Lebererkrankungen in der Schwangerschaft 8. März 2017 Christian Schindlbeck Frauenklinik, Kliniken Südostbayern AG Klinikum Traunstein 1 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Themen: 1. Prä- / koexistente Lebererkrankungen: Akute / chronische Virushepatitis Autoimmunhepatitis Primär biliäre Zirrhose Primär sklerosierende Cholangitis M. Wilson Hämochromatose Lebertransplantation Gallensteine 2. Schwangerschafts-spezifische Erkankungen: Schwangerschaftscholestase Akute Schwangerschaftsfettleber Leberbeteiligung: HELLP-Syndrom Klinikum Traunstein 2 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Schwangerschafts-physiologische Veränderungen Physiologisch erhöht Physiologisch erniedrigt Keine Veränderung AP Hämoglobin AST Fibrinogen Albumin ALT Cholesterin Kreatinin Gamma GT Triglyceride Harnstoff Bilirubin Leukozyten INR Klinikum Traunstein 3 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Virushepatitis Hepatitis A-Infektion: • In der Schwangerschaft ähnlicher Verlauf wie bei NichtSchwangeren • Vorzeitige Wehen, Blasensprung, Plazentalösung möglich • Vertikale Transmission, fetale Komplikationen im Einzelfall • Impfung: bei Reisen in Endemiegebiete aktive Impfung in der Schwangerschaft möglich, auch Postexpositionsprophylaxe • Peripartale Infektion: aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen Klinikum Traunstein 4 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Hepatitis B • Akute Infektion meist ohne Auswirkung auf Schwangerschaft, keine Teratogenität • Bei akuter Infektion im 1. / 2. Trimenon erfolgt in 10% der Fälle eine vertikale Transmission, peripartal Transmissionsrate 60-90 % • Hohes vertikales Transmissionsrisiko bei HBe-Antigen-Positivität (7090%), hoher Viruslast und komplizierten geburtshilflichen Vorgängen Diagnostik: • HBs Ag wird laut Mutterschaftsrichtlinien routinemäßig in der Schwangerschaft (36. SSW) bestimmt (USA zu Beginn der SS!) • Bei Positivität anti-HBc, HBe-AG / anti-HBe und HBV-DNA Klinikum Traunstein 5 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Mutterpass Seite 3 Klinikum Traunstein 6 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Therapie: • HepB Impfung in Grav. möglich • Indikation zur antiviralen Therapie: bestehende Zirrhose, Nachweis von HBe-AG / anti-HBe, hohe HBV-DNA CopyZahl • Hohe Viruslast: Beginn antivirale Ther. im 3. Trimester, um vertikale Transmission zu vermeiden (s.Brown et al, Hepatology 2016) • Empfohlen (uptodate): Tenofovir (Viread®) • Antivirale Ther. bis zu 6 Monate nach Entbindung Klinikum Traunstein 7 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Transmissionsprophylaxe: • Aktive und passive Impfung innerhalb von 12 Stunden nach Geburt (senkt Infektionsrisiko um 90%) • Keine grundsätzliche Indikation zur Sectio • Hepatitis B kann durch Stillen übertragen werden • Bei erfolgter postpart. Immunisierung Stillen möglich (unter antiviraler Therapie? laut uptodate möglich) Klinikum Traunstein 8 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Hepatitis C • 50 – 80 % chronischer Verlauf • Schwangerschaft wird nicht beeinträchtigt, solange keine Zirrhose vorliegt • Risiko der Transmission auf das Kind: 4 – 7 % • Eine Sectio beeinflusst die Transmissionsrate nicht, Spontangeburt möglich • Stillen möglich, minimales Übertragungsrisiko, abhängig von Viruslast (kein cutoff!) Klinikum Traunstein 9 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Therapie DÄ 2017 Direct Antiviral Agents (DAA): Sofosbuvir, Ledipasvir, Velpatasvir, Paritaprevir, Ombitasvir, Dasabuvir, Grazoprevir, Elbasvir Fehlende Daten zur Teratogenität, in der Schwangerschaft nicht empfohlen, bei KiWU Therapie präkonzeptionell Klinikum Traunstein 10 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Intrahepatische Schwangerschaftscholestase = reversible Form der verminderten Gallensäuresekretion • In D bei ca. 1% der Schwangerschaften • Häufiger bei Mehrlingsschwangerschaften Ätiologie: 1. Genetische Disposition, z.B. ABCB 4 / 11 Gen (adenosine triphosphate-binding cassette, subfamily B, member 4 / 11) familiäre / regionale Häufung 2. hormoneller Einfluss: Östrogen- / Progesteronmetaboliten führen zu vermehrter Cholestase, auch durch Hormongabe