Elektrodynamik

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Elektrodynamik
4 Elektrische Felder
4.1 Ladungen und Felder
Welche Eigenschaften haben elektrische Ladungen?
Durch intensive Reibung aneinander werden Körper elektrisch geladen. Man beobachtet
anziehende und abstoßende Kräfte zwischen geladenen Körpern. Die Ursache elektrischer
Erscheinungen sind zweierlei Ladungen: Gleich geladene Körper stoßen sich ab, ungleich
geladene ziehen sich an. Offenbar gilt Ladungserhaltung: Die Summe aller positiven und
negativen Ladungen ergibt null.
Eine effektive Ladungserzeugung erfolgt durch Bandgeneratoren, bei denen die durch Reibung eines bewegten Bandes getrennte Ladung in eine metallene Hohlkugel abgestreift wird
und diese auflädt.
Als Maß für Ladungen dient der Ausschlag eines Elektrometers (Blättchenelektrometer:
‘Abstoßung beweglicher gleich geladener Metallteile’)
Was versteht man unter Leitfähigkeit?
Elektrizitätsladungen können in Körpern fortbewegt (transportiert) werden; in Metallen und
bestimmten Flüssigkeiten fließen sie recht gut, z. B. in Glas schlecht, in Gasen als Entladung.
Was besagt das COULOMB-Gesetz?
Das COULOMB-Gesetz (C. A. DE COULOMB 1736-1806) beschreibt die Kraft F1, die ein Körper
mit der Ladung Q1 auf einen Körper mit der Ladung Q2 ausübt. Die Kraft ist proportional zu
den Ladungen Q1 und Q2 und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes r = |r|
zwischen den Ladungen und zeigt in Richtung des Abstandsvektors r. Diese Richtung wird
durch den dimensionslosen Einheitsvektor eˆr = r/r beschrieben. Natürlich gilt auch hier das
Prinzip actio = reactio, d. h. F2 = −F1.
88
4 Elektrodynamik
Man könnte nun die Proportionalitätskonstante dimensionslos gleich Eins setzen und so die
Größe Ladung an das mechanische Größensystem ankoppeln. Weil die elektrische Ladung
physikalisch aber eine völlig neue Erscheinung ist, führt man sie als neue Größe ein und definiert das COULOMB’sche Kraftgesetz (jetzt auf den Körper mit der Ladung Q2) durch
F2 =
1 Q1 ⋅ Q2
eˆ12 .
4πε0 r122
(4.1)
Die Einheit der Ladung ist das Coulomb (C). Aus praktischen Gründen wird nicht das Coulomb, sondern die Einheit Ampere (A) als neue Grundeinheit gewählt. Es gilt 1 C = 1 As. Die
eingeführte Konstante ε0 ≈ 8,854.10−12 C2N−1m−2 wird Influenzkonstante oder auch VakuumDielektrizitätskonstante genannt. Eine genaue Definition und Festlegung der Ladung bzw. des
Ampere und von ε0 erfolgt später.
Warum führt man die elektrische Feldstärke ein?
Elektrische Ladungen erzeugen Kraftfelder um sich herum, d. h. sie üben auf eine (kleine)
Probeladung eine Kraft aus. Die Kraftwirkung auf die Probeladung q beschreibt man deshalb
auch durch
F(r) = qE(r) bzw. E =
F
.
q
(4.2)
Die elektrische Feldstärke E ist demnach eine spezifische Kraft; sie beschreibt das Kraftfeld
F(r) unabhängig von der Größe der Probeladung.
Wie ermittelt man das elektrische Feld einer beliebigen Ladungsverteilung?
Für eine ‘punktförmige’ Ladung Q, die im Ursprung sitzt, gilt nach dem COULOMB’schen
Kraftgesetz (4.1) offenbar:
E(r) =
1 Q
eˆr .
4πε0 r 2
(4.3)
Sitzt die Ladung nicht im Ursprung, sondern am Ort ri, so muss man offenbar r bzw. r durch r
− ri bzw. |r − ri| ersetzen. Hat man verschiedene Ladungen Qi an verschiedenen Orten ri sitzen, so erzeugt jede dieser Ladungen ein COULOMB-Feld um sich herum, und die Überlagerung aller dieser Felder ergibt
E(r) = E (r ) =
1
4πε0
∑
i
Qi (r − ri )
r − ri
3
→
1
4πε0
∫V
ρ(r' )(r − r' )
r − r'
3
dV' .
(4.4)
Wir haben in Gl. (4.4) den Grenzübergang zu einer kontinuierlichen Ladungsverteilung
(beschrieben durch die Ladungsdichte ρ = ∆Q/∆V) vollzogen, indem wir die Summation über
die diskreten Ladungen durch eine Integration ersetzten, wobei die Ladungen Qi durch die
89
4.1 Ladungen und Felder
Ladungselemente ρ(r')dV' am Ort r' ersetzt wurden. Dieser Grenzübergang ist physikalisch
allerdings eine Fiktion, denn Ladungen erweisen sich tatsächlich als diskret quantisiert. Das
Integral erleichtert jedoch die Berechnung von Feldern.
Insbesondere ergibt sich, dass innerhalb einer geladenen Kugelschale das elektrische Feld
verschwindet, außerhalb ein elektrisches Feld gemäß Gl. (4.2) herrscht, als ob die Ladung der
Kugelschale im Zentrum konzentriert wäre.
Welche Feldlinienbilder erhält man beim Plattenkondensator, Dipol und (Mono-)Pol?
Elektrische Feldlinien entspringen positiven Ladungen und enden in negativen Ladungen.
Dies ergibt folgende Feldlinienbilder (Bild 4.1):
+++++++++
+
+
−
+
−−−−−−−−−−
Bild 4.1 Elektrische Feldlinienbilder. Im rechten Teilbild können die negativen Ladungen auch im
‚Unendlichen‘ liegen.
Was versteht man unter Influenz?
In einem ungeladenen Körper sind positive und negative Ladungen gleich verteilt, so dass er
nach außen elektrisch neutral wirkt. Ein äußeres elektrisches Feld (erzeugt von geladenen
Körpern) übt eine Kraft auf die Ladungen eines ungeladenen Körpers aus, wobei dessen
Ladungen verschoben werden. Dieses Phänomen nennt man Influenz. Influenz in Metallen
bzw. Leitern, in denen Ladungen frei beweglich sind, führt dazu, dass sich alle Ladungen
solange verschieben, bis das elektrische Feld vollkommen kompensiert ist und keine Kräfte
mehr herrschen. Das Innere von Metallen ist dann feldfrei (Bild 4.2).
−−−−−
+++++
−−−−−
−−−−−
+++++
+++++
Bild 4.2 Ladungstrennung durch Influenz in leitenden Platten
Influenz bewirkt, dass bereits Metallkäfige ein äußeres elektrisches Feld im Innern verschwinden lassen: FARADAY-Käfig (Michael FARADAY, 1791 - 1867).
90
4 Elektrodynamik
In Nichtleitern sind Ladungen nur um ihre Ruhelage verschiebbar; das Material wird
‚polarisiert’, das elektrische Feld nur geschwächt.
Was bezeichnet man als elektrischen Fluss?
Elektrische Feldlinien beginnen und enden an Ladungen. Ladungen sind die ‚Quellen’ (bzw.
‚Senken’) des Feldes. Influenz trennt Ladungen in Metallen so, dass das Feld im Innern der
Metalle verschwindet. Bringt man (gedanklich oder tatsächlich) zwei Metallplättchen in Kontakt miteinander so in ein elektrisches Feld, dass die Flächen senkrecht zum Feld stehen, so
werden auf den Plättchen Ladungen influenziert, die man nach Trennung der Metallplättchen
messen kann (Bild 4.2).
Die auf einem Plättchen durch Influenz angesammelte Ladungsdichte Q/A ist proportional
zur elektrischen Feldstärke E ∝ Q/A und kann neben seiner direkten Kraftwirkung auf andere
Ladungen als weiteres Maß für die elektrische Feldstärke dienen. Falls das Feld sehr inhomogen ist, müssen wir die Metallplättchen hinreichend klein machen.
Wir führen eine elektrische Flussdichte D ein, die vom Betrage her genau die Flächenladungsdichte ist, aber wie die elektrische Feldstärke E die Richtung der Feldlinien ebenso
beschreibt. Als elektrischen Fluss ∆φ durch die (kleine) Fläche ∆A bezeichnen wir
∆φ = D.∆Α = ∆Q.
(4.5)
Mit dieser Schreibweise (Skalarprodukt) machen wir klar, dass nur D-Feldlinien, die senkrecht durch die Fläche ∆A treten, zum elektrischen Fluss beitragen. Den Zusammenhang zwischen der elektrischen Feldstärke E und der elektrischen Flussdichte D ergibt sich aus dem
Feld einer Punktladung Q. Die Flussdichte auf einer Kugelfläche um die Ladung Q herum ist
D(r) = Q/A = Q/(4πr2). Andererseits ergibt das COULOMB-Gesetz (4.1) bzw. Gl. (4.3) für die
elektrische Feldstärke einer solchen Ladungsverteilung E(r) = Q/(4πε0r2), d. h. D = ε0E. Dieser Zusammenhang gilt allgemein:
D = ε0E.
(4.6)
Was besagt der Satz vom Hüllenfluss?
Für jede (gedachte oder tatsächliche) geschlossene Hüllfläche, welche die Ladung Q einschließt, ist der elektrische Fluss durch
∫∫ D ⋅ dA = Q
(4.7)
A
gegeben, da sich auf der gesamten Hüllfläche (durch Influenz) nur die Ladungsmenge ansammeln kann, die von der Fläche umschlossen wird. Die Symbolik des Integrals soll daran erinnern, dass es sich um eine Flächenintegration über eine geschlossenen Hüllfläche handelt. Die
Beziehung (4.7) wird auch GAUSSscher Satz genannt.
4.2 Elektrisches Potential, Spannung und Kapazität
91
Der gesamte elektrische Fluss durch eine beliebige geschlossene Hüllfläche (Flächennormale nach außen zeigend) ist also gleich der insgesamt von der Hülle umfassten Ladung. Ist
insbesondere keine Ladung im Innern einer solchen Hüllfläche, müssen Flussdichtelinien, die
irgendwo durch die Hüllfläche eintreten, an anderer Stelle wieder austreten; sie können ja
nicht auf Ladungen enden oder neu entspringen.
Wie berechnet man das elektrische Feld einer geladenen dünnen Metallplatte?
Lädt man eine dünne Metallplatte mit der Ladung Q auf, so verteilt sich die Ladung gleichmäßig auf die Plattenfläche A mit der Flächenladungsdichte Q/A. Die Feldlinien treten oben
und unten senkrecht aus der Platte aus, und aus offensichtlichen Symmetriegründen bleiben
die Feldlinien (bis auf Randfelder) parallel und homogen. Die elektrische Flussdichte D = Q/A
ist also nach oben und nach unten gleich groß und konstant.
Wie wenden nun den GAUSSschen Satz an und legen eine Hüllfläche von der Form einer
sehr flachen ‘Schuhcreme-Dose’ parallel um die Plattenmitte, wo das Feld auf jeden Fall
homogen ist (Bild 4.3). Die Feldlinien treten dann durch die Oberseite und die Unterseite
(jeweils Fläche A') aus der Dose heraus. Der Gesamtfluss ist also 2DA', da der Fluss durch die
Randfläche der Dose verschwindet (diese Fläche ist vernachlässigbar klein ist und die Feldlinien sind außerdem parallel dazu). Die von der ‘Schuhcreme-Dose’ umfasste Ladung ist
durch das Verhältnis der Flächen von Dose und Platte bestimmt: Q' = Q(A'/A). Somit gilt
2DA' = Q(A'/A), bzw. D = Q/(2A) = ε0E/(2A).
+++++++++++++++++++++++++
Q'
A'
Bild 4.3 Anwendung des Satzes vom Hüllenfluss (GAUSSscher Satz) zur Berechnung des elektrischen Feldes eine geladenen Platte
4. 2. Elektrisches Potential, Spannung und Kapazität
Welche Arbeit wird an Ladungen im elektrischen Feld geleistet?
Durch Bewegung (Verschiebung ∆r) einer Ladung q im elektrischen Kraftfeld F = qE wird
die Arbeit
∆W = F.∆r = qE.∆r
(4.8)
geleistet. Ist das elektrische Feld ortsabhängig und betrachten wir größere Ortsänderungen
(‚Verschiebungen’), so müssen wir integrieren:
92
4 Elektrodynamik
r2
∆W = q ∫ E (r ) ⋅ dr .
(4.9)
r1
Die potentielle Energie verändert sich daher um ∆Epot = −∆W.
Was versteht man unter dem Potential eines elektrischen Feldes?
Statische elektrische Felder repräsentieren konservative Kraftfelder. Wenn der Körper sich
reibungsfrei bewegen kann, äußert sich die geleistete Arbeit direkt in Änderungen der kinetischen und potentiellen Energie des geladenen Körpers, wobei Energieerhaltung gilt:
∆W = ∆Ekin = −∆Epot.
(4.10)
Daher ist das Wegintegral (4.9) auch völlig unabhängig von der speziellen Wahl des Weges
zwischen den Orten r1 und r2 und hängt nur von diesen Integrationsgrenzen ab. Insbesondere
verschwindet das Wegintegral für einen geschlossenen Weg, bei dem Anfangs- und Endort
identisch sind. Wie in der Mechanik (Gl. 1.43) können wir eine potentielle Energie durch
r
E pot (r ) = − q ∫ E (r ) ⋅ dr
(4.11)
r0
definieren. Will man das spezifische Arbeitsvermögen unabhängig von der Größe der Probeladung q ausdrücken, so führt man das Potential
r
ϕ(r ) ≡ − E pot (r ) / q = ∫ E (r ) ⋅ dr
(4.12)
r0
ein. Wie die potentielle Energie ist auch das Potential eine eindeutige Funktion des Ortes r,
wenn wir noch einen willkürlich ausgezeichneten Bezugsort r0 wählen.
Die Verschiebung einer Ladung q um ∆s. verändert die potentielle Energie Epot bzw. das
Potential ϕ:
∆ϕ = ∆Epot/q = −qE⋅∆s .
(4.13)
Was bezeichnet man als Spannung?
Als Spannung U12 zwischen zwei Orten wird die Potentialdifferenz
r2
U12 = ϕ(r2) − ϕ(r1) = − ∫ E ⋅ dr
(4.14)
r1
bezeichnet. Die Einheit der Spannung ist das Volt(V), wobei 1V = 1J/C (Bezeichnung nach
Alessandro VOLTA, 1745 - 1827).
93
4.2 Elektrisches Potential, Spannung und Kapazität
Welches Potential herrscht in Leitern (Metallen)?
Im Innern von Metallkörpern verschwindet das elektrische Feld E durch Influenz. Als Konsequenzen folgen, dass elektrische Feldlinien senkrecht auf (den Influenzladungen) der Oberfläche enden - gäbe es noch parallele Komponenten, würden die Ladungen ja weiter verschoben
werden - und dass der gesamte Metallkörper auf konstantem Potential ist. Insbesondere ist die
Oberfläche eines Leiters eine Äquipotentialfläche.
Wie hängen Spannung und elektrisches Feld des Plattenkondensators zusammen?
Das elektrische Feld eines Plattenkondensators ist homogen (E = const), und die Feldlinien
treten senkrecht aus den Platten aus (Bild 4.4). Somit ergibt sich als Spannung zwischen den
Platten im Abstand d (das Vorzeichen hängt davon ab, bei welcher Platte wir die Integration
starten)
d
U = − ∫ E ⋅ ds = −Ed
(betragsmäßig: U = E/d).
(4.15)
0
Q
A
++++++++++
d
−−−−−−−−−−
Bild 4.4 Zum elektrischen Feld eines Plattenkondensators (innen homogen, außen Randfelder)
Was ergibt sich für das Potential einer geladenen Kugel?
Wenn wir, was allgemein üblich ist, wie beim Gravitationspotential den Bezugspunkt r0 ins
Unendliche verlegen und den Weg in Gl. (4.12) radial zum Zentrum wählen, erhalten wir als
Potential einer geladenen Kugel mit dem Radius R
R
ϕ(R) = − ∫ Edr = −
∞
Q
4πε0
R
dr
1 Q
∫ r 2 = 4πε0 R .
(4.16)
∞
Warum ist das elektrische Feld um (geladene) Metallspitzen herum besonders groß?
Hat man eine Metallkugel elektrisch geladen und bringt eine zweite damit in Kontakt, so sind
die Potentiale gleich. Die Ladungen verteilen sich als Q1 und Q2 auf die Kugeln mit dem
Radius R1 und R2, und aus der Gleichheit des Potentials folgt mit Gl. (4.16) Q1/R1 = Q2/R2.
Andererseits folgt aus Gl. (4.1) Q1/R1 = (4πε0)E1R1 = Q2/R2 = (4πε0)E2R2 bzw. E2 = (R1/R2)E1.
Ist die zweite Kugel erheblich kleiner (mit einem wesentlich geringeren Krümmungsradius
R2 « R1, eben die ‚Spitze’), so ist die Feldstärke um diese ‚Spitze’ herum wesentlich größer als
94
4 Elektrodynamik
in der Umgebung größerer Krümmungsradien. Dies gilt auch, falls im äußeren Feld Influenzladungen erzeugt werden. Blitze werden daher bevorzugt an Metallspitzen abgeleitet.
Was versteht man unter der Kapazität einer Anordnung von 2 Metallkörpern?
Lädt man zwei Metallkörper entgegengesetzt auf, so entsteht durch die angesammelte Ladung
Q ein elektrisches Feld bzw. eine Spannung U zwischen den geladenen Körpern. Als Kapazität ('Sammelvermögen') C der Anordnung bezeichnet man Ladung pro Einheit der Spannung:
C=
Q
.
U
(4.17)
Die Einheit der Kapazität ist das Farad (F): 1F = 1C/V.
Wie groß ist die Kapazität eines Plattenkondensators?
