Gesundheit Arthrosen Nicht immer nur ein Problem älterer Tiere Arthrosen gehören in der Kleintierpraxis zu den häufigsten Erkrankungen besonders der älteren Tiere. Betroffen sind vorrangig größere Hunde. Die Problematik kann jedoch ebenso bei kleinen Rassen und Katzen auftreten genauso wie bei jüngeren Tieren, auch wenn dies seltener der Fall ist. U m Arthrosen frühzeitig zu erkennen und optimal zu behandeln, ist es hilfreich, diese wichtige Krankheit zu „verstehen“: Ein Gelenk ist eine bewegliche Verbindung zwischen zwei oder mehreren Knochen. Es besteht meist aus zwei Knochenenden, welche zu ihrem Schutz von Knorpel überzogen sind. Es wird von der sogenannten Gelenkkapsel umschlossen. Sie ist angefüllt mit Gelenksflüssigkeit (Synovia), die zum „Schmieren“ des Gelenkes dient. Außerdem können Gelenke noch Hilfsstrukturen wie Bänder, Schleimbeutel oder Menisken aufweisen. Bei Arthrosen handelt es sich um degenerative, d.h. mit Abbau und Zerstörung einhergehende Gelenkerkrankungen. Sie sind gekennzeichnet durch eine Degeneration des Gelenkknorpels, Schrumpfung der Gelenkkapsel sowie sekundäre Knochenverletzungen. Nur in den seltensten Fällen sind sie vollkommen rückgängig zu machen. Eine Arthritis hingegen ist eine entzündliche Gelenkerkrankung. Sie kann vollkommen ausheilen, aber genauso auch zu einer Arthrose führen. Am Beginn einer Arthrose stehen (degenerative) Knorpelschäden. Knorpelabriebprodukte wie sie z.B. bei Überlastung entstehen, bewirken eine Entzündung der Gelenkflüssigkeit und der Gelenkkapsel. Daraus entsteht ein schmerzhafter Gelenkerguss. Zunehmend werden auch andere Gelenkanteile wie Bänder und Knochen erfasst. In einem Teufelskreis führen dann sich gegenseitig beeinflussende Faktoren letztendlich zu immer stärkeren Schäden wie Verdickung und Schrumpfung der Gelenkkapsel, zunehmende Schädigung des Gelenkknorpels, Verdichtung und Verhärtung des Knochens und schließlich zu Knochenzubildungen an den Gelenkrändern (Osteophytenbildung). Die Synovia wird dickflüssiger und verliert ihre Schmierfähigkeit. Die Folge sind schwerwiegende Funktionsstörungen des Gelenkes. Arthrosen können in allen Gelenken entstehen. Besonders häufig betroffen sind die großen Gelenke wie Hüft- und Kniegelenk, das Ellenbogengelenk, aber oft auch Zehengelenke und Wirbel. Hierbei handelt es sich um die Gelenke, die im Allgemeinen den größten Belastungen ausgesetzt sind. Tierarzt Magazin 02 | 2013 15 Gesundheit eine Computertomographie oder gar eine Arthroskopie notwendig. Schematischer Aufbau eines Gelenkes Zeichnung: Lisa Vörg Primäre und sekundäre Arthrosen Bei den primären Arthrosen ist entweder die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gelenke der Beanspruchung nicht gewachsen (Überlastung, z.B. durch Übergewicht, Radfahren mit jungen Hunden, häufiges Springen aus großer Höhe) oder sie entstehen durch „Altern“ der Gelenke sowie durch Stoffwechselstörungen. Die Häufigkeit der primären Arthrosen nimmt mit dem Alter des Tieres zu. Deshalb auch oft die „Bequemlichkeitsdiagnose“ Verschleiß, welche suggeriert, dass diese und andere Krankheiten zwangsläufig zum Alter dazugehören und tatenlos hinzunehmen sind. Sekundäre Arthrosen entstehen durch kongenitale (bei Geburt bereits vorhandene) oder erworbene Fehlbelastungen (X-Beine, Hüftgelenkdysplasie, Wachstumsstörungen, Traumata), außerdem nach entzündlichen Gelenkerkrankungen (Arthritis). Sie treten in jedem Alter auf. Die Folgen von Arthrosen Die typischen Folgen von Arthrosen sind Schmerzen, Bewegungseinschränkung bis hin zur Gelenkversteifung, Muskelschwund, Gewichtszunahme und – nicht zu unterschätzen – psychische Reaktionen. Diagnose Die genaue Diagnose erfolgt durch den Tierarzt. Zuerst wird der Bewegungsablauf des Tieres sorgfältig beobachtet. Meist führt dies zur Identifizierung des betroffenen Beines, eventuell auch schon zu dem kranken Gelenk. Anschließend werden die verdächtigen Gelenke abgetastet und auf morphologische Veränderungen (z.B. Verdickung), Beweglichkeit und Schmerzhaftigkeit untersucht. Bei sehr schweren Arthrosen kann sogar ein Knirschen hör- und fühlbar sein. Röntgenaufnahmen sichern die Diagnose ab. In unklaren Fällen ist 16 02 | 2013 Tierarzt Magazin Welches sind die äuSSeren Anzeichen von Arthrosen? Da Arthrosen meist langsam entstehen, sind die ersten Anzeichen nicht immer leicht zu erkennen. Besonders bei Katzen werden sie anfangs häufig übersehen. Ebenso muss das Ausmaß der Arthrosen nicht unbedingt mit der Schwere der klinischen Anzeichen einhergehen. Typische Anzeichen sind: Bewegungsunlust, Vermeiden von Treppensteigen, der Hund oder die Katze springt nicht mehr auf die Couch, des Weiteren Schwierigkeiten beim Aufstehen und Anlaufschmerz, Steifigkeit, Schmerzen