AG E N DA » U n t e r n e h m e n s b e we r t u n g Zum empirischen Zusammenhang von Total Beta und Ausfallwahrscheinlichkeit " CFB0600742 von David Sonius | Dr. Uwe Kehrel » Executive Summary » » Der vorliegende Beitrag untersucht Mçglichkeiten zur Anpassung von Bewertungsmethoden bei nicht diversifizierten Investoren mithilfe unternehmensspezifischer Ausfallwahrscheinlichkeiten. Insbesondere soll hier die Frage beantwortet werden, ob die Bercksichtigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten gerade bei der Bewertung von nicht-kapitalmarktorientierten Unternehmen neue Perspektiven erçffnet. » The present paper investigates possibilities for an adjustment of business valuation methods in the case of non-diversified investors. The study examines an approach to integrate probability of default in valuation methods. This approach may lead to a reduction of capital market orientation in business valuation. I. Einleitung Der Begriff des „wahren“ Unternehmenswertes wird seit vielen Jahren in Wissenschaft und Praxis kontrovers diskutiert. Einerseits sind entsprechende Anstze in der Bilanztheorie zu finden 1, andererseits reprsentieren sie den Kern der Bewertungstheorie 2. Einigkeit herrscht in der Literatur zur Bewertungstheorie ber den Zusammenhang von Unternehmenswert und Bewertungsanlass 3. Dementsprechend wird der Unternehmenswert gemeinhin als gegenwrtiger Grenzpreis zur Grundlage von Verhandlungen aufgefasst 4. Mçgliche Anlsse sind z.B. das Ausscheiden bzw. der Eintritt von Gesellschaftern, Fusionen, M&A-Aktivitten sowie steuerliche Grnde 5. AUTOREN David Sonius | Dr. Uwe Kehrel David Sonius ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fr betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich 12 der Westflischen Wilhelms-Universitt. Dr. Uwe Kehrel ist Akademischer Rat am Institut fr betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich 12 der Westflischen WilhelmsUniversitt. Unterschiede aufweisen, ist in der Regel eine konzeptionelle Gemeinsamkeit festzustellen – die Diskontierung der in der Zukunft liegenden Cash Flows 9. Damit verbunden ist die Frage, ob die Zukunft hinreichend genau geschtzt werden kann. In der Literatur wird diese Problemstellung immer wieder kritisch hinterfragt 10. Insbesondere eine mçgliche Insolvenz kann eine, in die Zukunft gerichtete Unternehmensprognose radikal verzerren. In Verbindung mit der außerordentlichen Wertrelevanz von Insolvenzen warnten dementsprechend schon Modigliani und Miller im Jahre 1958 vor einer Unterschtzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten 11. II. Zur Bercksichtigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten in der Unternehmensbewertung Genauso vielfltig wie die Anlsse fr eine Bewertung sind die Methoden zur Ermittlung von Unternehmenswerten. In Anbetracht der demographischen Entwicklung deutscher Unternehmenseigentmer, wird in den nchsten Jahren mit einem Anstieg von Transaktionen im deutschen Mittelstand gerechnet 6. Obwohl in Deutschland ungefhr 99% der Unternehmen nicht kapitalmarktorientiert sind 7, basiert die Mehrzahl der in der Praxis angewandten Bewertungsmethoden auf kapitalmarktbasierten Theorien. Wenngleich die gngigen kapitalmarktorientierten Bewertungsmethoden 8 Die Begriffe Insolvenzwahrscheinlichkeit, Ausfallwahrscheinlichkeit und Rating sind eng miteinander verknpft. Zwar drckt die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditratings das Gesamtrisiko eines Fremdkapitalgebers aus – systematisches und unsystematisches Risiko 12 – eine vollstndige Synonymitt zum Begriff der Insolvenzwahrscheinlichkeit besteht jedoch nicht gnzlich. Entgegen dem Ausfall, welcher bereits ein negatives Kreditereignis