medix GL Diabetes 2016

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GUIDELINE
Diabetes mellitus
Erstellt von: Sébastian Thalmann, Uwe Beise, Felix Huber
am: 2/2016
Inhaltsverzeichnis
KURZVERSION .................................................................................................................... 2
1. Klassifikation ................................................................................................................... 4
2. Diagnostik ........................................................................................................................ 4
3. Therapie .......................................................................................................................... 5
3.1. Therapieziele ........................................................................................................ 5
3.2. Nicht-pharmakologische Massnahmen ............................................................. 6
3.3. Medikamentöse Therapie .................................................................................... 6
3.3.1 Orale Antidiabetika............................................................................................................................6
3.3.2 Insulintherapie...................................................................................................................................8
3.4. Kontrolle und Therapie von Begleiterkrankungen ............................................. 9
4. Literatur ......................................................................................................................... 11
5. Anhang............................................................................................................................13
Aktualisierung 2/2016:
Im Rahmen einer kleinen Revision wurden v.a. die Empfehlungen zu den neuen oralen Antidiabetika
aktualisiert und die Substanzen in einer Tabelle im Anhang zusammengefasst. Neu gestaltet wurde
zudem der Algorithmus zur BZ-senkenden Therapie bei Typ-2-Diabetes (S.3).
mediX Guideline Diabetes mellitus
1
KURZVERSION
Diagnostik/Klassifikation:
Diabetes mellitus
• HbA1c≥ 6,5%
• Gelegenheits-Plasmaglukosewert: ≥11,1mmol/ l und klassische Symptome (Polydipsie, Polyurie,
Gewichtsverlust)
• Nüchtern-Plasmaglukose:≥7,0mmol/ l
Beachte: HbA1c ist nicht aussagekräftig bei Hämoglobinopathien, hämolytischer oder Eisenmangelanämie,
schwerer Leber- und Niereninsuffizienz und in der Schwangerschaft.
Kategorien mit erhöhtem Risiko, einen Diabetes zu entwickeln (Prä-Diabetes)
• IFG (Impaired fasting glucose) Nüchternplasmablutzucker 5.6 – 6.9 mmol/l
• IGT (Impaired glucose tolerance): 2 Std. nach 75g OGTT zwischen 7,8 und 11,1mmol/l im venösen
Plasma.
• HbA1c: 5,7-6,4%
"Prädiabetische" Patienten sollten hinsichtlich Lifestyle beraten werden.
Labor: Plasma-Glukose, HbA1c, Kreatinin, Kalium, GPT, GOT, Urinstatus, Albumin/Kreatinin-Quotient,
Lipidstatus, zusätzliches Labor nach klinischer Evaluation.
EKG: bei Erstdiagnose.
BZ-Screening:
Bei allen Personen ab 40.Lj alle drei Jahre (6,8). Bei erhöhtem Risiko auch früher und in kürzeren
Intervallen. Ein erhöhtes Risiko besteht bei:
• positiver Familienanamnese
• Status nach Gestationsdiabetes oder Geburtsgewicht eines Kindes >4100g
• IFG/IGT oder HbA1c 5,7-6,4% in der Anamnese
• Übergewicht: BMI >27 kg/m2
• arterieller Hypertonie
• Dyslipidämie
• bekanntem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS).
Therapie:
• Lifestyle-Beratung ist die wichtigste Intervention: langfristige Ernährungsumstellung, regelmässige
körperliche Aktivität, Gewichtsabnahme bei Übergewicht/Adipositas. Diabetes- und
Ernährungsberatung für alle Patienten.
• Therapieziele sollen individuell vereinbart werden. Faustregel: Bei jüngeren Patienten bzw. neu
entdecktem Typ 2-Diabetes strengere Therapieziele, bei älteren und/oder multimorbiden Patienten
mit geringer Lebenserwartung weniger strenge Therapieziele.
Orientierungsgrössen:
• Blutzucker: Zielkorridor HbA1c 6,5-7,0%. Hypoglykämien und Hyperglykämien >10mmol/l stets
vermeiden! (s. Algorithmus folgende Seite)
• Blutdruck: <140/90mmHg
• Lipide: feste Statindosis oder LDL-Cholesterin <2,6 mmol/l (primäre Prävention) oder optional
<1,8mmol/l (sekundäre Prävention)
2
2
• Gewichtsabnahme: bei BMI 27-35 kg/m ca. 5kg, BMI >35 kg/m ca.10kg.
• Aspirin: zur Primärprävention umstritten wg. widersprüchlicher Resultate. mediX empfiehlt keine
routinemässige Verschreibung von Aspirin.
Kontrollen zur Verminderung/Therapie von Komplikationen
• Diabetische Retinopathie: Augenärztliche Kontrolle jährlich, ab Diagnose bei Typ-2-Diabetes, bei
Typ-1-Diabetes erstmals nach 5 Jahren.
• Diabetische Nephropathie: Jährlich Screening auf Mikroalbuminurie bei allen Diabetikern: ab
Diagnose bei Typ-2-Diabetes, bei Typ 1-Diabetes erstmals nach 5 Jahren. Alternativ: Screening nur
bei schlecht eingestelltem Diabetes und/oder bei weiteren kardialen und renalen RF, wenn
Therapiebereitschaft besteht. Alle Patienten mit Mikroalbuminurie sollten ACE-Hemmer erhalten.
• Diabetische Neuropathie: Fusskontrolle bei jeder Visite! Jährlich neurologische Untersuchung:
Oberflächensensibilität: Monofilament Plantarseite Metatarsale 1-2, plantar distal an der Grosszehe.
Tiefensensibilität: Reflexe (ASR, PSR), Lagesinn, Vibration (unter 4/8).
• Kardiologische Kontrolle: vor Beginn von Ausdauertraining, bei patholog. EKG oder anamnestisch
kardiale Symptome.
