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Jour fixe vom 12.01.15
Fortsetzung: TTIP, GS 3-14
Bei TTIP ist noch der Dissens zwischen den USA und der EU zu klären, siehe S. 108.
— Der Dissens wird in der Öffentlichkeit, aber auch zwischen den Regierungen am Streit um die Schiedsgerichte festgemacht, inwieweit oder ob sie überhaupt Bestandteil des Abkommens werden sollen. Einerseits
wird immer gesagt, diese seien ein ganz wichtiger Punkt, andererseits ist zu hören, dass man daran die Sache
nicht scheitern lassen möchte. Von deutscher Seite ist zu hören, dass solche Institutionen bereits Praxis sind.
In ihnen wird verhandelt und entschieden, ob Maßnahmen, die ein Staat gegenüber Firmen ergreift, die bei
ihm investieren, rechtmäßig sind. Sie sind ein Instrument, das gegenüber Staaten mit Rechtsstaatsdefiziten in
Anschlag gebracht wird, denen gegenüber ein Misstrauen besteht, dass sie den Zugriff auf ihr Land nicht in
der von deutscher Seite erwarteten Weise zulassen. Das ist der Hinweis darauf, dass jetzt anders herum,
wenn Amerika gegenüber der EU solche Schiedsgerichtshöfe einfordert, auch Deutschland von den USA einer Prüfung unterzogen werden soll, ob es sich an die vereinbarten Regeln des Freihandels hält.
— Dass solche Schiedsgerichte als Rechtsinstanz in solchen Verträgen vorkommen, ist dem geschuldet,
dass in den Verträgen nicht einfach objektive Regeln niedergelegt werden, sondern dass das, was an Freihandel und Investitionsschutz geregelt wird, den kontrahierenden Seiten ihren jeweils eigenen Erfolg garantieren soll. Sie einigen sich deswegen, weil sie sich Wachstum für ihr nationales Kapital erwarten. Sie treten
sich also als Konkurrenten mit gegensätzlichen Interessen gegenüber, die sich nicht einfach auf objektive Regeln freien Handels und Nichtdiskriminierung von Unternehmen verständigen. Im Falle einer Beurteilung
von Klagen, die ein Unternehmen gegen einen Staat vorbringt, rechnen die Unternehmen damit, dass ein nationales Interesse in die Urteilsfindung einfließt. Gegenüber solchen Verträgen besteht deshalb ein generelles
Misstrauen.
— Das ist so zu allgemein ausgedrückt: Der Gegensatz solcher Handelsverträge ist doch bisher anders geregelt worden und der Freihandel ohne solche Schiedsinstitutionen ausgekommen. Diese sind entstanden,
weil im Rahmen der WTO eine Einigung auf solch ein supranationales Regelwerk nicht zustande kam; nämlich eines, von dem die USA selbstverständlich fordern, es solle weltweit etabliert werden und einen umfassenden Schutz für Investitionen jeglicher Art gewähren, indem dem Gastland verboten wird, in irgendeiner
Weise Veränderungen am rechtlichen Status quo vorzunehmen. Mit den Schiedsgerichten hat bisher vor allem die EU das Interesse von 3.-Welt-Ländern am Handel und an Investitionen erpresserisch ausgenützt.
— Es soll sich darauf geeinigt werden, dass eine grenzüberschreitende wechselseitige ökonomische Benutzung möglichst ohne jeden staatlichen Eingriff stattfinden kann. Dies fällt durchaus nicht damit zusammen,
dass sich die Staaten aus der Regelung der Konkurrenz und der politischen Betreuung der Ökonomie heraushalten. Darauf bezogen ist gesagt worden, dass sich von vornherein ein Standpunkt aufmacht, der heißt, dass
man sich für die weiterhin bestehende und praktizierte Betreuung der Ökonomie ein Instrument vorbehält;
die von den Europäern ergriffenen Regelungen sollen überprüfbar sein, ob der damit angepeilte eigene ökonomische Erfolg nicht in unzulässiger Weise diskriminierend beeinträchtigt wird. Das grenzüberschreitend
tätig werdende Kapital soll vor einer politischen Regelung geschützt werden, der man anhängt, sie würde
nur im nationalen Interesse getroffen und sei deswegen ein Verstoß gegen die freie Konkurrenz. Auf S.
108/109 steht: (Der transatlantische Dissens geht darum, sich darauf zu einigen) „… wo im staatlichen Vorschriftenwesen die sachlich begründete Wahrnehmung der politischen Verantwortung für Gott und die Welt
endet und die wettbewerbswidrige Diskriminierung fremder Firmen anfängt“.