Ein mit der Spannung U aufgeladener Plattenkondensator (Plattenfläche A, Abstand d) hat
praktisch nur innen ein (homogenes) Feld (Bild 4.4) gemäß U = E.d. Nach dem Hüllensatz
(flache ‚Schachtel’ um eine Platte, Bild 4.3) und Gl. (4.15) ergibt sich folglich Q = DA = ε0E
A = ε0AU/d bzw. als Kapazität des Plattenkondensators
CPl =
Q ε0 A
=
.
U
d
(4.18)
Wie berechnet sich die Gesamtkapazität parallel geschalteter Kondensatoren?
Schaltet man unterschiedliche Kondensatoren parallel und legt eine gemeinsame Spannung U
an, so sammeln sich in den einzelnen Kondensatoren die Ladungen Qi und insgesamt Q = Q1
+ Q2 + ... = C1U + C2U + ... = CgesU (Bild 4.5).
U
Q1= C1U
Q2= C2U
Q3= C3U
Bild 4.5 Zur Parallelschaltung von Kondensatoren
Als Gesamtkapazität ergibt sich daher
Cges = C1 + C2 + ... .
(4.19)
Wie berechnet sich die Kapazität hintereinander geschalteter Kondensatoren?
Legt man an hintereinander geschaltete, Kondensatoren eine Spannung U an, so gelangt auf
alle Kondensatoren durch Influenz die gleiche Ladung Q (Bild 4.6) und es ergibt als Summe
95
4.2 Elektrisches Potential, Spannung und Kapazität
der Einzelspannungen Ui über den Kondensatoren U = U1 + U2 + .. = Q/C1 + Q/C2 ... = Q/Cges.
Somit erhalten wir
1
1
1
=
+
+ ... .
C ges C1 C2
(4.20)
+Q
−Q
U1 = Q/C1
+Q
−Q
U2 = Q/C2
+Q
−Q
U
U3 = Q/C3
Bild 4.6 Zur Hintereinanderschaltung von Kondensatoren
Welche Energie steckt in einem geladenen Kondensator?
Denkt man sich den Kondensator dadurch aufgeladen, dass man nacheinander kleine
Ladungsmengen ∆q von einer Platte zur anderen bringt, so beträgt die Aufladearbeit hierfür
∆W = −(∆q) u = −∆q(q/C) , wobei u die durch die bisherige Aufladung erzeugt Spannung,
bzw. q die schon vorhandene Ladung ist. Als Aufladearbeit insgesamt ergibt sich also
1 Q2
1
1
q
dq = −
= − QU = − CU 2 = −Epot.
2 C
2
2
C
0
Q
W=−∫
(4.21)
Diese Aufladearbeit steckt dann als potentielle Energie Epot im Kondensator. Die gesamte
Energie kann man wegen Q = DA und U = Ed auch ausdrücken durch Epot = QU/2 =
(DA)(Ed)/2 = V(DE)/2, wobei V = Ad das Volumen des elektrischen Feldes zwischen den
Platten ist. Als Energiedichte w des elektrischen Feldes (nicht nur des Feldes eines Plattenkondensators) ergibt sich allgemein
w=
E pot
V
=
1
D⋅E .
2
(4.22)
Diese Formel (4.22) ist auch richtig, wenn D und E wie in anisotropen Kristallen nicht
parallel liegen.
Was ist die KIRCHHOFF’sche Waage?
Die Platten eines geladenen Kondensators üben eine Kraft aufeinander aus, da sich entgegengesetzte Ladungen immer anziehen. Um diese Kraft auszurechnen, benutzen wir die allgemein gültige Beziehung (1.46) bzw. (1.47) und wenden sie auf den mit der Ladung Q geladenen Kondensator an. Wir erhalten
96
4 Elektrodynamik
F=−
∂E pot
∂d
=−
∂ Q2
∂ Q2d
Q2
U 2C 2
1ε A
=−
=−
=−
= − 02 U 2 .
∂d 2C
∂d 2ε0 A
2ε 0 A
2ε 0 A
2 d
(4.23)
Diese Kraft (sie ist der Vergrößerung des Plattenabstandes entgegen gerichtet) misst man mit
der KIRCHHOFF’schen Waage, bei der eine (bewegliche) Platte Teil einer Waage ist, mit der
die Kraft bestimmt werden kann.
4.3 Elektrische Felder in Materie
Was beobachtet man, wenn man in einen Plattenkondensator ein Dielektrikum schiebt?
Ist der Kondensator geladen und wird die Spannungsquelle abgeklemmt, so sinkt die Spannung U am Kondensator von U0 auf UD und damit auch die elektrische Feldstärke E = U/d
von E0 auf ED, wenn man ein nichtleitendes Material (Dielektrikum) einschiebt. Da die
Ladung nicht verschwinden kann, gilt offenbar Q = C0U0 = CDUD = const. Dies kann man nur
damit erklären, dass die Kapazität bei Anwesenheit von Dielektrika zunimmt: CD > C0.
Andererseits erhöht sich die Ladung, falls die Spannung U bzw. die Feldstärke E = U/d
konstant gehalten wird, denn es hat sich ja die Kapazität geändert: U = Q0/C0 = QD/CD =
const.
Die beobachteten Phänomene deutet man durch die Influenz (Bild 4.7): Die Atome des
Dielektrikums werden polarisiert und es entstehen Gegenfelder, die das ursprüngliche Feld
abschwächen.
Q
+++++++++++
− − − − − − − − − − −
+ + + + + + + + + + +
−−−−−−−−−−−
Bild 4.7 Plattenkondensator mit Dielektrikum
Was bezeichnet man als Dielektrizitätskonstante ε?
In den soeben beschriebenen Versuchen mit dem Kondensator vergrößert sich die Kapazität,
wenn man zwischen die Platten ein Dielektrikum schiebt. Der Effekt ist materialabhängig.
Man bezeichnet als Dielektrizitätskonstante ε eines Materials das Verhältnis
ε=
CD
.
C0
(4.24)
97
4.3 Elektrische Felder in Materie
Was ergibt sich für die Fluss- und Energiedichte bei Anwesenheit von Dielektrika?
Beim Kondensatorversuch mit konstanter Ladung ergab sich Q = ε0E0A = εε0EDA bzw.
D=
Q
= ε0 E0 = εε0 ED .
A
(4.25)
Offenbar gilt auch bei Anwesenheit von Dielektrika ganz generell der Zusammenhang
Q = ∫∫ D ⋅ dA ,
(4.26)
A
wobei Q die ‚wahre’, auf dem Kondensator angesammelte Ladung ist. Der Zusammenhang
von D und E ist allgemeiner als Gl. (4.6) durch
D = ε ε0E
(4.27)
gegeben, während die Energiedichte w durch Gl. (4.22) mit D = ε ε0E gegeben ist.
Was versteht man unter dielektrischer Polarisation?
Wird ein Plattenkondensator mit der Ladung Q geladen, so entsteht in unmittelbarer Nähe der
Kondensatorplatten (bzw. ohne Dielektrikum) das elektrische Feld D = Q/A = ε0E0. Durch
Influenz werden in einem Dielektrikum Ladungen QP mit der Flächenladungsdichte QP/A = P
verschoben, allerdings nur ein klein wenig aus ihrer Ruhelage: Die Atome bzw. Moleküle
werden polarisiert. Es entstehen mikroskopische Gegenfelder (gemittelt EP), die das elektrische Feld im Innern des Dielektrikums schwächen (in einem Leiter würde es ja sogar ganz
verschwinden):
ED = E = E0 − EP = D/ε0 − EP.
(4.28)
Diese Gleichung deutet man um zu
D = ε0E + P,
(4.29)
wobei die Polarisation P = ε0EP die Flächenladungsdichte der verschobenen Ladung
beschreibt. E ist die tatsächliche Feldstärke im Dielektrikum.
Hält man D konstant (konstante Ladung auf dem Kondensator), so kommt bei Einschieben
des Dielektrikums die Polarisation P hinzu und die Feldstärke muss sinken. Hält man E konstant, so muss mit P auch D bzw. die Ladung auf den Kondensatorplatten anwachsen.
Wie kann man die Dielektrizitätskonstante ε deuten?
Wird die Polarisation durch ein äußeres Feld E erzeugt, so hat man die Proportionalität P =
χε0E. Für die elektrische Flussdichte gilt
D = ε0(1 + χ)E = ε ε0E
mit
ε = 1 + χ.
(4.30)
98
4 Elektrodynamik
In anisotropen Kristallen müssen E und P und damit D und E nicht parallel verlaufen, denn
die Suszeptibilität χ und ε sind für verschiedene Kristallrichtungen i. a. verschieden, und dann
tragen die verschiedenen Komponenten von E auch unterschiedlich zur Polarisation P bzw. zu
D bei.
Was ist ein Dipolmoment und welche Bewegung vollführen Dipole im elektrischen Feld?
Ein polarisiertes Teilchen (Atom, Moleküle), bei dem die Ladungsschwerpunkte von negativer und positiver Ladung nicht zusammenfallen (Dipol), hat ein Dipolmoment p = qr, wobei q
die Gesamtladung (eines Vorzeichens) und r der Abstand der Ladungsschwerpunkte ist.
Im konstanten elektrischen Feld erfährt ein Dipol ein Drehmoment M = r × F = r × qE = p
× E. Die potentielle Energie eines Dipols ist Epot = −F.r = −p.E, denn es kostet Arbeit, die
Ladungsschwerpunkte auseinanderzuziehen.
Ist das elektrische Feld inhomogen, d. h. vom Ort abhängig, so wirkt auf den Dipol auch
eine Kraft F = −gradEpot. Anschaulich ist das auch klar, denn positive und negative Ladung
erfahren im inhomogenen Feld etwas unterschiedliche Kräfte, da sie sich an etwas verschiedenen Orten befinden; es resultiert insgesamt eine von Null verschiedene Kraft.
Was versteht man unter Orientierungspolarisation?
Orientierungspolarisation erhalten wir bei Substanzen, die aus Teilchen (Molekülen) bestehen, die ein permanentes Dipolmoment haben. Allerdings ist die Ausrichtung permanenter
Dipole (Drehmoment M = p0 × E) durch Wärmebewegung gestört. Wir erhalten einen
zusätzlichen Beitrag zur Suszeptibilität,
χ=n
p2
0
3ε0 kT
,
(4.31)
wobei n die Teilchenzahldichte ist und p0 das permanente Dipolmoment.
Was kann man über das Verhalten der Felder E und D an Grenzflächen aussagen?
An der Grenzfläche zweier ungeladener Substanzen, z. B zwischen Luft (Index 0) und einem
Dielektrikum (Index D) kann man zunächst mit dem GAUSSschen Satz argumentieren: Die
elektrische Flussdichte Ds senkrecht zur Grenzfläche durchsetzt diese stetig, d. h. die Feldstärke EDs macht einen Sprung: EDs = εE0s.
Geht man andererseits einen geschlossenen Weg um die Grenzfläche herum (erst knapp
oberhalb die Strecke d, dann knapp unterhalb zurück jeweils parallel zur Grenzfläche), so gilt
E0pd − EDpd = 0, da das entsprechende Wegintegral verschwindet. Die Tangentialkomponenten EDp des elektrischen Feldes durchsetzen die Grenzfläche daher stetig: E0p = EDp
Das Ganze führt zu einem Brechungsgesetz für die elektrische Feldstärke:
4.3 Elektrische Felder in Materie
tan α 0 E0 s / E0 p
=
= ε.
tan α EDs / EDp
99
(4.32)
Wie entsteht eine elektrische Doppelschicht?
Die Oberflächenkräfte auf Ladungen sind verschieden für verschiedene Materialien. Bei innigem Kontakt zwischen zwei verschiedenen Materialien wandern entgegengesetzte Ladungen
solange durch die Grenzschicht bis das Gegenfeld der entstehenden elektrischen Doppelschicht diese Kräfte kompensiert (Bild 4.8). Bei Trennung der Schichten kann man die
verschobenen Ladungen nachweisen: Reibungs-Elektrizität (eigentlich Kontakt-∼).
+++++++++++
−−−−−−−−−−−
Bild 4.8 Zur Entstehung von elektrischen Doppelschichten
Was sind Kontaktspannungen?
Durch die elektrische Doppelschicht an einer Grenzfläche baut sich ein elektrisches Feld bzw.
eine Kontaktspannung aus. Die betrifft insbesondere auf aneinander grenzende Metalle zu.
Ordnet man die Metalle nach ihrer Neigung, sich positiv bzw. negativ gegeneinander aufzuladen, so erhält man die sogenannte VOLTA’sche Spannungsreihe: (+) Na, Zn, Pb, Sn, Fe, Cu,
Ag, Au (−).
Man kann Kontaktspannungen allerdings nicht einfach mit einem Voltmeter messen. Die
Kontakte der Zuleitungen erzeugen ebenfalls Kontaktspannungen, die sich gerade kompensieren müssen; das Voltmeter schlägt nicht aus.
Kontaktspannungen sind stark abhängig von der Art, Reinheit, Oberflächenbeschaffenheit
und Temperatur der Metalle. Für kritische Anwendungen gilt daher, dass Metalloberflächen
Äquipotentialflächen nur für ein einheitliches Material sind!
Was ist ein Thermoelement?
Verbindet man zwei gleiche Kontakte aus verschiedenen Metallen, so sind die entsprechenden
Kontaktspannungen UAB = −UBA, wenn sie auf gleicher Temperatur sind. Andernfalls sind die
Spannungen verschieden, UAB(T1) ≠ −UBA(T2), und man kann die Spannungsdifferenz direkt
messen (Bild 4.9). Nach entsprechender Eichung ist die abgelesene Thermospannung gleich
der Temperaturdifferenz.
100
4 Elektrodynamik
Eine gebräuchliche Ausführung ist das NiCr-Ni-Thermoelement mit ∆Uth/∆T ≈ 37 µV/K,
mit dem Temperaturen bis zu 1200°C gemessen werden können.
Uth
T1
T2
Bild 4.9 Prinzip eines Thermoelements
Welche elektrokinetische Erscheinungen kennen Sie?
Elektrophorese: Geladene Kolloidteilchen bilden in einer nichtleitenden Flüssigkeit eine
elektrische Doppelschicht (durch Influenz). Durch ein elektrisches Feld wandern die Teilchen
mit verschiedener Beweglichkeit: Trennung von Gemischen.
Elektroosmose: Auch an einer Grenzschicht Flüssigkeit/Wand bildet sich eine elektrische
Doppelschicht. Falls die Ladungen in der Flüssigkeit - durch ein elektrisches Feld angetrieben
- wandern, werden auch Flüssigkeitsmoleküle mitgeführt (Anwendung : Trocknung).
Was sind GALVANI’sche Spannungen und GALVANI’sche Elemente?
Aus einem Metall treten so viele Metall-Ionen in das Lösungsmittel, bis das Feld der entstehenden Doppelschicht den weiteren Austritt verhindert (Elektronen gehen nicht in Lösung).
GALVANI’sches Element: Zwischen verschiedenen Metallen in demselben Elektrolyten
herrscht eine Kontaktspannungsdifferenz (Bild 4.10). Ein solches System kann als
Spannungsquelle dienen. Bezogen auf eine mit Wasserstoff umspülte Platin-Normalelektrode
erhält man die elektrochemische Spannungsreihe: Li (−3,02 V), ... , Zn (−0,76 V), ... , H2-Pt
(0), ... Cu (+0,34 V), ... , Au (1,5 V).
U
Bild 4.10 Primärelement (GALVANI’sche Spannungen): Zwei unterschiedliche Metalle (im selben
Elektrolyten) erzeugen eine nutzbare Spannung
4.3 Elektrische Felder in Materie
101
Technisch wichtig ist der Blei-Akkumulator ('wiederaufladbar') mit der Spannungsdifferenz U(Pb-PbO2) ≈ 2 eV. Für Eichzwecke stellt man das WESTON-Normalelement her. Die
entstehende Spannung ist U(Hg-HgCd) = 1,0186 V bei 20°C.
102
4 Elektrodynamik
5 Elektrische Leitungsvorgänge
Welche Leitungsvorgänge finden wir in Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen?
Elektrische Leitung setzt voraus, dass frei bewegliche Ladungen vorhanden sind. In Festkörpern sind die sehr leichten Elektronen für die elektrische Leitung verantwortlich. Wir haben
Elektronenleitung ohne wesentlichen Transport von Materie.
In leitenden Flüssigkeiten liegen geladene Ionen vor. Dort ist die Ionenleitung mit Massentransport verbunden.
Gase sind normalerweise nichtleitend; unter gewissen Umständen werden Gasatome bzw.
Moleküle aber ionisiert, und wir bekommen Elektronen- und Ionenleitung.
Was ist elektrischer Strom, in welchen Einheiten wird er gemessen?
Ein elektrisches Feld treibt bewegliche Ladungen an, sie fließen. Positive Ladungen fließen
vom höheren zum niedrigeren Potential. Als Strom I wird definiert:
I=
transportierte Ladung ∆Q
=
→ Qɺ .
∆t
Zeitintervall
(5.1)
Die Einheit des Stroms ist das Ampere (A): 1A = 1Cs−1 (nach A M. AMPÈRE, 1775 - 1836).
Wenn man (z. B. in einem Metall) einen dauerhaften Stromfluss aufrecht erhalten will, muss
man die Potentialdifferenz, bzw. das elektrische Feld aufrecht erhalten, da der Stromfluss
ansonsten die Potentialdifferenz auszugleichen versucht (Influenz in Metallen!).
Welche Wirkungen hat ein elektrischer Strom?
Wir beobachten Wärmeentwicklung in stromdurchflossenen Körpern, z. B. Metalldrähten
(Heizung, Glühbirne, Hitzdraht-Amperemeter), chemische Zersetzung von stromdurchflossenen Elektrolytlösungen (Elektrolyse) und magnetische Felder in der Umgebung eines elektrischen Stroms (ØRSTEDT 1820: Wirkung auf Magnetnadel).
104
5 Elektrische Leitungsvorgänge
5.1 Der Gleichstromkreis
Was sind effektive Gleichstromquellen?
Effektive Gleichstromquellen haben zwei Aufgaben. Sie müssen die zum Stromfluss benötigte Spannung erzeugen und die Ladung liefern, die transportiert werden soll. Effektive
Gleichstromquellen sind galvanische Elemente und z. B. der Bleiakkumulator oder wiederaufladbare Ni-Cd-Zellen. Es ist einfacher, Wechselströme zu erzeugen. Durch die Gleichrichtung solcher Ströme können auch Gleichströme erzeugt werden. Als Symbol für eine
Gleichstromquelle verwendet man man das in Bild 5.1 dargestellte Zeichen.