beschreibt, muss die Insolvenz als der Verlust der gesamten Geschftsttigkeit verstanden werden 13. Gleichwohl vermag der Ausfall von Fremdkapital in vielen Fllen eine Insolvenz zu implizieren oder als erster Anhaltspunkt dienen. Demzufolge kann die Ausfallwahrscheinlichkeit als eine Approximation an die Insolvenzwahrscheinlichkeit interpretiert werden 14. Aus der Definition der DVFA 1 8 2 3 4 5 6 7 Vgl. stellvertretend fr viele Moxter, A., Grundstze ordnungsmßiger Unternehmensbewertung, Wiesbaden, 1983, S. 6. Vgl. stellvertretend fr viele Ballwieser, W., Unternehmensbewertung, Stuttgart, 2011, S. 1. Vgl. Drukarczyk, J. / Schler, A., Unternehmensbewertung, Mnchen, 2009, S. 87; Mandl, G. / Rabel, K., Unternehmensbewertung, 1997, S. 12; sowie IDW, IDW S1, Dsseldorf, 2008, Rn. 17. Vgl. Coenenberg, A. / Sieben, G., Unternehmensbewertung, Stuttgart, 1976, Sp. 4064. Vgl. Mandl, G. / Rabel, K., Unternehmensbewertung, Wien, 1997, S. 13. Ca. 33% der Unternehmen werden in den nchsten fnf Jahren bertragen, 60% der Unternehmen innerhalb der folgenden zehn Jahre. Auch wenn ca. 42% der Unternehmer familieninterne Lçsungen anstreben, ist doch mit zahlreichen Transaktionen zu rechnen, vgl. Moog, P. / SchlçmerLaufen, N. / Schlepphorst, S., Unternehmensnachfolge in Deutschland – aktuelle Trends, Bonn, 2012, S. 4 (5). Vgl. Sçllner, R., Ausgewhlte Ergebnisse fr kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland 2009, Statistisches Bundesamt: Wirtschaft und Statistik, 2011, S. 1086. CORPORATE FINANCE biz 6/2013 9 10 11 12 13 14 Vgl. Henselmann, K. / Barth, T., (Unternehmensbewertung in Deutschland, Norderstedt, 2009, S. 21 (22). Vgl. Mandl, G. / Rabel, K., Methoden der Unternehmensbewertung, in: Peemçller, V.H., Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Herne, 2012, S. 54. Vgl. Kehrel, U., Die Bedeutung des Insolvenzrisikos in der Unternehmensbewertung, Controlling & Management Jhg. 55:6/2011 S. 372, und Ernst, D. / Schneider, S. / Thielen, B., Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen, Mnchen, 2011, S. 70. Vgl. Modigliani, F. / Miller, H., The Cost of Capital, Corporation Finance and the Theory of Investments, The American Economic Review Vol. 48:3/1958 S. 274. Vgl. Knabe, M., Die Bercksichtigung von Insolvenzrisiken in der Unternehmensbewertung, Kçln, 2012, S. 66. Die Insolvenz wird als Aufgabe des Geschftsmodells interpretiert. Vgl. zu Insolvenzen z.B. Kberl B. / Ampferl, H., Handbuch Restrukturierung in der Insolvenz, Kçln, 2012. Vgl. Kehrel, U., Die Bedeutung des Insolvenzrisikos in der Unternehmensbewertung, Controlling & Management 55:6/2011 S. 374. 317 AG E N DA » U n t e r n e h m e n s b e we r t u n g tafaktoren bei KMU als bei Großunternehmen fest 22. Des Ausfallwahrscheinlichkeit 0,01% 0,05% 0,37% 1,36% 6,08% Weiteren weisen Balz/Border6,0% 0,18% 0,88% 6,56% 24,36% 114,37% mann bei KMU hçhere Risiken nach. Abgeleitet werdend dieKalkulations7,5% 0,14% 0,72% 5,32% 19,76% 92,79% zinssatz se erhçhten Risiken durch eine 9,0% 0,12% 0,61% 4,50% 16,70% 78,40% Analyse von DAX-, MDAX- und CDAX-Unternehmen 23, wennTab. 1: Relative berbewertung bei Vernachlssigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten gleich der Vergleich mit kapitalmarktorientierten Unternehmen infrage zu stellen ist. Rating Kommission abgeleitet, stellt die AusfallwahrscheinKnabe leitet daraufhin ab, dass KMUs unsystematischen lichkeit die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines negatiRisiken in nicht unerheblichem Ausmaß unterliegen 24. Dieser ven Kreditereignisses bzw. Kreditausfalls dar 15. Daher sollen Logik folgend verliert die Annahme des vollstndig diversifiim Folgenden diese Begriffe synonym verwendet