Das ist die eine Seite. Insofern sind die Schiedsgerichte Ausweis vom Ausmaß der gegensätzlichen Ansprüche, auf die sie sich einigen, und wie weitgehend die wechselseitigen Anforderungen daran sind, die Freiheit
des Kapitals wirklich als übergeordnetes Recht gegeneinander gelten zu lassen. Es fehlt noch die zweite Seite: Warum verteilt sich der Streit um die Schiedsgerichte dann eigentlich so? Bei vielen Deutschen ist der
Verweis, dass solche Schiedsgerichte seit Jahr und Tag gehandhabt werden, gar nicht der Grund dafür, diese
dann auch im Verhältnis zu den USA zu institutionalisieren, sondern gerade umgekehrt. Woher kommt das?
Der Streit um die Schiedsgerichte ist insofern Ausdruck von etwas Allgemeinerem.
— Bisher waren es immer Sonderfälle, bei denen es der Zustimmung beider Parteien bedurfte, dass der
Streit über ein Schiedsgericht läuft. Beispielsweise Vattenfall: Deutschland wurde angeklagt wegen entgangener Gewinne durch den deutschen Atomausstieg nach Fukushima, die Klage läuft noch. Wenn nun aber
das Schiedsgericht ganz prinzipiell institutionalisiert wird, bedeutet dies, dass Konflikte generell auf diese
Weise verhandelt werden. Dies bedeutet einen grundsätzlichen Ausschluss der jeweiligen nationalen Gerichtsbarkeit und die Unterordnung unter die Entscheidung des Schiedsgerichtes.
Das ist nicht der Unterschied. Diese Unterordnung gilt auch bei den schon existierenden Handelsabkommen,
in denen solche Schiedsgerichte vereinbart worden sind. Darauf verweisen gerade die Befürworter des TTIP.
Dass die Deutschen befürchten, sie würden jetzt die Rolle spielen, die sie normalerweise den anderen zuweisen, haben sie nicht aus dem Text dieses Abkommens.
— TTIP ist ein Vertrag zwischen Staaten, aber die Parteien, die dann klagen bzw. beklagt werden, sind in
den anstehenden Fällen Kapitalisten, Unternehmen, die einen Staat vor diesem internationalen Schlichtungsgericht verklagen. Wenn Deutschland bisher solche Verträge abgeschlossen hat, waren die Kläger vor solch
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einem Schiedsgericht deutsche Multis. Mit diesem Abkommen werden die Kläger in erster Linie amerikanische Multis sein, die in Europa tätig sind.
So steht es nicht in dem Abkommen. Aber anscheinend liegt der Grund für solche Befürchtungen irgendwie
an den Subjekten, die sich da miteinander ins Benehmen setzen; von daher stammt diese deutsche Sicht der
Prognose, die im obigen Beitrag kolportiert worden ist.
— Die staatlichen Arten und Weisen, ihren Kapitalismus zu regieren, stehen prinzipiell unter dem Verdacht,
ein diskriminierender Eingriff in das zu sein, was jetzt sein soll: Freisetzung des Kapitals. Zu diesen auf die
Tagesordnung gesetzten Gegensätzen sagt der Artikel, dass sie weniger eine Frage sachlicher Ermittlung als
Streitgegenstand zwischen beiden Parteien sind. Dabei fällt auf, dass die Staaten sich gegenüber dieser anvisierten Gerichtsbarkeit unterschiedlich benehmen. Amerika geht davon aus, dass es nicht auf der Anklagebank sitzen wird, Europa befürchtet das schon. Wo kommt es her, dass die beiden Partnerstaaten ihre Rolle
bezüglich dieser Gerichtsbarkeit verschieden einschätzen?
— Auf der Basis der prinzipiellen Einigkeit, dass der Freiheit des Kapitals an den Staaten keine Schranken
erwachsen sollen, folgt das Misstrauen gegen den Vertragspartner. Deswegen soll in unterschiedlicher Weise
per Schiedsgericht festgestellt werden, ob der andere Staat sich im Zweifelsfall auch an dieses Prinzip hält.
Der Unterschied liegt in den vertragschließenden Parteien, nicht in dem Prinzip, das beide wollen.