+ −
Bild 5.1 Schaltzeichen für eine Gleichstrom- bzw. Gleichspannungsquelle
Außerhalb der Quelle fließt der Strom von ‚+’ nach ‚−’ (technische Stromrichtung für positive Ladungen); innerhalb wirkt die Stromquelle als ‘Pumpe’ und ‘transportiert’ positive
Ladung von ‚−’ nach ‚+’. Tatsächlich fließen meist nur Elektronen, d. h. negative Ladungen,
in jeweils umgekehrter Richtung
Was versteht man unter dem elektrischen Widerstand eines Körpers?
Wird an zwei Punkten eines Körpers - etwa entlang eines Metalldrahtes - eine Spannung U
aufrecht erhalten und fließt ein Strom I, so bezeichnet man als elektrischen Widerstand R
(engl. resistance) des Körpers:
R=
Spannung U
=
.
Strom
I
(5.2)
Die Einheit des elektrischen Widerstands ist das Ohm (Ω): 1Ω = 1VA−1(nach G. S. Ohm,
1789 - 1854).
Unglücklicherweise bezeichnet man im deutschen Sprachgebrauch auch den Körper selbst
als Widerstand (engl. resistor). Der Widerstand ist sehr stark abhängig von Material, Form
und Temperatur des Körpers, ggf. auch von der Spannung U und I selber. Jeder Stromfluss
mit der Stromstärke I zwischen zwei Punkten eines Systems (Körper, Widerstand (resistor))
erzeugt einen Spannungsabfall U = R.I zwischen diesen Punkten.
Was besagt das OHM’sche Gesetz?
Bei vielen Materialien, u. a. bei Metallen, sind bei konstant gehaltener Temperatur Spannung
und Strom streng proportional. Solche ‚Widerstände’ heißen OHM’sche Widerstände. Für sie
gilt:
105
5.1 Der Gleichstromkreis
U
= const (T = const) .
I
(5.3)
Beispiele für Fälle, in denen das OHM’sche Gesetz nicht gilt, sind: Leitung in Gasen, Halbleiterdioden, Glühbirnen (T nicht konstant!)
Was ist der Inhalt der zwei KIRCHHOFF’schen Regeln?
Stromkreise sind i. a. ein Netzwerk aus eigentlichen Widerständen (einschl. Kontakte, Zuleitungen, die meist vernachlässigt werden), Kondensatoren und Spannungsquellen. Ein Beispiel
ist in Bild 5.2 gegeben. Nach Gustav KIRCHHOFF (1824 - 1887) gelten zwei Regeln:
R3
R2
C1
U1
R1
Bild 5.2 Beispiel für ein Netzwerk aus Stromkreisen
(i) Knotenregel: In jedem Punkt eines Leitersystems ist die Summe der ankommenden
Ströme gleich derjenigen der abfließenden:
Σk Ik = 0 .
(5.4)
Andernfalls würde sich Ladung ansammeln (Aufladungen), was in stationären Leitersystemen
nicht beobachtet wird. Das Aufladen einer einzelnen Kondensatorplatte ist hiermit natürlich
nicht gemeint; man muss die von der anderen Platte abfließende Ladung in den Stromkreis
einbeziehen!
(ii) Maschenregel: Entlang einer in sich geschlossenen Masche ist die Summe aller auftretenden Spannungen Null. Nach einem vollständigen Umlauf ist man ja wieder auf demselben
Potential angelangt. Enthält die Masche nacheinander Spannungsquellen Ui und Widerstände
Rj, so gilt insbesondere:
Σk Uk = Σi Ui − ΣRjIj = 0.
(5.5)
Anmerkung: Ströme fließen außerhalb von Spannungsquellen vom höheren (positiveren)
Potential zum niedrigeren (negativeren) Potential, die entsprechende ‚eingeprägte‘ Spannung
ist also wie in (5.5) negativ zu nehmen, wenn wir in der Masche entlang der (technischen)
106
5 Elektrische Leitungsvorgänge
Stromrichtung gehen; in einer Spannungsquelle gehen wir dann vom − Pol zum + Pol, und die
Spannung vom − Pol zum + Pol ist positiv zu nehmen.
Welcher Gesamtwiderstand ergibt sich aus hintereinander geschalteten Widerständen?
Kann der Widerstand der Zuleitungen vernachlässigt werden, so ergibt sich bei der Reihenschaltung von Widerständen (Bild 5.3 links) aus der KIRCHHOFFschen Maschenregel der
Zusammenhang U = IR1 + IR2 + IR3 + ... = IR bzw. als Gesamtwiderstand der
Reihenschaltung: R = R1 + R2 + R3 + ... .
(5.6)
R1
I1
I
R1
R2
+
R3
−
R2
I2
R3
I3
U
U
Bild 5.3 Zur Hintereinander- (links) und Parallelschaltung (rechts) von OHMschen Widerständen
Was ergibt sich bei der Parallelschaltung von Widerständen?
Bei der Parallelschaltung (Bild 5.3 rechts) kann man die Knotenregel erfolgreich anwenden.
Nach dieser Regel setzt sich der Gesamtstrom I aus den Teilströmen der einzelnen Verzweigungen gemäß I = I1 + I2 + I3 + .. = U/R1 + U/R2 + U/R3 + ... = U/R. Hieraus ergibt sich für
den Gesamtwiderstand R der
Parallelschaltung:
1 1
1
1
= +
+
+ ... .
R R1 R2 R3
(5.7)
Wie kann man zwei Widerstände als Spannungsteiler schalten?
Schaltet man zwei OHM’sche Widerstände wie in Bild 5.4 hintereinander, so besagt die
Maschenregel mit R = R1 + R2 dass für die Spannungen gilt: U = RI = R1I + R2I = U1 + U2
bzw. I = U/R = U1/R1 = U2 /R2. Hieraus ergibt sich, dass man heruntergeteilte Spannungen U1
und U2 abgreifen kann gemäß
U1 =
R1
U
R
U2 =
R2
U
R
U1 R1
=
.
U 2 R2
(5.8)
107
5.1 Der Gleichstromkreis
U1
U2
R1
R2
R
U
Bild 5.4 Spannungsteiler
Wie misst man mit der WHEATSTONEschen Brücke Widerstände?
Man hat bei der WHEATSTONEschen Brücke (Bild 5.5) Stromlosigkeit zwischen den Punkten A
und B, falls Ux = U3 und U2 = U4. Hieraus folgt mit Gl. (5.8) unmittelbar
U x Rx U 3 R3
=
=
=
U 2 R2 U 4 R4
bzw.
Rx = R2
Ux
Rx
R3
.
R4
(5.9)
U2
A
R2
I
U3
B
R3
U4
R4
U
Bild 5.5 Schaltbild einer WHEATSTONEschen Brücke. Von den Widerständen R3 und R4 braucht
nach Gl. (5.9) nur das Verhältnis bekannt zu sein!
Welche Klemmenspannung kann man einer realen Stromquelle entnehmen?
Das Ersatzschaltbild einer realen Stromquelle ist in Bild 5.6 links dargestellt. Eine reale
Stromquelle hat immer einen (möglichst kleinen) Innenwiderstand Ri. Infolgedessen ist die
über einem Verbraucher mit dem äußeren Verbraucherwiderstand Ra verfügbare Klemmenspannung Uk immer kleiner als die Leerlaufspannung U0. Nach der Maschenregel gilt nämlich
mit Gl. (5.5)
Uk = RaI = U0 − RiI
(5.10)
mit dem Kurzschlussstrom (Ra = 0) I0 = U0/Ri. Die Klemmenspannung als Funktion des entnommenen Stromes ist in Bild 5.6 rechts gezeigt.
108
5 Elektrische Leitungsvorgänge
RA
Uk
I
U0
Uk
I
U0
Rii
Bild 5.6 Ersatzschaltbild einer realen Stromquelle (links); Klemmenspannung Uk (rechts)
Wie sehen reale Spannungsmesser und Strommesser aus?
Das Ersatzschaltbild eines Spannungsmessers (Voltmeters) ist in Bild 5.7 links dargestellt.
Der Innenwiderstand Ri sollte möglichst groß sein, damit dem System wenig Strom entzogen
wird.
Das Ersatzschaltbild eines Strommessers (Amperemeters) ist in Bild 5.7 rechts gezeigt.
Sein Innenwiderstand Ri sollte möglichst klein sein. Über den Vorschaltwiderstand RV » Ri
kann man ein Amperemeter auch als Voltmeter benutzen. Wie?
A
Ri
B
Ri
A
I
B
V
Bild 5.7 Links: realer Spannungsmesser; rechts: realer Strommesser
Wie erweitert man den Messbereich von Volt- und Amperemetern?
Man kann im Fall des Voltmeters eine Spannungsteilerschaltung gemäß Bild 5.4 einsetzen
oder einen großen Widerstand RV in Serie zum Innenwiderstand Ri eines Amperemeters (Bild
5.7 rechts) benutzen. Die Spannung ergibt sich in letzterem Fall aus dem gemessenen Strom I
zu U = (RV + Ri)·I.
Der Messbereich eines Amperemeters wird erweitert, indem dem Innenwiderstand Ri ein
entsprechen größerer Widerstand RV parallel geschaltet wird. Der zu messende Strom I verzweigt sich im Verhältnis I = IiRV/Ri wobei Ii der Ausschlag des Amperemeters ist.
In jedem Falle erfordert eine genaue Messung eine sorgfältige Betrachtung der Verfälschung durch Innen- und Vorschaltwiderstände. Setzt man beispielsweise vor ein Voltmeter
eine komplette Spannungsteilerschaltung nach Bild 5.4, so sollten die verwendeten Widerstände R1 und R2 deutlich kleiner sein als der Innenwiderstand Ri des Voltmeters selbst, da
109
5.1 Der Gleichstromkreis
dieser einem der beiden Widerstände parallelgeschaltet ist und die Spannungsteilerschaltung
verfälscht. Man kann dies natürlich auch noch nachträglich rechnerisch korrigieren.
Was versteht man unter der POGGENDORFFschen Kompensationsschaltung?
Die POGGENDORFF’sche Kompensationsschaltung erlaubt eine belastungslose Messung einer
Spannung Ux durch Vergleich mit einer bekannten Spannung U0. Die in Bild 5.8 gezeigte
Schaltung ist stromlos, d. h. sie belastet die Spannungsquelle Ux nicht, falls I = 0, d. h.
Ux =
Rx
U0 .
R
(5.11)
I
R
RV
U0
Ux
Rx
Bild 5.8 POGGGENDORFF’sche Kompensationsschaltung
Da Rx erst durch ‚probieren‘ gefunden werden muss, schützt man die Spannungsquelle Ux
durch einen Vorwiderstand RV gegen allzu große Stromentnahme.
Was sind Arbeit und Leistung eines Stroms?
Bei Stromfluss wird die Ladungsmenge ∆Q = I∆t in einem elektrischen Feld bewegt bzw.
durchläuft die Spannung U. Damit ist eine Arbeit
∆W = ∆Q ⋅ U = U ⋅ I ⋅ ∆t
(5.12)
verbunden. Die Einheit ist natürlich das Joule oder die Wattsekunde, im elektrischen Falle
spricht man auch von Voltamperesekunde: 1 J = 1 Ws = 1 VAs. Im technischen Bereich ist
die Kilowattstunde (kWh) gebräuchlich: 1kWh = 3,6.106 Ws = 3,6 MW.s.
Die Leistung (‚Arbeit durch Zeit’, ggf. als Momentanwert, Einheit Watt (W): 1W = 1VA)
ist mit (5.12) gegeben durch
P=
Arbeit ∆W
=
= UI .
Zeit
∆t
(5.13)
Was bezeichnet man als JOULE’sche Wärme?
Bei Stromfluss durch einen Körper wird die Stromarbeit (durch ‚Reibung’ der Ladungsträger)
in JOULE’sche Wärme umgewandelt. Die an einem Widerstand R verbrauchte Leistung ist
110
5 Elektrische Leitungsvorgänge
P = UI = RI2 = U2/R.
(5.14)
Beispielsweise führt ein 1kW-Tauchsieder in 100 s einem Liter Wasser 100 kJ zu. Die Temperatur erhöht sich um ∆T = (100:4,2) K = 23,8 K, wobei das Wärmeäquivalent 4,2 kJ/K ist.
5.2 Elektrische Leitungsvorgänge in Festkörpern
Wie erfolgt Stromtransport in Festkörpern?
Stromtransport kann nur durch ‚frei bewegliche‘ Ladungsträger (Teilchenzahldichte n) erfolgen, die im elektrischen Feld bewegt werden. Stromdurchflossene Festkörper bleiben elektrisch
neutral, die Ladungsdichten positiver und negativer Ladungen sind überall gleich: nq+ = nq−.
Elektronenleitung: Ströme in Festkörpern sind i. a. nicht mit Materietransport verbunden.
Beweglich sind hier nur leichte Elektronen (q−), die positiven Ladungen (q+) sitzen auf
ortsfesten Ionen. Dies kann man durch Versuche demonstrieren, die auf TOLMAN zurückgehen: Auf die frei beweglichen Elektronen wirken in beschleunigten Metallkörpern Trägheitskräfte gemäß qE = ma. Gefunden wird ein spezifische Ladung −e/m wie für freie Elektronen.
Ionenleitung bzw. Mischformen aus Ionen- und Elektronenleitung (q+ und q− beweglich)
sind in Festkörpern selten, man findet sie z. B. in Salzen oder Gläsern. Die Ionenleitung ist
allerdings wesentlich in Flüssigkeiten und Gasen.
Was ergibt sich für den OHMschen Widerstand eines Körpers
Der OHM’sche Widerstand eines Körpers ergibt sich zu
U
l
= const = R = ρ .
I
A
(5.15)
Aus Bild 5.9 wird plausibel (vergl Bild 5.3), dass der Widerstand R proportional zur Länge l
und umgekehrt proportional zur Querschnittsfläche A des Widerstands ist. Der spezifische
Widerstand ρ ist material- und temperaturabhängig.
l
A
Bild 5.9 Zum Widerstand eines Körpers (5.15)
Wie deutet man das OHM’sche Gesetz?
Man hat nach DRUDE folgende Modellvorstellung der Elektronenleitung im Metall. Elektronen bewegen sich wie freie Gasteilchen im Kastenpotential, d. h. sie können sich innerhalb
5.2 Elektrische Leitungsvorgänge in Festkörpern
111
des Metalls frei bewegen, dieses aber an seiner Oberfläche nicht verlassen. Ein angelegtes
elektrisches Feld setzt das ‚Elektronengas’ in Bewegung, wobei Stöße mit schwingenden
Ionenrümpfen bzw. Gitterfehlstellen zur ‚Reibungskraft’ −βv führen. Dies resultiert nach den
Gesetzen der Dynamik in einer konstanten Wanderungs- oder Driftgeschwindigkeitkeit vD:
mvɺ = qE − β v D = 0
bzw.
vD =
q
E = µE ,
β
(5.16)
wobei µ als Beweglichkeit bezeichnet wird. Im Grunde ist dies bereits die Erklärung für das
OHM’sche Gesetz, denn es ist der Strom (transportierte Ladung pro Zeit!) sicher proportional
zur Driftgeschwindigkeit und die Spannung U proportional zum elektrischen Feld E, während
die Beweglichkeit eine Materialkonstante ist, die nur von der Temperatur abhängt.
Genauer argumentiert man so: In einem Leiterstück der Elektronenkonzentration n = N/V
und der Länge l, an dem die Spannung U anliegt, herrscht das elektrische Feld E = U/l. Im
Zeitintervall ∆t durchlaufen die driftenden Elektronen die Wegstrecke vD∆t bzw. das
Volumen A vD∆t (Bild 5.10). Hieraus ergibt sich der Strom
I=
∆Q nq∆V
A
=
= nqAv D = nqAµE = nqµ U .
∆t
∆t
l
(5.17)
A
∆x = vD.∆t ; ∆V = A∆x = AvD.∆t
Bild 5.10 Zur Ableitung des QHMschen Gesetzes
Die durch eine Reibungskraft hervorgerufene konstante kollektive Driftgeschwindigkeit vD
liefert somit das OHM’sche Gesetz
U
1 l
l
=
= ρ = R = const .
I nqµ A
A
(5.18)
Was sind spezifische Leitfähigkeit und spezifischer Widerstand?
Man kann mit Hilfe von E = U/l und der Stromdichte j = I/A das OHM’sche Gesetz (5.18) auch
schreiben als
j = nqµE = σE,
(5.19)
wobei mit σ = nqµ die spezifische Leitfähigkeit (Einheit Ω−1m−1) bezeichnet wird. Wir haben
hier E = U/l gesetzt und den Vektorcharakter von j und E berücksichtigt
Unbekannt sind zunächst µ und n (ggf. n+ und n−) bzw. die Driftgeschwindigkeit vD, messbar ist hingegen σ (bzw. ρ bzw. R). Für Metalle hat man n− ≤ 1029 m−3. Hieraus ergeben sich
typische Driftgeschwindigkeiten von nicht mehr als Bruchteile von Millimetern pro Sekunde!
112
5 Elektrische Leitungsvorgänge
Wie definiert man Leiter, Halbleiter und Nichtleiter?
Die spezifische Leitfähigkeit σ ist material- aber auch temperaturabhängig und ggf. auch
abhängig von Druck, Magnetfeld, Bestrahlung mit Licht, usf. In Tabelle 5.1 sind einige Beispiele von Leitfähigkeiten aufgeführt, die zeigen, dass diese mehr als 22 Zehnerpotenzen umfasst.
Tabelle 5.1 Typische Werte der Leitfähigkeit in Ω−1m−1 bei Zimmertemperatur
Kupfer
Konstantan (Ni, Cu, Zn)
Germanium (Reinheit!)
