Einführung in die Angewandte Informatik I: Kognitive Systeme und Kognitive Psychologie Ute Schmid Fakultät WIAI, Otto-Friedrich Universität Bamberg Angewandte Informatik/Kognitive Systeme Letzte Änderung 22. April 2013 Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Was sind Kognitive Systeme? Umwelt Wahrnehmung Kognitive Verarbeitung Gedächtnis Handeln (Problemlösen) Lernen Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Was sind Kognitive Systeme? Ein kognitives System ist . . . in die Umwelt eingebettet (über Sensorik und Aktorik) mentale Verarbeitung von Information kognitive Funktionen wie Wahrnehmung und Mustererkennung Handlungssteuerung und Kontrolle Wissensrepräsentation und Schlussfolgern Lernen aus Erfahrung Problemlösen Entscheiden Verarbeitung natürlicher Sprache Getrieben/moderiert von Motivation, Emotion Beispiel für ein kognitives System: Mensch Kann man kognitive Systeme bauen? Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Beispiel: Kognitive Robotik Humanoider Roboter Armar (KIT, Karlsruhe) Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Kognitive Systeme und Künstliche Intelligenz Künstliche Intelligenz (KI): erforscht Algorithmen zur Lösung von Problemen, die bislang nur oder besser von Menschen gelöst werden können. als Teil der Informatik stehen Algorithmen im Mittelpunkt statt Künstlicher Intelligenz auch als Intelligentes System bezeichnet Kognitives System Schnittbereich zwischen KI und Kognitiver Psychologie intelligentes System, das kognitive Funktionen so realisiert, dass sie auf ähnlichen Strukturen und Prozessen basieren wie bei einem menschlichen Informationsverarbeiter Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Kognitive Systeme als Interdisziplin Informatik Psychologie Intelligente Systeme Programmier− konzepte Neuro− inf. Wissensrepräsentation Inferenz Planen Maschinelles Lernen Robotik Logik Bildverarbeitung Sprachverarbeitung Expertensysteme Kognitive Psychologie Wahrnehmung Sensumotorik Kognitive Systeme Motivation Emotion Denken Problemlösen Lernen Gedächtnis Sprache Entscheidung Formale Sprachen Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik empirische Methoden Neuro− psych. Entwicklungs− psych. Beispiel “Virtuelle Entwurfsumgebung” Projekt “VIENA”, Wachsmuth, Bielefeld, 1993-1997 Beispiel Innenarchitektur: Entwurf via Avatar Hamilton Fortsetzung mit dem virtuellen Agenten Max, siehe http://www.techfak.uni-bielefeld.de/~skopp/max.html Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Beispiel – Dialog mit Hamilton “Move the bowl to the right.” Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Hamilton als Kognitives System Hamilton soll sich verhalten wie eine Person Er muss die Aufforderung verstehen“: ” Zeichenkette bowl – Begriff – Bezug zu Objekten – Objektlokation Zeichenkette move – Begriff – Umsetzung in Handlung Zeichenkette right – Bedeutung von rechts? verschiedene Interpretationen möglich intrinsisch (bezogen auf Schreibtisch mit definierter Vorderseite) deiktisch: bezogen auf User oder auf Hamilton Psycholinguistische Forschung: Wie interpretieren menschliche Gesprächspartner die Aufforderung? Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Zwei Perspektiven auf Kognitive Systeme Ingenieurswissenschaftlich: Nutzung von Erkenntnissen der Psychologie, um effiziente intelligente Systeme zu realisieren (“Psychonik”) zur Gestaltung von Mensch-Maschine-Interaktionen (menschgerechte Kommunikationsschnittstellen/ Informationsdarbietung) ,→ performanz-/erfolgsorientiert Erkenntniswissenschaftlich: Als Werkzeug für die theoretische Psychologie Formale Modellierung zur Beschreibung und Erklärung kognitiver Strukturen und Prozesse Analyse genereller Beschränkungen ,→ generative Theorien/“Baupläne” Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Realisierung eines Kognitiven Systems Beispiel Hamilton: Technische Seite: Repräsentation von räumlichem Wissen, Realisierung eines Layout-Algorithmus (Skalierung, Transformation, ...) Kognitive Seite: Welches Referenzsystem wählen Nutzer? KS/HCI: Annahme des “natürlichen”/präferierten Referenzsystems im Dialog KS/Modellierung: “Verstehen” räumlicher Beschreibungen als Aufbau mentaler Modelle Aktuellers Beispiel: Humanoider Roboter ARMAR Diskussion: Über welche kognitiven Fähigkeiten verfügt ARMAR Kognitive Systeme basieren auf: Nutzung von kognitiven Theorien Verständnis empirischer/experimenteller Untersuchungsmethoden Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Was ist Kognitive Psychologie? Psychologie: Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten unter Einschluß damit verbundener physiologischer und neurologischer Vorgänge Allgemeine