Z. B. hat ein amerikanischer Zigarettenkonzern einen südamerikanischen Staat wegen dessen Gesundheitskampagne verklagt. (Philipp Morris, Geschäftssitz Lausanne, klagt gegen Uruguay wegen dessen Antirauchergesetzgebung auf 2 Mrd. Dollar, 4 % der Wirtschaftsleistung Uruguays, aufgrund eines bestehenden Investitionsschutzabkommens Uruguay/Schweiz.) Offenbar liegt der Unterschied zu bisherigen Investitionsschutzabkommen nicht einfach in den juristischen Formalia. Auch in den bestehenden haben sich die Länder
sehr weitgehend darauf geeinigt, dass staatliche Standort- oder sogar Gesundheitspolitik unter den Verdacht
fallen kann, diskriminierend zu sein. Es ist nur ökonomisch ein Unterschied, ob das die USA mit einem Teil
ihres Hinterhofs machen, oder ob das die beiden mächtigsten ökonomischen Blöcke der Welt miteinander
aushandeln. Der Artikel steigt damit ein, was sie schaffen wollen, ist die Grundlage des Konsens‘. Aber offenbar ist dieser Konsens gar kein Hindernis für einen genauso grundlegenden Dissens, der sich u. a. an diesen Schiedsgerichten geltend macht. Wie und was für einer macht sich daran geltend? In den Unterkapiteln
des Abkommens findet man keine Erklärung dafür, dass relevante Teile der europäischen Politik sagen, da
sind wir die, die gemessen werden.
— Ich habe aber den Artikel nicht so verstanden, dass die Europäer deswegen was dagegen haben, weil sie
befürchten, dass ihre Kapitale in der Auseinandersetzung die unterlegenen sein werden. Zwar gehen die Amis
davon aus, dass sie diejenigen sind, die die andere Seite auf die Anklagebank bringen, aber der Artikel argumentiert so, dass es den Europäern für ihren Status nicht tragbar erscheint, in diesen Verhandlungen überhaupt mit Misstrauen belegt zu werden; sie wollen als gleichrangiger Partner anerkannt sein.
— Wenn in den dazu veröffentlichten Dokumenten steht: "Das Abkommen sollte einen wirksamen Mechanismus für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat (haben) und Transparenz und
Unabhängigkeit der Schiedsgerichte sollen gewährleistet sein", kann ich darin keine Unter- und Überordnung erkennen. Es ist doch ein wechselseitiges Beurteilen der Handlungen der jeweiligen Geschäftsleute von
einem staatsrechtlichen Sachverstand aus?
Was diese Schiedsgerichte zu klären haben, ist nicht das Verhalten von Konzernen, sondern Beschwerden
von ausländischen Investoren über bestimmte Maßnahmen ihres Gastlandes. Die Schiedsgerichte sollen das
letzte Wort behalten über die Rechtsprechung von Staaten, ob das rechtens ist.
— So wie der Streit um die Schiedsgerichte geführt wird, merkt man, es geht gar nicht so sehr um die konkrete Ausgestaltung der Bestimmungen. Um die wird zwar auch gestritten, aber es geht hier darum, wie dieser Vertragsbestandteil von beiden Seiten behandelt wird. Die USA treten an mit dem Standpunkt: Das, was
sie an politischer Betreuung und Regelung der internationalen Konkurrenz regeln, ist sowieso das, was die
Welt an Regelung der ökonomischen Konkurrenz braucht. Das steht im Artikel: Die USA treten an von einem
Standpunkt der Dominanz aus. Seitens der Europäer sieht das ein bisschen anders aus. Wenn die die internationalen Schiedsgerichtshöfe problematisieren, merkt man: Sie sehen, dass die USA festlegen wollen: im
Zweifelsfall fallt ihr darunter, und halten dagegen. Sie argumentieren vom Standpunkt dessen, der als gleichrangig in diesem Verhältnis anerkannt werden will.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat auf die Anfrage, was er sich so habe, die Deutschen seien doch sonst
selbst die größten Verfechter der Schiedsgerichte ("Deutschland hat 130 Investitionsschutzabkommen"), gekontert: Wir machen das mit Staaten, die als Rechtsstaaten unterentwickelt und unzuverlässig sind. Aber es
kann nicht sein, dass die Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit des deutschen Justizwesens so einem Zweifel
unterzogen werden: 'Unser Justizwesen, unser Rechtsstaat sind doch gut genug auch für alles, was die USA
davon wollen.'
— Aber die Schiedsgerichte selbst sind in diesem Papier nicht als Ersatz für europäische Rechtsstaatlich-
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keit vorgesehen, sondern da heißt es z. B.: "Der Mechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und
Staat sollte Schutz vor offensichtlich ungerechtfertigten oder leichtfertigen Klagen beinhalten."