Quarzglas
5,9.107
2.106
101 ... 103
10−15
Man bezeichnet Materialien mit Leitfähigkeiten > 106 Ω−1m−1 als Leiter, Halbleiter haben
typisch 101 ... 103 Ω−1m−1 und deutlich darunter (< 10−1 Ω−1m−1) liegen Nichtleiter. Eine
Deutung dieser Eigenschaften kann nur im Rahmen der Quantenphysik des Festkörpers (Bändermodell) gegeben werden.
Man kann freie Ladungsträger in Halbleitern durch Lichteinstrahlung (Photoleiter) oder
Dotierung (Einfügung von Fremdatomen) erzeugen und so die Leitfähigkeit von Halbleitern
stark beeinflussen.
Durch welche Faktoren wird die Leitfähigkeit in Festkörpern temperaturabhängig?
Die Leitfähigkeit σ = nqµ ist das Produkt aus Ladungsträgerkonzentration n, Ladung e des
einzelnen Ladungsträgers (Elektrons) und der Beweglichkeit µ der Elektronen. Damit ist die
Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit durch σ(T) = n(T)qµ(T) gegeben.
Für die Ladungsträgerkonzentration gilt n(T) = n0exp(−∆W/kT) wobei ∆W eine
‚Aktivierungsenergie’ darstellt (sie wird im Rahmen der Quantenphysik der Festkörper verständlich). Bei Zimmertemperatur ist kT ≈ 25meV. Für Metalle gilt ∆W = 0 (d. h. n(T) = n0 =
const), für Halbleiter ∆W ≈ 0,5 ... 2 eV und für Nichtleiter ∆W ≈ ≥ 3 eV. Die Beweglichkeit
nimmt mit steigender Temperatur generell ab (vermehrte Stöße der Elektronen mit schwingenden Atomrümpfen).
Wie verhalten sich Metalle und Halbleiter bei Erwärmung?
Bei Metallen ist die Konzentration an freien Elektronen konstant, der Widerstand nimmt aufgrund der Schwingungen der Atomrümpfe mit steigender Temperatur zu. Es gilt in guter
Näherung σ ≈ σ0(T0)(1 − α∆Τ) bzw. für den spezifischen Widerstand ρ ≈ ρ0(T0)(1 + α∆T).
Beispielsweise gilt αCu = 4,3.10−3 K−1, αKonstantan = 4,3.10−5 K−1.
113
5.2 Elektrische Leitungsvorgänge in Festkörpern
Bei Halbleitern nimmt die Ladungsträgerkonzentration exponentiell zu und überkompensiert die Verminderung der Beweglichkeit bei weitem. Dadurch nimmt die Leitfähigkeit stark
zu (negativer Temperaturkoeffizient, NTC α < 0). Durch Mischung von metallisch und
halbleitenden Materialien erhält man temperaturkonstante Widerstände (α = 0).
Wie verhalten sich Metalle bei sehr tiefen Temperaturen?
Bei manchen reinen Metallen gilt für den spezifischen Widerstand ρ ≈ ρ0αT, häufig aber auch
ρ = const.T3/2. Bei Annäherung an den Nullpunkt ergibt sich in der Praxis ein Restwiderstand
ρ0 durch Gitterstörungen und Verunreinigungen (Bild 5.11). Die Messung des Restwiderstandes ermöglicht eine Aussage über das Ausmaß noch vorhandener Gitterstörungen: Für einen
absolut idealen Kristall würde der Restwiderstand verschwinden.
ρ
ρ0
Supraleiter
TC
T
Bild 5.11 Spezifischer Widerstand bei niedrigen Temperaturen
Was ist Supraleitung?
Bei manchen Elektronenleitern (z. B. Hg) nimmt der spezifische Widerstand unterhalb einer
Sprungtemperatur TC (typisch < 15 K) dramatisch auf einen unmessbar kleinen Wert ab (Bild
5.11). Gleichzeitig ändert sich sein magnetisches Verhalten (Abschn. 6.2). Dieses Phänomen
nennt man Supraleitung. Es ist ein schwer zu deutender Quanteneffekt.
Technisch wichtig sind Supraleiter mit hohen Sprungtemperaturen. Beispielsweise hat das
Keramikmaterial YBa2Cu3O7 eine Sprungtemperatur von TC = 92 K. Diese Temperatur lässt
sich bereits durch Kühlung mit flüssigem Stickstoff erreichen.
Was wird als SEEBECK- und was als PELTIER-Effekt bezeichnet?
Zwei gleichartige Kontakte aus zwei verschiedenen Materialien zeigen keine Kontaktspannungsdifferenz. Sind die Kontakte allerdings auf verschiedenen Temperaturen, so erhält man
messbare Kontaktspannungsdifferenzen (Thermospannung, ‘Thermoelement’, Abschn. 4.3).
SEEBECK-Effekt: Bei geschlossenem Kreis fließt ein ggf. kräftiger Strom aufgrund der
Thermospannung; dabei wird die heiße Kontaktstelle gekühlt und die kalte erwärmt, was auf
114
5 Elektrische Leitungsvorgänge
Dauer zum Temperaturausgleich und zum Absinken der Thermospannung führt, falls der
Temperaturunterschied nicht weiter aufrecht erhalten wird.
PELTIER-Effekt: Ein Stromfluss durch eine Kontaktstelle erhöht bzw. erniedrigt deren Temperatur je nach Stromrichtung. Der Effekt wird gleichermaßen zum Kühlen und zum Heizen
genutzt.
Was sind die Grundzüge der Halbleiterelektronik?
Die Leitfähigkeit von Halbleitern wird durch Dotieren (gezielte Verunreinigung) mit Fremdatomen stark beeinflusst. Man bezeichnet die Leitung solcher dotierten Halbleiter als Störstellenleitung. Sogenannte Donatoren setzen Elektronen frei (n-Leiter), Akzeptoren nehmen
Elektronen auf (p-Leiter).
In der Halbleiterelektronik macht man sich zunutze, dass die Leitfähigkeit durch Dotierung
auch richtungsabhängig wird (p-n-Übergang) und baut damit die verschiedensten Schaltungselemente (Dioden, Gleichrichter, Transistoren, .... , Integrierte Schaltkreise). In Bild 5.12 ist
als Beispiel die Strom-Spannungs-Kennlinie einer Halbleiterdiode gezeigt.
Man erhält auch eine Erhöhung der Leitfähigkeit auch durch Lichtanregung (Photodiode,
Photoleiter, etc).
I
+U
0
Bild 5.12 Strom-Spannungs-Kennlinie einer Halbleiterdiode. In Durchlassrichtung (größere positive Spannungen) ist der Widerstand relativ gering (erkennbar am steilen Stromanstieg), in Sperrrichtung (negative Spannung) sehr viel größer (geringer Sperrstrom). Man kann eine solche Diode
daher auch als Gleichrichter eine Wechselspannung einsetzen. Bei zu hohen (negativen) Sperrspannungen ‚bricht‘ die Diode allerdings ‚durch‘ (ZENER-Effekt).
5.3 Elektrische Leitungsvorgänge in Flüssigkeiten
Unter welchen Voraussetzungen leiten Flüssigkeiten?
Reine Flüssigkeiten wie Wasser oder Benzol sind Nichtleiter (flüssige Metalle und Salze ausgenommen). Offenbar sind dann keine frei beweglichen Ladungsträger vorhanden. Elektrolytlösungen (Salze, Säuren, Basen in Wasser gelöst) leiten hingegen abhängig von der Konzentration der Lösung bis mittelgut.
5.3 Elektrische Leitungsvorgänge in Flüssigkeiten
115
Zur Deutung nimmt man an, dass Moleküle der Salze, Säuren, Basen (z. B. CuSO4, HCl,
KOH) bereits beim Lösen z. T. in geladene Bruchstücke (Ionen) zerfallen (Dissoziation,
Hydratisierung). Darauf weist hin, dass Stromfluss schon bei kleinsten elektrischen Feldern
einsetzt, also kein zusätzliche Aktivierungsenergie nötig ist. Weiterhin weisen Messungen der
Siedepunktserhöhungen darauf hin, das ein Elektrolytmolekül beim Lösen in zwei Teilchen
zerfällt.
Wie beschreibt man die Ionenleitung in Flüssigkeiten?
Die Ionen bewegen sich im elektrischen Feld mit Reibung an Lösungsmolekülen. Man findet
ein OHM’sches Gesetz: Die Stromdichte
j = j+ + j− = ρ(vD+ + |vD−|) = ρ(µ+ + µ−)E = (σ+ + σ−)E
(5.20)
setzt sich dabei aus unterschiedlich geladenen Bruchstücken der Elektrolytmoleküle (Ionen)
zusammen, die mit unterschiedlichen Driftgeschwindigkeiten vD wandern, während die
Ionenladungsdichten ρ = ρ+ = −ρ− zunächst gleich groß sind.
Unter Kationen versteht man die positiven Ionen (z. B. Cu2+, H+(genauer: H3O+), K+), die
zur Kathode (−Pol) wandern, während die Anionen negative Ionen (z. B. SO42−, Cl−, OH−)
sind, die zur Anode (+Pol) wandern.
Wie hängt die Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen von der Temperatur ab?
Die Leitfähigkeiten σ± nehmen mit steigender Temperatur zu, ganz im Gegensatz zur metallischen Leitung. Offenbar nehmen die Beweglichkeit der Ionen und ggf. der Dissoziationsgrad,
d. h. die Ladungsträgerkonzentration zu.
Welche Vorgänge spielen sich an den Elektroden ab?
Aufgrund der unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten kommt es in der Umgebung
der Elektroden zu Konzentrationsänderungen der verschiedenen Ionensorten, aus denen man
auf ihre Wanderungsgeschwindigkeiten schließen kann.
Die positiv geladenen Ionen (Kationen) nehmen an der Kathode Elektronen auf, während
die Anionen überschüssige Elektronen in gleicher Rate an die Anode abgeben. Dadurch fließt
auch Strom durch den äußeren Leiter, der die Elektroden mit der Spannungsquelle verbindet.
An den Elektroden werden die Ionen neutralisiert und scheiden sich ab oder reagieren mit
dem Lösungsmittel oder den Elektroden (Polarisation, Auftreten einer schwer kontrollierbaren
Polarisationsspannung). Wir erhalten mit der Zeit deutliche chemische Veränderungen des
Elektrolyten und der Elektroden und Abscheidungs- und Reaktionsprodukte (Elektrolyse).
Die Elektrolyse ist schädlich für Leitfähigkeitsmessungen. Solche sollte man daher nur mit
Wechselspannungen vornehmen. Es kehren sich die Stromrichtung und damit die Richtung
116
5 Elektrische Leitungsvorgänge
der chemischen Reaktionen dann so häufig um, dass keine dauerhafte Veränderung des Elektrolyten und der Elektroden erfolgt und die Leitungseigenschaften konstant bleiben.
Welche Anwendung der Elektrolyse können Sie nennen?
Bei der Elektrolyse von Laugen wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zersetzt. Benutzt
man beispielsweise Kalilauge, so wird K+ an der (Platin-) Kathode neutralisiert und reagiert
sofort mit Wasser zu K+ + OH− + H+, bleibt also in Lösung; statt dessen wird Wasserstoff
gebildet: 2H+ + 2e− → H2. An der (Platin-) Anode wird gemäß der folgenden Reaktion Sauerstoff gebildet: 4OH− → 2H2O + O2 + 4 Elektronen.
Zur Beschichtung von Elektroden mit Metallen z. B. mit Kupfer wird Kupfersulfat als
Elektrolyt und eine Kupferanode verwendet: An der Kathode schlägt sich Kupfer nieder
(Neutralisation von Cu2+), an der Kupferanode lösen die SO42−-Ionen Kupfer aus und bleiben
in Lösung. Effektiv wandert nur Kupfer von der Anode zur Kathode.
Welche Ströme gelten als tödlich?
Ein Stromschlag durch niederfrequente Ströme von mehr als 50 mA gilt als tödlich (Elektrolyse in Zellen). Bei geringeren Strömen erfolgt Ausgleich der Elektrolyse durch Diffusion.
Bei hohen Frequenzen (> 100 kHz) verhindert eine schnelle Umkehr der Reaktion dauerhafte
Schäden durch Elektrolyse, und selbst massive Ströme sind unschädlich. Weitere Folgen von
Stromfluss durch den menschlichen Körpers sind Verbrennungen und Herzschlag.
Wie lauten die FARADAYschen Gesetze der Elektrolyse?
1. FARADAY’sches Gesetz: Die an einer Elektrode vom Strom I in einem Zeitintervall ∆t abgeschiedene Masse ∆m eines Stoffes ist der durch die Zelle geflossenen Ladung ∆Q = I∆t proportional:
∆m = = AQ = AI∆t.
(5.21)
Man nennt die Materialkonstante A elektrochemisches Äquivalent. So wird durch einen
Strom von 1 A pro Sekunde 1,118 mg Silber abgeschieden, was früher als Definition des
Ampere diente.
2. FARADAY’sches Gesetz: Die Abscheidung eines Mols eines Stoffes erfordert stets ein
ganzzahliges Vielfaches der Ladung
F = 96485,309(29) As (C) .
(5.22)
Die Abkürzung F wird als FARADAY-Konstante bezeichnet.
Mit dem 2. FARADAYschen Gesetz wird beispielsweise das elektrochemische Äquivalent
von Silber (Ag) verständlich: Die Abscheidung von 1 mol Ag (107,87 g) erfordert die Ladung
1F was dem oben angegebenen Wert von A = 1,118 mg/(As) entspricht. Die Abscheidung von
1 mol Cu (63,55 g) erfordert hingegen 2F.
117
5.3 Elektrische Leitungsvorgänge in Flüssigkeiten
Die Vielfachheit z = 1, 2, 3, ... erweist sich als die Wertigkeit des betreffenden Stoffes.
Wie deutet man die FARADAYschen Gesetze?
Die beiden Gesetze sind äquivalent. Man deutet heute das zweite Gesetz folgendermaßen:
Jedes Mol eines Elektrolyten zerfällt bei der Dissoziation in insgesamt NA = 6,023.1023 Ionen
pro Ionensorte, die z-fach geladen sind. Zur Abscheidung von 1 mol ist daher die Ladung
Q = NA.ze = zF
(5.23)
erforderlich. Zum Beispiel zerfällt 1 mol CuSO4 in 1mol Cu2+ (und 1mol SO42−). Die
Abscheidung von Cu durch Elektrolyse erfolgt gemäß Cu2+ + 2e− → Cu. Man muss also, um
1 mol Cu abzuscheiden, 1 mol Cu2+ die Ladung 2NAe− = 2 F aufnehmen lassen.
Wie hängen Elementarladung, AVOGADRO-Zahl und FARADAY-Konstante zusammen?
Da zu FARADAYs Zeiten die Existenz einer Elementarladung keineswegs bekannt war, hat man
das zweite FARADAY’sche Gesetz zu recht als Hinweis auf eine solche interpretiert. Hieraus
ergab sich die Deutung mit Gl. (5.23). Für die Elementarladung gilt danach
e=
F
= 1,60217733(49).10−19 As (C).
NA
(5.24)
Was versteht man unter einem Primärelement?
Primärelemente bestehen aus zwei Elektroden unterschiedlichen Materials, die Kontakt zu
einem Elektrolyten haben. Aufgrund der Kontaktspannungen lassen sich solchen Elementen
auch Ströme entnehmen. Dabei verändern sich die Elektroden durch Polarisation: Es löst sich
z. B. die unedlere Kathode auf und das edlere Ion schlägt sich auf der Anode nieder oder eine
Elektrode überzieht sich mit dem Material der anderen. Letzteres ist schädlich und wird nach
Möglichkeit vermieden, wenn man leistungsfähige Elemente haben will. Man schafft eine
Umgebung, die die unerwünschte Reaktion aufnimmt oder taucht die Elektrode in die Lösung
eines seiner Salze und verhindert den Austausch der Metallionen (DANIELL-Element).
Wenn der Elektrolyt bzw. das Elektrodenmaterial aufgebraucht ist, ist das Element ‚leer‘.
Wie funktioniert ein wiederaufladbares Sekundärelement?
Während zwei gleiche Elektroden im Elektrolyten keine nutzbare Kontaktspannung ergeben,
werden sie durch einen ‘Ladestrom’ durch Elektrolyse ggf. chemisch verändert (Polarisation,
Reaktion mit jeweiligen Ionen). Die Elektroden werden dadurch mit unterschiedlichem Material ‘überzogen’ und liefern dann eine Polarisationsspannung bzw. einen ~strom.
118
6 Elektromagnetismus
Ein technisch wichtiges Beispiel ist der Blei-Akkumulator: Zwei Bleiplatten überziehen
sich in verdünnter Schwefelsäure (2H+ + SO42− ) zunächst mit PbSO4 (Bleisulfat). Beim
Laden und Entladen spielen sich an den Elektroden folgende Vorgänge ab:
Kathode: PbSO4 + 2H+ + 2e−
→ (Laden)
Pb + H2SO4 .
(5.25)
→ (Laden)
PbO2 + 2H2SO4 + 2e− .
← (Entladen)
(5.26)
← (Entladen)
Anode : PbSO4 + SO42− + 2H2O
Bei voller Ladung entsteht die Polarisationsspannung U(Pb+ - PbO2−) = 2,02 V.
Ein weiteres Beispiel ist das wiederaufladbare Ni-Cd-Element.
5.4 Leitungsvorgänge in Gasen
Was versteht man unter unselbständiger Leitung in Gasen?
Gase sind im Normalzustand Nichtleiter, denn es existieren keine freien Ladungsträger. Man
kann daher bei nicht zu hohen Spannungen nur unselbständige Leitung erzeugen, indem man
künstlich freie Ladungsträger erzeugt. Die dazu erforderliche Ionisation der Gasteilchen
erfolgt als Temperaturionisation (Stöße der Gasmoleküle in Flammen) oder als Strahlungsionsation durch Einstrahlung von energiereichem Licht oder anderen Teilchen (Radioaktivität).
