancer (BCLC)-Schema. Im Mittelpunkt der kurativen Therapieansätze stehen mit der Resektion und Lebertransplantation chirurgische Behandlungen, in ausgewählten Fällen bieten auch lokal ablative Verfahren kurative Optionen. Sobald eine eingeschränkte Leberfunktion (Bilirubinerhöhung) oder eine portale Hypertension vorliegt oder die Tumormanifestation 1 Herd und 5 cm Durchmesser überschreitet, wird die chirurgische Resektion (ca. 5% aller HCC-Patienten) als Therapie der 1. Wahl schwieriger. Unter Einhaltung der sogenannten Mailand- oder Mazzaferro-Kriterien (≥ 3 Herde < 3 cm oder 1 Herd < 5 cm, ohne Gefäßinfiltration) kann dann eine Lebertransplantation (wiederum ca. 5% aller HCC-Patienten) angestrebt werden, wobei die 5-Jahres-Überlebensrate ca. 70% erreicht. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine Ausdehnung der Mailand-Kriterien vertretbar sein kann, dies geht allerdings prinzipiell mit einer Verschlechterung der Ergebnisse einher. Laut der Metroticket-Studie mit 1556 erfassten HCC-Patienten, die von Ende Juni 2006 bis Anfang April 2007 rekrutiert wurden, können die Mailand-Kriterien auf die „up to seven“-Kriterien mit 5-Jahres-Überlebensraten von 60% bzw. 78%, mit bzw. ohne mikroskopische Gefäßinfiltration, vertretbar erweitert werden. In der Gruppe mit Überschreitung auch der „up to seven“-Kriterien verschlechtert sich das 5-JahresÜberleben der Studie zufolge auf 42% bzw. 64%. Stehen Komorbidität oder andere individuelle Gründe (z. B. Alter) einer Lebertransplantation oder auch einer Resektion entgegen, so gilt zurzeit die Radiofrequenzablation als geeignetste potenziell kurative Alternativmethode. Da selbst kurativ behandelte Patienten mit ca. 70% eine eingeschränkte 5-Jahres-Über26 lebensrate aufweisen, stellt sich die Frage, ob eine adjuvante Anschlussbehandlung eine Verbesserung herbeiführen kann. Dieser Fragestellung geht die sogenannte STORM (sorafenib as adjuvant treatment in the prevention of recurrence of hepatocellular carcinoma)-Studie multizentrisch in Phase III nach. Der Lebertransplantation kommt als bisher einziger Therapiemöglichkeit, nicht nur die Tumorerkrankung, sondern auch die mit ca. 80% meist zugrunde liegende Leberzirrhose mitzubehandeln, eine besondere Bedeutung zu. Wegen des Mangels an Spenderorganen sind bekanntermaßen die Wartezeiten bis zur Lebertransplantation problematisch. Einige Studien weisen auf die Bedeutung sogenannter Bridgingverfahren oder eines Downstagings zur Transplantation hin, allgemeine Empfehlungen wurden daraus aber bisher nicht abgeleitet. Vielmehr wird in den Zentren für jeden Patienten eine individuelle Empfehlung getroffen. Stehen auch diese Möglichkeiten aufgrund eines höheren BCLC-Stadiums, der Komorbidität oder aus anderen Gründen nicht mehr offen, so ist die TACE (transarterielle Chemoembolisation) eine palliative, lebensverlängernde Behandlung des Intermediärstadiums (BCLC B, N0, M0, Child A). Nach Zulassung von Sorafenib zur Behandlung des fortgeschrittenen HCC liegt es nahe, durch Kombination einer TACE mit Sorafenib, wie z. B. in der SOCRATES (transarterial chemoembolization [TACE] in combination with sorafenib for the treatment of advanced hepatocellular carcinoma [HCC])-Studie in Phase II oder der SPACE (sorafenib or placebo in combination with TACE for intermediate stage HCC)-Studie in Phase III, Wege für ein verbessertes Ansprechen zu suchen. Die TACE selbst wiederum bietet methodische Modifikationsmöglichkeiten, wobei die sogenannte Precision-TACE mit Einsatz von