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2
Algorithmus: Blutzuckersenkende Therapie bei Typ-2-Diabetes
BZ-Therapieziel individuell festlegen: HbA1c-Zielkorridor: 6,5-7,0 (-9)%
wenn individuelles HbA1c-Ziel nach
↓ 3-6 Monaten nicht erreicht wird
I. Basistherapie*
Schulung, Ernährungsumstellung, körperliche Aktivität
wenn individuelles HbA1c-Ziel nach
↓ 3-6 Monaten nicht erreicht wird
II. Basistherapie plus Pharmako-Monotherapie**
– Metformin (1.Wahl)
bei Metformin-Unverträglichkeit:
– Sulfonylharnstoff (Gliclazid retard)
Mögliche Alternativen in Einzelfällen:
– DPP-IV-Hemmer, SGLT-2 Hemmer, Insulin
wenn individuelles HbA1c-Ziel nach
↓ 3-6 Monaten nicht erreicht wird
III. Zweifachkombination
– Metformin + Sulfonylharnstoff (nur Gliclazid retard)
(gut bewiesene Therapie, Hypoglykämiegefahr gering)
– Metformin + DPP-IV-Hemmer
(keine Hypoglykämie, wsh. kardiovaskulär neutral; CAVE bei Saxagliptin)
– Metformin + GLP-1-Agonist
(keine Hypoglykämie, mehr Nebeneffekte, teurer - nur einzusetzen, wenn eine Gewichtsreduktion
unbedingt notwendig ist)
– Metformin + SGLT2-Hemmer
(bei etablierter kv-Erkankung dann nur Empagliflozin als SGLT-2 Hemmer, wenn keine KI besteht)
wenn individuelles HbA1c-Ziel nach
↓ 3-6 Monaten nicht erreicht wird
IV. Dreifach- oder Vierfachkombination mit oder ohne Insulin
– basal / Bolus Insulin + Metformin
(effizienteste Therapie, aber Hypoglykämiegefahr)
– basal Insulin + Metformin + Sulfonylharnstoff (Gliclazid)
(Cave: Gefahr von Hypoglykämie bei Kombination von Insulin und Gliclazid)
– basal Insulin + Metformin + Sulfonylharnstoff (Gliclazid) + DPP-IV-Hemmer
(Cave: Gefahr von Hypoglykämie bei Kombination von Insulin und Gliclazid)
– basal und Bolus Insulin + Metformin + DPP-IV-Hemmer
(weniger zu empfehlen, da DPP-IV-Hemmer wenig effizient bei Gabe von Insulin sind)
– basal / bolus oder basal Insulin + Metformin + GLP-1-Agonist
(nur in Ausnahmenfällen)
– Basal Insulin kombiniert mit GLP-1-Agonist + Metformin
(GLP-1-Agonist kombiniert mit basal Insulin erwägen, wenn Insulinindikation klar ist aber das Gewicht
eine bedeutende Rolle spielt, Nachteil : Auftitrierung ist schwierig, fixes Verhältnis Insulin Degludec /
Liraglutide, Vorteil: weniger Injektionen)
– Metformin + SGLT2-Hemmer + Insulin
(Empagliflozin wenn etablierte kv-Erkrankung und keine KI bestehen)
– Metformin + SGLT2-Hemmer+ DPP-IV-Hemmer
(keine Hypoglykämiegefahr, jedoch weniger etablierte Therapie; mit einem DPP-IV-Hemmer ist
aktuell nur Dapagliflozin als einziger SGLT2-Hemmer kassenzulässig, bei etablierter kv Erkankung ist
jedoch Empagliflozin zu bevorzugen)
– Metformin + SGLT2-Hemmer* + Insulin + DPP-IV-Hemmer
(mit DPP-IV-Hemmer ist aktuell Dapagliflozin als einziger SGLT2-Hemmer kassenzulässig, bei
etablierter kv Erkankung ist jedoch Empagliflozin zu bevorzugen)
wenn individuelles HbA1c-Ziel nach
↓ 3-6 Monaten nicht erreicht wird
V. Individualisierte Insulintherapie plus Metformin
Hinweise:
* Da Lifestyleveränderungen allein oft nicht zum Ziel führen, kann Metformin auch sofort eingesetzt
werden. Bei HbA1c-Werten nahe dem Zielkorridor sollten aber i.d.R. zunächst ausschliesslich nichtmedikamentöse Massnahmen versucht werden.
** Bei Patienten mit hohem anfänglichen HBA1c ≥8,5-9,0% gleich mit Zweierkombination beginnen.
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1. KLASSIFIKATION
Klassifikation (1):
Typ-1-Diabetes
• immunologisch vermittelte β-Zellzerstörung, die zu einem absoluten Insulinmangel führt
• LADA (Latent Autoimmune Diabetes of the Adults) entspricht dem late onset Typ-1-Diabetes
Typ-2-Diabetes
• 90% aller erwachsenen Diabetiker
• Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel; im Verlauf kommt es aufgrund Basalzellerschöpfung
zu Insulinbedürftigkeit (5% /Jahr der Typ-2-Diabetiker benötigen Insulintherapie).
Andere spezifische Diabetes-Typen
• Gestationsdiabetes: 30-60% der Frauen werden im späteren Leben einen Typ-2-Diabetes
entwickeln.
• Medikamentös: Glukokortikoide, Neuroleptika, Interferon-alpha, usw.
• Endokrinopathien: M. Cushing, Phäochromozytom, Akromegalie.
2. DIAGNOSTIK
Anamnese / körperliche Untersuchung
Familienanamnese: Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall
Körperliche Untersuchung: Grösse, Gewicht, kardiovask. System, BD, periphere Arterien,
Fussuntersuchung
Labor: Plasma-Glukose, HbA1c, Kreatinin, Kalium, Natrium, GOP, GPT, Urinstatus, TSH bei Typ1-Diabetes
EKG: bei Erstdiagnose
Diagnostische Kriterien (1):
Diabetes mellitus
• HbA1c ≥ 6,5%*
• Gelegenheits-Plasmaglukosewert: ≥11,1mmol/ l und klassische Symptome (Polyurie,
Polydipsie, Gewichtsverlust)
• Nüchtern-Plasmaglukose: ≥7,0mmol/l
• 2-Std-Plasmaglukose ≥11,1mmol nach 75g OGTT (Test zur Sicherheit wiederholen, ausser
bei eindeutiger Hyperglykämie)
*Beachte: Der HbA1c -Wert zur Diagnosestellung (und Therapiebeurteilung) ist nicht geeignet bei:
Hämoglobinopathien, hämolytischen Anämien, Bluttransfusionen, schwerer Leber- oder Niereninsuffizienz,
sowie in der Schwangerschaft. Eisenmangel bzw. eine hyporegeneratorische Anämie führen zu einem
falsch hohen HbA1c.