Die Kennlinie einer unselbständigen Gasentladung - d. h. der Strom als Funktion der angelegten Spannung - verläuft wie folgt: Bei kleinen Spannungen ist Rekombination von Elektronen und Ionen möglich, d. h. nicht alle erzeugten Ladungsträger gelangen an die Elektroden
und der Strom sinkt gegen verschwindende Werte, wenn die Spannung zu gering wird. Bei
zunehmender Spannung werden alle künstlich erzeugten Teilchen abgesaugt, und man erhält
einen konstanten Sättigungsstrom, der proportional zur Ionisierungsrate ist. Vergrößert man
die Spannung erheblich, dann werden insbesondere die Elektronen so energiereich (e∆U ≥
Ionisierungsenergie), dass weitere Gasteilchen ionisiert werden und eine Ladungsträgerlawine
entsteht.
Was ist selbständige Leitung?
Auch ohne künstlich erzeugte freie Ladungsträger kommt es bei genügend hohen Spannungen
(einige 10 kV/m) zu einem Leitungsvorgang. Er beginnt mit einer ‘Gasentladung’: Einzelne
Ionen entstehen immer (z. B. durch natürliche Radioaktivität), und diese lösen eine Ladungsträgerlawine aus. Es kommt dann auch deshalb zu einer Dauerentladung, weil in Kathodennähe immer wieder neue Elektronen ausgelöst werden und fortwährend Stoßlawinen entstehen.
Selbständige Leitung setzt bei niedrigen Drücken schon bei geringeren Spannungen ein, da
die mittleren freien Weglängen, auf denen Ladungsträger ungestört beschleunigt werden,
immer größer werden. Bei extrem großen Feldstärken ist sogar Feldionisation, d. h. direkte
6.1 Ströme und Magnetfelder
119
Ionisation durch das elektrische Feld, möglich. Wird der Druck allerdings zu gering, so unterbleibt die Entladung bei zu geringen Spannungen, da keine effektive Stoßlawine entstehen
kann.
Leuchterscheinungen beruhen auf elektronischen Anregungen der Gasteilchen und sind
abhängig von Bauform und Betrieb der Gasentladung.
Was versteht man unter einer Spitzenentladung?
Ist die Spannung (genauer: die elektrische Feldstärke) genügend hoch, so kommt es immer zu
einer selbständigen Spitzenentladung, die in der Regel aber zwischendurch abbricht, weil sich
die Feldstärkeverhältnisse durch die Entladung verändern. Unter geeigneten Verhältnissen
kommt es, wie oben beschrieben, zu einer Dauerentladung.
Die Durchschlagsfestigkeit einer Anordnung aus Elektroden ist von der Form und dem
Abstand der Elektroden - es ist ja die Feldstärke entscheidend - und dem Gasdruck zwischen
den Elektroden abhängig! Man beobachtet beispielsweise in freier Luft Funkenentladung zwischen zwei Kugeln vom Radius 2,5 cm bei 20 kV im Abstand von ≤ 5,8 mm.
Was bezeichnet man als Plasma?
In einer Gasentladung entstehen geladene Teilchen durch Elektronen- und Ionenbeschuss ggf. auch aus den Elektroden herausgelöst. Bei sehr hohen Temperaturen werden Elektronen
und Ionen auch ohne elektrisches Feld erzeugt (thermische Ionisation z. B. in Flammen).
Besteht das ‚Gas‘ überwiegend aus geladenen Bruchstücken, so spricht man von einem
Plasma.
Wie funktioniert ein GEIGER-MÜLLER-Zählrohr?
Energiereiche Strahlung weist man durch ihre ionisierende Wirkung nach (Ionisationskammer). Beim GEIGER-MÜLLER-Zählrohr ist ein dünner Draht auf der Achse eines Rohres isoliert
aufgehängt.
Beim Proportionalzählrohr sind Druck im Rohr und (positive) Spannung am Draht so
gewählt, dass durch unselbständige Entladung ein Strom proportional zur Ionisierungsrate
gemessen wird. Der Spannungsimpuls ist proportional zur Zahl der erzeugten Ionen und lässt
Rückschlüsse auf die Energie des ionisierenden Teilchens zu.
Beim Auslösezählrohr werden Druck und Spannung so eingestellt, dass noch keine selbständige Entladung erfolgt. Ein einzelnes energiereiches Teilchen in der Umgebung des dünnen Drahtes, wo die Feldstärke groß ist, löst dann eine selbständige Entladung aus, die als
elektrischer Impuls nachgewiesen wird. Die Höhe des Impulses ist aber weitgehend unabhängig von der Energie des Teilchens. Wichtig ist die Selbstlöschung durch den Spannungszusammenbruch, denn dann ist das Zählrohr sofort wieder bereit, ein weiteres Teilchen nachzuweisen (geringe Totzeit).
120
6 Elektromagnetismus
Nennen Sie einige Anwendungen und Phänomene der Gasentladung.
Zu den Phänomenen der Leitung in Gasen gehören Funken-, Blitz- und Koronaerscheinungen
(Elmsfeuer). Technische Anwendungen sind Glimm- und Entladungslampen (Blitzlichtgeräte), Leuchtstoffröhren, Kohlenbogenlampe, Elektroschweißen, etc.
Wie erzeugt man freie Elektronen im Vakuum?
Elektronen sind gewöhnlich in Atomen, Molekülen, Flüssigkeiten und Festkörpern gebunden.
Um sie auszulösen, muss man Austrittsarbeiten (Ionisierungsenergien) von typisch mindestens 2 - 10 eV aufbringen.
Man erzeugt freie Elektronen durch (i) Glühemission aus Metallen (‚Verdampfen‘ der
freien Leitungselektronen durch Wärmezufuhr), (ii) Ionisation in Gasentladungen (‚Kathodenstrahlen‘), (iii) Photoemission durch Absorption von Licht, (iv) Feldemission (starke elektrische Felder, z. B. an Metallspitzen, ziehen Elektronen durch den Tunneleffekt ‚direkt‘ aus
Materie) oder (v) Sekundärelektronenemission nach Teilchenbeschuss (Anwendung: Sekundärelektronenvervielfacher).
Ionen entstehen durch ähnliche Prozesse, insbesondere aus Gasentladungen (‘Kanalstrahlen’).
Welche Energie gewinnen geladene Teilchen bei freiem Flug in einem elektrischen Feld?
Die Bewegung geladener Teilchen im elektrischen Feld ist durch die Bewegungsgleichung
mvɺ = qE
(5.27)
gegeben. Beim Durchlaufen der Spannung U gewinnt das Teilchen die Energie qE⋅d = qU.
Startet es mit der Geschwindigkeit v0 so ergibt sich nach Durchlaufen der Spannung als kinetische Energie (nichtrelativistischer Grenzfall v « Lichtgeschwindigkeit)
Ekin =
1 2 1 2
mv = mv 0 + qU .
2
2
(5.28)
Welche Anwendungen basieren auf der Bewegung freier Ladungsträger im Vakuum?
Die Ablenkung geladener Teilchen in elektrischen (und magnetischen) Feldern gestattet die
Messung der spezifischen Ladung q/m bzw. - falls diese als bekannt vorausgesetzt wird - die
Bestimmung der Energie von geladenen Teilchen. Die ‚Führung’ geladener Teilchenstrahlen
nutzt man in Monitoren (Fernsehröhre, etc.) aus. Glühkathodenröhren (steuerbare Gleichrichter) spielen auch heute noch eine Rolle bei speziellen elektronischen Geräten.
6 Elektromagnetismus
Welche magnetische Erscheinungen kann man beobachten?
Permanentmagnete (Magnetgestein, Magnetnadel, Erdmagnetfeld, ...usf.) üben Kräfte aufeinander und auf magnetisierbare Körper aus. Daher kann man Magnetfeldlinien (‘Kraftlinien’)
mit Eisenfeilspänen darstellen. Des weiteren findet man, dass Ströme Kräfte auf magnetisierbare Körper und auf andere Ströme ausüben. Letzteres bemerkt man als Kraftwirkung auf
stromdurchflossene Leiter.
6.1 Ströme und Magnetfelder
Wie deutet man magnetische Erscheinungen?
Als Ursache magnetischer Erscheinungen (AMPÈRE’sche Deutung) findet man: Bewegte
Ladungen (Ströme) erzeugen Magnetfelder und diese üben Kräfte auf andere bewegte Ladungen aus. Permanentmagnete und magnetisierbare Körper wirken wie magnetischer Dipole
(aus zwei magnetischen Ladungen), sind aber das Resultat von atomaren Kreisströmen (kreisende Elektronen).
Alle magnetischen Erscheinungen beruhen auf Kreisströmen; es gibt keine magnetischen
Ladungen (magnetische Monopole). Magnetische Feldlinien sind daher immer geschlossen,
im Gegensatz zu elektrischen Feldlinien, die im Allgemeinen elektrischen Ladungen entspringen und auf ihnen enden.
Das Elektron ist selbst ein elementarer Magnet, d. h. die Ladung ‘kreist irgendwie’ um sich
selbst herum, hat also auch einen Eigendrehimpuls (Drall, Spin) (Nachweis durch EINSTEINDE-HAAS-Effekt, Drehimpulserhaltung).
122
6 Elektromagnetismus
Welche Feldlinienbilder ergeben stromführende gerade Leiter, Kreisstrom und Spule?
Einige typische Feldlinienbilder sind in Bild 6.1 gezeigt. Ein langer gerader Leiter baut um
sich herum ein kreisförmiges Magnetfeld auf. Zur Verknüpfung wird die magnetische Feldkonstante µ0 = 4π⋅10−7 Vs/(Am) benötigt. Eine stromdurchflossene Kreisschleife hat ein Feld
ähnlich einem elektrischen Dipol. Man bezeichnet ein solches Feld daher auch als das Feld
eines magnetischen Dipol, obwohl es nur so aussieht, als rühre es von einem Dipol aus zwei
(magnetischen) Ladungen her.
Eine längere Spule erzeugt in seinem Innern ein nahezu homogenes Magnetfeld.
I
B
B = µ0
I
2 πr
Magnetischer
Dipol
B = µ0 I
N
l
Bild 6.1 Feldlinienbilder einiger Stromanordnungen
Was bezeichnet man als LORENTZ-Kraft?
Ein Magnetfeld übt Kräfte (nur) auf bewegte Ladungen aus (z. B. BARLOW’sches Rad). Die
Kraft auf eine bewegte Ladung q im Magnetfeld B steht senkrecht zu seiner Geschwindigkeit
v und zum Feld B und wird als
LORENTZ-Kraft FL = q(v × B )
(6.1)
bezeichnet. Sie steht daher senkrecht auf der von v und B gebildeten Ebene und verschwindet,
falls v und B in einer Richtung liegen. Der Betrag ist
FL = qvBsinα,
(6.2)
wobei α der Winkel zwischen v und B ist.
Das Vektorfeld B wird als magnetische Flussdichte (auch magn. Induktion) bezeichnet.
Die Einheit der magnetischen Flussdichte ist das Tesla (T): 1T = 1N/(Am) = 1Vs/m2.
Wie hat man magnetische Erscheinungen nach dem Relativitätsprinzip zu deuten?
Man kann Gl. (6.1) auch im Ruhesystem der bewegten Ladung deuten, als ob das externe BFeld sich bewegt und wie ein elektrisches Feld E' = v × B wirkt. Umgekehrt wirkt ein am
Elektron mit der Geschwindigkeit v vorbeiziehendes elektrisches E-Feld wie ein Magnetfeld
B' = −(v × E)/c2.
123
6.1 Ströme und Magnetfelder
Welche Bewegung vollführt ein geladenes Teilchen im homogenen Magnetfeld?
Die Bewegung einer Ladung im Magnetfeld B beschreibt man am besten, indem man den
Geschwindigkeitsvektor in zwei Anteile zerlegt. Nur der Anteil v⊥ senkrecht zum Magnetfeld
B trägt zur LORENTZ-Kraft bei, während die dazu parallel verlaufende Komponente konstant
bleibt. Die LORENTZ-Kraft steht immer senkrecht auf v⊥ und wirkt daher wie eine Zentripetalkraft. Dies führt bei einem konstanten B-Feld zu einer Kreisbahn, die man aus dem Kräftegleichgewicht
q v⊥ B = mv⊥2/r
(6.3)
aus LORENTZ-Kraft und Zentrifugalkraft beschreibt. Hieraus ergibt sich der Radius der Kreisbahn bzw. die sogenannte Zyklotronfrequenz der Kreisbewegung:
Kreisbahnradius r =
m v⊥
qB
bzw.
Zyklotronfrequenz ωc =
v ⊥ qB
=
,
r
m
(6.4)
wobei die Zyklotronfrequenz unabhängig von der Geschwindigkeit v⊥ ist.
Die allgemeine Bewegung ist dann eine Schraubenlinie.
Was versteht man unter dem HALL-Effekt?
Ein Leiterstück mit der Dicke d und der Breite b, das von einem Strom I = jA = jbd =
(nevD)bd durchflossen wird, zeigt eine HALL-Spannung quer zum Strom, wenn senkrecht zum
Leiter ein Magnetfeld angelegt wird (Bild 6.2). Mit j ist die Stromdichte I/A und mit vD die
Driftgeschwindigkeit der Elektronen bezeichnet, während n die Ladungsträgerkonzentration
(Zahl der freien Elektronen pro Volumen) und e die Ladung der einzelnen Elektronen ist.
B
d
b
I = jbd = nevDbd
UH
Bild 6.2 Zum HALL-Effekt. Die Elektronen wandern entgegengesetzt zur eingezeichneten Stromrichtung und werden nach links durch die LORENTZ-Kraft abgelenkt. Die positiven Ladungen sind
ortsfest. Es entsteht eine HALL-Spannung UH.
Zur Deutung macht man sich klar, dass die bewegten Ladungsträger (i.a. Elektronen) im BFeld zum Rand abgelenkt werden, bis ein elektrisches Gegenfeld (die positiven Ladungen
bleiben ortsfest) die LORENTZ-Kraft kompensiert:
F = eEH + e(vD × B) = 0
bzw. EH = −vDB.
Hieraus ergibt sich die gesuchte HALL-Spannung zu
(6.5)
124
6 Elektromagnetismus
UH = EH·b = −
1 I ⋅B
.
ne d
(6.6)
Die Anwendungen des HALL-Effekts sind vielfältig. Man kann sie als Magnetfeldsonde
(HALL-Sonde) zur Bestimmung von B verwenden, wenn die HALL-Konstante 1/ne durch
Eichung bekannt ist (meist Halbleiter: 1/n groß) oder umgekehrt zur Bestimmung der
Ladungsträgerkonzentration n bei bekanntem B-Feld. Über das Vorzeichen der HALL-Spannung erhält man Aufschluss über die Natur der Ladungsträger (Ladungsvorzeichen).
Was drückt der GAUSS’sche Satz über Magnetfelder aus?
Magnetische Feldlinien sind in sich geschlossenen, da sie nicht auf magnetischen Ladungen
enden können. Alle Feldlinien, die in eine geschlossene Hülle eintreten, müssen also auch
wieder irgendwo austreten. Folglich verschwindet der magnetische Fluss ∆φ = B.∆A durch
eine geschlossene Hülle:
∫∫ B ⋅ dA = 0 .
(6.7)
A
Was ist der Inhalt des AMPÈREschen Durchflutungsgesetzes?
Magnetfelder werden durch Ströme (bewegte Ladungen) erzeugt; sie sind den Strömen vom
Betrage her proportional. Für das Wegintegral eines beliebigen geschlossenen Weges gilt (in
Abwesenheit von magnetisierbaren Materialien)
∫ B ⋅ dr = µ0 I .
(6.8)
Hierbei ist I der vom geschlossenen Weg umfasste Gesamtstrom und µ0 = 4π.10−7 Vs/Am ist
magnetische Feldkonstante.
Die Auswertung des Integrals hat so zu erfolgen, dass man B misst (z. B. mit einer HALLSonde) und skalar mit einer kleinen Verrückung dr multipliziert, d. h. nur die B-Komponente
in Richtung der Verrückung trägt zum Wegintegral bei. Diesen Vorgang aus Messung und
skalarer Multiplikation wiederholt man nach jedem Verrückungsschritt, bis man zum Ausgangspunkt zurückgekehrt ist. Umfasst der Weg keinen ‘wahren’ Strom I, so verschwindet
das Wegintegral.
Welches Magnetfeld erzeugt ein langer, gerader Leiter (kreisförmiger Querschnitt)?
Das Problem ist eine Anwendung des AMPÈREschen Durchflutungsgesetzes, das sich immer
dann anbietet, wenn das Problem eine hohe Symmetrie aufweist und entlang geeigneter Wege
das Magnetfeld konstant ist: Das B-Feld eines langen, geraden Leiters mit kreisförmigem
Querschnitt ist aus Symmetriegründen rotationssymmetrisch und wir müssen kreisförmige,
geschlossene Feldlinien mit jeweils konstanter Flussdichte B haben (Bild 6.1).
125
6.1 Ströme und Magnetfelder
Gehen wir entgegen dem Uhrzeigersinn entlang einer solchen kreisförmigen Feldlinie, so
ist das Integral positiv, wenn der Strom nach der ‚Rechte-Hand-Regel’ in Richtung des Daumen zeigt. Ist also der Integrationsweg entlang der Feldlinien außerhalb des Drahtes auf
einem Kreis im Abstand r, so ist die Verrückung dr immer parallel zu B (der Betrag B ist
konstant) und wir bekommen mit B.dr = B.dr
∫ B ⋅ dr = B ⋅ (2πr ) = µ0 I
bzw.
B(r) = µ0
I
.
2πr
(6.9)
Für einen entsprechenden Weg innerhalb des Leiters müssen wir berücksichtigen, dass der
Integrationsweg nur den Bruchteil Iπr2/(πR2) des Gesamtstroms I umfasst, falls dieser mit der
gleichmäßigen Stromdichte j = I/A über dem Leiterquerschnitt A = πR2 fließt. Innerhalb des
Leiters gilt daher B(r) = µ0Ir/(2πR2).
Wie berechnet man das Magnetfeld innerhalb einer langen Spule?
Auch hierfür lässt sich das Durchflutungsgesetz sinnvoll anwenden. Das Feld ist im Innern
homogen (Demonstration) und außerhalb der Spule verschwindet es praktisch, währen es an
den Spulenenden stark divergent auseinanderquillt (Bild 6.1).