drug-eluting beads (DEB) als vielversprechend eingeschätzt wird. Liegen, z. B. mit einer Pfortaderthrombose oder einem funktionell wirksamen TIPS, Kontraindikationen für die Durchführung einer TACE vor, so hat sich die selektive interne Radiotherapie (SIRT) mit Yttrium-90 nach Pilotuntersuchungen jüngst auch in einer Phase-II-Studie als durchführbar erwiesen. Sie wird in Zentren bereits mit guten Einzelerfahrungen angeboten, auch wenn momentan keine Ergebnisse randomisierter, kontrollierter Studien (TACE vs. SIRT) verfügbar sind. Nachdem die SHARP (sorafenib HCC assessment randomized protocol)-Studie zur Zulassung von Sorafenib zur Behandlung des fortgeschrittenen HCC geführt hat, wurden ihre Resultate in der AP (Asian-Pacific)-Studie im Grundsatz bestätigt. Deshalb zielen weiterführende Untersuchungen wie SOCS-B auf Erweiterungen des 27 Indikationsspektrums (Child B, höheres Lebensalter) oder eine Wirkungsverstärkung durch Kombinationstherapien (SEARCH – sorafenib and erlotinib, a randomized trial protocol for the treatment of patients with hepatocellular carcinoma) ab. Angesichts der trotz vielfacher Fortschritte immer noch unbefriedigenden Behandlungserfolge des HCC behalten andere, zum Teil neue Therapieansätze wie u.a. der antiangiogene Therapieansatz des mTOR-Antagonisten RAD001 zusammen mit Bevacizumab oder die Phase-II-Studie mit dem Histon-Deacetylase-Inhibitor 4SC-201 (Resminostat) eine dringliche Berechtigung. Sämtliche aufwendigen diagnostischen und therapeutischen Bemühungen zur Behandlung des HCC dürfen nicht davon ablenken, dass insbesondere die Prävention der meist zugrunde liegenden Leberzirrhose wohl die wirksamste Maßnahme gegen die Entstehung eines HCC darstellt. Übersichtsliteratur: Verslype C, Van Cutsem E, Dicato M, Arber N, Berlin JD, Cunningham D, De Gramont A, Diaz-Rubio E, Ducreux M, Gruenberger T, Haller D, Haustermans K, Hoff P, Kerr D, Labianca R, Moore M, Nordlinger B, Ohtsu A, Rougier P, Scheithauer W, Schmoll HJ, Sobrero A, Tabernero J, van de Velde C. The management of hepatocellular carcinoma. Current expert opinion and recommenddations derived from the 10th World Congress on Gastrointestinal Cancer, Barcelona, 2008. Ann Oncol. 2009; 20 Suppl 7:vii1–vii6. Llovet JM, Bruix J. Novel advancements in the management of hepatocellular carcinoma in 2008. J Hepatol. 2008; 48 Suppl 1: S20–S37. Llovet JM, Bruix J. Molecular targeted therapies in hepatocellular carcinoma. Hepatology. 2008; 48 (4): 1312–1327. Parikh P, Malhotra H, Jelic S; ESMO Guidelines Working Group. Hepatocellular carcinoma: ESMO clinical recommendations for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol. 2008; 19 Suppl 2: ii27–ii28. 28 Intraduktale Diagnostik bei unklaren Gallengangsstenosen J. Rädle Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar Gallengangsstenosen können sich klinisch durch unterschiedliche Symptome präsentieren, die von unspezifischen Oberbauchbeschwerden über Leberfunktionsstörungen mit Bilirubin-, AP- und γGT-Erhöhung bis zum Gallengangsverschluss mit Ikterus und Fieber als Symptom einer Cholangitis reichen. Prinzipiell können gut- und bösartige Stenosen unterschieden werden. Die häufigsten benignen Stenosen entstehen posttraumatisch/postoperativ, als Folge einer akuten oder chronischen Pankreatitis, durch eine primär sklerosierende Cholangitis oder infektassoziiert, seltener durch Gallensteine oder ein Mirizzi-Syndrom1. Bei den malignen Stenosen sind in erster Linie Cholangiokarzinome, Pankreaskarzinome sowie