Kategorien mit erhöhtem Risiko, einen Diabetes zu entwickeln (Prä-Diabetes)
Abnorme Nüchtern-Glukose
• IFG (Impaired fasting glucose) Nüchternplasmablutzucker 5.6 – 6.9 mmol/l
Gestörte Glukosetoleranz
• IGT (Impaired glucose tolerance): 2 Std. nach 75g OGTT zwischen 7,8 und 11,1mmol/l im
venösen Plasma.
HbA1c: 5,7-6,4%
Hinweis: „Prädiabetes“ (IFG, IGT, HbA1c: 5,7-6,4%) geht häufig in einen Diabetes über (4). Diesen
Patienten sollte eine Lifestyle-Anpassung empfohlen werden. In einzelnen Fällen Metformin.
Screening:
Bei allen Personen ab 40.Lj alle drei Jahre (6,8). Bei erhöhtem Risiko auch früher und in kürzeren
Intervallen. Folgende Kriterien begründen ein erhöhtes Risiko:
• positive Familienanamnese
• Status nach Gestationsdiabetes oder Geburtsgewicht eines Kindes >4100g
• IFG / IGT oder HbA1c 5,7 -6,4 % in der Anamnese
2
2
• Übergewicht: BMI >25 kg/m ev. >23 kg/m bei asiatischer Herkunft
• arterielle Hypertonie
• Dyslipidämie
• bekanntem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS).
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3. THERAPIE
3.1. Therapieziele (3,6,7-10)
• individualisierte Therapieziele gemeinsam mit Patienten festlegen für
Lebensstil(änderungen), Glukosestoffwechsel, Lipidstatus, Körpergewicht, Blutdruck. Dabei
sollen u.a. Lebensalter, andere Erkrankungen, soziale Situation, Lebensqualität
berücksichtigt werden.
• HbA1c-Ziel: 6,5-7,0%. Bei älteren, multimorbiden Patienten oder bei Patienten mit geringer
Lebenserwartung kann ein HbA1c von 8,0-8,5% oder sogar höher angemessen sein.
Hypoglykämien sollten vermieden werden, insbesondere bei Patienten mit Atherosklerose
und älteren Patienten.
• Faustregel: Jüngere Patienten mit Typ-2-Diabetes können von strengerer
Blutzuckereinstellung profitieren (HbA1c <7%).
Tabelle 1: Therapieziele bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes
BD
HbA1c
Typ-1-Diabetes
Typ-2-Diabetes
syst. <140/90 mmHg*
<140/90 mmHg*
individuell
6,5 % ist bei jungen Patienten
anzustreben
individuell zu bestimmen:
6,5-7,0%
Bei einzelnen Patienten können
<6,5% angestrebt werden, bei
anderen kann als Ziel auch 8,08,5% vereinbart werden
Nüchtern-BZ
<5,6-6,9 mmol/l (Plasma)
<5,6-6,9 mmol/l
(Plasma)
Postprandial
<9 mmol/l
7,8-11 mmol/l
Cholesterin
<4,5 mmol/l
<4.5 mmol/l
LDL-Cholesterin
wie bei Typ-2-Diabetes
bei allen >40-jährigen:
<2,6 mmol/l, bei Hochrisikopatienten <1,8 mmol/l **
bei <40-jährigen: nur bei kv RF
Bewegung
wie bei Typ-2-Diabetes
täglich 30-60 min.
150 min / Woche
2 x Kraft/Resistance-Training
* Der Nutzen einer BD-Senkung <130/80mmHg ist bei Diabetikern nicht hinreichend belegt (29), dieser
Ziel-BD kann aber nach Empfehlung der ADA (American Diabetes Association) bei jungen Patienten
im Einzelfall erwogen werden (36).
** alternativ kann statt auf den LDL-Zielwert titriert auch eine fixe Statindosis gegeben werden
(„fire and forget“).
Blutzucker-Selbstmessung:
• Ein Nutzen regelmässiger täglicher BZ-Selbstmessung bei Typ-2-Diabetikern ohne
Insulintherapie konnte nicht nachgewiesen werden (3,20). Es wird nicht empfohlen, beim DM
2 den BZ täglich zu messen, stattdessen eher Orientierung am HbA1c. Jedoch können nach
Absprache mit dem Arzt gewisse Messungen Sinn machen (z.B. jeder 3. Tag nüchtern oder
ein 5-Punkt-Tagesprofil pro Woche).
• BZ-Selbstmessung ist aber bei Typ-2-Diabetikern in bestimmten Situationen erforderlich,
etwa bei labiler Stoffwechsellage mit häufiger Unterzuckerung, bei stark veränderter
Ernährung (z.B. Durchfall) oder vor einer Autofahrt.
• Bei Typ-1-Diabetes sollte vor dem Essen, vor dem Sport, vor dem Autofahren oder anderen
potentiell gefährlichen Tätigkeiten, nach Behandlung einer Hypoglykämie und vor dem
Schlafengehen gemessen werden.
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Diabetes-Übersichtsblatt
Das Therapieziel wird mit dem Patienten gemeinsam festgelegt und im Diabetes-Pass
eingetragen:
1. Sehr gute Einstellung (HbA1c: 6,5%)
Schwangerschaft, Kinder, schwere Retinopathie,
Organtransplantationen, schmerzhafte Neuropathie
Ziel für die meisten Diabetiker
sehr alte oder psychsoziokulturell behinderte
Patienten, Polymorbidität
sehr alte oder psychsoziokulturell behinderte
Patienten, Polymorbidität
2. Gute Einstellung (HbA1c: 7,0%):
3. Symptomatische Therapie (HbA1c bis
8,4%):
4. sehr alte oder psychosoziokulturell
behinderte Patienten, Polymorbidität
Hinweis: Die Diabeteskontrollblatt-Vorlage ist separat publiziert.
