Pharmazeutische Chemie - Ibrutinib Ibrutinib (IMBRUVICA®) Nachdem kürzlich mit dem PI3K-Inhibitor Idealisib (Zydelig®) eine dringend benötigte neue Therapieoption zur Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) auf den Markt gekommen ist, steht mit dem Ibrutinib (IMBRUVICA®) nun ein weiterer kleinmolekularer und peroral applizierbarer Kinase-Inhibitor zur Therapie der CLL zur Verfügung. Ibrutinib ist der erste Inhibitor der BrutonTyrosinkinase (BTK) mit Zulassung (Strukturformel s. Abbildung 1). Abbildung 1 Genauso wie Idealisib ist Ibrutinib bei der CLL bei Erwachsenen indiziert, die mindestens eine vorangehende Therapie erhalten haben oder aber als Erstlinienmedikation, wenn bestimmte Genmutationen (17p-Deletion, TP53-Mutation) vorliegen und die Patienten für eine anderweitige Chemoimmuntherapie nicht infrage kommen. Anders als Idealisib kann Ibrutinib auch als Monotherapie bei der CLL eingesetzt werden und muss nicht mit Rituximab kombiniert werden. Zusätzlich zur Indikation CLL ist Ibrutinib auch beim refraktären/ rezidivierten Mantelzell-Lymphom (MCL) zugelassen (Fachinformation IMBRUVICA® 2014). Die IMBRUVICA®-Hartkapseln werden einmal täglich immer zur selben Zeit eingenommen. Für die CLL beträgt die Dosierung drei Kapseln (= 420 mg Ibrutinib), für das MCL beträgt die Dosierung vier Kapseln (= 560 mg Ibrutinib). Da Ibrutinib über hauptsächlich hepatisch über CYP3A4 metabolisiert wird, darf das Arzneimittel nicht zusammen mit Grapefruitsaft eingenommen werden (Fachinformation IMBRUVICA® 2014). Die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) ist eine zytoplasmatisch vorkommende Nichtrezeptor-Tyrosinkinase, die fast ausschließlich in B-Lymphozyten, Makrophagen/ Monozyten und bestimmten Krebszellen exprimiert wird. Sie wird nicht in T-Zellen und Plasmazellen exprimiert. Die BTK stellt einen essentiellen Bestandteil in der B-Zellentwicklung dar, ist unabdingbar für Signalübertragung durch den BZellrezeptor und spielt eine wichtige Rolle bei deren Zellproliferation und differenzierung. Bei malignen, hämatologischen Erkrankungen wie etwa der CLL wird die BTK überexprimiert und sichert das Überleben der entarteten Zellen. Somit stellt 1 CA 24.11.2014 Pharmazeutische Chemie - Ibrutinib die BTK insbesondere für maligne B-Zellerkrankungen mit BTK-Überexprimierung ein interessantes Target dar (Herma et al. 2011, Choi und Kipps 2012, Tai und Anderson 2012, Aalipour und Advani 2014, Novero 2014). Zahlreiche kleine, organische Moleküle befinden sich derzeit als BTK-inhibitoren und potenzielle, neue Arzneistoffe in der klinischen Prüfung (Akinleye et al. 2013). Ibrutinib ist nun der erste BTK-Inhibitor, der auf dem Markt verfügbar ist. Ibrutinib ist ein hochpotenter BTK-Inhibitor mit einer IC50 von 0,5 nM (Honigberg et al. 2010). Die Substanz bindet nahe der Kinase-Domäne der BTK innerhalb des allosterischinhibitorischen Segmentes (TK/SH1-Domäne). Die Bindung erfolgt selektiv an Cys481 und ist kovalent, womit die enzymatische Aktivität der BTK irreversibel blockiert wird (Fan et al. 2007, Lou et al. 2012). Obwohl die Halbwertszeit des Ibrutinibs mit ungefähr zwei Stunden sehr kurz ist, ermöglicht die kovalente, irreversible Bindung eine langandauernde Wirkung (bis ein neues Protein synthetisiert ist) und letztlich eine einmal tägliche Applikation (Davids und Brown 2014). Ibrutinib ist ein Pyrazolo[3,4-d]pyrimidin, das an Position 4 eine freie Amino-Gruppe und an Position 3 einen 4-Phenoxyphenyl-Substituenten trägt (s. Abbildung 2). Der für die kovalente Bindung an der BTK essentielle Substituent sitzt am Stickstoff an Position 1 des Bizyklus: eine α,β-ungesättige Carbonyl-Gruppe. Abbildung 2: Struktureller Aufbau des Ibrutinibs Aufgrund der elektronenziehenden Carbonyl-Gruppe in Konjugation zur C=CDoppelbindung liegt eine aktivierte, elektrophile Methylen-Gruppe vor. Der aktivierende Effekte der Carbonyl-Gruppe wird zwar vermindert, da sie Teil eines Carbonsäureamids, scheint aber noch ausreichend zu sein. Die elektrophile Methylen-Gruppe greift dann wahrscheinlich am nukleophilen Schwefel des Cys481 an und bildet die kovalente Bindung (Turetsky et al. 2014). Ein hypothetisches BTKIbrutinib-Addukt ist in Abbildung 3 aufgeführt. 2 CA 24.11.2014 Pharmazeutische Chemie - Ibrutinib Abbildung 3 Literatur: Aalipour, A. und Advani, R.H. Ther Adv Hematol 2014, 5, 121 Akinleye, A. et al. J Hematol Oncol 2013, 6, 59 Choi, M.Y. und Kipps, T.J. Cancer J 2012, 18, 404 Davids, M.S. und Brown, J.R. Future Oncol 2014, 10, 957 Fachinformation IMBRUVICA® 2014 Janssen-Cilag International NV Fan, Z. et al. Chem Med Chem 2007, 21, 58 Herman, S.E. et al. Blood 2011, 117, 6287 Honigberg, L.A. et al. Proc Natl Acad Sci USA 2010, 107, 13075 Lou, Y. et al J Med Chem 2012, 55, 4539 Novero, A. Exp Hematol Oncol 2014, 3, 4 Tai, Y.T. und Anderson, K.C. Oncotarget 2012, 3, 913 Turetsky, A. et al. Sci Rep 2014, 4, 4782 3 CA 24.11.2014