Lymphome und Metastasen zu nennen. Die Klärung der exakten Lokalisation und die Ätiologie der Gallengangsstenose ist die Basis eines adäquaten Behandlungskonzepts. Dies kann ungeachtet aller Fortschritte in der bildgebenden und endoskopischen Diagnostik allerdings Schwierigkeiten bereiten und den Einsatz mehrerer Untersuchungsverfahren erfordern. Die Diagnostik stützt sich dabei primär auf nicht-invasive Methoden wie Sonografie, Computertomografie und MRT/MRCP. Invasive Verfahren wie die direkte Cholangiografie durch ERCP/PTC oder die Cholangioskopie können neben der Gallengangsdarstellung und -inspektion durch gezielte Bürstenzytologien oder intraduktale Biopsien die diagnostische Sicherheit verbessern und die Diagnostik mit einer galleableitenden Therapie verbinden. Der endoskopische Ultraschall (EUS) oder der Einsatz von intraduktalen Minisonden während der direkten Cholangioskopie liefert zusätzliche differenzialdiagnostische Informationen. Bei unklaren Gallengangsstenosen ist insbesondere dann eine Gewebediagnostik erforderlich, wenn bildgebende Verfahren nicht eindeutig einen Tumor nachweisen und das Ergebnis Einfluss auf das therapeutische Vorgehen hat. Die direkte Cholangiografie durch ERCP/PTC kann durch eine Bürstenzytologie ergänzt werden, die bei unklaren Stenosen eine hohe Spezifität bei unbefriedigender Sensitivität aufweist. Je nach Studie werden bei der Diagnostik maligner Gallengangsstenosen eine Sensitivität von 30–70% und eine Spezifität von 90–100% erreicht. Wiederholtes Bürsten oder eine Dilatation der Stenose scheinen die Sensitivität nicht zu 29 verbessern, da eine erhöhte Zellausbeute oftmals auch aus benignen Gallengangsepithelien besteht. Intraduktale retrograde Zangenbiopsien aus den Tumorrändern erreichen eine ähnliche Sensitivität von 43–88%, wobei die Zange allerdings nach einer obligaten endoskopischen Papillotomie oftmals nur schwer korrekt zu platzieren ist. Die Kombination von Bürstenzytologie mit DIA (digital imaging analysis) und FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung) kann die diagnostische Sicherheit weiter verbessern2. Im klinischen Alltag hat sich diese aufwendige Analyse bisher allerdings nicht durchgesetzt. Auch der intraduktale Ultraschall (IDUS) mit 20 MHz-Minisonden (radiäre Eindringtiefe bis 20 mm) kann während der ERCP bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers zusätzliche Informationen über die Wanddicke und das periduktale Gewebe im Bereich der Stenose liefern (Treffsicherheit für die Dignitätsbeurteilung einer biliären Stenose ca. 75%)3. Die Cholangioskopie kann bei Erreichbarkeit der Stenose sowohl retrograd (POCS, perorale Cholangioskopie in Mother-Babyscope-Technik) oder perkutan (PTCS, perorale transhepatische Cholangioskopie), durch direkte Befundvisualisierung mit gezielter Probenentnahme, entscheidend zur Differenzierung der Stenose beitragen. Bei der primär sklerosierenden Cholangitis ist die Cholangioskopie bezüglich der Differenzialdiagnose dominanter Strikturen der ERC deutlich überlegen4. Bei der Diagnose eines Cholangiokarzinoms ist sie durch die direkte Befundvisualisierung mit gezielter Biopsie das Verfahren mit der höchsten Sensitivität und Spezifität5, 6. Unter den verfügbaren Cholangioskopie-Systemen sind insbesondere 2 Entwicklungen interessant: Das modulare, in alle 4 Richtungen bewegliche SpyGlass®System (Boston Scientific) kombiniert eine mehrfach verwendbare Fieberglassonde mit einem 4-lumigen, robusten, 10 Fr. starken Einmal-Kathetersystem, mit