Das Magnetfeld im Innern einer langen Zylinderspule kann man über folgende Überlegung
ermitteln. Wir legen einen Weg der Länge l im Innern parallel zum homogenen Feld (siehe
Bild 6.1), treten ‚rechtzeitig’, d. h. bevor das Feld an den Spulenenden inhomogen wird,
senkrecht aus der Spule heraus, gehen außerhalb, wo das Feld praktisch verschwindet wieder
zurück und vollenden den Weg durch einen senkrechten Eintritt in die Spule zum Ausgangspunkt. Zum Wegintegral trägt nur das Stück Weg der Länge l im Innern der Spule bei, auf den
anderen Wegstücken ist entweder das Feld senkrecht zum Weg oder es verschwindet. Der
gewählte Weg umfasse N Windungen. Insgesamt ergibt sich also
∫ B ⋅ dr ≈ B ⋅ l = µ0 ( NI )
bzw. B = µ0 I
N
.
l
(6.10)
Es kommt offenbar nur auf die Windungsdichte n = N/l an. Daher kann man das Feld aus
der Gesamtzahl der Spulenwindungen und der Spulenlänge ermitteln. Das Resultat (6.10) gilt
auch für eine geschlossene Ringspule (Toroid); solche Anordnungen dienen zur Erzeugung
von homogenen Magnetfeldern.
Was besagt das Gesetz von BIOT-SAVART?
Das Durchflutungsgesetz ist zwar sehr fundamental, aber wenig praktisch zur Berechnung
von Magnetfeldern; zur numerischen Berechnung von Magnetfeldern aus beliebigen Stromverteilungen eignet sich besser das Gesetz von BIOT-SAVART (Bild 6.3): Der Beitrag eines
„Stromelementes“ I∆l zum Magnetfeld, das sich im Abstand s von diesem befindet, ist gegeben durch
∆B =
µ0 I
µ I ∆l
(∆l × es ) bzw. ∆B = 0 2 sin ϕ .
2
4π s
4π s
(6.11)
126
6 Elektromagnetismus
Dabei ist es der Einheitsvektor der in Richtung von s zeigt, s der Betrag des Abstands und ϕ
der Winkel zwischen der Richtung von ∆l und s. Das Magnetfeldelement ∆B steht nach BIOTSAVART also senkrecht auf der Fläche, die von den Vektoren ∆l und s aufgespannt wird.
I
∆l
es
∆B
s
Bild 6.3 Zum BIOT-SAVART-Gesetz
Um das gesamte Magnetfeld zu bekommen, muss man sämtliche Beiträge I∆l des
Stromkreises aufsummieren bzw. integrieren.
Wie berechnet man das Magnetfeld eines Kreisstroms auf der Achse?
Dieses Problem ist ein Beispiel für die Nützlichkeit des Gesetzes von BIOT-SAVART In Bild
6.4 sind die notwendigen Bestimmungsstücke gezeigt.
∆l
α
R
s
∆Β
α
∆B⊥
z
∆B||
Bild 6.4 Magnetfeld auf der Achse eines Kreisstroms
Aus Symmetriegründen bleibt nur ∆B = ∆B.cosα übrig: Die Beiträge ∆B⊥ von gegenüberliegenden Stromelementen kompensieren sich gegenseitig. Der Winkel zwischen ∆l und s ist
90°, d. h. sinϕ = 1, während offensichtlich cosα = R/s ist. Man liest mit Gl. (6.9) aus Bild 6.5
ab
µ I ∆l R
∆B = 0 2
4π s s
µ 0 I (2πR ) R
IR 2
bzw. B =
= µ0
.
4π s 2
s
2( R 2 + z 2 )3/ 2
(6.12)
Welche Kraft wirkt auf die Ladung eines stromdurchflossenen Leiterstückchens?
In einem Leiter fließen Ladungsträger (Strom I = ∆Q/∆t) mit der Driftgeschwindigkeit vD. Im
Zeitintervall ∆t bewegen sich die Ladungsträger dann um das Stückchen ∆L = vD∆t. Das Leiterstückchen ∆L enthält andererseits die Ladung ∆Q = I∆t. Senkrecht zum Leiter sei nun ein
127
6.1 Ströme und Magnetfelder
Magnetfeld angelegt (Bild 6.5). Die Ladung und mit ihr das ganze Leiterstückchen erfährt
dadurch die LORENTZ-Kraft
F = ∆Q(vD × B) = ∆Q(∆L/∆t × B) = I(∆L × B)
(6.13)
I, v
B
∆L
F
Bild 6.5 Zur Kraftwirkung auf ein stromdurchflossenes Leiterstückchen im B-Feld
Diese Kraftwirkung macht man sich in Motoren und Drehspulinstrumenten zunutze. Man
lagert spulenförmig gewickelte Drahtanordnungen drehbar um eine Achse. Sobald die Spulen
von einem Strom durchflossen sind und einem Magnetfeld ausgesetzt sind, kommt es zu
Kraftwirkungen auf die stromdurchflossenen Leiter, und sie erfahren ein Drehmoment.
Wie ist das Ampere definiert?
Die Kraft zwischen parallelen, stromdurchflossenen Leitern der Länge ∆l im Abstand r
berechnet sich aufgrund von Bild 6.6 folgendermaßen. Im Leiterstück ∆l des zweiten Leiters
mit der Querschnittsfläche A ist die Ladung q2 enthalten. Daher lässt sich der Strom mit der
Stromdichte j durch I2 = jA = q2vDA/(A∆l) = q2vD/∆l ausdrücken.
I1
r
B
I2
A
∆l
Bild 6.6 Zur Kraftwirkung zweier paralleler stromdurchflossener Leiter
Dem Bild 6.1 entnimmt man, dass der Strom I1 durch Leiter 1 am Ort von Leiter 2 im
Abstand r das Feld B = µ0I1/(2πr) erzeugt. Als LORENTZ-Kraft auf Strom I2 (bewegte Ladung
vD ⊥ B) ergibt sich deshalb
FL = q2vD B = µ0
I1I 2
∆l .
2πr
(6.14)
Die Kraft ist anziehend, falls die Ströme parallel fließen, umgekehrt ist sie abstoßend.
Mit Hilfe dieses Kraftgesetzes hat man folgende Definition des Ampere vereinbart: Ein
Ampere ist die Stärke des Stroms, der, durch zwei parallele gerade Leiter im Abstand von 1 m
fließend, zwischen diesen je 1 m Leiterlänge die Kraft 2.10−7 N hervorruft. Technisch misst
128
6 Elektromagnetismus
an die Anziehungskraft von stromdurchflossenen Spulen in Stromwaagen. Hieraus resultiert
die magnetische Feldkonstante µ0 = 4π⋅10−7 Vs/(Am).
Was ist ein magnetischer Dipol?
Das B-Feld eines echten Dipols aus magnetischen Ladungen (die es nicht gibt) und eines
kleinen Kreisstroms sind äquivalent (Bild 6.7, siehe auch Bild 6.1). Daher spricht man auch
im Falle eines Kreisstroms von einem magnetischen Dipol.
Bild 6.7 Feldlinienbilder eines Dipols und eines Kreisstroms
Nach Gl. (6.12) ist das Magnetfeld eines Kreisstroms dem Produkt aus Strom und
umflossener Fläche proportional. Man nennt dieses Produkt magnetisches Dipolmoment µ. Es
hat Vektorcharakter und steht parallel zum Flächenvektor A der Stromschleife:
µ = IA .
(6.15)
Die Einheit des magnetischen Dipolmoments ist [µ] = Am2 = J/T.
Was lässt sich über das Magnetfeld der Erde sagen?
Das Magnetfeld der Erde entspricht einem ‘Dipol’ der Stärke 8.1022 Am2. Es äußert sich
durch ein Feld der magnetischen Flussdichte
B=
µ 0µ
(cos ϕ, 2sin ϕ) = 3,1.10−5(cosϕ, 2sinϕ) T,
3
4πR
(6.16)
wobei ϕ die geomagnetische Breite ist.
In unseren Breiten haben wir als maximale Komponente etwa 0,5.10−4 T. Als Ursache des
Erdfeldes nimmt man geladene Magmaströme im flüssigen Erdkern an, die durch die Erdrotation hervorgerufen werden.
Welche Kräfte erfährt ein magnetischer Dipol?
Im äußeren B-Feld erfährt der magnetische ‚Dipol’ µ = IA einer Leiterschleife mit dem Strom
I und der Fläche A ein Drehmoment M = µ × B. Dies lässt sich durch die LORENTZ-Kraft auf
129
6.2 Magnetfelder in Materie
die Leiterstücke, in den die Ladungen senkrecht zum Magnetfeld laufen, deuten (Bild 6.8).
Wird etwa eine Spule mit rücktreibenden Drehmoment zu einer Drehachse parallel zur Spulenfläche drehbar gelagert, so hat man ein Drehspulinstrument, das zur Strommessung verwendet werden kann.
FL
µ
M=µ×B
B
FL
Bild 6.8 Zum Drehmoment einer stromdurchflossenen Leiterschleife im Magnetfeld
Die potentielle Energie eines magnetischen Dipols im äußeren Feld ist Epot = −µ
µ.B. Es kostet Arbeit, einen Dipol, der sich parallel zum Feld eingestellt hat, wieder herauszudrehen. Ist
das Feld inhomogen, so gibt es eine Kraft in Richtung abnehmender potentieller Energie.
6. 2 Magnetfelder in Materie
Was versteht man unter magnetischer Polarisation?
Materie wird durch äußere Magnetfelder B0 polarisiert: Es erfolgt eine Ausrichtung bzw. Präzession atomarer magnetischer Kreisströme (‘Dipole’ µi). Im Inneren der Körper heben sich
atomare Ströme weg, es resultiert ein Oberflächenstrom Im, der die magnetische Polarisation J
erzeugt, die sich dem äußeren Feld überlagert (Bild 6.9). Man kann aber auch sagen, dass die
Addition aller ausgerichteten Dipolmomente µi das innere Zusatzfeld J erzeugt:
B = B0 + J.
(6.17)
Für gewöhnliche, nicht ferromagnetische Körper wird folgender Zusammenhang gefunden:
J=
χ m B0
≈ χmB0 .
1 + N χm
(6.18)
B0
µi
Im
J
Bild 6.9 Anschauliches Bild der magnetische Polarisation J durch den Oberflächenstrom Im
130
6 Elektromagnetismus
Man nennt die dimensionslose Materialkonstante χm magnetische Suszeptibilität. Der ‚Entmagnetisierungsfaktor’ N ist ein Geometriefaktor von der Größenordnung 1. Für sehr langgestreckte Proben, die parallel zum Feld stehen, verschwindet er praktisch. Da die Suszeptibilitäten gewöhnlicher Materialien sehr klein sind (Größenordnung 10−5, Tabelle 6.1) gilt die in
Gl. (6.18) angegebene Näherung sehr gut. Daher kann man auch schreiben
B ≈ (1 + χm)B0 = µB0 .
(6.19)
In welche drei Klassen kann man das magnetische Verhalten von Materie einteilen?
Materie wird in einem äußeren Magnetfeld magnetisch polarisiert. Je nach Zahlenwert der
magnetischen Suszeptibilität χm teilt man die verschiedenen Materialien grob in drei Klassen
ein: Diamagnetismus mit −1 « χm < 0, Paramagnetismus mit 1 » χm > 0, aber kleinen absoluten Werten von der Größenordnung 10−5 sowie Ferromagnetismus mit χm » 1.
Die magnetischen Suszeptibilitäten einiger Materialien sind in Tabelle 6.1 aufgeführt.
Tabelle 6.1 Magnetische Suszeptibilität χm einiger Materialien
Material
χm
Aluminium
2,3.10−5
Magnesium
1,2.10−5
Sauerstoff O2 (Normaldruck)
2,1.10−6
Diamant
−2,2.10−5
Gold
−3,6.10−5
Wismut
−1,7.10−5
Stickstoff N2 (Normaldruck)
−5,0.10−9
Kobalt
80 - 200
Eisen
500 - 10000
µMetall
Supermalloy (Ni, Mo, ...)
105
bis 106
Was definiert man als magnetische Feldstärke und Magnetisierung?
Das ‚äußere Feld’ B0 sei durch wahre makroskopische Ströme I erzeugt. Nach dem Durchflutungsgesetz ((6.8)) ergibt sich mit Gl. (6.17)
6.2 Magnetfelder in Materie
1
µ0
1
∫ B0 ⋅ dr = ∫ µ0 ( B − J ) ⋅ dr ≡ ∫ H ⋅ dr = I
131
(6.20)
Man bezeichnet nun H = B0/µ0 = (B − J)/µ0 als magnetische Feldstärke. Diese Größe ist aber
eine Hilfsgröße, da keine Kraft auf magnetische Ladungen existiert. Gäbe es solche, so hätte
H dieselbe Bedeutung wie die elektrische Feldstärke E. Man verwendet die magnetische
Feldstärke H hauptsächlich deshalb, weil sich das Durchflutungsgesetz (6.20) mit ihr besonders einfach ausdrücken lässt.
Gelegentlich wird die Magnetisierung M = J/µ0 eingeführt. Da in recht guter Näherung J =
χmB0 gilt, hat man M = χmH und folglich statt Gl. (6.19)
B = µ0H + µ0M = µ0(H + M) = µ0(1 + χm)H = µµ0H.
(6.21)
Wie deutet man den Diamagnetismus?
Stabile Materie besteht im Wesentlichen aus ‚kreisenden’ Elektronen, die Dipolmomente µi
haben. Die einzelnen magnetischen Momente eines atomaren Bausteins kompensieren sich
weitgehend, so dass sein resultierendes magnetisches Moment im Wesentlichen verschwindet.
In Anwesenheit äußerer Magnetfelder erfahren diese einzelnen inneratomaren Kreisströme die
sogenannte LARMOR-Präzession durch die Drehmomente µi × B mit der LARMOR-Frequenz ωL
= eB/(2m). Die atomaren Kreisströme stellen ja kleine ‚freie’ Kreisel dar, die lediglich im
Zentrum der Kreisbewegung ‚gelagert’ sind. Insgesamt bleibt durch die Präzession ein ‚induzierter Kreisstrom’ übrig, der sich dem äußeren Feld entgegenstellt, d. h. das J-Feld des
Kreisstroms ist dem äußeren B-Feld entgegengerichtet. Diese ‘Präzessionsströme’ werden
durch die Temperaturbewegung der atomaren Bausteine nicht behindert, d. h. der diamagnetische Anteil von χm ist temperaturunabhängig.
Supraleiter sind im Übrigen ideale Diamagnete, die ein äußeres Feld B0 komplett aus sich
herausdrängen: Bi = B0 +χmB0 = 0, d. h. χm = −1. Dies ist der sogenannte MEISSNEROCHSENFELD-Effekt, den man demonstriert, indem man einen supraleitenden Körper in die
Nähe eines Magneten mit inhomogenem Magnetfeld bringt. Kühlt man den Körper nun unter
die kritische Temperatur für Supraleitung, so wird er supraleitend und damit diamagnetisch
und wird vom Magneten abgestoßen, so dass er beispielsweise über dem Magneten schwebt.
Wie muss man Paramagnetismus deuten?
Die magnetischen Momente der einzelnen atomaren Kreisströme kompensieren sich zwar
weitgehend, aber insbesondere bei ungeraden Elektronenzahlen pro atomarem Baustein bleiben resultierende magnetische Momente übrig. Eine vollständige Ausrichtung wird aber durch
die Temperaturbewegung der atomaren Bausteine verhindert ((χm ∝ 1/T).
Da der Diamagnetismus immer vorhanden ist, wird eigentlicher Paramagnetismus (χm > 0)
nur beobachtet, wenn der paramagnetische Effekt den Diamagnetismus überkompensiert. Der
132
6 Elektromagnetismus
Beitrag der freien Leitungselektronen in Metallen liefert ebenfalls Beiträge zum Paramagnetismus, aber aufgrund von Quanteneffekten nicht im klassisch erwarteten Ausmaß.
Was ist Ferromagnetismus?
Ferromagnetismus beobachtet man nur bei kondensierten Materialien. Ein typischer Vertreter
ist Eisen - daher der Name. Unterhalb der sogenannten CURIE-Temperatur erfolgt in solchen
Körpern eine spontane Magnetisierung größerer Bereiche (einige Zehntel Millimeter) auch
ohne äußeres Feld. Dies ist ein Quanteneffekt: Man hat eine Ausrichtung durch gegenseitige
Beeinflussung der permanenten atomaren Momente, die wie beim Paramagnetismus im
Wesentlichen vom Elektronenspin herrühren.
Durch Anlegen eines äußeren Feldes werden diese ‚vormagnetisierten’ Bereiche nun nach
und nach komplett ausgerichtet, die Temperaturbewegung stört unterhalb der CURIE-Temperatur die vollständige Ausrichtung nicht. Als Folge der vollständigen Ausrichtung aller permanenten magnetischen Momente übertrifft die magnetische Polarisation J das äußere Feld u.
U. beträchtlich, was sich durch ein entsprechen großes χm bemerkbar macht.
Oberhalb der CURIE-Temperatur TC werden ferromagnetische Körper paramagnetisch; die
magnetische Suszeptibilität
χm =
C
T − TC
für T > TC
(6.22)
wird temperaturabhängig.
Die vollständige Ausrichtung kann in bestimmten Materialien von Kristallschicht zu Kristallschicht alternieren - ggf. mit etwas verschiedener Magnetisierung: Antiferromagnetismus,
Ferrimagnetismus und weitere Mischformen.
Wie verläuft die Magnetisierungskurve (Hysterese) eines Ferromagneten?
Verändert man das äußere Feld fortlaufend von einer Richtung zur entgegengesetzten Richtung, so erhält man die Hysteresekurve eines Ferromagneten (Bild 6.10). Man beginnt mit der
sogenannten Neukurve (gestrichelt), bei der man bereits ohne Magnetfeld vormagnetisierte
WEISS’sche Elementarbezirke hat; die Ausrichtung dieser Bezirke ist aber regellos, und der
Körper ist makroskopisch zunächst unmagnetisiert. Beim Anlegen eines Magnetfeldes
vergrößern sich die bereits richtig liegenden Bezirke durch Wandverschiebungen, und
Umklappprozesse (BARKHAUSEN-Sprünge, die man akustisch darstellen kann) führen
schließlich zur vollständigen Ausrichtung aller Elementarbezirke. Der Vorgang ist also nicht
ganz so stetig, wie in Bild 6.10 dargestellt.