werden. zierten Investors weiter an Substanz und mndet in der zwinIm Rahmen der Unternehmensbewertung, wirkt die Vernachgenden Bercksichtigung unsystematischer Risiken. Da die lssigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten bei dem Einsatz Ausfallwahrscheinlichkeit sowohl systematische als auch unvon Gesamtbewertungsverfahren auf die beiden Parameter systematische Risiken abbildet, erscheint eine BercksichtiCash Flow und Kalkulationszinssatz. Knftige Cash Flows bilgung des Ausfallrisikos sachgerecht 25. den die Basis des Unternehmenswertes. Alle wertbildenden Zudem implizieren schlechte Ratingnoten hohe kurzfristige Komponenten 16 sind in den prognostizierten Cash Flows zuInsolvenzwahrscheinlichkeiten und sollten daher bereits in der sammengefasst. Zur Ermittlung der knftigen Cash Flows ist Detailplanungsphase bercksichtigt werden. Bei Unternehmen eine detaillierte Planung anhand eines integrierten Plamit guten Ratingnoten ist die Bercksichtigung in der Ewinungssystems zwingend erforderlich. Eine Bercksichtigung gen Rente hinreichend 26. Dennoch kritisiert die International aller realistischen Zukunftserwartungen ist in diesem KonAssociation of Consultants, Valuators and Analysts (IACVA), text wesentlich 17. Eine Unternehmensplanung wird jedoch 18 dass die Insolvenzwahrscheinlichkeit in den derzeitigen Bekeine Insolvenz in einer Folgeperiode feststellen. Das Erwertungsmethoden nicht entsprechend gewrdigt wird 27. gebnis einer Insolvenz wrde eine Restrukturierung des Unternehmens oder eine Neuausrichtung der UnternehmensIII. Zum empirischen Zusammenhang von strategie zur Folge haben – die Planung wre unbrauchbar. Total Beta und Ausfallwahrscheinlichkeit Dieser Grund in Verbindung mit der hohen Anzahl von InsolDas Total Beta bietet die Mçglichkeit, die Annahme vollstnvenzen hebt die Notwendigkeit zur Bercksichtigung von diger Diversifikation zu vernachlssigen und damit das unUnsicherheiten ber Ausfallwahrscheinlichkeiten hervor 19. systematische Risiko im Bewertungskalkl zu bercksichtiAuch der Kalkulationszinssatz kann ohne Bercksichtigung gen. Aufgrund der Annahme vollstndig diversifizierter der Insolvenzwahrscheinlichkeit zu einer berbewertung des Investoren, bercksichtigt das Capital Asset Pricing Modell Unternehmens fhren. Tab. 1 stellt die relativen potenziellen (CAPM) lediglich das systematische Risiko. Folglich werden berbewertungen aufgrund der Vernachlssigung von AusRenditeerwartungen eines nicht vollstndig diversifizierten fallwahrscheinlichkeiten anhand einer Ewigen Rente dar 20. Investors durch folgende Formel ausgedrckt 28. Der Kalkulationszinssatz wurde mit 6%, 7,5% und 9% festFormel 1: Renditeforderungen eines unterdiversifizierten gesetzt. Zudem wurde die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Investors I fnf Ratingnoten – AA, A, BBB, BB und B – in der Berechͳ nung bercksichtigt. Insbesondere in den Segmenten ®¤¯Ë ݎ ൌ ݎ ߚ כ൫ݎெ െ ݎ ൯ כ൬ ൰Ë ߩெ schlechter Ratingnoten ist eine erhebliche berbewertung Ë Í\Ë erkennbar und belegt das starke Irrtumspotenzial des KalkuȡL0 rËÁÁi>ÍÄivvãiÍËãÝÄV iË7iÁͬ>¬iÁËÖ`Ë>ÁÍË lationszinssatzes 21. Unternehmensrating AA A BBB Neben den berbewertungen von Unternehmen weist Knabe auf eine weitere pragmatische Logik zur Begrndung der Relevanz von Ausfallwahrscheinlichkeiten hin. So stellt er Risikounterschiede und Betafaktoren von KMUs und großen Unternehmen gegenber. Baetge et al. stellen geringere Be15 Vgl. DVFA, Rating- und Validierungsstandards, Dreireich, 2006, S. 6. 16 Natrlich hat auch die Wachstumsrate einen indirekt wertbildenden Einfluss, allerdings setzen die Cash Flows die Basis zur Wertermittlung. 17 Vgl. IDW, IDW S1, Dsseldorf, 2008, Rn. 29. 