dem der Gallengang intubiert werden kann. Das System erlaubt eine gezielte Biopsieentnahme bei gleichzeitiger Spülung der Gallenwege über 2 separate Spülkanäle7. Ebenfalls innovativ ist das 3,4 mm dicke Video-Cholangioskop CHF-B260 (Olympus), das eine Untersuchung des Gallengangsepithels mit der NBI (narrow band imaging)Filtertechnik ermöglicht8. Dies könnte eine Alternative zur konventionellen intraduktalen Chromoendoskopie darstellen. Diesbezüglich konnte in einer aktuellen Studie gezeigt werden, dass die cholangioskopisch kontrollierte intraduktale Chromoendoskopie unter Verwendung von Methylenblau die Differenzierung von biliären Strikturen ebenfalls verbessert9. Eine weitere diagnostische Dimension eröffnet die Endomikroskopie im Gallengang, mit der eine in-vivo-Mikroskopie der Mukosa während der laufenden Endoskopie möglich ist. Mit dem Cellvizio®-System 30 (Mauna Kea Technologies) kann unter Verwendung der ultradünnen CholangioflexLasersonde bereits während der Cholangioskopie eine konfokale Endomikroskopie im Gallengang erfolgen. Unter dem Einsatz von fluoreszierenden Kontraststoffen wie Fluorescein können hochauflösende Bilder der mukosalen Architektur mit Darstellung der Epithelzellen, Kapillaren und des Bindegewebes (0–300 µm) erreicht werden. In einer kleinen Münchner Pilotserie wurde gezeigt, dass sich bei Gallengangsstenosen mit dieser Technologie auf subzellulärer Ebene ein malignes von einem benignen Schleimhautmuster abgrenzen lässt10. Bei unklaren Gallengangsstenosen ist das definitive diagnostische Vorgehen neben der individuellen Patientensituation, insbesondere auch von dem lokal verfügbaren technischen Equipment und der Erfahrung des Untersuchers abhängig. Die invasiven und intraduktalen Verfahren werden daher häufig in spezialisierten Zentren durchgeführt. Weiterführende Literatur: 1. Lammert F, Neubrand MW, Bittner R, Feussner H, Greiner L, Hagenmüller F, Kiehne KH, Ludwig K, Neuhaus H, Paumgartner G, Riemann JF, Sauerbruch T. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register-Nr. 021/008. Z Gastroenterol. 2007; 45: 971–1001. 2. Levy MJ, Baron TH, Clayton AC, Enders FB, Gostout CJ, Halling KC, Kipp BR, Petersen BT, Roberts LR, Rumalla A, Sebo TJ, Topazian MD, Wiersema MJ, Gores GJ. Prospective evaluation of advanced molecular markers and imaging techniques in patients with indeterminate bile duct strictures. Am J Gastroenterol. 2008; 103: 1263–1273. 3. Seifert H, Schutte A. EUS mit Minisonden. Z Gastroenterol. 2008; 46: 909–916. 4. Tischendorf JJ, Krüger M, Trautwein C, Duckstein N, Schneider A, Manns MP, Meier PN. Cholangioscopic characterization of dominant bile duct stenoses in patients with primary sclerosing cholangitis. Endoscopy. 2006; 38: 665–669. 5. Nguyen K, Sing JT Jr. Review of endoscopic techniques in the diagnosis and management of cholangiocarcinoma. World J Gastroenterol. 2008; 14: 2995– 2999. 6. Weber A, Schmid RM, Prinz C. Diagnostic approaches for cholangiocarcinoma. World J Gastroenterol. 2008; 14: 4131–4136. 31 7. Fishman DS, Tarnasky PR, Patel SN, Raijman I. Management of pancreaticobiliary disease using a new intra-ductal endoscope: the Texas experience. World J Gastroenterol. 2009; 15: 1353–1358. 8. Itoi T, Sofuni A, Itokawa F, Tsuchiya T, Kurihara T, Ishii K, Tsuji S, Moriyasu F, Gotoda T. Peroral cholangioscopic diagnosis of biliary-tract diseases by using narrow-band imaging (with videos). Gastrointest Endosc. 2007; 66: 730–736. 