3.2. Nicht-pharmakologische Massnahmen
• Diabetes- und Ernährungsberatung für alle Patienten.
• Lifestyle-Intervention: langfristige Ernährungsumstellung, regelmässige körperliche
Aktivität, relativ geringe Gewichtsabnahme bei Übergewicht/Adipositas (ca. 5-10%) sind
wirksamer als orale Antidiabetika (6).
3.3. Medikamentöse Therapie (s.a. Algorithmus S.3 und Tabelle im Anhang)
3.3.1. Orale Antidiabetika (OAD)
®
®
1. Metformin (Metfin , Glucophage ):
verbessert die Insulinresistenz, hemmt die hepatische Glukoneogenese. Orales
Antidiabetikum mit der besten Datenlage, gewichtsneutral, keine Hypoglykämien.
! Dosierung: wegen gastrointestinaler NW (Durchfall) einschleichend: 500mg vor dem
Abendessen. Übliche Erhaltungs- und Zieldosis: 3x850mg. Über 2,5g /Tag bringt selten eine
Verbesserung.
!
Kontraindikationen: bei Niereninsuffizienz mit CreaClearance <30ml/min Metformin
absetzen, bei Clearance 30-45ml/min absetzen oder Dosisreduktion (z.B. Halbierung) und
regelmässige Kontrolle der Nierenfunktion (alle 3 Mo.) (30). Beachte: Bei eingeschränkter
Nierenfunktion Metformin 3 Tage vor einer Kontrastmitteluntersuchung absetzen.
!
Weitere KI: Leberinsuffizienz, mittelschwere-schwere Herzinsuffizienz, COPD, Alkoholismus.
Hinweis: Die Langzeittherapie mit Metformin kann einen Vitamin B12-Mangel (wg.
beeinträchtigter Absorption) verursachen (Cave: Fehlinterpretation diab.
Neuropathie!) Gelegentliche Kontrollen des Vitamin B12-Spiegels (s. mediX GL
Vitamin B12-Mangel) können sinnvoll sein (11,31).
2. Sulfonylharnstoffe (SH):
Stimulation der Beta-Zellen. Die Wirksamkeit der Sulfonylharnstoffe lässt in der Regel im
Behandlungsverlauf nach. Sie sind deshalb zur Langzeit-Monotherapie des Typ-2-Diabetes
nur bedingt geeignet, sind aber meistens gut wirksam in den ersten Jahren.
" Indikation: Sulfonylharnstoffe sind für Patienten als Ersatzmedikamente zu
empfehlen, wenn Metformin nicht vertragen wird oder Kontraindikationen für diesen
Wirkstoff bestehen.
" Nebenwirkungen: v.a. Hypoglykämien und Gewichtszunahme.
Die verschiedenen Sulfonylharnstoffe unterscheiden sich:
®
" Gliclazid (Diamicron und Generika): 1. Wahl unter den SH. Es gibt Hinweise aus
Endpunktstudien auf günstige mikrovaskuläre Effekte; auch bei Niereninsuffizienz bis
<30 ml/min anwendbar. Das Hypoglykämierisiko ist sehr gering.
Dosierung: Die Anfangsdosis beträgt 30-60 mg /1x tgl als Retardpräparat. Die
Erhaltungsdosis 1-3 (4) Tabletten pro Tag, die auf einmal (morgens!) eingenommen
werden. Maximale Tagesdosis:120 mg.
®
®
" Glibenclamid (Daonil , Euglucon , Generika): Wirkung in mikrovaskulären
Endpunktstudien am besten belegt. Sollte dennoch nicht mehr bei Neuverschreibung
®
verwendet werden, da die Hypoglykämiegefahr 3-4x höher ist als bei Diamicron (13).
Die Substanz ist nicht zu empfehlen.
®
" Glimepirid (Amaryl und Generika). Verursacht häufiger Hypoglykämien als
®
Diamicron . Die Substanz ist nicht zu empfehlen.
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Von mediX in Einzelfällen empfohlene Substanzen:
3. Gliptine (DPP-IV-Hemmer) hemmen die Dipeptidylpeptidase, welche u.a. das Inkretin GLP1 inaktiviert, das im Anschluss an die Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird und die
Insulinsekretion in Abhängigkeit vom BZ fördert. Bei normalem BZ findet keine Stimulation
®
®
der Insulinsekretion statt. Medikamente: Sitagliptin (Januvia , Xelevia ), Vildagliptin
®
®
®
®
(Galvus ), Linagliptin (Trajenta ), Saxagliptin (Onglyza ) Alogliptin (Vipidia ).
" Indikation: bei Patienten mit KI für Metformin und/oder wenn eine Hypoglykämie
unbedingt zu vermeiden ist. Gliptine sollten aber zurückhaltend eingesetzt werden, da
Sicherheitsprofil und Nutzen-Risiko-Verhältnis noch nicht hinreichend bekannt sind,
und wegen der hohen Kosten. Gliptine können/dürfen mit SH, Metformin und Insulin
kombiniert werden.
"
"
"
®
Kontraindikationen: Hepatopathie (bei Vildagliptin/ Galvus ).
Vorteile: Gliptine führen nicht zu Hypoglykämien und sind gewichtsneutral. Sie
können bei Niereninsuffizenz angewendet werden mit Dosisanpassung (bei
®
Linagliptin/ Trajenta keine Anpassung notwendig)
Nachteile: Studien zur Langzeitsicherheit fehlen noch (15,16), hohe Kosten.
Geringere HbA1c-Senkung als unter Metformin und Sulfonylharnstoffen. Mit
®
Saxagliptin (Onglyza ) mehr Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz (35).
®
®
®
4. GLP1-Rezeptoragonisten (Exenatid/Byetta , Bydureon ), Liraglutid/Victoza ,
®
Dulaglutid/Trulicity sind Rezeptoragonisten des Glucagon-like Peptid 1, ein Inkretinhormon,
das die Insulinsekretion glukoseabhängig stimuliert.
" Indikation: bei Patienten mit schlechter Diabetes-Kontrolle, starken InsulinNebenwirkungen und verfehlten HbA1c-Zielwerten, oder bei denen ein
Gewichtsreduktion unbedingt erforderlich ist.