18 Insolvenzgrnde liegen nach §§ 16, 17, 18, 19 InsO bei (drohender) Zahlungsunfhigkeit oder berschuldung (Kapitalgesellschaften) vor. Fr weitere Ausfhrungen und einer detaillierten Betrachtung vgl. stellvertretend Reischl, K., Insolvenzrecht, Heidelberg 2011 oder Krger, F., Insolvenzrecht, Altenberge, 2010. 19 Vgl. Knabe, M., Die Bercksichtigung von Insolvenzrisiken in der Unternehmensbewertung, Kçln, 2012, S. 83 (84). 20 Vgl. Metz, V., Der Kapitalisierungszinssatz bei der Unternehmensbewertung, Wiesbaden, 2007, S. 101. 21 Vgl. hierzu Kapitel II. 318 BB B 22 Vgl. Baetge, J. / Kirsch, H.-J. / Koelen, P. / Schulz, R., On the Myth of Size Premiums in Corporate Valuation, JARAF Vol. 5:1/2010 S. 9. 23 Vgl. Balz, U. / Bordemann, H.-G., Ermittlung von Eigenkapitalkosten zur Unternehmensbewertung mittelstndischer Unternehmen mithilfe des CAPM, Finanzberater, Vol. 12, 2007, S. 738 (740). 24 Vgl. Knabe, M., Die Bercksichtigung von Insolvenzrisiken in der Unternehmensbewertung, Kçln, 2012, S. 87 sowie Beiker, H., berrenditen und Risiken kleiner Aktiengesellschaften: Eine theoretische und empirische Analyse des deutschen Kapitalmarktes von 1966 bis 1989, Kçln, 1993, S. 92. 25 Vgl. Knabe, M., Die Bercksichtigung von Insolvenzrisiken in der Unternehmensbewertung, Kçln, 2012, S. 87; Arbeitskreis Bewertung nicht bçrsennotierter Unternehmen des IACVA e.V., Bewertung nicht bçrsennotierter Unternehmen, 1/2011, 2011, S. 14; Kehrel, U., Die Bedeutung des Insolvenzrisikos in der Unternehmensbewertung, Controlling & Management 55:6/2011 S. 372. 26 Vgl. IACVA, Bewertung nicht bçrsennotierter Unternehmen, Bewertungspraktiker 1/2011 S. 21. 27 Vgl. IACVA, Bewertung nicht bçrsennotierter Unternehmen, Bewertungspraktiker 1/2011 S. 14. 28 Vgl. Franken, L. / Koelen, P., Besonderheiten bei der Bewertung von Personengesellschaften, in: Peemçller, V.H., Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Herne, 2012, S. 828. CORPORATE FINANCE biz 6/2013 AG E N DA » U n t e r n e h m e n s b e we r t u n g Abb. 1: Aufbau der Empirie Betrachtet man die Berechnung des Betafaktors mit Hilfe von Formel 1 erhlt man durch Umformung Formel 2: Formel 2: Renditeforderungen eines unterdiversifizierten Investors II ®Ô¯Ë ݎ ൌ ݎ ൫ݎெ െ ݎ ൯ כ Í\Ë ıL ı0 ߪ Ë ߪெ ߪ ߪெ Ë Ë rË-Í>`>Á`>LÝiV Ö}Ë`iÄË7iÁͬ>¬iÁÄËË rË-Í>`>Á`>LÝiV Ö}Ë`iÄË>ÁÍiÄË rË/Í>ËiÍ>Ë Dementsprechend wird im Total Beta Ansatz die Marktrisikoprmie (MRP) mit dem Quotient der Standardabweichungen multipliziert. Das Total Beta erweitert somit das Beta, um das unsystematischen Risikos bei nicht vollstndig diversifizierten Investoren 29. Damodaran konzipierte diesen Ansatz im Jahre 2002 und prgte den Begriff Total Beta 30. Grundstzlich lçst das Total Beta jedoch nicht die Problematik kapitalmarktbasierter Daten 31. Daher muss zur Bewertung bei nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ein Ansatz gefunden werden, der die Ermittlung des Total Betas unabhngig von Kapitalmarktdaten zulsst. Ein Ansatz zur Substitution von Kapitalmarktdaten kçnnte in der Bercksichtigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten liegen. Da das Total Beta sowie die Ausfallwahrscheinlichkeit systematische als auch unsystematische Risiken abbilden, kçnnte hier ein Zusammenhang bestehen. Zwar stellt das Total Beta die Risikoprferenzen von Eigenkapitalgebern dar und die Ausfallwahrscheinlichkeit die Risikoprferenzen von Fremdkapitalgebern, gleichwohl mssten beide Risikoparameter zumindest strukturell die gleichen Risiken messen. Dies soll an einem einfachen Beispiel veranschaulicht werden. Das Total Beta stellt im CAPM die Risikogewichtung der Investition im relativen Anteil des Marktrisikos dar. Liegt bspw. eine MRP von 5% und ein Total Beta von 3 vor, ist die Investition fr Eigenkapitalgeber dreimal risikoreicher als eine Investition in den Markt. Somit wrde das Risiko mit 15% im Kalkulationszinssatz bercksichtigt werden. Die Ausfallwahrscheinlichkeit hingegen gibt an, zu welcher Wahrscheinlichkeit mit einem Kreditausfall zu rechnen ist. Ein Unternehmen mit einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 1% kann individuell (1 von 100 Unternehmen) oder im Vergleich zur Benchmark (Unternehmen A ist sicherer als Unternehmen B oder gehçrt zu den besten 20% der Branche) betrachtet werden. 