9. Hoffman A, Kiesslich R, Bittinger F, Galle PR, Neurath MF. Methylene blueaided cholangioscopy in patients with biliary strictures: feasibility and outcome analysis. Endoscopy. 2008; 40: 563–571. 10. Meining A, Frimberger E, Becker V, Von Delius S, Von Weyhern CH, Schmid RM, Prinz C. Detection of cholangiocarcinoma in vivo using miniprobe-based confocal fluorescence microscopy. Clin Gastroenterol Hepatol. 2008; 6: 1057– 1060. 32 Optimierte Diagnostik und Therapie für das Karzinom des Magens und des gastroösophagealen Übergangs M. Möhler, C.C. Schimanski, P.R. Galle Innere Medizin I, Universitätsklinikum Mainz In den letzten Jahren haben sich zahlreiche positive Veränderungen in der Diagnostik und Therapie für das Karzinom des Magens und des gastroösophagealen Übergangs ergeben. Die Karzinome können nicht mehr als chemotherapieresistent bzw. als fatale Erkrankung angesehen werden. Wie das Krebsregister im Saarland belegt, besserte sich das Überleben im Verlauf der letzten 20 Jahre. Dies wird sich durch die intensivierten, multimodalen Therapieoptionen weiter verbessern. Nachdem Tumorzentren und interdisziplinäre Therapiekonzepte etabliert wurden, ist der klassische Überweisungsweg vom Hausarzt zum Gastroenterologen und danach zum Chirurgen nicht mehr ausreichend. Wie bei anderen Tumorerkrankungen ist es vielmehr für alle behandelnden Ärzte entscheidend, die Diagnostik und differenzierte Therapie mit spezialisierten und differenzierten Tumorzentren abzustimmen. Sowohl für perioperative als auch palliative Konzepte hat sich die Palette der einsetzbaren Chemotherapeutika über die Capecitabin-, Oxaliplatin- und Docetaxel-haltigen Protokolle erweitert. Auch wenn in einer aktuellen Metaanalyse Dreierkombinationen marginal besser abschnitten, belegen alle bisherigen Arbeiten ein Gesamtüberleben der Patienten bei Behandlung mit Chemotherapeutika in der Ersttherapie von 9–11 Monaten. Da bei zahlreichen Patienten deutlich gute klinische Verläufe berichtet werden, sind bei gutem Allgemeinzustand auch eine Zweit- und Drittlinientherapie indiziert. Neue Therapien mit „targeted“ Substanzen werden voraussichtlich die Therapieoptionen mit PLF-, XP-, ECF-, EOX-, Docetaxel- oder Irinotecan-haltigen Protokollen bei guter Verträglichkeit weiter verbessern. Eine neue deutsche S3-Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der DGVS zum Magenkarzinom ist gerade in Bearbeitung und wird voraussichtlich Anfang 2010 veröffentlicht. Um bereits jetzt an neuen Studien und Projekten teilzunehmen, können sich Ärzte oder ggf. Betroffene wenden an: www:AIO-portal.de, www.krebsgesellschaft.de oder www.krebshilfe.de mit dem Beitrag www.krebshilfe.de/tv-beitrag-in-vivo-18.html. 33 Kolorektales Karzinom – Gibt es die optimale palliative Chemotherapie? T. Seufferlein Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Halle-Wittenberg Welche Erstlinientherapie für welchen Patienten? In den letzten Jahren konnten eine Reihe von Verbesserungen in der medikamentösen Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms (mKRK) erzielt werden. Durch die Einführung neuer Chemotherapeutika wie Irinotecan und Oxaliplatin und in jüngerer Zeit die Hinzunahme von sogenannten targeted therapies, d. h. von Medikamenten, die tumorspezifische Eigenschaften wie EGF-Rezeptoren oder Tumorangiogenese adressieren, konnte das Gesamtüberleben von Patienten mit mKRK deutlich verbessert werden und erreicht heute im Median deutlich über 25 Monate. Wir haben in den letzten Jahren mehr über die Tumorbiologie des mKRKs gelernt. So können Tumoren