" Nebenwirkungen: zu Beginn bis zu 30% gastrointestinale Beschwerden.
" Vorteile: Keine Hypoglykämie, Gewichtsabnahme.
" Nachteile: Subkutane Injektion 1-2x tgl oder 1x/Woche. Studien zur Langzeitsicherheit
(Pankreatitiden, medulläres Schilddrüsenkarzinom?) und klinische Endpunktdaten
fehlen (17), hohe Kosten.
®
®
®
5. SGLT-2-Inhibitoren: Dapagliflozin (Forxiga , Xigduo XR ), Canagliflozin (Invokana ,
®
®
®
Vokanamet ), Empagliflozin (Jardiance , Jardiance Met )) hemmen selektiv den NatriumGlukose-Cotransporter 2, der durch vermehrte Glukoseausscheidung mit dem Harn den
Plasmaglukosespiegel senkt. Empagliflozin ist die einzige neue Substanz, bei der in einer
Langzeitstudie ein positiver Einfluss auf klinische Endpunkte gezeigt wurde --> bei
Diabetikern mit kardio-vaskulärer Erkrankung Reduktion von Herzinsuffizienz, kardialer und
Gesamtsterblichkeit (37, 38). Für die übrigen SLGT-2-Inhibitoren gibt es keine
entsprechenden Daten (32, 33).
" Indikation: Die Substanzen können in Ausnahmefällen bei Unverträglichkeit von
Sulfonylharnstoffen und DPP-IV-Hemmern erwogen werden.
" Mögliche Vorteile: Gewichtsverlust, geringe Blutdrucksenkung (ca. 4/2mmHg)
" Nebenwirkungen/Risiken: Harnwegsinfektion leicht erhöht, vor allem aber
Genitalinfektionsrisiko deutlich erhöht (um die 10 %), vor allem bei Frauen. Nicht
indiziert bei eGFR< 60 bzw 45 ml/min/1,73m² oder bei Patienten mit verminderter
Hygiene. Aufgrund diuretischer Effekte Vorsicht bei älteren Patienten
(Dehydratationsgefahr) unter Diuretika oder mit Prostatismus.
" Unklarheit wegen Blasen-Krebs (Dapaglifozin) und Gefahr von Osteoporose und
Hyperkaliämie (Canagliflozin)
" Cave: normoglykämische Ketoazidose wurden unter SGLT-2 Hemmern bei DM1
beobachtet (→ keine Gabe bei DM1), aber auch bei DM2 in speziellen Situationen
(nach Chirurgie, nach C2-Abusus, bei extremem Sport, very-low KarbohydratEinnahme) – In solchen Fällen sind SGLT-2-Hemmern abzusetzen (34).
Von mediX nicht empfohlene Substanzen:
®
®
6. Glinide (Nateglinid/Starlix , Repaglinid/NovoNorm , Generika): Wirkung ähnlich wie bei
Sulfonylharnstoffen, aber schnellerer Wirkungseintritt, kürzere Wirkdauer als SH. EinnahmePrinzip: time to eat, time to treat. NW: Hypoglykämien, aber etwas geringeres Risiko als bei
SH.
" Kein gesicherter Langzeitvorteil zu anderen OAD (14). Kosten ca. 3x-4x höher als bei
SH. Beeinflussung klinischer Endpunkte nicht nachgewiesen.
mediX Guideline Diabetes mellitus
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"
"
Kombination mit Metformin möglich. Nicht zugelassen in Kombination mit
Sulfonylharnstoffen (da keine zusätzliche Stimulation der Beta-Zellen).
Kontraindikation: u.a. bei Einnahme von Clopidogrel!
®
7. Das Glitazon Pioglitazon (Actos ) verringert ebenfalls die Insulinresistenz und kann günstig
auf das Lipidprofil wirken. Nebeneffekte: Ödem, leicht erhöhtes Frakturrisiko bei Frauen,
leicht erhöhtes Blasenkarzinomrisiko, Makulopathie (12); kontraindiziert bei Herzinsuffizienz,
Hepatopathie, Ödem. Laut Arzneimittelkompendium soll nicht länger als 2 Jahre mit
Pioglitazon behandelt werden.
®
8. Alpha-Glukosidasehemmer (Acarbose/Glucobay ): haben eine vergleichsweise schwache
BZ-senkende Wirkung. Bei kohlenhydratarmer Ernährung kaum Senkung des HbA1c.
Einnahme unmittelbar vor der Mahlzeit. NW: vor allem bei Therapiebeginn und in
Kombination mit Metformin GI Beschwerden (Völlegefühl, Flatulenz und Bauchkrämpfe).
Günstige Beeinflussung klinischer Endpunkte ist nicht belegt (3).
3.3.2. Insulintherapie (3,6,8,18,19)
Indikation:
• wenn die BZ-Ziele mit Lebensstiländerung und/oder OAD nicht erreicht werden (bei HbA1c
>8,5-9% ist Insulin meist erforderlich) und/oder bei hyperglykämischen Symptomen.
• wenn Kontraindikationen gegen orale Antidiabetika bestehen
• bei Schwangeren (egal ob vorbestehend oder Gestationsdiabetes)
• bei schmerzhafter Polyneuropathie.
Therapieschemata:
1. Basal unterstützte orale Therapie (BOT): Insulin (am ehesten bedtime) + Metformin +/Sulfonylharnstoff.
Die basale Insulinsekretion ist beim Typ-2-Diabetiker am Tag oft noch relativ lange
ausreichend. Einstieg meistens mit humanem NPH (Neutral Protamin Hagedorn) Insulin
®
®
(z.B. Insulatard , Insuman Basal , Huminsulin® Basal NPH).
Dosierung: Kilogramm KG / 10 = Anzahl Einheiten humanes NPH Insulin, Steigerung pro
Woche um 2-5 IE, bis Nüchtern-BZ < 8 mmol/l, idealerweise 6-7 mmol/l.
®
Hinweis: Die lang wirksamen Analog-Insuline Insulin Detemir/Levemir , Insulin
®
®
glargin/Lantus oder Degludec/Tresiba , sollten zum Einsatz kommen, wenn unter NPH
Insulin Hypoglykämien oder massive Gewichtszunahme auftreten.