Dieser Passus besagt einfach, dass nicht jeder Konzern, wenn die Bilanz nicht stimmt, es auf seinen ausländischen Gaststandort schieben können soll; die Normen und die Voraussetzungen dafür, dass ein auswärtiger
Konzern seinen Staat verklagen darf, sind sehr hoch. Das geht nur dann, wenn wirklich die Klage aussichtsreich ist, dass der andere Staat, bei dem investiert wurde, ihn vertrags- oder abkommenswidrig behindert hat.
Da steht auch wieder nicht drin: Das gilt nur für die Europäer, sondern das gilt für alle.
Es gilt zu klären, wieso eigentlich so ein Abkommen einen dauernden Streit zwischen Unternehmen und
Staaten hervorrufen wird? Gerade wenn gesagt wird, es darf keine Diskriminierung stattfinden, dann erscheint jede Beschränkung, jede Norm, die eingehalten werden muss, als unzulässige Diskriminierung. Ganz
unabhängig davon, ob sie von nationalem Interesse ist, das u. U. sogar von anderen Nationen geteilt wird. Es
ist doch sehr eigenartig, dass staatliche Vorkehrungen, die bezüglich der Produktion von Waren etc. gemacht
werden, gleichzeitig als Diskriminierung aufgefasst werden können (und vielleicht auch so gemeint sind). In
verschiedenen Fällen haben sie sich auch schon darüber geeinigt, dass die Regelungen des einen auch beim
anderen gelten müssen. Da merkt man, dass diese Diskriminierung ein einziges Einfallstor ist für Streitigkeiten. Und eine staatliche Gerichtsbarkeit hat ja auch ihre Kriterien, wodurch sie zum Ergebnis kommt: das ist
Diskriminierung; das muss nicht identisch sein mit dem, was ein anderer Staat als solche einschätzen würde.
Insofern gibt es überhaupt das Bedürfnis, einen – notwendigerweise ständig aufkommenden – Streitfall über
die staatliche Rechtsprechung hinaus zu regeln. Dafür sind die Schiedsgerichte da.
— Im Artikel wird argumentiert: Einerseits sind sie sich einig, es soll ein gemeinsamer Markt ohne jede
Diskriminierung eingerichtet werden. Für den Dissens ist andererseits der Schiedsgerichtshof nur ein Beispiel. Als letzter Streitpunkt ist der Schutz regionaler Spezialitäten aufgekommen (Nürnberger Bratwürste),
die Franzosen haben das Problem, dass ihre Kultur nicht Bestandteil dieses Vertrags sein soll usw. Beim
Thema Schiedsgerichtshof streiten sich die Vertragsparteien von sehr unterschiedlichen grundsätzlichen
Standpunkten aus. Die Amerikaner gehen davon aus, dass im Zweifelsfall solche Streitigkeiten in ihrem Interesse geregelt werden. Die Europäer argumentieren, sie müssten darauf achten, nicht mit ihren besonderen
Anliegen unter die Räder zu kommen. Deswegen bleibt der Artikel nicht dabei stehen zu sagen, die einen argumentieren vom Standpunkt der Dominanz, die anderen vom Standpunkt der Anerkennung der Gleichrangigkeit. Der Grund liegt nicht an dem Schiedsgerichtshof, sondern daran, dass die einen antreten als die
politische Macht, die das Weltgeld betreut, die anderen als politische Betreuer des Euro, den sie in Konkurrenz zum Dollar als alternatives Weltgeld etablieren wollen.
Es bleibt ja auch von den Europäern nicht dabei zu sagen: nach Lage der ökonomischen Dinge werden wir
uns öfter auf der beklagten als der Kläger-Seite befinden. Sondern auf der Grundlage macht die Gegen-TTIPFraktion gleich den Übergang auf den Willen der anderen Seite, ist bereit, das als Zeugnis des amerikanischen Willens zur Dominanz zu nehmen. Da ist man endgültig dabei: der Streit um die Schiedsgerichtshöfe
ist einer um imperialistische, gegensätzliche Über- und Egalisierungsansprüche. Natürlich teilen wir nicht
deutsche Sorgen, ob 'wir' unter die Räder kommen. Man darf aber nicht die Augen davor schließen, was für
monströse Subjekte mit was für Ansprüchen hier gegeneinander stehen.
— Das ist aber doch keine neue Erkenntnis, dass die Amerikaner die Weltmacht sind und die Europäer ihnen Konkurrenz machen wollen?
So allgemein hat das keiner gesagt.
— Man bekommt keine Besonderheit von dem TTIP heraus, wenn man sagt, diese beherrschende Stellung
der USA in der Welt hat es immer schon gegeben und die Europäer wollen dem gleich kommen. Das Neue
daran ist doch, dass und wie die Staaten sich mit ihren Vorbehalten gegen das freie Konkurrieren als Hemmnis entdecken.
