Universität Hamburg Wie gelingt Gesundheitsförderung für Kinder aus sozial benachteiligten Familien? Sibylle Friedrich (Uni HH) Claudia Liberona (DJI München) 1 Projektbeschreibung Rahmen: Sozial benachteiligte und mehrfach belastete Familien sind auch gesundheitlich benachteiligt. Insbesondere die Kinder und Jugendlichen in diesen Familien sind vielfältigen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. „Präventionsdilemma“ Forschungsprojekt: BMBF-gefördertes Forschungsprojekt „Gesundheit beginnt in der Familie“ Evaluiert werden drei Praxisprojekte in Hamburg, Berlin und München, die auf ressourcenorientierte Weise einen Beitrag zur Lösung des so genannten "Präventionsdilemmas" leisten wollen. multimethodisches Vorgehen Forschungsfrage: Inwieweit führt eine gezielt ressourcenorientierte Praxis zu einem verbesserten Gesundheitsbewusstsein, Gesundheitsverhalten und Gesundheitszustand? Fahrplan I. Erkenntnisse aus den qualitativen Interviews (Claudia Liberona) II. Glaube als gesundheitsrelevante Ressource? (Sibylle Friedrich) 3 Universität Hamburg Glaube als gesundheitsrelevante Ressource? Dr. Sibylle Friedrich 4 Was sind Ressourcen? Unter Ressourcen verstehen wir neben individuellen Fähigkeiten auch Lebensziele, Glaube, Familienkultur sowie soziale Netzwerke. Erhebung familiärer Ressourcen auf Zahlenstrahl Trotz geringer materieller Ressourcen insgesamt positive Einschätzung der familiär vorhandenen Kraftquellen grundsätzliche Kompensationsmöglichkeit einzelner Ressourcenbereiche durch andere positiver Zusammenhang zwischen vorhandenem Glauben, sozialen Ressourcen und Lebenszielen als Ressourcen und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der untersuchten Kinder Glaube - eine kompensatorische Ressource Vermutung: Glaube besonders geeignet, andere Ressourcenbereiche, die schwächer ausgeprägt sind (wie z. B. personale, soziale oder finanzielle Ressourcen), zu kompensieren, da er per se sinnstiftend ist. Andere Ressourcenbereiche bieten diese Möglichkeit grundsätzlich auch – sie wohnt ihnen aber nicht so selbstverständlich inne wie dem Glauben. Kaum etwas im Leben lässt sich schwerer ertragen als eine empfundene Sinnlosigkeit des eigenen Daseins, wohingegen sich vieles ertragen lässt, wenn ein Sinn darin erkannt wird. Individuelle Gewichtung von Ressourcen anhand des Grades an Sinnstiftung Glaube – eine gesundheitsrelevante familiäre Ressource positiver Zusammenhang zwischen vorhandenem Glauben und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der untersuchten Kinder zeigt, dass sich das Vorhandensein von familiären Ressourcen gesundheitsfördernd auswirken kann lohnenswert, Angebote zu formulieren, innerhalb derer der eigene Glaube in einer integrativen, nicht dogmatisch ausgrenzenden Weise als Stärke erfahren werden darf gesellschaftliche Teilhabe ebenfalls eine wichtige Gesundheitsressource von Familien mit Migrationshintergrund gesellschaftliche Teilhabe in einer Weise fördern, die Herkunftskultur + Glauben hohe Wichtigkeit in der Alltagsbewältigung und Persönlichkeitsentwicklung der Betroffenen beimisst 7 Was macht Glauben gesundheitsrelevant? Fähigkeit, eine gewisse Gelassenheit zu befördern, was das eigene Schicksal anbelangt schützt vor gesundheitsgefährdenden Auswüchsen eines in unserer Gesellschaft stark spürbaren „Selbstwirksamkeitsdrucks“. grundsätzliche Erwägungen für die Wert-Orientierung einer auf Empowerment ausgerichteten Arbeit: In einer Gesellschaft, in der scheinbar alles möglich und erreichbar ist (medial vermittelt) können sich von sozialer Benachteiligung betroffene Menschen die Diskrepanz zur eigenen Lebenswelt oft nur durch persönliches Versagen erklären. Schlagseitig Selbstwirksamkeitserleben zu fördern, ohne vorhandene Ohnmacht aufgrund gesellschaftlich ungleich verteilter Ressourcen zu berücksichtigen, ist fragwürdig. 8 Grenzen der Selbstwirksamkeit Empowerment möchte Menschen befähigen, auf ihre Lebenswelt gestaltend einzuwirken, indem die eigenen Ressourcen erkannt und genutzt werden. Dieser Ansatz hat in der Sozialen Arbeit große Berechtigung, darf aber nicht alleine stehen. Denn in dem Bemühen um ein Selbstwirksamkeitserleben stoßen sozial benachteiligte Menschen schnell an Grenzen. Wenn Auseinandersetzung mit diesen Grenzen nicht erlaubt ist, droht Überforderung. Religiöser Glaube erfüllt Funktion, eine solche Erlaubnis auszusprechen, und mag sich auch aus diesem Grunde gesundheitsfördernd auswirken. Und wenn Glaube fehlt? 9 Werte-Balance Selbstwirksamkeitserleben und Gelassenheit in eine gute „Werte-Balance“ (Schulz von Thun 1989) bringen, um zu verhindern, dass die Ressource zu einem Defizit verkommt. Aus der Gelassenheit wird ohne die Erfahrung, Einfluss auf das eigene Leben nehmen zu können, ein Erleben von Kontrollverlust, dass letztlich in eine fatalistische Schicksalsergebenheit münden muss. Aus dem Selbstwirksamkeitserleben wird ohne die Erfahrung und die innere Erlaubnis, nicht für alles die Verantwortung übernehmen zu können und zu müssen, früher oder später eine Überforderung, die schwer auf den eigenen Schultern lastet. 10 Balance auch in gesundheitsfördernden Interventionen In der Sozialen Arbeit fruchtbare Balance anstreben Alltagspraktisches Empowerment und transzendentale Werte müssen zusammen gesehen und erlebt werden. Einbezug größerer Sinnzusammenhänge als das eigene Leben bzw. die aktuelle Lebenswelt Eigene Verantwortlichkeit für Schicksalsschläge wird reflektier- und hinterfragbar, psychische Entlastung möglich. Selbstwirksamkeitserleben und Gelassenheit im „Wertequadrat“ alltagspraktisches transzendentale Empowerment Akzeptanzorientierung fördert fördert Selbstwirksamkeitserleben Gelassenheit Selbstwirksamkeitsdruck Fatalismus fördert fördert Überforderung Schicksalsergebenheit Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 13