2. Konventionelle Insulintherapie (CIT): bei sehr regelmässigem Tagesablauf und wenn
keine Mahlzeiten ausgelassen werden (mangelnde Flexibilität mit Patient besprechen).
Diese Therapie ist nur in Ausnahmefällen zu empfehlen.
Dosierung: (1-) 2 Injektionen Mischinsulin. Morgendosis: gemäss BZU vor Abendessen,
Abenddosis: gemäss BZU am Morgen.
®
Humaninsuline: z.B. Insuman Combi 25
®
®
Analog-Mix: Novo-Mix mit Insulin Aspart, Humalog Mix 25 oder 50 mit Insulin Lispro.
Die Mischinsuline mit schnell wirksamem Humaninsulin müssen 1/2 h vor dem Essen
gegeben werden, die schnell wirksamen Analoginsuline können direkt vor dem Essen
injiziert werden.
3. Prandiale Insulintherapie: kurz und schnell wirksame Insuline zu den Hauptmahlzeiten
(ohne Basalinsulin), plus Metformin.
®,
®
Humaninsuline: Insuman Rapid Actrapid (nur noch 10 ml Ampullen). Nachteil: SpritzEssabstand 15-30 min. Vorteil: kostengünstiger.
®)
®
Analog-Insuline: Insulin aspartat (Novorapid , Insulin lispro (Humalog ), Insulin glulisin
®
(Apidra ).
Wirkdauer: 2-5 h. Kein Spritz-Essabstand.
Vorteil: weniger Hypoglykämie, Nachteil: teuer. Eine Überlegenheit der Analogen gegenüber
den Humanen ist nicht erwiesen.
4. Intensivierte Insulintherapie:
Indikation: Typ-1-Diabetes; bei Typ-2-Diabetes, wenn Therapieziele nicht anders erreicht
werden können, bei unregelmässigen Mahlzeiten und unregelmässiger Bewegungsaktivität.
Prinzip: Basalinsulin plus schnell wirksames Mahlzeiten-Insulin.
Nachteil: Höchstes Hypoglykämierisiko.
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Insulin-Dosierung
Totale Insulin-Tagesdosis: kann sehr variabel sein, von 0,5 bis > 2,0 E/kg KG,
Basalinsulin: 40-50%, prandiales Insulin: 50-60%.
Bei Typ-1-Diabetes anfänglich 0,3 E/kg KG pro Tag Basalinsulin als Grundversorgung
und als Bolusgabe 1 E /10g Kohlenhydrate schnell wirksames Insulin. Wenn die KHEinschätzung noch unzureichend ist, kann man auch 0,3 E/kg KG als Total-Bolus
ausrechnen und diese auf drei Essen verteilen.
Hinweis: Nebenwirkungen jeder Insulintherapie sind Hypoglykämie und
Gewichtszunahme!
3.4. Kontrolle und Therapie von Begleiterkrankungen
1. Butdrucksenkung:
• 1. Wahl: ACE-Hemer, bei Unverträglichkeit AT-II-Blocker; niedrig dosierte Diuretika
(Thiazide u. Chlorthalidon) (24) können dazu gegeben werden, danach
Calciumantagonisten, Schleifendiuretika, Alpha-Blocker. Betablocker sollen nur bei kardialer
Indikation eingesetzt werden. Blutdruckziel: <140/90 mmHg. Bei jungen Patienten und guter
Verträglichkeit der Medikamente kann ein BD-Ziel < 130/80 mmHg angestrebt werden.
Hinweis: Diabetiker mit erhöhtem BD und/oder Mikroalbuminurie sollen ACE-Hemmer
bekommen. Die Frage, ob alle Typ-2-Diabetiker auch ohne Hypertonie und Mikroalbuminurie
einen ACE-Hemmer erhalten sollten, wird kontrovers beurteilt (3,21).
2. Lipidsenkende Therapie:
• Statin bei allen Diabetikern > 40 J. --> LDL-Ziel: <2,6mmol/l, bei Hochrisikopatienten <1,8
mmol/l --> http://www.agla.ch/risikoberechnung/agla-risikorechner .
Bei Diabetikern < 40J. Statine nur, wenn mindestens 1 kvRF vorhanden ist (36).
• alternativ: fixe Statindosis ("fire and forget") --> mediX GL Hyperlipidämie.
3. Aspirin (ASS):
• die primärpräventive Gabe ist umstritten, die Ergebnisse widersprüchlich (23). ASS wird z.B.
von der ADA (American Diabetes Association [36]) empfohlen
" bei Männern und Frauen über 50 Jahre und einem zusätzlichen kardiovask. RF
mediX empfiehlt keine generelle Aspiringabe bei Diabetikern, bei Hochrisikopatienten
und nach klinischer Beurteilung kann ASS erwogen werden.
Kontrollen zur Verminderung der Komplikationen:
1. Diabetische Retinopathie
• Typ-1-Diabetes: jährliche Augenkontrolle (1. Mal spätestens nach 5 Jahren)
• Typ 2-Diabetes: jährliche Augenkontrolle (1. Mal bei Diagnosestellung). Bei beiden Formen:
sofortige Kontrolle bei Visusverschlechterung (bei starken BZ-Schwankungen handelt es
sich meistens um vorübergehende Akkomodationsstörungen: Osmosewirkung. Keine Brille
anpassen!)
• Gute BD- und BZ-Kontrolle anstreben.
2. Diabetische Nephropathie (3, 25)
• Mikroalbuminurie gilt als erstes Zeichen der Nephropathie.
Durchführung: Albumin-Kreatinin-Ratio eines Spontanurins in der Praxis: eine Mikroalbuminurie liegt
bei >30mg/g bei 2 von 3 Testen in 4-6 Monaten vor.
• Alle Patienten mit einer Mikroalbuminurie sollten einen ACE-Hemmer (oder AT-II-Blocker)
einnehmen.
• Gute Kontrolle des Diabetes und Blutdruckes anstreben.
• Urinuntersuchung: mediX empfiehlt beim asymptomatischen Patienten keine
routinemässige Urinuntersuchung auf HWI oder Proteinurie. Ein asymptomatischer HWI
muss auch bei Diabetes nicht behandelt werden.