— Und die andere Seite ist, dass beide, USA und Europa, dieses Bündnis und den Freihandel benutzen
wollen, um sich je national entsprechend ein nationales Wachstum aus dem Welthandel zu sichern. Darin
steckt der bekannte Gegensatz. Das heißt, dieses Abkommen hat einen Widerspruch in sich, den diese zwei
mächtigen Wirtschaftsbündnisse gegeneinander und gemeinsam austragen. An dieser Stelle, wo gesagt wird,
hier muss ein überstaatliches Rechtsgremium entscheiden, welches Kapital erfolgreich sein soll, merkt man
die Unerbittlichkeit des Gegensatzes bei aller Gemeinsamkeit, die sie beschlossen haben.
— Der Artikel sagt ja nicht, die Amerikaner sind die dominante Weltmacht. Sondern er erklärt die Gemeinsamkeit der Standpunkte der Amerikaner und der Europäer, weshalb sie dieses Abkommen wollen. Bei der
Erklärung des Verlaufs dieses Gegensatzes kommt der Artikel darauf, da zeigen sich die Dominanz der Amerikaner und deswegen die Vorbehalte der Europäer bezüglich dieser Gerichtsbarkeit.
— Dieses Abkommen und der darin steckende Gegensatz leben davon, dass sich die Europäer überhaupt
nicht damit abfinden, dass sie die unterlegene ökonomische Macht sind. Sie haben eine europäische Gemein-
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schaft aufgemacht, um diese Stellung der USA praktisch anzuzweifeln und versprechen sich auch von dem
TTIP-Abkommen, dass der ungehinderte Zugang zum amerikanischen Markt den Euro stärkt und sie in der
ökonomischen Konkurrenz aufwertet. Deswegen ist auch seitens der USA genauso das Bedürfnis, den europäischen Markt für sich zur Verfügung zu haben, um dieser Bezweiflung ihrer dominanten ökonomischen Potenz weltweit zu begegnen.
Festzuhalten ist der Ausgangspunkt, dass der Konsens besteht, man will die freie Konkurrenz wegen des
Wachstums; nur dieser Konsens ist einer von Konkurrenten, die das natürlich wegen ihres Interesses machen.
Die Konkurrenten unterscheiden sich in dem, was sie bisher getan haben und was sie beanspruchen. Und darin liegt genau der Dissens: Die einen sind sich sicher, sie sind die ökonomische Führungsmacht in der Welt
und insofern ist auch die Aufhebung der Diskriminierung, die andere Staaten ihnen gegenüber machen, für
sie von Vorteil. Wenn allgemein das Prinzip gelten soll, solche Regelungen müssen aufgehoben werden, gehen sie davon aus, dass sie darüber ihre bestehende ökonomische Macht stärken können. Die anderen haben
das genau entgegengesetzte Interesse.
Man kann es auch ausdrücken als das eigenartige Verhältnis des Mittels zu dem verfolgten Zweck. Dieser
Gegensatz, der auch zeigt: so weit haben sie es gebracht, dass die eine Seite sagt, damit zementiert sie endgültig ihre Dominanz, als die führende Weltwirtschaftsmacht, und die anderen sagen, diese Vergemeinschaftung ist überhaupt der Schritt dazu, diesen Status, diese Einzigartigkeit zu egalisieren. Und beide wollen das
dadurch, dass sie sich als Markt und Standort quasi ununterscheidbar und untrennbar miteinander verknüpfen.
Vielleicht sind es ja in vielen einzelnen Argumenten gar nicht so neue Erkenntnisse, aber im Hinterkopf sollte
man haben, wie alle anderen über TTIP reden; wie meilenweit das hier theoretisch Verhandelte davon weg
ist, was sowohl die Befürworter wie die Skeptiker/Gegner dazu denken.
Wir hatten geklärt, dieser Standpunkt, die maßgeblichen Normen setzen zu wollen, den die Amerikaner mit
den TTIP-Verhandlungen praktizieren, ist den Europäern auch gar nicht fremd. Deswegen sehen sie sich
durch das amerikanische Drängen auf Einführung solcher Instanzen herausgefordert und von den USA als
überwachungs- und kontrollbedürftige Kandidaten behandelt. Was ist die ökonomische Grundlage davon,
was politisch die Über- und Unterordnungsfrage ist, von der das TTIP abstrahiert?