Psychologie: Frage nach universalen Gesetzmäßigkeiten im Bereich psychischer Grundfunktionen wie Wahrnehmung, Motivation, Emotion, Gedächtnis, Denken, Problemlösen, Lernen, Handeln, Entscheiden, Sensumotorik ,→ Abstraktion von individuellen Unterschieden (Differentielle Psychologie) ,→ Entwicklung psychischer Funktionen im Lauf der Lebensspanne durch innere und äußere Einflüsse (Entwicklungspsychologie) ,→ Erleben und Verhalten im sozialen Kontext (Sozialpsychologie) ,→ Anwendungsnahe Forschung: Klinische Psychologie, Diagnostik, Pädagogische Psychologie, Arbeits-, Betriebs-, Organisationspsychologie Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Was ist Kognitive Psychologie? Alternative Bezeichnung für Allgemeine Psychologie Einschränkung der Allgemeinen Psychologie auf reine Erkennens- und Verstehensprozesse (Ausgrenzung von Emotion, Motivation) Abgrenzung von anderen theoretischen Sichtweisen auf den Gegenstandsbereich der Allgemeinen Psychologie (z.B.: Behaviorismus): Mentale Repräsentationen und Prozesse als zentrale Grundlage für die Erklärung von Verhalten Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Methoden der Psychologie Psychologie ist eine Erfahrungswissenschaft (vgl. Physik, Biologie, . . .) Erfahrungswissenschaftliche Methoden: Beobachtung Experiment Komplexität/Natürlichkeit Selektivität/Kausalerklärung Ute Schmid Beobachtung + - Experiment + Einführung in die Angewandte Informatik Beispiel – Mentale Modelle Theorie der Mentalen Modelle von Johnson-Laird (1983, 1999) Schlußfolgerndes Denken Annahme: Prämissenintegrarion beim Enkodieren von Information Das heißt: Ursprüngliche Information kann verloren gehen Repräsentation der beschriebenen Situation nicht des Wortlauts (Syntax) und nicht der Satzbedeutung (Semantik)! Nutzung mentaler Modelle: Schlußfolgern, Sachverhalte sprachlich oder bildlich beschreiben Beispiel: Experiment von Bransford, Barclay and Franks, 1972 Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Experiment zur Prämissenintegration Präsentation eines Satzes, in dem zwei konjunktiv verknüpfte Sachverhalte beschrieben werden, in zwei Varianten Testsatz, der einen Sachverhalt beschreibt, der sich aus einer Variante inferieren lässt (kongruent) und aus der anderen nicht (inkongruent) Ergebnis: in der Gruppe mit der kongruenten Bedingung gaben die meisten Probanden an, sie hätten den Testsatz vorher gelesen, in der inkongruenten Bedingung nicht! Empirischer Beleg für die Theorie der mentalen Modelle! Methode within-subject design jeder Proband erhielt 7 kongruente, 7 inkongruente und 7 irrelevante Sätz Aufgabe Finden Sie die Publikation und lesen Sie sie. Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Three Turtles Gruppe 1 Three turtles rested beside a floating log and a fish swam beneath them. Gruppe 2 Three turtles rested on a floating log and a fish swam beneath them. Recognition task Three turtles rested on a floating log and a fish swam beneath it. Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Psychologische Theoriebildung Zweck einer psychologischen Theorie: Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von menschlichem Verhalten Theoriebildung als Wechsel aus Top-down und Bottom-up Prozessen Beoachtungen: Hypothesengenerierung Experiment: Hypothesentestung Kognitive Theorien: Erklärung auf der Ebene von Informationsverarbeitungsprozessen Neuronale Korrelate können kognitive Annahmen stützen Situative Aspekte haben Einfluss auf kognitive Prozesse Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik KogSys – Lerninhalte Methoden, Techniken und Werkzeuge zum Entwurf, zur Implementation, zur Analyse und Evaluation intelligenter/kognitiver Systeme Informatische Ansätze: Anwendung formaler Methoden aus dem Bereich der theoretischen Informatik zur Beschreibung und Analyse von Problemen und Algorithmen (Komplexität, Lernbarkeit) Beherrschung von Programmiersprachen und grundlegenden Algorithmen zur Umsetzung von auf kognitiven Prinzipien basierenden Algorithmen in lauffähige Systeme Psychologische Theorien und empirische Methoden: Formulierung und Überprüfung von Hypothesen über spezifische Charakteristika menschlicher Informationsverarbeitung Evaluation implementierte Systeme auf ihre Nutzbarkeit hin Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Allgemeine Voraussetzungen Gute Kenntnisse in und Freude an: theoretischer Informatik und praktischer Informatik Interesse an kognitiver Psychologie (Besuch von Lehrveranstaltungen, siehe Studienempfehlungen für Bachelor “Angewandte Informatik”) Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Lehrangebot Vorlesungen KogSys-IA-B: Intelligente Agenten (SS) KogSys-KogMod-M*: Kognitive Modellierung (WS) KogSys-ML-M: Lernende Systeme (WS) Bachelor-Seminar Kognitive Systeme (WS) Projekt Kognitive Systeme (WS/SS) Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik KogSys-IA Grundlagen intelligenten Handelns mit Bezügen zur menschlichen Informationsverarbeitung Themenfokus: Problemlösen und Planen, (heuristische Suche, deduktives Planen, PL in Multi-Agentensystemen) Übungen: Vertiefung von Methoden und Techniken, z.T Programmieraufgaben in Prolog Folienskript, Lehrbücher in englischer Sprache; Vorlesung und Übung in deutscher Sprache Voraussetzungen: Grundkenntnisse im Umgang mit Rechnern (für die Bearbeitung einiger Übungsaufgaben), in Algorithmen (Suchverfahren) und Logik (“Mathematik für Informatiker”, “Algorithmen und Datenstrukturen”) Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik KogSys-KogMod Vertiefung/Profilbildung Voraussetzung: erfolgreiche Teilnahme an KogSys-IA oder Semantischer Informationsverarbeitung (auch parallel dazu) oder einer einführenden LV in Künstliche Intelligenz Cross-Teaching Modul: V/Ü Methoden der Kognitionspsychologie (Carbon), V/Ü Kognitive Modellierung (Schmid) Methodische Zugänge zur empirischen Erforschung von Kognition, Computermodellierung kognitiver Prozesse, Ausgewählte Inhaltsbereiche wie Gedäcthnis, Wissensrepräsentation, Lernen Übung: Durchführung eines psychologischen Experiments mit Bezug zu einem Prozessmodell (Computermodellierung) Folienskript, Lehrbücher in englischer Sprache; Vorlesung und Übung in deutscher Sprache Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik KogSys-ML Master-Veranstaltung Voraussetzung: erfolgreiche Teilnahme an KogSys-IA (bzw. Semantische Informationsverarbeitung – kann parallel gehört werden oder einer einführenden LV in Künstliche Intelligenz) Wesentliche symbolische, statistische und neuronale Ansätze des maschinellen Lernens mit Bezügen zum menschlichen Lernen Übungen: Vertiefung von Methoden und Techniken, z.T Programmieraufgaben in Java und Prolog Folienskript, Lehrbücher in englischer Sprache; Vorlesung und Übung in deutscher Sprache Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Seminar Bachelor: zur Zeit “Analoges Schließen” (WS) Vertiefung/Master: Reading Club zu aktuellen Themen (SS) sowie Praktische Aspekte des Maschinellen Lernens (WS) Erarbeiten eines Themenbereichs durch Lesen englischsprachiger Originalarbeiten (sowie evtl. Aneignung zum Verständnis notwendiger Grundlagen über Einführungsliteratur) Illustrieren oder Testen der beschriebenen Ansätze/Algorithmen/Systeme Vorbesprechung, Seminarvortrag (max. 45 min), Ausarbeitung in LaTeX (max. 12 Seiten) Erwünscht: erfolgreiche Teilnahme an KogSys-IA (bzw. Semantischer Informationsverarbeitung oder einer einführenden LV in Künstliche Intelligenz) Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Projekt Einübung des Entwurfs und der Analyse kognitiver Systeme an beispielhaften Themen in Gruppenarbeit Themen orientieren sich an den aktuellen Forschungsarbeiten der Gruppe ”Kognitive Systeme” “Forschung im Kleinen”: Vorbereitung auf die Erstellung von Qualifikationsarbeiten (Bachelorarbeit, Masterarbeit oder Diplomarbeit) Voraussetzung: erfolgreiche Teilnahme an KogSys-IA (bzw. Semantischer Informationsverarbeitung oder einer einführenden LV in Künstliche Intelligenz) Erwünscht ist der Besuch weiterer Veranstaltungen im Bereich Kognitive Systeme sowie Interesse am Abfassen einer Qualifikationsarbeit in diesem Bereich Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Anforderungen im Projekt Projektarbeit umfasst: Einarbeiten in ein Themengebiet durch Finden und Rezipieren der relevanten wissenschaftlichen Literatur Einordnung des eigenen Themas in den Stand der Forschung und Vortrag vor den Praktikumsteilnehmern Strukturierung der konkreten Arbeit durch Entwicklung eines Arbeits- und Zeitplans Bearbeitung des Themas durch Entwurf und/oder Implementierung von Algorithmen, theoretische Analysen und/oder empirische Evaluation der Algorithmen schriftliche Darstellung (in Form eines wissenschaftlichen Aufsatzes) und mündliche Präsentation der Ergebnisse Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Studienempfehlungen Erst eine oder mehr Vorlesungen dann Projekt, Seminar Besuch von LVs in der Psychologie Berührungen zu anderen Fächern: HCI, Kulturinformatik, Information Retrieval Gut kombinierbar mit: Theoretische Informatik, Praktische Informatik Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik Themen in EIDAI Kognitive Systeme und Kognitive Psychologie Problemlösen und Planen Gedächtnis und Lernen (Empirische Forschungsmethoden) Ute Schmid Einführung in die Angewandte Informatik