Man erreicht Sättigung bei J → Jmax, d. h. bei hohen äußeren Feldstärken ist J nicht
proportional zu B0. Die in Tabelle 6.1 angegebenen Werte für χm beziehen sich auf die Neukurve für kleine äußere Felder!
133
6.2 Magnetfelder in Materie
J
Jr
B0
Bild 6.10 Hysterese eines Ferromagneten
Als Hysterese bezeichnet man das Phänomen, dass sich ein ‘hartes’ ferromagnetisches
Material der Magnetisierungsänderung widersetzt und daher die Hystereseschleife entsteht.
Bei B0 = 0 bleibt eine remanente magnetische Polarisation Jr (bzw. Magnetisierung Mr)
übrig, und das Material (z. B. ein Stahlstab) wird ein Permanentmagnet. Solche remanenten
Magnetisierungen nutzt man in Magnetspeichermedien aus (Tape, Festplatte, etc.)
Welches Brechnungsgesetz beobachtet man bei Magnetfeldern an Grenzflächen?
Aufgrund des GAUSSschen Satzes durchsetzen B-Feldlinien, die senkrecht auf einer Grenzfläche zwischen zwei Bereichen mit verschiedenen Permeabilitäten stehen, stetig, während aufgrund des Durchflutungsgesetzes die H-Feldkomponenten Hp, die parallel zur Grenzfläche
verlaufen, konstant bleiben: Hp1 = Bp1/(µ1µ0) = Hp2 = Bp2(µ2µ0). Damit ergibt sich das Brechungsgesetz für die Winkel α zwischen Flächennormale und B-Feldrichtung
tan α1 B p1 / Bs1 µ1
=
=
.
tan α 2 B p1 / Bs 2 µ 2
(6.23)
Ist z. B. α1 = 1° beim Übergang von Luft (µ1 ≈ 1) in Weicheisen (µ2 ≈ 1000) - d. h. praktisch senkrechter Einfall - so ergibt sich α2 ≈ 86,7°, d. h. die Feldlinien knicken praktisch
senkrecht weg und werden im hochpermeablen Material weitergeleitet. Dies nutzt man aus,
um Magnetfelder weitgehend abzuschirmen. Ganz so gut wie im elektrischen Fall, wo die
Influenz eine vollständige Abschirmung verursacht, geht dies aber nicht.
Warum erzielt man mit einem Spalt in einem Eisenkern einer Spule hohe Magnetfelder?
Hat man einen nahezu geschlossener Eisenkern mit Spule (N Windungen, Länge l) mit einem
Spalt der Dicke d, so treten die B-Feldlinien aufgrund des GAUSSschen Satzes praktisch stetig
durch den senkrecht zum Eisenkern verlaufenden Spalt: Bei einem engen, parallelen Luftspalt
gilt also Bi = Ba. Man kann zu Experimentierzwecken eine Probe in den Spalt einbringen und
hat dabei das starke Feld, das im Eisenkern herrscht, auch im Luftspalt zur Verfügung.
134
6 Elektromagnetismus
Die genaue Durchrechnung ergibt, dass bei d « l/µ (l Spulenlänge) das Feld im Luftspalt
praktisch dasjenige im Eisenkern ist.
6.3 Magnetische Induktion und MAXWELL-Gleichungen
Was ist der Inhalt des FARADAYschen Induktionsgesetzes?
Der magnetische Fluss durch eine (offene) Fläche ist durch
φ = ∫∫ B ⋅ dA
(6.24)
A
gegeben. Das Skalarprodukt drückt aus, dass nur die senkrecht durch die Fläche tretende
Komponente von B zum magnetischen Fluss beiträgt. Dieser Fluss φ kann sich zeitlich
ändern. Nach FARADAY erzeugt jede zeitliche Änderung eines magnetischen Flusses auf der
Umrandung der betrachteten Fläche eine elektrische ‚Ringspannung’
U ind = ∫ E ⋅ dr = −
dφ
d
= −φɺ = − ∫∫ B ⋅ dA .
dt
dt
(6.25)
Ist die Umrandung ein realer Leiter, dann kann man diese Induktionsspannung durch einen
Stromfluss I = Uind/R nachweisen mit zum Teil beträchtlichen Strömen, die den Leiter aufheizen (Induktionsheizung).
Was besagt die LENZ’sche Regel?
Die LENZ’sche Regel betrifft das Minuszeichen im Induktionsgesetz. Man kann sie folgendermaßen formulieren. Das Bind-Feld des Induktionsstroms (sofern ein solcher z. B. in einem
Leiter fließen kann) ist dem erzeugenden B-Feld entgegengerichtet. Die Felder stoßen sich ab,
was man mit dem WALTENHOFENschen Pendel oder dem THOMSON-Ring eindrucksvoll
demonstrieren kann.
Generell entstehen durch Induktion in Leitern Wirbelströme, die z. T. störend wirken, weil
sie Verluste in Form von JOULEscher Wärme verursachen; sie werden aber auch zur Dämpfung (Wirbelstrombremse) und Erzeugung kuppelnder Drehmomente (Tachometer, kWhZähler) ausgenutzt.
Auf welche verschiedenen Weisen werden Induktionsspannungen erzeugt?
Gemäß der Definition (6.25) kann sich der magnetische Fluss φ auf dreierlei Weise ändern,
als (i) zeitliche Änderung von B, (ii) zeitliche Änderung von A und (iii) zeitliche Änderung
des Winkels α(t) zwischen B und A.
Das Auftreten einer Induktionsspannung bei einer zeitliche Veränderung von A kann man
durch die LORENTZ-Kraft erklären (Bild 6.11). Ein verschiebliches Leiterstück der Länge l und
ein gebogener Leiter der Seitenlänge s bilden eine Fläche mit dem Betrag A = ls und somit
135
6.3 Magnetische Induktion und Maxwellgleichungen
tritt der Fluss φ = B.A = BA = Bls durch die Fläche (B sei innerhalb der Fläche konstant).
Wird das Leiterstück mit der (konstanten) Geschwindigkeit v = ds/dt bewegt, so kommt es zu
einer Flussänderung, und damit zum auftreten der Induktionsspannung
Uind = −
d
d
B ⋅ A = − Bls = − Blv .
dt
dt
(6.26)
Dies kann man wie folgt deuten. Die LORENTZ-Kraft evB auf die Ladungen im bewegten
Leiterstück treibt diese soweit auseinander, bis das rücktreibende elektrische Feldkraft F =
qEind die LORENTZ-Kraft kompensiert. Es kommt also zu einem Kräftegleichgewicht F =
e(Eind + vB) = 0 bzw. Uind = Eindl = −Blv.
B
Uind
l
s
v
Bild 6.11 Zeitliche Änderung einer Leiterfläche
Orientiert man eine Leiteranordnung der Fläche A zunächst senkrecht zu einem Magnetfeld
und dreht sie dann um 180°, so erzielt man eine Flussänderung ∆φ = 2BA, die einen Spannungsstoß Uind ∆t verursacht, den man messen und zur Bestimmung von B heranziehen kann.
Man kann den Winkel zwischen Magnetfeld B und Leiterfläche A auch periodisch ändern und
die periodische Induktionsspannung Uind ∝ B messen.
Was ist die Induktivität einer Leiteranordnung?
Jede Stromschleife (Leiteranordnung, siehe Bild 6.1, z. B. „Spule“) erzeugt ein Magnetfeld B
dessen Betrag zwar räumlich variiert, aber ansonsten überall proportional zum fließenden
Strom I ist. Dieses Magnetfeld durchsetzt die Leiteranordnung und man hat somit einen magnetischen Fluss
φ=
∫∫ B ⋅ dA ≡ L ⋅ I
(6.27)
durch die eigene Leiteranordnung (‚Spule’). Die Proportionalitätskonstante L nennt man
Induktivität der ‚Spule’ mit der Einheit Henry (H) : 1 H = 1 Vs/A.
Beispielsweise erhält man für eine Spule mit N Windungen, der Querschnittsfläche A und
der Länge l mit dem Magnetfeld aus Bild 6.1 bzw. Gl. (6.10) im Innern der Spule als
Induktivität Lsp = φ/I = BNA/I = (µ0IN/l)NA/I = µ0N2A/l.
Was versteht man unter Selbstinduktion und welche Wirkung hat sie?
Ist der Strom I, der durch eine Spule geschickt wird, zeitlich veränderlich, so wird auch das
hieraus erzeugt B-Feld zeitlich veränderlich und nach Gl. (6.27) damit der Fluss durch die
136
6 Elektromagnetismus
Spule. Da dann durch diese selbsterzeugte Induktion eine Gegenspannung in der eigenen
Spule Uind erzeugt wird, wirkt die Spule als Widerstand für zeitlich veränderliche Ströme.
Strom I und angelegte äußere Spannung U stehen daher in folgender Beziehung zueinander: Wenn man einmal annimmt, dass der OHM’sche Widerstand der Spule vernachlässigbar
ist, kann man die KIRCHHOFF’sche Maschenregel, die auch für zeitlich veränderliche Spannungen gilt, gemäß U + Uind = 0 ansetzen. Das ergibt folgenden Zusammenhang:
U = −Uind = φɺ = L. Iɺ .
(6.28)
Wir erhalten zwar kein Ohm’sches Gesetz, aber die Induktivität der Spule begrenzt im Endeffekt die Größe eines zeitlich veränderlichen Stroms, der von der zeitlich veränderlichen Spannung U erzeugt wird (Prinzip der Drossel).
Der Widerstand einer Spule durch Selbstinduktion äußert sich z. B. durch das langsame
Anwachsen eines Stroms beim Einschalten einer Gleichspannung. Der Strom erreicht erst
nach einer gewissen Zeit seinen konstanten Endwert, der dann durch den OHMschen Widerstand der Anordnung gegeben ist.
Welche Arbeit muss aufgebracht werden, um das Magnetfeld einer Spule aufzubauen?
Die Arbeit, die aufgebracht werden muss, um das B-Feld einer Spule gegen ihre Selbstinduktion mit dem anwachsenden ‘Ladestrom’ I aufzubauen, ergibt sich aus
dW = −Uind.I.dt = L(dI/dt)dt = L.I.dI
bzw.
W=
1
2
LI 2 = 12 φ ⋅ I =
φ2
.
2L
(6.29)
Welcher Energieinhalt steckt im Magnetfeld einer Spule mit Kern?
Mit dem Spulenfluss φ = BNA, der Induktivität LSp = µµ0N2A/l und dem Volumen V = Al der
Spule erhalten wir als Energiedichte
W 1 φ2
1
( BNA)2
1 B2 1
w=
=
=
=
= B⋅H .
V 2 LSpV 2 (µµ 0 N 2 A / l ) Al 2 µµ 0 2
(6.30)
In der hier dargestellten Form mit magnetischer Flussdichte B und magnetischer Feldstärke H
gilt die Beziehung (6.30) auch für Felder in Materie.
Wie funktioniert ein Transformator?
Das zeitlich veränderliche magnetische Feld, das in einer Primärspule durch die dort angelegte Spannung U1 = L Iɺ als Folge des zeitlich veränderlichen Stromflusses entsteht, wird
durch eine Sekundärspule geleitet und erzeugt dort eine Induktionsspannung U2 (Bild 6.12).
Haben die Primärspule N1 Windungen und die Sekundärspule N2 Windungen der Fläche A,
so gilt
137
6.3 Magnetische Induktion und Maxwellgleichungen
ɺ A
U1 = −Uind1 = φɺ 1 = BN
1
ɺ A.
U2 = Uind2 = − φɺ 2 = − BN
2
und
(6.31)
B
U1
N1
N2
U2
Bild 6.12 Zum Prinzip des Transformators
Als Transformationsverhältnis der Leerlaufspannungen erhalten wir
U2
N
=− 2 .
U1
N1
(6.32)
Letztlich wird ja Leistung übertragen. Die Leistung, die auf der Sekundärseite als Verbraucherstrom entnommen wird, muss primärseitig zur Verfügung gestellt werden. Als Leistungsübertragung (bis auf Verluste durch Wirbelströme, Wärme) hat man U1I1 = U2I2.
Woher ‚weiß’ die Primärseite, ob an der Sekundärseite ein Strom fließt oder nicht? Fließt
im Sekundärkreis ein Strom, so erzeugt dieser einen zusätzliches Magnetfeld, das dem
ursprünglichen entgegengerichtet ist (LENZ’sche Regel). Um den erforderlichen Fluss
aufrecht zu erhalten, muss auch durch die Primärspule ein entsprechend höherer Strom I1
fließen!
Wie ist die Wirkungsweise eines Generators (Dynamo-Prinzip)?
Eine Leiterschleife, praktisch natürlich eine ganze Spule aus vielen Leiterschleifen (Ankerwicklung), wird mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω in einem konstanten Magnetfeld
gedreht. Der Fluss durch die Fläche der Wicklung ändert sich dann periodisch, z. B. gemäß φ
= BAcosωt. Dementsprechend wird eine nutzbare Induktionsspannung erzeugt:
Uind = − φɺ = BAωsinωt.
(6.33)
Wie funktioniert ein Elektromotor?
Bei einem Elektromotor wird das Prinzip des Generators umgekehrt. Eine stromdurchflossene
Spule erzeugt ein magnetisches Moment IA und erfährt in einem (konstanten) B-Feld ein
Drehmoment M = I(A × B). Das Drehmoment kann man auch mit Hilfe der LORENTZ-Kraft
deuten Bild 6.8.
Damit die Spule nun nicht einfach nur hin- und herschwingt - das Drehmoment ändert ja
seine Richtung, wenn die Spule über die ‚Ruhelage’ (A parallel B) hinwegschwingt, sondern
fortwährend in einer Richtung rotiert - muss man, sobald die ‚Ruhelage’ überschritten wird -
138
6 Elektromagnetismus
die Stromrichtung ändern. Das geschieht z. B. mechanisch über geeignete Schleifkontakte;
man kann aber auch einfach Wechselstrom nehmen. Es gibt viele technische Varianten von
Elektromotoren.
Welche weiteren Anwendungen und Phänomene zur Induktion können Sie nennen?
Weitere Anwendungen der Induktion sind elektrodynamische Mikrophone (magnetische
Membrane werden in akustische Schwingungen versetzt und induzieren in einer Spule Induktionsspannnungen), magnetische Abtastköpfe, Tonbandköpfe (ähnliches Prinzip), Funkeninduktor/Zündspule (Transformator mit sehr hoher Sekundärwindungszahl, ggf. sehr kurze
Eingangsimpulse: starke Flussänderung), Drossel zur Strombegrenzung oder die Induktionsheizung (z. B. beim Kochherd).
Bei hochfrequenten Wechselströmen beobachtet man den Skin-Effekt - die Verdrängung
eines hochfrequenten Wechselstroms auf die Außenhaut des Leiters, den man in solchen Fällen auch hohl halten kann.
Wie lauten die MAXWELL-Gleichungen?
Das Durchflutungsgesetz muss nach J. C. MAXWELL (1831 -1879) um einen Verschiebungsstrom ergänzt werden. Anschaulich bedeutet es, dass z. B. auch ein ‚stromdurchflossener’
Kondensator einen Verschiebungsstrom dQ/dt = d(D.A)/dt darstellt, der von einem Magnetfeld umfasst wird. Als MAXWELL-Gleichnungen bezeichnet man die folgenden zwei Gruppen
von je zwei Gleichungen, deren Bedeutung im Einzelnen bereits erläutert wurde:
∫∫ D ⋅ dA = Q
∫ E ⋅ dr = 0 −
∫∫ B ⋅ dA = 0
d
B ⋅ dA
dt ∫∫
∫ H ⋅ dr = I +
d
D ⋅ dA
dt ∫∫
(6.34)
Die Gleichungen weisen eine gewisse Asymmetrie auf, die daher rührt, dass magnetische
Ladungen in der Natur nicht existieren. Ansonsten hat man eine bemerkenswerte Symmetrie
zwischen elektrischen und magnetischen Feldern: Ein zeitlich veränderlicher magnetischer
Fluss erzeugt ein elektrisches Wirbelfeld (Induktionsgesetz), und (neben einem ‚wahren’
Strom I) ein zeitlich veränderlicher elektrischer Fluss (MAXWELLs ‚Verschiebungsstrom’)
erzeugt ein magnetisches Wirbelfeld.
6.4 Zeitlich veränderliche Ströme
Welche U-I-Zusammenhänge gelten bei Widerständen, Kondensatoren und Spulen?
Strom und Spannung sind bei einem OHMschen Widerstand R auch bei zeitlich veränderlichen
Strömen streng proportional (‚in Phase’). Ein großer Widerstand R verringert den Strom:
I = U/R.
(6.35)
139
6.4 Zeitlich veränderliche Ströme
Bei einem Kondensator haben wir zunächst die Grundgleichung U = Q/C mit der konstanten Kapazität C. Um zu einem U-I-Zusammenhang zu kommen, müssen wir Q = CU differenzieren:
I = Qɺ = C. Uɺ .
(6.36)
Bei einem Kondensator ist der Strom also der zeitlichen Änderung der Spannung proportional. Eine große Kapazität verstärkt den Stromfluss aufgrund einer Spannungsänderung.
Für eine Spule mit der Induktivität L gilt der aus dem Induktionsgesetz folgenden
Zusammenhang U = L. Iɺ . Um hier den Strom darzustellen, müssen wir aufintegrieren:
I = (1/L) ∫ Udt .
(6.37)
Eine große Induktivität verringert wegen der hemmenden Wirkung der Selbstinduktion einen
zeitlich veränderlichen Strom.
Wie entlädt sich ein Kondensator?
Ein geladener Kondensator mit der Kapazität C werde zum Zeitpunkt t = 0 über einen Widerstand R kurzgeschlossen - z. B. durch Umlegen des in Bild 6.13 links skizzierten, zuvor
geschlossenen Schalters (Stellung b) in Stellung a. Nach KIRCHHOFF ergibt sich dann
U R + U C = 0 = RI + Q / C = RQɺ + (1/ C )Q .