— Dass die Amis die größten Multis, Konzerne bei sich beheimatet haben. Das ist die Grundlage, auf der
sie sich sicher sein können, in diesen rechtlichen Diskriminierungsauseinandersetzungen Gewinner zu sein.
— Beim TTIP soll jede Diskriminierung beim Geschäftemachen wegfallen. Dabei schauen die beiden Wirtschaftsblöcke darauf, dass Wachstum bei ihnen stattfindet, in ihrem Geld, und ihr Geld soll das Geschäftsmittel sein, das den Kreditmarkt beherrscht. Von diesem Punkt abstrahieren sie in den Verhandlungen.
— Sie verhandeln und kontrahieren über die Bedingungen für die Geschäfte, die diese Hauptsache zustande bringen soll. Es sind aber halt Bedingungen und nicht automatisch das Resultat.
Wie wird es denn normalerweise betrachtet? Die politische Agitation für TTIP ist immer die: dadurch gewinnen beide. 1. es schafft mehr Wachstum, 2. schafft Arbeitsplätze, 3. Kosten werden gespart. Der Witz ist, diese Gemeinsamkeit ist eine Lüge. Wenn Wachstum stattfindet, ist noch sehr die Frage: wo und auf wessen
Kosten? Welches Unternehmen sich wo durchsetzt und was das für die Arbeitsplätze heißt. Da ist festzustellen, dieses herbeigesehnte Wachstum bilanziert sich in Form des Geldes, das der jeweilige Block hat. Das andere Argument war, worauf sich dieses Abkommen überhaupt nicht bezieht, nämlich der Unterschied und der
Gegensatz der Gelder wird gerade unterstellt und gar nicht thematisiert. Ihnen geht es um Bedingungen, das
Wachstum zu verändern. Aber wie sich die Veränderung der Bedingungen niederschlägt, was das heißt, das
bilanziert sich für die Staaten ganz unterschiedlich. Ob umgekehrt das nationale Wachstum dadurch befördert
wird, hängt vom Geld selbst ab, es ist die Bedingung.
Das hat nicht einfach nur etwas Quantitatives: Es geht um Wachstum und da sind diese beiden Wirtschaftsblöcke mit ihrer Konkurrenz ökonomisch offensichtlich so weit, dass es da gar nicht mehr darum geht: wer
verdient wieviel (also mehr als der andere)? Sondern: was wird verdient? Und zwar gar nicht nur am eigenen
Standort. Sie konkurrieren nicht nur darum: wer verdient das Geld der Welt?, sondern um: was ist das Geld
der Welt?
— Das ist dann der eigentliche ökonomische Gehalt von ‚Dominanz’ und ‚Gleichrangigkeit’: Die USA verteidigen die Dominanz ihres Weltgeldes und die Europäer greifen sie mit ihrem Euro an.
Das ist das Eigenartige moderner Weltmarktkonkurrenz: Dass es keine von allen nationalen Uniformen getrennte Materiatur des abstrakten Reichtums gibt, sondern in Abstufungen ist jede nationale Uniform eine
dieses Reichtums, und die Konkurrenz geht darum, inwiefern und wie sehr sie das ist. Und für die meisten
stellt sich heraus, dass sie es nur insofern sind, als sie in anderes Geld umtauschbar sind. Weniger als eine
Handvoll Gelder sind als das, was sie sind, Geld – inklusive Dollar. Der hat die Besonderheit, unmittelbar die
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Fähigkeit Geld-werten Eigentums zu verkörpern, sich zu vermehren – und das in nationaler Verfügung Amerikas. Das ist die ökonomische Seite von ‚Weltwirtschaftsmacht’ (wie sich das politisch und macht-mäßig benutzen lässt, davon handelt ein Teil der GS-Artikel). Das ist die derzeitige Stufenleiter der Konkurrenz: Die
Not des Euro liegt nicht mehr allein in der Masse des Geschäfts, das er auf sich zieht, sondern darin, dass er
den Status des Dollar angreifen will, der darin besteht, dass jedes Geld letztlich nur im Verhältnis zum Dollar
Geld ist, dass jedes größere Geschäft, jedes Unternehmen, das weltweit mit Kapital und Kredit unterwegs ist,
das nur insoweit vermag, als es Zugriff auf den Dollar und den Dollarkreditmarkt hat. Das anzugreifen ist inzwischen der Anspruch Europas.