Screening auf Mikroalbuminurie:
" Typ-1-Diabetes: jährlich (1. Mal spätestens nach 5 Jahren)
" Typ 2-Diabetes: jährlich (1. Mal bei Diagnosestellung)
mediX Guideline Diabetes mellitus
9
Mögliche Alternative: Individuelles jährliches Screening nur bei
" Patienten mit schlecht kontrolliertem Diabetes und/oder
" weiteren kardiovaskulären und renalen Risikofaktoren, sofern der Patient bei Kenntnis
einer Mikroalbuminurie zu einer strengeren Kontrolle von Risikofaktoren bereit wäre.
3. Diabetische Neuropathie (28)
Die diabetische Polyneuropathie ist heterogen und hat diverse klinische
Erscheinungsformen (kann auch fokal, asymmetrisch sein). Die häufigste ist die distale
symmetrische Polyneuropathie. Es sollte aber auch nach Symptomen einer autonomen
Polyneuropathie (Ruhetachykardie, Leistungsintoleranz, orthostatische Hypotension,
Verstopfung, Gastroparese, erektile Dysfunktion) gesucht werden.
• Meistens ist die diabetische Polyneuropathie eine Ausschlussdiagnose und benötigt
keine speziellen Untersuchungen. Hinweis: Bei schwerer Polyneuropathie auch an
andere Ursachen denken und diese ausschliessen (wie z.B Vitamin B12-Mangel, HIV,
Hypothyreose, Alkohol-Anamnese, Niereninsuffizienz).
Neurologische Untersuchung:
" Oberflächensensibilität: Monofilament Plantarseite Metatarsale1-2, plantar distal an
der Grosszehe (nie an verhornten Stellen). Monofilament ist auch im Alter verlässlich.
" Tiefensensibilität: Reflexe (ASR, PSR), Lagesinn, Vibration (unter 4/8) am Dig I
medial. Hinweis: Auch bei gesunden über 70-jährigen können der ASR und der
Vibrationssinn bimalleolär fehlen.
---> Überweisung zum Neurologen, wenn:
" motorische statt sensible Ausfälle dominieren
" die Symptomatik sich rasch entwickelt oder fortschreitet (trotz guter Stoffwechsellage)
" die Symptomatik an den oberen Extremitäten beginnt.
Beachte: Nicht jede mit Diabetes mellitus assoziierte Polyneuropathie ist eine diabetische
Polyneuropathie.
Fusskontrolle: bei jeder Konsultation, v.a. beim Vorliegen einer Neuropathie. Achten auf:
" Haut: Farbe,Turgor, Rhagaden, Blasenbildung, Schwielen, subkutane Einblutungen
" Schuhe: genug breit, flach?
" Pulsstatus?
" Hyperkeratosen und Kallusbildung
" abgeheilte Fussläsionen, Hypo- bzw. Anhidrose
" Zeichen einer bakteriellen Infektion und/oder Mykose
" Fussdeformitäten (z.B. Charcot-Arthropathie, Hammerzehen, Krallenzehen)
" Fussulkus mit Angabe von Lokalisation, Ausdehnung und Begleitinfektion.
Massnahmen:
" Füsse täglich waschen, duschen, Fussbad wegen Aufweichung eher nicht empfohlen,
Wassertemp. nicht über 30 Grad, Füsse immer gut trocknen (keinen Föhn benutzen)
und eincremen mit neutraler Crème (Mandelöl etc).
" immer zuerst die Schuhe ausschütteln (Fremdkörper beseitigen)
" bei Schuppung (Hyperkeratose ist ein Hauptzeichen der diabetischen Neuropathie:
®
der Patient schwitzt nicht mehr): z.B. Excipial 10% Urea (keine salicylathaltigen
Salben oder Hühneraugenpflaster)
" Nägel nur mit Kartonfeilen kürzen oder Maniquick (geeignetes Schleifgerät)
®
®
" Mykosen konsequent behandeln. Ausnahme Nagelmykose: Lamisil -- und Loceryl Nagellack werden sehr kontrovers beurteilt, sind teuer, risikobehaftet und oft von
Rezidiven gefolgt.
" Patienten sollen alle 3 Monate zur Podologin gehen, weil 70% der Patienten ihre
Füsse wegen Visusverschlechterung nicht beurteilen können.
" bei Fehlstellungen, Schwielen, Druckstellen: frühzeitig mit Einlagen behandeln.
•
Behandlung der distalen Polyneuropathie:
" Diabetes gut einstellen, Indikation zur Insulintherapie.
" Oberflächliche Schmerzen: lokale Therapie mit Capsaicin 0,075% 4x tgl. CapsaicinSalbe (0,025-0,1%), Schmerzlinderung bei Polyneuropathie nachgewiesen (28),
jedoch Gefahr irreversibler Nebenwirkungen (z. B. Sensibilitätsstörungen) (3, 26).
mediX empfiehlt diese Substanz nicht.
®
" Tiefer Schmerz: Antiepileptika (39-41): Gabapentin (z.B. Neurontin , Generika) 900®
®
3400 mg (auftitrieren) (27), Pregabalin (Lyrica ), Duloxetin (Cymbalta ).
®
Reservemedikamente: trizyklische Antidepressiva: Imipramin (Tofranil ) 25-75 mg,
®
®
Amitriptylin (Saroten ) 25-75 mg , Clomipramin (Anafranil ) 25-150 mg.
mediX Guideline Diabetes mellitus
10
"
Ev. Therapieversuch mit Dafalgan abends, oder mit Magnesium.
4. Kardiologische Kontrolle
•
Vor Beginn mit Ausdauer- oder Leistungssport, bei pathologischem EKG oder
anamnestisch Hinweise für kardiale Symptome.
5. Gestationsdiabetes
Diagnose:
" Screening bei allen Schwangeren zwischen der 24. und 28. SSW, bei erhöhtem
Risiko (familiäre Belastung mit Diabetes, St.n. Gestationsdiabetes, ethnische
Herkunft, BMI>30 kg/m2) ab der 12. SSW.