auch im metastasierten Stadium relativ langsam progredient sein und die Lebensqualität wenig beeinträchtigen. Andererseits beobachten wir mKRKs mit hoher Tumorlast und aggressiver Wachstumstendenz, die sich auch in Laborveränderungen, wie z. B. Leukozytose und LDH-Erhöhung, niederschlagen. Schließlich können wir eine Subgruppe von metastasierten KRKs differenzieren, bei denen ausschließlich Leber- und/oder Lungenmetastasen vorliegen. Letztere Gruppe umfasst bis zu 20% der Patienten mit mKRK. In dieser Gruppe kann durch Resektion der Metastasen ein Langzeitüberleben und bei manchen – trotz des initial metastasierten Stadiums – sogar eine Heilung der Erkrankung erzielt werden. Bei nicht vorbehandelten Patienten mit mKRK gibt es also keine Standardtherapie, sondern vielmehr eine „optimierte“ Therapie, die der Situation des Patienten angepasst ist. So kann bei einer relativ stabilen Tumorerkrankung durchaus auch initial eine weniger intensive Therapie mit z. B. oralen Fluoropyrimidinen und einem Antikörper gegen VEGF (Bevacizumab) durchgeführt werden. Bei diesem Konzept steht die Stabilisierung der Tumorerkrankung bei gleichzeitiger möglichst geringer Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Therapie im Vordergrund. Bei Patienten mit symptomatischer Tumorerkrankung, hoher Tumorlast und dadurch beeinträchtigter Lebensqualität muss eine aktivere Therapie erfolgen. Hier kommen Chemotherapiekombinationen (z. B. nach dem FOLFIRI- oder dem FOLFOXProtokoll) auch in Kombination mit Antikörpern gegen VEGF oder gegen den EGF34 Rezeptor (EGFR) – bei Patienten mit K-ras-Wildtyp-Status im Tumor (s. u.) – zum Einsatz, da eine effektive Therapie zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt und zur Verlängerung des Überlebens notwendig ist. Chemotherapiekombinationen mit Bevacizumab erzielen in der Erstlinientherapie die längsten progressionsfreien Phasen. Bei Patienten mit isolierten, (noch) nicht operablen Leber- oder Lungenmetastasen ist eine aktive Therapie notwendig, die hohe Tumoransprechraten erzielt, um schnell ein gutes Tumoransprechen und evtl. eine Resektabilität zu erreichen, die Aussicht auf Tumorfreiheit bietet. Hier werden Dreifachchemotherapiekombinationen (FOLFOXIRI) oder Kombinationschemotherapien plus Antikörper gegen den EGFR (Cetuximab; bei Patienten mit K-ras-Wildtyp-Status im Tumor), mit denen ein objektives Tumoransprechen (d.h. partielle und komplette Remissionen) in > 50% der Patienten erzielt werden kann, eingesetzt. Kombinationen mit Bevacizumab erreichen etwas geringere Tumoransprechraten als Kombinationen mit Cetuximab. Der Effekt von Bevacizumab ist allerdings vom K-ras-Status des Tumors unabhängig. Ziel ist es, durch effektives Downsizing der Metastasen eine höhere Rate an R0-Resektionen von primär nicht resektablen Leber- und/oder Lungenmetastasen zu erreichen – die wesentliche Voraussetzung für ein Langzeitüberleben der Patienten. Inwieweit auch Patienten mit resektablen Lebermetastasen eine perioperative (also prä- und postoperative) Chemotherapie erhalten sollen, ist Gegenstand der aktuellen Diskussion. Eine französische Studie zeigt einen Benefit der perioperativen Therapie für Patienten, die reseziert wurden, und zwar hinsichtlich des Parameters 3-Jahres-krankheitsfreies Überleben. Allerdings werden von chirurgischer Seite Bedenken geäußert, dass sich durch die neoadjuvante Therapie zumindest die operative Morbidität (Gallefisteln, intraabdominelle Infektionen und Leberkomplikationen) erhöht. Überlegungen