Davon wird aber in den Verhandlungen abstrahiert, da geht es um Dinge wie die Freiheit der Kapitalinvestitionen, die besagten Schiedsgerichte etc. Die Verhandlungsgegenstände, die da unterbreitet werden, geben für
sich genommen weder Anlass zu großem Jubel noch zu dieser Skepsis und den Bedenklichkeiten, die es ja
auch gibt: keine dieser kleinen Münzen, in die die umgerechnet – also ideologisch aufbereitet – und öffentlich zirkuliert werden, ist wirklich das Äquivalent davon, worum es geht. Man kann eben Regel setzende
Gleichrangigkeit (also das EU-Projekt) nicht verhandeln; oder wie soll denn der Abstand des Dollar zu den
anderen Geldern gemessen werden? Das ist absurd, hindert diese Mächte aber nicht daran, ihre gegensätzlichen Projekte auf der höchsten politökonomischen Ebene imperialistischer Ansprüche zu verhandeln, und
zwar auf diese merkwürdige Weise, dass allgemeine Nicht-Diskriminierung verlangt wird – überall soll sich
das Kapital gleichermaßen zu Hause fühlen; aber die Hauptdiskriminante ist kein Thema, nämlich das Geld
(des Standorts, von dem aus einer wirtschaftet, und des Landes, wo er investiert). Bei den Verhandlungen
geht es also um etwas, was kein Thema sein kann, eben die Weltstellung des Dollar bzw. Euro, den beide beanspruchen (ist also nicht dummerweise in den Verhandlungen vergessen oder aus irgendwelchen Gründen
herausgehalten worden …).
— Wenn deren Konkurrenz „in eine abstrakte Machtfrage .. übersetzt (wird)“ (S.111 u.), dann heißt das,
dass das nicht nur ein Streit um die Bedingungen ihres wechselseitigen, sich ausschließenden Erfolgs ist,
sondern auch, dass da mit jedem Punkt um Dominanz bzw. Gleichwertigkeit gerungen wird (eben, ohne zum
Thema zu werden).
Es geht also um die Macht des jeweiligen Geldes. Dass sich die Weltmacht der USA im Dollar vergegenständlicht, ist etwas anderes als einfach der Wert einer Währung, die natürlich Verhandlungsgegenstand sein
kann, z.B. Forint/Euro – das ist ein Austauschverhältnis; hier ist aber von etwas anderem die Rede, wenn
vom Verhältnis dieser beiden Gelder die Rede ist.
— Wenn vorher gesagt worden ist, dass die Europäer um die Stärkung des Euro konkurrieren, dann heißt
das nicht, dass sie einen besseren Wechselkurs haben wollen, sondern es war gemeint: der soll an Weltgeldqualität gewinnen, was heißt, sie dem Dollar streitig zu machen, womöglich ein Stück weit abzunehmen.
— Und das geht nicht über Wechselkurspflege, sondern darüber, dass die EU mit ihrem Geld bessere Geschäfte macht als die USA mit dem Dollar. Dadurch wird die Qualität dieses Geldes gestärkt und damit die
Macht des jeweiligen Wirtschaftsblocks. Die bilanzieren ja nicht nur ihre Geschäfte, sondern es geht darum,
inwiefern mit den gestiegenen Machtmitteln auch die Möglichkeit ihres weltweiten Einsatzes gestiegen ist.
Dazu kommt noch, dass das die Grundlage für politische Macht ist, die umgekehrt dann Bedingungen setzen
kann, unter denen ökonomisch erfolgreich(er) gearbeitet werden kann. In dem Abkommen geht es nur um
Bedingungen, wie ein Unternehmen in dem jeweils anderen Block erfolgreich tätig sein kann, und bei deren
Aushandlung wissen beide Blöcke ganz genau, wie wichtig es ist, einen Vorteil für sich zu erreichen bzw.
einen bei der Gegenseite zu verhindern. Das ist mit ‚abstrakter Machtkampf’ gemeint: dass es ihnen bei jeder
Sache, um die sie ringen, um dieses Prinzip geht: Wer sich mit seinem Interesse wie weit gegen den anderen
durchsetzen kann. Der Machtkampf findet also an der Aushandlung der Bedingungen statt (und nicht etwa
über kriegsmäßiges Vorgehen …).
— Und in dem Punkt bestreitet der Erfolg des einen den des anderen, da ist dann nichts mehr mit: alle können wachsen.
— Nochmal zu der Übersetzung in eine abstrakte Machtfrage: Für die beiden Parteien stellt sich die Konkurrenz, die sie untereinander betreiben, anders dar, nämlich als Frage: Wer bestimmt eigentlich Materie
und Regeln bei diesem Vertragswerk? Und das heißt eben nicht: denen kommt es in Wirklichkeit auf was anderes an.