"
Nüchtern-BZ-Screening (8 Std. nüchtern): <4,4mmol/l (Plasma) ist ein
Gestationsdiabetes ausgeschlossen.
"
Nüchtern-BZ ≥ 5,1 mmol/l → Gestationsdiabetes ist gesichert (ohne OGTT!)
"
Nüchtern-BZ 4,4-5,0 mmol/l → 75g OGTT durchführen → bei BZ 1h ≥ 10 mmol/l
und/oder 2h ≥8,5mmol/l → Gestationsdiabetes ist gesichert (1).
"
Durchführung 75g OGTT: 8 h nüchtern, während dem Test soll die Schwangere
liegen, nicht körperlich aktiv sein und nichts essen.
"
HbA1c-Bestimmung in SS nicht relevant, da v.a. die postprandialen BZ-Spitzen für die
Entwicklung einer Makrosomie verantwortlich sind.
Therapie:
" Diät reicht bei 70-80% der Schwangeren; falls ungenügend: NPH Insulin / Detemir,
®
®
kurzwirksames Humaninsulin (Insuman Rapid ) oder Insulin aspart (Novorapid ).
®
Insulin lispro (Humalog ) wird oft benutzt, ist jedoch nicht zugelassen. Keine oralen
Antidiabetika!
Follow up:
" 6-8 Wochen nach der Geburt: 75g OGTT durchführen, danach jährlich
Nüchternglukose, allerdings ist unklar wie lange.
Prognose:
" Der Gestationsdiabetes verschwindet meistens nach Beendigung der
Schwangerschaft (abh. von BMI und BZ-Werten). Jedoch haben die Frauen ein
Risiko von 25-60%, später einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Vorgeschlagen wird,
das Gewicht vor der Schwangerschaft wieder zu erreichen, ausserdem viel
Bewegung.
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http://www.nice.org.uk/guidance/cg173/chapter/1-recommendations
mediX Guideline Diabetes mellitus
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4. Anhang
Tabelle: Antidiabetika in der Übersicht
Antidiabetikum
Präparate (Beispiele)
Vorteile
Nachteile
gewichtsneutral
GI-Nebenwirkungen
KI: Niereninsuffizienz
rasch wirksam,
nur Gliclazid ist zu
empfehlen
Gewichtszunahme,
Hypoglykamie (insb.
Glibenclamid)
keine Dosisgrenze, schnell
wirksam, verbessert
Lipidprofil
Monitoring, Hypoglykämie,
Gewichtszunahme,
Insulinanaloga teuer
Gut validierte Erstlinienmedikamente
®
®
Metformin
(Metfin , Glucophage )
Sulfonylharnstoffe
Gliclazid (Diamicron und
Generika); Glibenclamid
®
®
(Daonil , Euglucon ,
Generika); Glimepirid
®
(Amaryl )
®
Insulin
Weniger gut validierte, eingeschränkt empfohlene Medikamente
®
GLP-1-Agonist
Exenatid (Byetta ,
®
Bydureon ); Liraglutid
®
(Victoza ); Dulaglutid
®
(Trulicity )
Gliptine (DPP-IVHemmer)
(auch mit Metformin
kombiniert)
Saxagliptin (Onglyza ,
®
Kombiglyze XR )
®
Sitagliptin (Januvia ,
®
®
Janumet , Janumet XR ,
®
Xelevia )
®
Gewichtsabnahme
Injektion, GI-Nebenwirkungen,
Langzeitsicherheit unklar, teuer
gewichtsneutral
Langzeitsicherheit unklar, teuer,
kardiovaskulär neutral;
Saxagliptin ev. erhöhtes
Herzinuffizienzrisiko
®
Vitagliptin (Galvus ,
®
Galvumet )
®
Linagliptin (Trajenta ,
®
Jentadueto )
®
Alogliptin(Vipidia ,
®
Vipodomet )
SGLT-2-Inhibitor
(auch mit Metformin
kombiniert)
Nierenadaption notwendig
(ausser Linagliptin), Kontrolle
der Leberwerte bei Vitagliptin
®
Canagliflozin (Invokana ,
®
Vokanamet )
Gewichtsreduktion, BDSenkung
®
Dapagliflozin (Forxiga ,
®
Xigduo XR )
®
Empagliflozin (Jardiance ,
®
Jardiance Met )
nur Empaglifozin:
Reduktion von kv
Ereignisse und
Verminderung der
Mortalität bei Patienten mit
etablitierten kv Erkankung
genitale Infekte,
Harnwegsinfektion, selten
Ketoazidose, Langzeitsicherheit
unklar
Nicht empfohlene Antidiabetika
®
AlphaGlucosidasehemmer
Acarbose (Glucobay )
Pioglitazon
Actos
Glinide
Repaglinid (NovoNorm und
Generika), Nateglinid
®
(Starlix )
®
®
gewichtsneutral
GI-Nebenwirkungen, 3x/TagDosierung, teuer
verbessert Lipidprofil
Flüssigkeitsretention,
Gewichtszunahme,
Frakturrisiko, Blasentumor (?),
teuer
rasch wirksam
Gewichtszunahme,
Hypoglykämie, teuer
mediX Guideline Diabetes mellitus
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IMPRESSUM
Diese Guideline wurde im
Februar 2016 aktualisiert.
© Verein mediX
Herausgeber:
Dr. med. Felix Huber
Redaktion (verantw.):
Dr. med. Uwe Beise
Autoren:
Dr. med. Sébastian Thalmann
Dr. med. Uwe Beise
Dr. med. Felix Huber
Diese Guideline wurde ohne externe Einflussnahme erstellt. Es
bestehen keine finanziellen oder inhaltlichen Abhängigkeiten gegenüber
der Industrie oder anderen Einrichtungen oder Interessengruppen.
mediX Guidelines enthalten therapeutische Handlungsempfehlungen für
bestimmte Beschwerdebilder oder Behandlungssituationen. Jeder
Patient muss jedoch nach seinen individuellen Gegebenheiten behandelt
werden.
mediX Guidelines werden mit grosser Sorgfalt entwickelt und geprüft,
dennoch kann der Verein mediX für die Richtigkeit – insbesondere von
Dosierungsangaben – keine Gewähr übernehmen.
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