während und nach Belastung und schließlich eine mehr oder minder deutlich sichtbare Lahmheit mit Schonung der betroffenen Gliedmaße. „Jammern“ als Schmerzäußerung ist selten und tritt nur in schweren Fällen auf. Die Tiere bewegen sich weniger. Die Folge ist eine Gewichtszunahme, was zu einer noch stärkeren Belastung der Gelenke führt. Das Schonen einer Gliedmaße oder eine Fehlbelastung führt außerdem zu Problemen der Muskulatur wie Verspannung oder später Muskelschwund durch geringe Beanspruchung (Muskelatrophie). Die Folge ist dann häufig noch eine Überlastung des anderen Beines. So entsteht „außen“ ein ähnlicher Teufelskreis wie im Inneren des Gelenkes. Behandlung von Arthrosen So manche Arthrosen lassen sich durchaus vermeiden.Wichtig ist ein Gesundheit sinnvolles Futtermanagement während des Wachstums. Völlig unangebracht ist beispielsweise ein Übermaß an Mineralstoffgaben wie Calcium und Phosphor. Die Menge und das Verhältnis zwischen beiden muss ausgewogen sein. Ebenso wichtig ist die Vermeidung von übermäßiger oder falscher Belastungen besonders bei jungen Tieren (z.B. Radfahren, zu lange Spaziergänge, Springen über Hindernisse). Bewegungsstörungen und Lahmheiten müssen frühzeitig abgeklärt und behandelt, Fehlstellungen rechtzeitig korrigiert werden. Übergewicht ist in jedem Alter zu vermeiden. Eine bestehende Arthrose lässt sich in den seltensten Fällen vollständig rückgängig machen. Das vorrangige Ziel der Behandlung ist deshalb, das Voranschreiten der Arthrose zu verhindern oder zu verlangsamen (sogenannte palliative Behandlung). Eine Entzündung muss „gestoppt“ werden. Für das Wohlbefinden des Tieres und um eine Beweglichkeit weiter zu gewährleisten, ist es sinnvoll, Schmerzen weitgehend auszuschalten. Zu beachten ist aber, dass akute Schmerzen eine Schutzfunktion besitzen. Hier muss deshalb der Besitzer die Bewegung einschränken. Eine kontrollierte Bewegung hingegen ist sinnvoll. Es ist wichtig, dass das Gelenk regelmäßig bewegt, aber nicht zu stark belastet wird. Wer rastet, der rostet! Geeignete Maßnahmen sind Schwimmen und Physiotherapie. Einige Fälle erfordern einen chirurgischen Eingriff, wie manche Wachstumsstörungen, Fehlstellungen oder Knochenabsplitterungen im Gelenk. Konservative (nichtchirurgische) Behandlungsmethoden In der Schulmedizin erfolgt die medikamentöse Behandlung meist durch sogenannte nichtsteriodale Antiphlogistika. Dies sind Entzündungshemmer, welche auch schmerzlindernd wirken. Sie enthalten kein Cortison. Die Wirkung und vor allem die Verträglichkeit dieser Präparate ist im Laufe der Jahre besser geworden. Vorsicht geboten ist allerdings bei Vorliegen von Leber- und Nierenerkrankungen. Auch Reaktionen des Magendarmtraktes sind zu beachten. Cortisonpräparate wirken vor allem entzündungshemmend und abschwellend und damit manchmal auch indirekt schmerzlindernd. Sie können aber mittelfristig den Knorpelabbau begünstigen. Sogenannte Chondroprotektiva helfen, den Gelenkknorpel zu schützen und weiteren Abrieb zu verhindern (z.B. Grünlippmuscheln, Chondroitinpräparate). Gegen den Muskelabbau kann die Gabe von Anabolika angezeigt sein. Keinesfalls dürfen humanmedizinische Präparate als Selbsmedikation eingesetzt werden, da hier besonders häufig schwere Nebenwirkungen auftreten. Komplementärmedizinische Behandlungsmethoden Daneben haben sich eine Reihe von komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden etabliert. Dazu gehören besonders die Homöopathie, die Phytotherapie und auch die Behandlung mit Enzymen. Ebenso die Akupunktur, aber auch die Bioresonanztherapie oder Magnetfeldtherapie und andere. Für eine Behandlung kann es angebracht sein, Schulmedizin und Komlementärmedizin zum Wohle der Patienten zu kombinieren, um einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen. Fazit Die beste Maßnahme ist, die Entstehung von Arthrosen möglichst zu verhindern. Die Grundlage im Wachstumsalter legen eine optimale Fütterung und das Vermeiden von Fehl- und Überbelastung. Das Ziel der Behandlung ist die Schmerzfreiheit sowie die möglichst weitgehende Erhaltung der Beweglichkeit. Sinnvoll ist es außerdem, das Voranschreiten der Arthrosenbildung zu verhindern oder zu verlangsamen. Eine gute Kenntnis der Krankheit und eine aufmerksame Beobachtung helfen beim rechtzeitigen Erkennen von Arthrosen und anderer Erkrankungen. So gelingt es häufig, unseren Lieblingen eine gute Lebensqualität zu erhalten. n Kurt Fischer Kurt Fischer, Jahrgang 1955, führt seit 25 Jahren eine Kleintierpraxis in Heidelberg. Dabei interessiert er sich insbesondere für die Geriatrie, chronische Krankheiten und die Kombination von Schulmedizin mit Naturheilverfahren. www.tierarztpraxis-fischer.de Tierarzt Magazin 02 | 2013 17