29 Vgl. Balz, U. / Bordemann, H.-G., Diversifikationsgrad der Investoren und die Ermittlung marktorientierter Eigenkapitalkosten zur Bewertung nicht bçrsennotierter Unternehmen, 2010, S. 5 (6). 30 Vgl. Damodaran, A., Investment valuation, Hoboken, 2002, S. 668. 31 Balz/Bordemann entwickelten ein KMU-Total Beta, vgl. hierzu Balz, U. / Bordemann, H.-G., Unternehmerrendite und KMU-Total Beta, Kompetenzzentrum Unternehmensbewertung im Mittelstand, Arbeitspapier 5, 2010, S. 9 (11). CORPORATE FINANCE biz 6/2013 Wenngleich keine direkte mathematische Verknpfung zwischen Total Beta und Ausfallwahrscheinlichkeit ableitbar ist, unterschiedliche Perspektiven der Risikobetrachtung eingenommen werden 32 und die Darstellungsformen divergieren, geben doch beide Variablen Einschtzungen zur Sicherheit einer Investition ab. Dies mndet in einer grundlegenden Gemeinsamkeit – der Messung des Risikos. In der folgenden empirischen Untersuchung soll geprft werden, ob und inwieweit Total Betas und Ausfallwahrscheinlichkeiten miteinander korrelieren. Siehe Abb. 1. Der untersuchte Datensatz umfasst 585 bçrsennotierte Unternehmen 33. Von jedem Unternehmen wurden die Tagesschlusskurse zwischen dem 01.01.2010 und dem 01.01.2011 zur Berechnung des Total Betas auf Ein-Jahres Basis genutzt. Der Datensatz wurde um Finanzinstitute, Holdings mit dem Zweck der Konzernvermçgensverwaltung sowie Unternehmen aus der Baubranche bereinigt. Begrndet liegt diese Vorgehensweise in der Heterogenitt der Jahresabschlssen und Kapitalstrukturen der ausgeschlossenen Unternehmen 34. Die Ausfallwahrscheinlichkeiten wurden von der Creditreform Rating AG (im Folgenden Creditreform) bereitgestellt 35. Ausfallwahrscheinlichkeiten werden blicherweise auf Skalen transformiert, welche in Intervalle aufgeteilt werden. Jedes Intervall wird durch eine Ratingnote beschrieben. Tab. 2 zeigt die Ratingnoten im System der Creditreform 36. Ratingnote Creditreform CR1 CR2 CR3 CR4 CR5 CR6 CR7 CR8 CR9 CR10 CR11 CR12 CR13 CR14 CR15 CR16 CR17 CR18 CR19 Tab. 2: Ratingnoten der Creditreform Rating AG 32 Das Total Beta bildet das Risiko fr Eigenkapitalgeber, die Ausfallwahrscheinlichkeit das Risiko fr Fremdkapitalgeber ab. 33 Die Unternehmensdaten zur Ratingberechnung wurden aus der Dafne Datenbank Vers. 181 entnommen. Die Bçrsenkurse wurden aus Datastream Vers. 5 generiert. 34 Zum bilanziellen Unterschied von Finanz- zu Industrie- und Handelsunternehmen vgl. stellvertretend Wallmeier, M., Prognose von Aktienrenditen und -risiken mit Mehrfaktorenmodellen, Wiesbaden, 1997, S. 128. Unternehmen aus der Baubranche weisen ebenfalls Besonderheiten auf und wurden daher aus dem Datensatz entfernt, vgl. Fischer, A., Entwicklung eines lnderbergreifenden Bilanzratingmodells, Lohmar, 2012, S. 76. 35 Das Ratingsystem der Creditreform soll im Folgenden nicht nher erlutert werden, da es von der Bundesanstalt fr Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zertifiziert und zugelassen wurde (Vgl. http://ww2.bafin.de/ auslegung_solvv/T016N001F001_p.htm.). Demnach entspricht es den aktuellen Standards und erfllt die Vorschriften nach Basel II. Zur ausfhrlicheren Erluterung des Creditreform Ratingsystems 2.1 vgl. Creditreform, Creditreform Ratingsystem 2.1, Neuss, 2011, S. 4 (26). 