auslösbar Klinikum Traunstein 11 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Symptome: • Pruritus! • Selten Ikterus (<10%) Diagnostik: • Labor: Transaminasen (in 20 – 60% der Fälle erhöht), AP, GGT, Bilirubin↑ • Gesamt-Gallensäurekonzentration im Serum: > 10µmol/l • Sonographie: unspezifisch, meist keine Veränderungen, DD Ausschluss biliäre Obstruktion Genetische Testung auf ABCB 4 / 11 nicht routinemäßig Klinikum Traunstein 12 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Risiken: v. a. für den Feten: Intrauteriner Fruchttod (IUFT), Mekoniumaspiration, Asphyxie, Erhöhtes Risiko bei Gesamt-Gallensäuren > 40µmol /l Glantz et al, Hepatology 2004 Klinikum Traunstein 13 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Therapie: Mittel der Wahl: Ursodeoxycholsäure (Ursofalk®) = hydrophile Gallensäure Verbessert den hepatobiliären und plazentaren Gallensäuretransport, schützt die kanalikulären Epithelien, reduziert die Konzentration der abnormen Steroidmetaboliten Dosis: 8-15 mg/kg KG/d, z. B. 2 x 500mg / d verbessert den Pruritus, senkt die Konzentration an Gallensäuren und Transaminasen, keine wesentlichen unerwünschten Wirkungen, damit SS-Prolongation Alternativen?: Cholestyramin, Dexamethason, S-Adenosylmethionin Klinikum Traunstein 14 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Geburtshilfliches Vorgehen Bei Symptomatik und erhöhten Gallensäuren (> 40µmol /l) Beginn der Therapie mit Ursofalk, ggf Dosiserhöhung • Wöchentliche Kontrolle der Gallensäuren • Bei milder Schwangerschaftscholestase Prolongation, Entbindung mit 37+0 SSW • Bei ansteigenden Gallensäurekonzentration und Ikterus Entbindung ab 32+0 SSW nach RDS-Prophylaxe Prognose: • i.d. R. vollständige Rückbildung nach Entbindung • Selten Persistenz ⇒ andere Erkrankungen ausschließen • Rezidivrate in Folgeschwangerschaft 60 – 70 % Klinikum Traunstein 15 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Akute Schwangerschaftsfettleber = fulminantes Leberversagen mit schwerster mikrovesikulärer Steatose • 1:10.000 Schwangerschaften • Meist im 3. Trimenon, häufiger bei Mehrlingen Ätiologie: • Häufig autosom.-rez. vererbter Gendefektder „long chain 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogense“ (LCHAD), gestörte mitochondriale β- Oxidation der Fettsäuren, Anhäufung toxischer Metabolite in der Leber • Meist Vorliegen der Mutation bei der Mutter in heterozygoter, beim Fet in homozygoter Form • Auslösung oft durch exogene Trigger: Medikamente, Infekte, Gestationsthrombozytopenie Klinikum Traunstein 16 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Symptome: Oft unspezifische Symptome: • Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchschmerzen, Fieber • Bei 30 – 50 % Hypertonie, Proteinurie • evtl Cholestase oder Diabetes insipidus • spät: Ikterus, Aszites, Bewusstseinstrübung, Koma, Hypoglykämie, gastrointestinale Blutungen, DIC Im Vordergrund stehen die Hypoglykämie und Enzephalopathie! Unbehandelt hohe Mortalität, heute < 10% Klinikum Traunstein 17 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Diagnostik: 1. Labor: - Leukozytose > 20.000 persist. Hypoglykämie!! Transaminasen, Bilirubin mäßig erhöht Harnsäure, Kreatinin erhöht Gerinnungsstörung 2. Sonographie: Leber eher verkleinert (im Gegensatz zu HELLP / Hepatitis), Leberverfettung 3. Leberbiopsie (Cave: Gerinnungsstörung!): panlobuläre feintropfige Steatose unter Aussparung der periportalen Region DD Präeklampsie / HELLP: periportale Leberzellnekrosen 4. Genetische Diagnostik: HADHA Mutation / LCHAD-Defizienz Klinikum Traunstein 18 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Therapie: - rasche Entbindung! - Intensivmedizinische Therapie, Behandlung der Hypoglykämie, der Gerinnungsstörung (Gerinnungsfaktoren, FFPs, TKs) - Ultima ratio: Transplantation - Nach der Entbindung meist rasche Normalisierung Genetische Testung auf LCHAD-Defizienz ist Bestandteil des Neugeborenen-Screenings: - homozyte Träger haben hohes Risiko schwerer Hypoglykämien, Leberversagen und Tod - Genetische Testung des Feten durch Pränataldiagnostik möglich Klinikum Traunstein 19 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München HELLP-Syndrom = Hemolysis, Elevated Liver enzymes, Low Platelets „Gestose“: 1. SIH 2. SIH + Proteinurie = Präeklampsie 3. Eklampsie 4. HELLP Inzidenz: HELLP bei 0,1 bis 0,8% aller Schwangerschaften Im Mittel in der 33.