(6.38)
Als Lösung erwarten wir, dass die Ladung vom Anfangswerte Q0 = CU0 auf Q = 0 abfällt.
Dies geschieht exponentiell, denn wir haben mit
1
Qɺ = −
Q
RC
(6.39)
eine Funktion Q(t) zu suchen, deren erste Ableitung bis auf den Faktor −1/(RC) die Funktion
selbst ergibt (siehe auch Anhang, Gl. (A.43)). Eine solche Eigenschaft hat aber gerade eine
Exponentialfunktion. Es ergibt sich als Lösung (Bild 6.14)
Q(t ) = Q0 e−t /( RC ) ,
(6.40)
wobei 1/(RC) als Zerfallskonstante fungiert. RC hat die Dimension einer Zeit und ergibt die
‚mittlere Lebensdauer‘ des sich entladenden Kondensators. Ist der Widerstand R sehr klein,
entlädt sich der Kondensator entsprechend schnell. Der Entladestrom ergibt sich durch Differenzieren: I(t) = Qɺ = I0exp(−t/(RC) mit I0 = −Q0/(RC).
R
R
U0
C
a
b
U0
L
a
b
Bild 6.13 Ersatzschaltbilder zu Einschalt- und Ausschaltstrom von Kondensator und Spule
140
6 Elektromagnetismus
U(t)
U0
t
Q(t), I(t)
Q0 , I 0
t
Bild 6.14 Einschalt- und Ausschaltvorgänge bei Spule und Kondensator. In den Rechnungen
haben wir die Schaltzeiten (Sprung von U = 0 ↔ U = U0) als jeweiligen Zeitnullpunkt definiert.
Wie ‚zerfällt‘ der Stromfluss durch eine Spule nach Abschalten der Spannung?
Diese Situation entspricht der Darstellung in Bild 6.13, rechts. Ist der Schalter in Stellung b,
fließt - nach einem Einschaltvorgang, den wir in der nächsten Frage behandeln - ein konstanter Strom I0 = U0/R, wenn wir einmal annehmen, dass der Widerstand der Zuleitungen und
des Spulendrahts dem Widerstand R zugerechnet wird. Legen wir den Schalter in Stellung a,
so ‚entlädt‘ sich die Spule, und der Strom wird vom Anfangswert I0 auf I = 0 absinken. Wir
haben nach KIRCHHOFF analog zum Fall der Entladung des Kondensators
U R + U L = 0 = RI + LIɺ
(6.41)
und damit ebenfalls einen exponentiellen ‚Zerfall‘ des Stroms, da die Gleichungen (6.38) und
(6.41) von ganz ähnlicher Struktur sind. Die Funktion der Zerfallskonstante übernimmt hier
die Größe R/L. Als Lösung finden wir also (Bild 6.14)
I = I 0 e − ( R / L )t .
(6.42)
Welches Verhalten zeigt der Einschaltstrom von Spulen?
Wir legen zum Zeitpunkt t = 0 - z. B. durch Umlenken des in Bild 6.13 skizzierten Schalters
von a nach b - eine Spannung U0 an eine Spule der Induktivität L. Wir müssen realistischerweise einen OHMschen Widerstand R berücksichtigen, der im Extremfall einfach der Widerstand der Zuleitungen und der Spulenwindungen sein kann, also sehr klein kann aber nicht
verschwindet. Wir haben dann als Ersatzschaltbild das Bild 6.13, rechts. Die KIRCHHOFF’sche
Maschenregel ergibt hiermit zunächst
141
6.4 Zeitlich veränderliche Ströme
U 0 = RI + LIɺ .
(6.43)
Wir suchen also eine zeitlich veränderliche Größe I (als Einschaltstrom der Spule). Zur
Lösung von (6.43) argumentieren wir wieder physikalisch und raten die Lösung des ‚Spulenproblems‘: Der Anlaufstrom I wird von I = 0 auf den konstanten Wert I = I0 = U0/R anwachsen. Dann stellt nämlich die Spule keinen Widerstand mehr dar ( Iɺ = dI/dt = 0). Aufgrund des
Ergebnisses des Entladeproblems der vorigen Frage wird dies ganz entsprechend durch einen
exponentiellen Verlauf erfolgen. Dieses erwartete Verhalten legt einen Ansatz (Bild 6.14)
I = I 0 (1 − e−αt ) bzw.
Iɺ = αI 0 e−αt
mit α = R/L
(6.44)
nahe. Für t = 0 und t = ∞ erhalten wir sofort wie erwartet U0 = RI0. Es bleibe dem Leser
überlassen zu zeigen, dass der Ansatz (6.44) die Gleichung (6.43) zu allen Zeiten erfüllt.
Wie vollzieht sich die Aufladung eines Kondensators?
Dieses Problem stellt die Lösung der Gleichung (KIRCHHOFF’sche Maschenregel, Bild 6.13)
U 0 = RI + Q / C = RQɺ + (1/ C )Q
(6.45)
dar. Ganz analog zum Fall des Anlaufstroms der Spule aus der vorigen Frage ergibt sich ein
Aufladevorgang der Form (Bild 6.14)
Q = Q0 (1 − e−t /( RC ) ) .
(6.46)
Wie reagieren R, C und L speziell auf harmonische Wechselspannungen?
Bei einer harmonischen Wechselspannung der Form U = U0cosωt - ohne Beschränkung der
Allgemeinheit können wir hier α = 0 setzen - ergibt sich ganz speziell:
R:
IR = U/R =
U0
cosωt = I 0R cosωt ,
R
(6.47)
C:
IC = C. Uɺ = −ωCU0sinωt = I 0C cos(ωt + π/2) ,
(6.48)
L:
IL =
U
U
∫ L dt = ωL0 sin ωt = I0 cos(ωt − π/2).
L
(6.49)
Beim OHMschen Widerstand sind Strom und Spannung in Phase; beim Kondensator ‚eilt‘ der
Strom der Spannung um 90° voraus, und bei der Spule ‚hinkt‘ Strom der Spannung um 90°
hinterher (‚Bei Induktivitäten wird sich der Strom verspäten‘.).
Was bezeichnet man als Wechselstromwiderstand?
In einem Wechselstromkreis sind Strom und Spannung i. a. nicht mehr phasengleich, dennoch
ist der Strom, der von einer harmonischen Wechselspannung getrieben wird, in seiner
142
6 Elektromagnetismus
Amplitude nicht nur durch OHM’sche Widerstände, sondern auch durch Spulen und Kapazitäten beschränkt. Als Wechselstromwiderstand einer Anordnung kann man daher das Verhältnis
der Scheitelwerte Umax/Imax = U0/I0 ansehen. Aus den Beziehungen (6.47)-(6.49) ergeben sich
für die einzelnen Elemente die Wechselstromwiderstände (Impedanzen)
RΩ = R,
RC =
1
ωC
und
RL = ωL .
(6.50)
Was versteht man unter der Wirkleistung?
In einem Wechselstromkreis ist die Leistung U.I zeitabhängig, da ja auch U und I jeweils zeitlich variieren. Im Allgemeinen sind Strom und Spannung phasenverschoben und damit kann
die Leistung sowohl positive als auch negative Werte annehmen. Ein Stromkreis kann also
zumindest phasenweise Leistung an die Stromquelle zurückgeben! Um die tatsächlich ‚verbrauchte‘ Leistung zu ermitteln, muss man über einen gewissen Zeitraum mitteln.
Sofern die Spannungen und Ströme periodisch sind, mittelt man praktischerweise über eine
Periode T und erhält als mittlere Leistung
T
1
⟨P⟩ = ∫ U ⋅ I ⋅ dt .
T0
(6.51)
Für rein harmonische Wechselströme (U = U0cosωt, I = I0cos(ωt − ϕ)) ergibt sich als
gemittelte Leistung (Wirkleistung)
T
P =
U 0 I0
U I
1
cos ωt cos(ωt − ϕ)dt = U 0 I 0 cos ϕ = 0 0 cos ϕ ≡ U eff I eff cos ϕ .
∫
2
T 0
2 2
(6.52)
Der Phasenwinkel ϕ beschreibt die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung.
Insbesondere ergibt sich bei einem rein OHMschen Widerstand (ϕ = 0) als Wirkleistung ⟨P⟩
= Ueff.Ieff = RIeff2, so als ob ein Gleichstrom mit den Spannungs- und Stromwerten Ueff und Ieff
vorliegt.
Die gemittelte Leistung ⟨P⟩ für eine reine Kapazität oder Induktivität (ϕ = ±π/2)
verschwindet. Es wird zwar phasenweise Leistung aufgenommen, wenn ein Kondensator ein
elektrisches Feld bzw. eine Spule ein Magnetfeld aufbaut, die gespeicherte Energie wird beim
Abbau der Felder aber wieder an die Stromquelle zurückgegeben.
Rein kapazitive bzw. induktive Anteile heißen Blindleistung (‚wattlose‘ Blindströme), da
während einer Periode ebensoviel Leistung abgegeben wie aufgenommen wird. Nur an OHMschen Widerständen wird dauerhafte Leistung erbracht, z. B. am Widerstand der Drähte einer
Spule, aber auch am Innenwiderstand der Stromquelle und den Zuleitungen. Daher sollten
unnötige Blindströme vermieden werden; die Stadtwerke lieben sie gar nicht, denn an den
Zuleitungen wird dann doch Leistung verbraucht!
143
6.4 Zeitlich veränderliche Ströme
Welchen Sinn macht die Beschreibung mit komplexen Widerständen?
Ein Wechselstromkreis ist im Allgemeinen eine komplizierteres Netzwerk aus OHMschen
Widerständen, Spulen und Kondensatoren. Bei harmonischen Wechselströmen werden Strom
und Spannung wie in den Gl. (6.52) i. a. nicht in Phase sein. Spannung und Strom kann man
auch als Realteil komplexer Größen schreiben, d. h.
U = U0cosωt = Re[U0eiωt]
und
I = I0cos(ωt − ϕ) = Re[I0ei(ωt − ϕ)] .
(6.53)
Wir können ein solches Netzwerk zunächst mit komplexer Spannung U, komplexem Strom I
und Widerstand Z beschreiben, wobei der komplexe Widerstand definiert wird als:
Z≡
U U 0 iϕ
=
e = |Z|eiϕ .
I
I0
(6.54)
Für OHMschen Widerstand (R), Spule (L) und Kapazität (C) ergeben sich aus den allgemeinen Beziehungen (6.47) - (6.49) mit U = U0eiωt und der Definition (6.54) der Reihe nach die
komplexen Widerstände
ZR = R ,
ZC =
1
iω C
und
ZL = iωL.
(6.55)
Der Vorteil des Rechnens mit komplexen Widerständen besteht nun darin, dass man mit
ihnen wie bei Gleichstromkreisen unter Ausnutzung der KIRCHHOFFschen Regeln den komplexen Gesamtwiderstand einer Anordnung aus OHMschen Widerständen, Kondensatoren und
Spulen berechnen kann. Um zu reellen Größen zurückzukehren, muss man dann nur die
jeweiligen Realteile von U, I und Z betrachten.
Als Wechselstromwiderstand des gesamten Netzwerks ergibt sich die sogenannte Impedanz |Z| = U0/I0 und für die Phasenverschiebung ϕ gilt tanϕ = ImZ/ReZ. Die geometrische
Interpretation des komplexen Widerstands ist in Bild 6.15 skizziert.
i
Im Z
Z = |Z|eiϕ
tanϕ = ImZ/ReZ
ϕ
Re Z
Bild 6.15 Geometrische Interpretation des komplexen Widerstands
Mit Hilfe des komplexen Widerstandes kann man übrigens die Wirkleistung auch durch
⟨P⟩ = UeffIeffcosϕ = Ieff2.ReZ ausdrücken.
Welche Gleichung beschreibt den Serien- (Reihen-) Schwingkreis?
Ein Serien-Schwingkreis besteht aus der Hintereinanderschaltung von OHMschen Widerstand
(ggf. nur als Widerstand der Zuleitungen und Drähte der Spule), Kondensator und Spule (Bild
6.16)
144
6 Elektromagnetismus
R
U~
C
L
I
Bild 6.16 Getriebener Serienschwingkreis mit Dämpfung
Dieser Schwingkreis werde mit der Spannung U betrieben. Ohne zunächst eine Annahme
über das Zeitverhalten von U machen zu müssen, können wir nach der KIRCHHOFFschen
Maschenregel
U = UR + UC + UL = RI + Q/C + L Iɺ
(6.56)
schreiben. Interessant ist der Schwingkreis aber nur für harmonische Spannungen und Ströme.
Man hat nun zwei Möglichkeiten, Gl. (6.56) auf eine bekannte, brauchbare Form zu bringen.
Man kann die Ersetzung I = Qɺ vornehmen und erhält so eine Gleichung für die bewegte
Ladung Q:
ɺɺ + R Qɺ + Q/C = U,
LQ
(6.57)
oder man kann einmal durchdifferenzieren und erhält eine Gleichung für den Strom I:
1
L Iɺɺ + R Iɺ + I = Uɺ .
C
(6.58)
Gleichungen dieser Struktur und ihre allgemeinen Lösungen sind uns aber schon von
mechanischen Schwingungen bekannt. Die Äquivalenz zu mechanischen Schwingungen ist
folgende: Q (bzw. I) entspricht der Auslenkung x, U (bzw. Uɺ ) entspricht der Erregerkraft, L
entspricht der trägen Masse m, 1/C entspricht der Rückstellkonstanten k und R dem Reibungskoeffizienten β. Um die Schwingungsgleichungen (6.57) bzw. (6.58)auf die Form Gl.
(1.71) zu bringen, muss man 1/(LC) = ω02 und R/L = 2δ setzen.
Wie verläuft beim Schwingkreis eine freie gedämpfte Schwingung?
Bei U = 0 (aber etwa nach einmaligem Aufladen des Kondensators) erhalten wir für den
Strom eine freie gedämpfte Schwingung, bei nicht zu starker Dämpfung z. B. den Schwingfall
in der Form
I = I0e−δtcos(ωt − ϕ0)
mit
ω=
1
R
− ( ) 2 = ω02 − δ2 .
LC 2 L
(6.59)
Stromamplitude I0 und Phase ϕ0 ergeben sich aus dem Anfangszustand bei t = 0. Als Resonanzfrequenz des ungedämpften Schwingkreises erhalten wir ω02 = 1/(LC).
145
6.4 Zeitlich veränderliche Ströme
Wie reagiert der Strom auf eine erzwungene harmonische Spannung U?
Wir kennen die Lösung dieses Problems schon aus Gl. (1.79). Man beachte aber, dass nur Gl.
(6.57) für die Ladung Q genau der mechanischen Gleichung (1.76) entspricht; in Gl. (6.58) ist
statt dessen die zeitliche Ableitung der ‚Erregerkraft’ maßgebend für das Zeitverhalten des
Stroms. Dies hat einen wichtigen Einfluss auf die Lösung insbesondere bei kleinen Frequenzen.
Wir wollen an dieser Stelle aber zunächst das typische Vorgehen für das Rechnen mit
komplexen Widerständen demonstrieren. Ist U = U0eiωt eine harmonische Spannung , so
ergibt sich als komplexer Strom I = I0(ω)ei(ωt − ϕ) = U/Z. Der Widerstand Z setzt sich aus Z =
R + iωL + 1/(iωC) = R + i[ωL − 1/(ωC)] zusammen. Folglich ergibt sich als Impedanz |Z|,
Phasenverschiebung ϕ und Stromamplitude I0
R 2 + (ωL − 1/ ωC )2 ,
(6.60)
ϕ = arctan{[ωL − 1/(ωC)]/R} und
(6.61)
|Z| =
I0 = U0/|Z| =
U0
R 2 + (ωL − 1/ ωC ) 2
.
(6.62)
Damit ist unsere (stationäre) Lösung vollständig bestimmt und wir erhalten Resonanz der
Stromamplitude bei (ω0L − 1/ω0C) = 0 bzw. der Resonanzfrequenz des ungedämpften Kreises
ω02 =
1
.
LC
(6.63)
Man beachte, dass im Gegensatz zur Ladung Q0(ω) und zum mechanischen Äquivalent
(1.79) die Stromamplitude I0(ω) bei ω = 0 verschwindet. Dies ist physikalisch leicht einzusehen: Bei ω = 0 (Gleichspannung) wird der Kondensator auf die konstante Ladung Q0 = CU0
aufgeladen, aber der Strom wird dauerhaft gesperrt, da der Widerstand des Kondensators
unendlich groß wird.
Wie erzeugt man ungedämpfte Schwingungen?
Ungedämpfte Schwingungen eines Schwingkreises (Bild 6.16) erhält man nur, wenn etwa
durch eine Rückkopplung eine periodische Energiezufuhr erfolgt, welche die Verluste durch
die Dämpfung wettmachen. Das Beispiel eines Hochfrequenzoszillators ist in Bild 6.17
gezeigt. Der Schwingkreis aus Kapazität C und Induktivität L ist gedämpft, da sich immer ein
OHMscher Widerstand in den Spulendrähten und den Zuleitungen befindet. Einmal angestoßen, fängt er zunächst an zu schwingen. Da ihm, über den Röhrenstrom gesteuert, immer
wieder Spannung zugeführt wird, hat man eine erzwungene Schwingung. Daher schaukelt
sich die Schwingung solange auf, bis die sekundlichen Verluste die zugeführte Energie ausgleichen. Die Zuführung von Energie bzw. der treibende Spannung erfolgt im richtigen Takt
durch die induktive Steuerung der Gitterspannung, die den Röhrenstrom und damit die Span-
146
6 Elektromagnetismus
nung im Takt der Eigenfrequenz des Schwingkreises steuert (Rückkopplung über die Induktivität Lg).
A
G
U~
Lg
L
K
C
Ug
Uk
Ua
Bild 6.17 Rückgekoppelter Schwingkreis (Oszillator). Die Röhrenspannung treibt den Schwingkreis im Takt seiner Eigenfrequenz, da der Röhrenstrom durch induktive Rückkopplung (Lg) im
Takt der Eigenfrequenz moduliert wird. Statt einer Elektronenröhre werden heutzutage geeignete
Halbleiterbauelemente verwendet.
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