zu Therapieintensität und -dauer Aufgrund der Toxizität mancher Kombinationstherapien (z. B. kumulative Neurotoxizität bei Oxaliplatin-haltigen Protokollen) und der deutlich längeren Therapiedauer werden beim mKRK zunehmend Konzepte mit Therapiepausen oder weniger intensiven Therapiephasen untersucht. Nach den aktuell verfügbaren Daten kann bei Patienten, die unter den oben genannten Kriterien eine Kombinationstherapie erhalten sollten, nach einer Induktionsphase mit Kombinationschemotherapie ggf. plus Antikörper von mindestens 6 Monaten, die Therapie „deeskaliert“ werden. Das „ideale“ Protokoll in der Deeskalationsphase, z. B. eine Kombination aus 35 Fluoropyrimidin plus anti-VEGF Antikörper, Fluoropyrimidin allein oder auch eine komplette Therapiepause, wird gerade in Studien geprüft. In einer aktuellen Analyse wurden Kriterien etabliert, die den Erfolg einer Reintroduktion von Oxaliplatin bei Progress vorhersagen lassen. So ist dieses Konzept besonders erfolgreich, wenn unter der Therapie mit 5-FU/Oxaliplatin initial ein gutes Tumoransprechen zu verzeichnen und die Dauer des progressionsfreien Überlebens lang, am besten über 12 Monate, war. Prädiktive Marker zur Therapieauswahl Retrospektive Analysen aus Phase-II- und -III-Studien zeigten, dass KRKs mit aktivierenden Mutationen im kleinen G-Protein K-ras, die bei etwa 40% aller KRKs zu finden sind, nicht von einer Therapie mit EGFR-blockierenden Antikörpern profitieren, unabhängig von der Therapielinie, in der die Antikörper eingesetzt werden. Damit kann erstmals eine Gruppe von Patienten identifiziert werden, die nicht von einer targeted therapy profitiert und lediglich Nebenwirkungen der Therapie erfährt. Die Identifikation von mutiertem K-ras im Tumor als prädiktivem Marker für das Nichtansprechen eines KRK auf eine anti-EGFR-Therapie erlaubt somit erstmals eine molekular orientierte Therapiestratifizierung. Allerdings sollten diese Ergebnisse nicht ohne weiteres auf andere Tumorentitäten übertragen werden, da die molekularen Ursachen der Refraktärität von K-ras-mutierten KRKs für anti-EGFRAntikörper weitgehend unklar und die zugrunde liegenden Mechanismen möglicherweise auch tumorspezifisch sind. Kontinuierlicher Therapieplan Aufgrund der guten Wirksamkeit der Kombinationschemotherapien und der Antikörper auch nach Progress unter einer Therapielinie, verlieren die Begriffe „Zeitund Drittlinie“ immer mehr an Bedeutung und man spricht zunehmend von einem kontinuierlichen Therapieplan. Nach Progress unter der Primärtherapie kann mit einer komplementären Kombinationstherapie ein ebenso langes progressionsfreies Überleben erzielt werden wie mit der Vortherapie. Die Tumoransprechraten der Chemotherapie sind allerdings nach Vorbehandlung – auch bei Kombination mit Antikörpern – deutlich geringer, sodass Patienten in dieser Therapiesituation zwar immer noch hinsichtlich einer potenziellen Resektabilität von Leber- und/oder Lungenmetastasen evaluiert werden sollen, die Chancen für eine sekundäre Resektabilität aber geringer sind. Wie bereits oben betont, sollten diese Patienten 36 daher primär die effektivste Therapie erhalten. Ob bei Patienten, die unter einer Kombinationschemotherapie plus Bevacizumab einen Progress ihrer Tumorerkrankung aufweisen, nur die Chemotherapie geändert, die Antikörpertherapie aber beibehalten werden sollte, ist Gegenstand einer aktuellen Studie der AIO. Es gibt Hinweise, dass es Resistenz des Tumors gegen eine VEGF-Inhibition gibt (etwa durch einen Switch auf die