36 Vgl. Creditreform, Creditreform Ratingsystem 2.1, Neuss, 2011, S. 18. 319 AG E N DA » U n t e r n e h m e n s b e we r t u n g Abb. 2 stellt die Verteilung der Ausfallwahrscheinlichkeiten dar. Auf der X-Achse sind die Ausfallwahrscheinlichkeiten, nach ihrer Hçhe geordnet, abgetragen. Die Y-Achse stellt die Hçhe der Ausfallwahrscheinlichkeiten dar. In Verbindung mit Tab. 2 ist erkennbar, dass alle Ratingklassen bis CR16 in dem Sample abgebildet werden. Hohe Ausfallwahrscheinlichkeiten treten hingegen eher selten auf. Der berwiegende Teil der Ausfallwahrscheinlichkeiten befindet sich im Bereich kleiner 2% – dies entspricht einer Ratingnote von mindestens CR10. Abb. 3 stellt die Verteilung der Ratingnoten innerhalb der Ratingklassen dar. Vor allem in den mittleren Bereich der Ratingnoten CR5 bis CR8 fallen ca. 50% der Unternehmen. Abb. 2: Verteilung der Ausfallwahrscheinlichkeiten In Abb. 4 auf S. 321 werden die Total Betas in der Untersuchungsstichprobe nach ihrer Vorkommastelle dargestellt. So ist festzustellen, dass ca. 90% der Total Betas zwischen 1 und 5 liegen, 70% der Total Betas in einem Bereich zwischen 1 und 3. Zur Berechnung der Korrelation wurde der Datensatz in Dezile eingeteilt, um verschiedene Klassen zu erhalten. Dies fhrt zu einer Glttung sowie einer Verringerung der Heterogenitt des Datensatzes. Tab. 3 zeigt die Intervallgrenzen der Ausfallwahrscheinlichkeiten. Abb. 3: Verteilung der Ratingnoten Dezil Unterer Wert Oberer Wert 10% 0,0001 0,0011 20% 0,0011 0,0018 30% 0,0018 0,0026 40% 0,0026 0,0034 50% 0,0034 0,0044 60% 0,0044 0,0059 70% 0,0059 0,0081 80% 0,0082 0,0126 90% 0,0128 0,0256 100% 0,0259 0,1046 Tab. 3: Intervallgrenzen der PD-Dezile 320 Folgend werden die Rnder der 10% Ausfallwahrscheinlichkeiten-Intervalle (im Folgenden PD-Dezile) und deren arithmetischen Mittel 37 sowie Mediane 38 dargestellt. Das arithmetische Mittel wird aufgrund der Relevanz in der beurteilenden Statistik genutzt 39. Des Weiteren soll der Median zur Plausibilisierung des arithmetischen Mittels berechnet werden, da beide Werte bei einer symmetrischen Verteilung gleich sind, bei unsymmetrischen Verteilungsformen jedoch divergieren kçnnen 40. Insbesondere bei starken Streuungen reagiert das arithmetische Mittel sehr stark, whrend der Median nur wenig bis gar nicht beeinflusst wird. Daher wird zustzlich zum arithmetischen Mittel der Median, der bei unsymmetrischen Verteilungen eine strkere Resistenz besitzt, abgebildet 41. Abb. 5 auf S. 321 bildet die Bandbreiten der Total Betas innerhalb der PD-Dezile ab. Des Weiteren ist der jeweilige Median 37 Zu Vor-/ und Nachteilen des arithmetischen Mittels vgl. Bajpai, N., Business Statistics, New Delhi 2009, S. 76. 38 Zu Vor-/ und Nachteilen des Medians vgl. Bajpai, N., Business Statistics, New Delhi 2009, S. 91 (92). 39 Vgl. Das, K.-K. / Bhattacharjee, D., Statistics for business and marketing research, New Delhi, S. 22. 40 Vgl. Schierholz, S., Lexikologische Analysen zur Abstraktheit, Hufigkeit und Polysemie deutscher Substantive, Tbingen, 1990, S. 91. 