Dass sie diese Absurdität überhaupt hinbekommen, liegt an dem Standpunkt, mit dem sie das Projekt betreiben; das ist der, mit dem die beiden Staatenblöcke ihre Zwecke gegeneinander verfolgen und von dem aus
betrachtet ist alles eine Frage dessen, wie sie sich mit ihren Machtmitteln gegen die anderen durchsetzen, von
denen sie aber auch was wollen. Das passiert hier auf der höchsten Stufenleiter, sowohl was den Gegensatz
wie auch das, was man von dem anderen will, betrifft: Eine Gemeinsamkeit schaffen, sie dem anderen unterbreiten und sie so definieren und von vornherein in diese Bahnen lenken, dass nichts anderes herauskommt
als das, was man gegen den will. Denn was man will, ist von dem, dass man es gegen den anderen will, bei
dem Gegenstand, um den es geht, gar nicht zu trennen – bei den beiden Projekten: Aufrechterhaltung der Dominanz gegenüber dem Zweiten und Brechen dieser Dominanz, ist eben kein gemeinsamer Nutzen mehr
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möglich.
— Bezogen auf das obige Beispiel mit dem Schiedsgericht heißt das also: Es geht wirklich darum, wer bestimmt, z. B. wo dessen Sitz und was dessen Kompetenzen sein sollen.
Ja – darum geht es: wer setzt die Regeln und wer hat sie zu befolgen?
Es ist klar geworden, wie kritisch so ein Abkommen für beide Seiten ist – da wäre ein Aspekt ja auch, dass
sie die Finger davon lassen (was im letzten Punkt ja auch angedeutet wird). Es gibt einen Grund, warum sie
das nicht tun, und das ist die Wirkung nach außen, also auf den Rest der Staatenwelt. Wenn (west)staatliche
Standards gegenüber Ländern wie China in Anschlag gebracht werden, dann sind das nicht einfach ideologische Titel bzw., die sind die ideologische Seite für einen imperialistischen Übergang, der es in sich hat: nämlich das Abrücken davon, dass Weltwirtschaft so funktioniert, dass sich alle maßgeblich beteiligten staatlichen
Subjekte auf die Bedingungen ihrer Konkurrenz einigen. Hier wird dagegen der Versuch unternommen, einfach aufgrund der ökonomischen Wucht, die der transatlantische Wirtschaftsraum entfaltet, die Unterordnung
unter diese Regeln zum Sachzwang für die anderen Staaten werden zu lassen, der quasi die Unterschrift unter
ein Abkommen ersetzt. Also ein neues Stück gemeinsames europäisch-amerikanisches Regime über die Weltwirtschaftsordnung.
Das führt zur nächsten Frage: Versöhnt das alle internen Streitereien bzw., wie stehen die beiden Seiten zueinander angesichts dieser abstrakten Machtfrage, die sie gegeneinander austragen, und dieses eindeutigen
Dominanzverhältnisses, das sie gegenüber Dritten anstreben? Die Antwort ist: Gerade weil das Abkommen
nicht nur aufeinander berechnet ist, sondern weil es von Anfang an als endgültig verbindliche Regeln für den
Rest der Staatenwelt gemeint war, kommt es für Europa umso mehr darauf an, bei diesem Unding eines dualen, von den USA dominierten Imperialismus mit ihnen gleichzuziehen.
— Dieses Ringen um die Richtlinienkompetenz, der Streit, wie das innere Regularium auszusehen hat, soll
also gleichzeitig der Hebel oder die Blaupause dafür sein, worauf man den Rest der Welt verpflichtet.
— In dem Abkommen ist eingebaut, dass der Streit zwischen der EU und den USA über die Regeln, die man
den anderen Staaten verpasst, eine Dauerveranstaltung ist, nicht umsonst heißt es ‚living agreement’ (S.
114).
Und letzteres steht fest, bevor irgendetwas anderes feststeht – und das nicht als ein unzulänglicher Übergangszustand, bis dann mal alles fertig ist, sondern gerade wegen des Binnengegensatzes ist es so klar, dass
das ein bleibender Zustand ist, auch und gerade mit dem fertigen Abkommen, in dem die eine Seite – Verbindlichkeit für alle anderen Staaten – verknüpft ist mit dem, was man jeweils vom anderen Block will und
für dieses ‚was’ findet man dann einen Modus des Thematisierens, Streitens und (Nicht)Einigens.
Zum Thema „Kaufkraft der Lohnminute“, GS 3-14, sollen die Schwierigkeiten bei bisherigen Diskussionen
mitgeteilt werden. Nächstes Mal (26.1.) die TTIP-Gegner, Pegida und die Vorkommnisse in Paris, dann Europa.
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