-34.SSW, 10% postpartal Mütterliche Risikofaktoren: • Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes • Autoimmunkrankheiten • Hyperhomocysteinämie • Thrombophilie • Z. n. Präeklampsie / HELLP Klinikum Traunstein 20 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Ätiologie der Präeklampsie / Eklampsie / HELLP: Hypothese: (Auto-) Immunpozess mit gesteigerter/fehlgeleiteter mütterlicher Reaktion gegen fetale/paternale Antigene • Risiko in 1. Grav. am höchsten (danach „Gewöhnung“ an paternale Antigene bei Folgeschwangerschaft?) • Partnerwechsel im Z. n. PE senkt Wiederholungsrisiko, Partnerwechsel nach unauff. Schwangerschaft erhöht Risiko für SGA / PE (Wikström et al., BMJ open 2012) • Längerer ungeschützter Geschlechtsverkehr vor der Schwangerschaft scheint Risiko zu senken (Saftlas et al, J Reprod Immun 2014) Klinikum Traunstein 21 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Pathophysiologie Präeklamsie / Eklampsie / HELLP : Gestörte Trophoblastinvasion in der Frühschwangerschaft Mangelhafte Ausbildung der Spiralarterien in der Plazenta, Inflammation, oxidativer Stress ⇒ verminderte Plazentaperfusion / Hypoxie des Trophoblasten ⇒ Ausschüttung vasoaktiver Substanzen: Thromboxan A2, Serotonin ⇒ Maternale Vasokonstriktion, RR↑, ⇒ SIH ⇒ Endothelschaden, Prostacyclin (Vasodilatator) ↓ ⇒ Ratio Thromboxan / Prostacyclin ↑ ⇒ Thrombozytenaktivierung / -verbrauch Prostacyclin↓ Thromboxan↑ Klinikum Traunstein 22 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Manifestation der SIH / Präeklampsie SIH / Angiopathie Eklampsie Leber: HELLP Plazenta: -insuffizienz, Wachstumsretardierung Fruchttod Nieren: Proteinurie, Präeklampsie Klinikum Traunstein 23 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Symptomatik: Oberbauchschmerzen, Augenflimmern, Unwohlsein, epigastrische Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtszunahme, Ödeme, Hypertonie Labordiagnostik: BB: Thrombozyten < 100.000/µl GOT / GPT: > 40 IU / l LDH > 600 IU / l Haptoglobin: ↓ (< 10mg / dl) Zusätzlich Proteinurie, Hypalbuminämie, Hämolyse Kontrolle Gerinungsfaktoren: Quick / INR, PTT, Thrombinzeit, Fibrinogen↓, D-Dimere ↑, Antithrombin III ↓ Cave: Eklampsie, Reflextestung, verbreiterte Reflexzonen Klinikum Traunstein 24 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Therapie Kausale Therapie = Entbindung > 34. SSW: i. d. R. sofortige Sectio / Einleitung Vor der 34. SSW: falls möglich Prolongation zur fetalen Lungenreifungsinduktion (RDS-Prophylaxe) mit 2 x 12mg Betametason i.m. Med. Therapie des Hypertonus (α-Methyldopa, Urapidil) Eklampsieprophylaxe: Magnesium initial 4-6g über 10 min, dann 1-2 g /h über Perfusor, cave: Atmungskontrolle Konservativ: hochdosiert Corticoide Methylprednisolon 32mg/d oder Dexamethason 2 x10mg/d damit Prolongation, v. a. bei extremer Unreife Nach Entbindung intensivmedizinische Überwachung, Mg++, antihypertensive Therapie, Monitoring, Lebersono Meist Normalisierung zwischen 4 und 7 Tagen Klinikum Traunstein 25 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Komplikationen: Subkapsuläres Leberhämatom Leberruptur (1,5 – 1,8% der Fälle) Klinik: Schockzeichen, Schulter-, Flankenschmerzen Therapie: FFPs, Faktor, VII, EKs, TKs, Operative Therapie, Blutstillung (Fibrinkleber, Packing), Lebertransplantation Klinikum Traunstein 26 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Prävention / Prädiktion Präeklampsie / HELLP ⇒Dopplersonographie maternaler Gefäße (A. uterina) im 1. und 2. Trimenon ⇒soluble fms-like tyrosine kinase receptor-1 (sFlt-1) / placental growth factor (PGF) Quotient sFLT-1 / PGF Quotient (Stepan et al, Ultrasound Obstet 2015): ⇒Z. n. Präeklampsie / HELLP: prophylaktische Einnahme von ASS 100mg / d ab 12. SSW bis 36. SSW Klinikum Traunstein 27 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Rath, W., Dt. Ärzteblatt 1998 Klinikum Traunstein 28 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München Vielen Dank! Klinikum Traunstein 29 Akademisches Lehrkrankenhaus der Ludwig-Maximilians-Universität München