41 Vgl. Biehler, R., Explorative Datenanalyse – eine Untersuchung aus der Perspektive einer deskriptiv-empirischen Wissenschaftstheorie, Wrzburg, 1982, S. 56 (58). CORPORATE FINANCE biz 6/2013 AG E N DA » U n t e r n e h m e n s b e we r t u n g abgetragen, der auf sehr niedrigem Niveau liegt. Dies lsst den Schluss zu, dass die Total Betas innerhalb der PDDezile erheblichen Ausreißern nach oben unterliegen und eine große Streuung identifiziert werden kann. Exemplarisch kann das 5. und 10. Dezil beschrieben werden. Bei dem 5. Dezil liegen die Total Betas in einem Wertbereich zwischen 0,68 und 16,74 bei einem Median von 2,13. Die Streuung des 10. Dezils ist noch ausgeprgter. Der Wertebereich umfasst Total Betas zwischen 1,29 und 40,44 bei einem Median i.H.v. 3,35. Aufgrund von Ausreißern im Datensatz, wird die Korrelationsberechnung anhand der arithmetischen Mittel und der Mediane durchgefhrt. Der Median besitzt als wesentliches Merkmal und Vorteil gegenber dem arithmetischen Mittel, dass die Ausreißer-Problematik reduziert wird. Gleichwohl muss entgegengehalten werden, dass folglich der Verlust von Informationen in Kauf genommen wird 42. Abb. 4: Verteilung der Total Betas Zunchst wurde die Korrelation zwischen den arithmetischen Mitteln der Ausfallwahrscheinlichkeiten und der Total Betas berechnet. Der Korrelationskoeffizient betrgt hierbei 0,969. Dies deutet auf einen starken Gleichlauf hin. Abb. 6 auf S. 322 visualisiert die Korrelationsberechnung. Aus Grnden der bersichtlichkeit wurden die arithmetischen Mittel der Ausfallwahrscheinlichkeiten und der Total Betas indexiert. Die Ausfallwahrscheinlichkeiten wurden auf der Primrachse (linke Y-Achse), die Total Betas auf der Sekundrachse (rechte Y-Achse) abgeAbb. 5: Intervalle der Dezile tragen. Auch in dieser graphischen Dararithmetischen Mittel des Total Betas zum arithmetischen stellung ist eine Korrelation deutlich erkennbar und besttigt Mittel der Ausfallwahrscheinlichkeit, sowie bei deren Mediaden berechneten Wert. nen, korrelieren auch Mediane und arithmetische Mittel mitDie Berechnung anhand der Mediane liefert hnliche Ergebeinander. Gleichwohl scheint die Wahl der Variablen, ob nisse. Der Korrelationskoeffizient der Mediane liegt sogar etMedian oder arithmetischen Mittel, vernachlssigbar, denn was hçher bei 0,975. Diese Erkenntnis wird durch Abb. 7 auf die Korrelationskoeffizienten sind in allen Fllen sehr hoch. S. 322 wiederum graphisch berprft und besttigt. Auch hier wurde eine Indexierung zur besseren Veranschaulichung durchgefhrt. Wie in Abb. 6 wurden auch in der folgenden Abb. 7 die Ausfallwahrscheinlichkeiten auf der Primrachse und die Total Betas auf der Sekundrachse abgetragen. Tab. 4 fasst die berechneten Korrelationen wertmßig zusammen. Den hçchsten Korrelationskoeffizienten weisen die Mediane auf. Die Korrelation des Medians der Total Betas und des Medians der Ausfallwahrscheinlichkeit betrgt 0,9745. Die arithmetischen Mittel weisen eine Korrelation von 0,9620 auf. Neben den hohen positiven Korrelationskoeffizienten vom 42 Vgl. Kaack, J., Performance Measurement fr die Unternehmenssicherheit. Entwurf eines Kennzahlen- und Indikatorensystems und die prozessorientierte Implementierung, Wiesbaden, 2012, S. 165. CORPORATE FINANCE biz 6/2013 Folgende Probleme werden durch die empirische Untersuchung jedoch nicht gelçst: Das Fremdkapital bernimmt grundstzlich keine Haftung, wird verzinst und steht nur zeitlich begrenzt zur Verfgung. Eigenkapital hingegen ist in der Regel Haftungskapital, erhlt keine Zinszahlung und wird zeitMedian Total Beta Arithm. Mittel Total Beta Median Ausfallwahrscheinlichkeit 0,97450 0,95885 Arithm. Mittel Ausfallwahrscheinlichkeit 0,97047 0,96202 Tab. 4: Korrelation von Ausfallwahrscheinlichkeit und Total Beta 321 AG E N DA » U n t e r n e h m e n s b e we r t u n g rcksichtigung der Kapitalstruktur kçnnte im Unlevern 46 der Unternehmen liegen. IV. Ausblick und Implikationen Abb. 6: Korrelation der arithmetischen Mittel Der vorliegende Beitrag untersucht die Bedeutung von Insolvenzwahrscheinlichkeiten in der Unternehmensbewertung. Eine Unternehmensinsolvenz hat den Verlust prognostizierter Cash Flows zur Folge und stellt somit einen außerordentlich wertrelevanten Vorfall dar. Dies