Sekretion alternativer proangiogener Faktoren wie PDGF und FGF), sodass außerhalb von Studien bei Progress die gesamte Therapie umgestellt werden sollte. Nach Versagen einer Primär- oder Sekundärtherapie bietet sich für Patienten mit Kras Wildtyp-Tumoren auch die Kombination aus Chemotherapie plus anti-EGFRAntikörper wie Cetuximab oder Panitumumab an. Für Cetuximab wurde auch ein Sensitizing des Tumors für bisher nicht mehr wirksame Chemotherapien gezeigt. Bei Patienten mit K-ras mutierten Tumoren kann in dieser Situation aktuell auf andere Chemotherapiekonzepte wie Mitomycin C zurückgegriffen werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es – auch unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen der Therapie – keine optimale Chemotherapie für das mKRK gibt. Es gibt aber optimierte Therapiestategien, die es uns erlauben, Patienten individueller, d. h. entsprechend der aktuellen Tumorsituation und definierten Therapiezielen zu behandeln. Zudem besteht mit der K-ras-Bestimmung im Tumor erstmals die Möglichkeit vorherzusagen, welche Patienten nicht von einer Therapie profitieren. Auf dem Weg zur optimalen palliativen Therapie benötigen wir weitere dieser prädiktiven Biomarker, vor allem auch solche, die uns einen Therapieerfolg für bestimmte Patientengruppe vorhersagen lassen. Literatur beim Verfasser. 37 Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. T. Berg Medizinische Klinik m. S. Hepatologie und Gastroenterologie Charité – Universitätsmedizin Campus Virchow-Klinikum (CVK) Augustenburger Platz 1 13353 Berlin PD Dr. E. Cario Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie Universitätsklinikum Essen Hufelandstr. 55 45147 Essen PD Dr. A. Dormann Innere Medizin Klinikum Köln-Holweide Kliniken der Stadt Köln Neufelder Str. 32 51067 Köln PD Dr. A. Eickhoff Klinik und Poliklinik für Interdisziplinäre Endoskopie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 20246 Hamburg Prof. Dr. H. Messmann Innere Medizin III Klinikum Augsburg Stenglinstr. 2 86156 Augsburg PD Dr. M. Möhler Innere Medizin I Klinikum der Universität Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Prof. Dr. J. Rädle Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Str. 1 66421 Homburg/Saar Prof. Dr. J.F. Riemann c/o Stiftung LebensBlicke Klinikum der Stadt Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Prof. Dr. T. Sauerbruch Medizinische Klinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn PD Dr. S. Grüne Innere Medizin II Krankenhaus Hetzelstift Stiftstr. 10 67434 Neustadt/Weinstraße Dr. S. Schmittgens Innere Medizin II Helios Klinikum Krefeld Lutherplatz 40 47805 Krefeld Prof. Dr. R. Jakobs Medizinische Klinik C Klinikum der Stadt Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen PD Dr. V. Schmitz Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53127 Bonn Prof. Dr. F. Lammert Klinik für Innere Medizin II Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Str. 1 66424 Homburg/Saar Prof. Dr. T. Seufferlein Innere Medizin I Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Ernst-Grube-Str. 40 06120 Halle 39 Prof. Dr. H.E. Wasmuth Medizinische Klinik III Universitätsklinikum Aachen RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52057 Aachen PD Dr. U. Will Medizinische Klinik SRH Wald-Klinikum Gera Straße des Friedens 122 07548 Gera Prof. Dr. S. Willis Chirurgische Klinik A Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Unfallchirurgie Klinikum der Stadt Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen 40