unterstreicht die Notwendigkeit zur Bercksichtigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten im Bewertungskalkl. Da das Insolvenzrisiko sowohl systematische als auch unsystematische Risiken abbildet, erscheint eine derartige Bercksichtigung der Ausfallwahrscheinlichkeit plausibel. Gleichwohl wird die Insolvenzwahrscheinlichkeit in der derzeitigen Bewertungstheorie nicht immer entsprechend gewrdigt. Basierend auf dieser Problemstellung wurde der empirische Zusammenhang von Total Beta und Ausfallwahrscheinlichkeit untersucht. In einer Stichprobe von 585 bçrsennotierten Unternehmen konnte eine Korrelation im Wertebereich von 0,959 und 0,975 und somit ein sehr hoher positiver Zusammenhang zwischen den beiden Variablen beobachtet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Streuungen im Datenbereich der Total Betas vorlagen und die Berechnungen auf Basis von Mittelwerten und nicht auf Basis von Einzelwerten durchgefhrt wurden. Abb. 7: Korrelation der Mediane lich unbefristet berlassen 43. Damit verbunden ist die Frage, ob die Risiken von Eigen- und Fremdkapital im Allgemeinen gleich sind und ob ein Kreditausfall als Anzeichen einer Insolvenz gedeutet werden kann 44. Wenngleich diese Argumentation keinen Einfluss auf die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung aufweist, muss die Frage beantwortet werden, in welchen Bereichen der Ausfallwahrscheinlichkeit die Risiken von Eigenkapital und Fremdkapital hnlich gelagert sind, und wo die Risiken gegebenenfalls divergieren. Des Weiteren stellt die Kapitalstruktur einen bedeutenden Faktor in der Unternehmensanalyse dar 45. Die Kapitalstruktur wurde in der Berechnung der Total Betas jedoch nicht bercksichtigt. Ob die Variablen hnlich positiv miteinander korrelieren, wenn im Total Beta eine Anpassung der Kapitalstruktur vorgenommen wrde, bleibt vorerst unbeantwortet. Ein mçglicher Ansatz zur Be43 Vgl. stellvertretend Perridon, L. / Steiner, M., Finanzwirtschaft der Unternehmung, Mnchen, 1999, S. 344. 44 Vgl. Kehrel, U., Die Bedeutung des Insolvenzrisikos in der Unternehmensbewertung, Controlling & Management 55:6/2011 S. 374. 45 Vgl. Meitner, M. / Streitferdt, F., Die Bestimmung des Betafaktors, in: Peemçller, Volker H. (Hrsg.): Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Herne, 2012, S. 542 (543). 322 Zusammenfassend zeigen die Untersuchungen, dass die Bercksichtigung von Ausfallwahrscheinlichkeiten im Bewertungskalkl neue Perspektiven erçffnet und somit mçglicherweise als Substitut zur Risikomessung herangezogen werden kçnnte. In einem weiteren Schritt ist zu prfen, ob Prferenzfunktionen in Abhngigkeit der beiden Variablen Total Beta und Ausfallwahrscheinlichkeiten hergeleitet werden kçnnen. Des Weiteren sind in diesem Kontext Anstze zur Modellierung und Berechnung von Ausfallwahrscheinlichkeiten zu prfen, die gerade auch als effizientes und praxistaugliches Instrumentarium fr die Bewertung von kleinen, mittleren und nichtkapitalmarktorientierten Unternehmen geeignet sind. Sicherlich kann auch dieser Ansatz das Datenproblem nicht-kapitalmarktorientierter Unternehmen nicht grundstzlich lçsen. Jedoch bietet er unter Umstnden eine durch weitere empirische und theoretische berprfungen zu verifizierende Ergnzung zu ausgewhlten Methoden der aktuellen Bewertungspraxis. 46 Weiterfhrend zum Unlevern vgl. stellvertretend Meitner, M. / Streitferdt, F., Die Bestimmung des Betafaktors, in: Peemçller, Volker H. (Hrsg.): Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Herne, 2012, S. 547, Vishwanath, S. R., Corporate finance, New Delhi, 2007, S. 359 und Pratt, S. P. / Grabowski, R. J., Cost of capital, Hoboken, 2010, S. 185 (186). CORPORATE FINANCE biz 6/2013