Clin Res Cardiol 95:Suppl 1, I/7–I/13 (2006) DOI 10.1007/s00392-006-1110-3 A. H. Lauruschkat A. Albert B. Arnrich S. Bauer F. Dalladaku I. C. Ennker U. Rosendahl J. Ennker Experiences collected in more than 2,300 diabetics undergoing coronary artery bypass grafting: patients with a specific risk profile n Summary Background The objective of this paper was to analyze demographic and clinical characteristics of diabetic patients undergoing coronary artery bypass grafting on the basis of a significant number of cases. Methods The data of 8,195 patients who have undergone coronary bypass operations between 1996 and 2003 were analyzed. Non-diabetic patients (no DM), oral treated diabetics (DM oral) and insulintreated diabetics (DM insulin) were compared in terms of their pre-operative, intra-operative and post-operative characteristics. The statistical analyses were performed Dr. med. Achim Helmut Lauruschkat ()) A. Albert · B. Arnrich · S. Bauer F. Dalladaku · I. C. Ennker U. Rosendahl · J. Ennker Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Herzzentrum Lahr/Baden 77933 Lahr Tel.: +49-7 8 21/92 51 00 Fax: +49-78 21/92 51 10 E-Mail: [email protected] Erfahrungen mit Diabetikern in der Koronarchirurgie – Patienten mit einem besonderen Risikoprofil with the support of SPSS 11.5 under application of chi-square and student-t tests. Results In cardiosurgery, diabetics differ in various ways from non-diabetic patients. They show a significantly higher prevalence of the known cardiovascular risk factors such as raised body mass index, age and hypertension. Furthermore they present a higher prevalence of vascular comorbidity such as peripheral vascular disease and carotid disease. At the postoperative stage, cerebral dysfunction occurred more often among the diabetic patients (no DM 5.2% vs. DM oral 7.3% vs. DM insulin 10.5%; p < 0.05), they suffered from apoplexies more frequently (no DM 1.9% vs. DM oral 2.1% vs. DM insulin 3.2%; p < 0.05), and they required re-intubation more frequently (no DM 2.6% vs. DM oral 3.1% vs. DM insulin 5.6%; p < 0.05). Peri-operative mortality was highest in the group of insulin-treated diabetics (no DM 1.1% vs. DM oral 1.6% vs. DM insulin 1.8%; p < 0.05). Conclusion In coronary surgery, diabetic patients represent an especially challenging patient group with an independent risk profile, who require specific consideration as far as the selection of the operative approach, on, one hand, and the post-operative follow-up, on the other hand, are concerned. n Key words coronary artery disease – CV surgery – type 2 diabetes n Zusammenfassung Einleitung Anhand eines aussagekräftigen Patientenkollektivs sollten die demographischen, klinischen, operativen und postoperativen Daten diabetischer Koronarpatienten mit nichtdiabetischen Patienten verglichen werden. Methoden und Ergebnisse Es wurden die Daten von 8 195 Patienten untersucht, die sich im Zeitraum von 1996 bis 2002 koronaren Bypassoperationen unterzogen. Nichtdiabetische Patienten (kein DM), mit oralen Antidiabetika therapierte Diabetiker (DM oral) und mit Insulin therapierte Diabetiker (DM Insulin) wurden hinsichtlich ihrer präoperativen Charakteristika und Risikofaktoren und hinsichtlich der Ergebnisse des postoperativen Verlaufs miteinander verglichen. Es zeigte sich, dass diabetische Koronarpatienten signifikant häufiger zahlreiche kardiovaskuläre Risikofaktoren und eine höhere vaskuläre Komorbidität aufwiesen als nichtdiabetische Patienten. Postoperativ litten Diabetiker häufiger unter Verwirrtheitszuständen (kein DM 5,2% vs. DM oral 7,3% vs. DM Insulin 10,5%; p < 0,05), erlitten häufiger Schlaganfälle (kein DM 1,9% vs. DM oral 2,1% vs. DM Insulin 3,2%; p < 0,05) I/8 Clinical Research in Cardiology, Volume 95, Supplement 1 (2006) © Steinkopff Verlag 2006 und mussten häufiger reintubiert werden (kein DM 2,6% vs. DM oral 3,1% vs. DM Insulin 5,6%; p < 0,05). Die 30-Tage-Mortalität war unter den Diabetikern signifikant erhöht (kein DM 1,1% vs. DM oral 1,6% vs. DM Insulin 1,8%; p < 0,05). Schlussfolgerung Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass diabetische Koronarpatienten in der Herzchirurgie ein eigenständiges Risikoprofil aufweisen, das in der Wahl der operativen Strategien und im post- Einleitung Die epidemiologischen Daten der Framingham-Studie haben bereits 1974 gezeigt, dass Diabetes mellitus – auch nach Abgleichung begleitender Faktoren wie Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index (BMI), arterieller Hypertonie, Hypercholesterinämie und Nikotinabusus – ein wichtiger unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen ist [7, 14]. Im Vergleich zur Normalbevölkerung leiden Diabetiker zwei- bis dreimal häufiger an Erkrankungen des HerzKreislauf-Systems [14]. Dabei kommt es bei Diabetikern häufig zu einer rapiden Progredienz der Atherosklerose mit ausgeprägten koronaren Herzerkrankungen. Die kardiovaskuläre Mortalität ist bei Diabetikern dreifach höher als in der Normalbevölkerung [25]. Unter den koronaren Bypasspatienten liegt der Anteil an Diabetikern bei 20–30% [3, 18, 28]. In der Herzchirurgie stellen diabetische Koronarpatienten daher eine bedeutende und – aus vielerlei Gründen – besonders herausfordernde Patientengruppe dar. In zahlreichen Studien wurden diabetische und nichtdiabetische Koronarpatienten miteinander verglichen – es gibt jedoch kaum Publikationen mit aussagekräftigen Patientenzahlen, die auf die Untergruppe der insulintherapierten Diabetiker in der Koronarchirurgie näher eingehen. Die Konzeption der vorliegenden Studie schließt diese Informationen mit ein. Methoden Es wurden die Daten von 8 195 Patienten untersucht, die sich im Zeitraum vom Januar 1996 bis Dezember 2002 im Herzzentrum Lahr/Baden koronaren Bypassoperationen unterzogen. Patienten, bei denen weitere chirugische Eingriffe notwendig waren (z. B. Aortenklappen- oder Mitralklappenoperationen), wurden aus der Studie ausgeschlossen. Die Operationen wurden in mäßiger Hypothermie unter Verwendung kalter Blutkardioplegie durchgeführt. In zunehmendem Maße wurde die Operation am schlagenden Herzen – ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine – angestrebt. Diese Patienten wurden in der vorliegenden Studie ebenfalls erfasst. Alle Patienten wurden sowohl operativ als auch in der postoperativen Betreuung operativen Verlauf eine besondere Herausforderung darstellt. n Schlüsselwörter Koronare Herzerkrankung – Koronarchirurgie – Diabetes mellitus Typ 2 nach standardisierten Richtlinien unserer Klinik versorgt. Die demographischen Charakteristika, die präoperativen Risikofaktoren, die intraoperativen Daten sowie die Daten des postoperativen Verlaufs jedes einzelnen Patienten wurden in den Datenbanken der anästhesiologischen und kardiochirurgischen Qualitätssicherung erfasst. Entsprechend ihrer Einweisungsdiagnose und ihrer Diabetestherapie wurden die Patienten als Nichtdiabetiker (kein DM), als mit oralen Antidiabetika therapierte Diabetiker (DM oral) oder als mit Insulin therapierte Diabetiker (DM Insulin) gewertet. Diese Patientengruppen wurden hinsichtlich ihrer präoperativen Charakteristika und Risikofaktoren sowie der Daten des postoperativen Verlaufs miteinander verglichen. Definitionen Für die untersuchten Risikofaktoren gelten die folgenden – überwiegend aus dem EuroSCORE [19] entlehnten – Definitionen: periphere arterielle Verschlusskrankheit, Claudicatio intermittens, früherer oder geplanter Eingriff an den Extremitätenarterien; Karotisstenosen Verschluss oder Stenosierung der Aa. carotis von mehr als 50%, früherer oder geplanter Eingriff an den Aa. carotis; neurologische Funktionsstörung Erkrankungen, die zu schweren Einschränkungen der Beweglichkeit oder zu schweren Einschränkungen bei täglichen Verrichtungen führen; chronic obstructive pulmonary disease (COPD) Langzeitmedikation einer Lungenerkrankung mittels Bronchodilatatoren oder Kortikosteroiden; kürzlicher Myokardinfarkt (in den letzten 90 Tagen); instabile Angina pectoris Ruheangina, die eine intravenöse Nitratmedikation bis zur präoperativen Narkoseeinleitung erfordert; kritischer präoperativer Zustand ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern, präoperative Herzdruckmassage, präoperative Beatmung, Katecholaminmedikation, intraaortale Ballonpumpe oder akutes Nierenversagen (Anurie oder Oligurie <10 ml/h); Apoplex ein neu aufgetretenes fokales neurologisches Defizit oder Koma von mehr als 24 h Dauer; Psychosyndrom Verhaltensauffälligkeiten, wie zeitliche und örtliche Desorientiertheit, die auch ohne gezielte psychiatrische Untersuchung klinisch auffällig sind. A. H. Lauruschkat et al. Erfahrungen mit Diabetikern in der Koronarchirurgie – Patienten mit einem besonderen Risikoprofil Die statistische Analyse erfolgte mithilfe des Statistikprogramms SPSS (11.5) unter Verwendung des Chi-Quadrat-Tests für kategoriale Variablen und des Student-t-Tests für kontinuierliche Variablen. Ergebnisse Tab. 1 Patientenverteilung Kein Diabetes mellitus Diabetes mellitus (orale Medikation) Diabetes mellitus (Insulinmedikation) ∑ n = 5857 n = 1488 n = 850 n = 8195 (71,5%) (18,1%) (10,4%) (100%) Kein DM DM (oral) DM (Insulin) Demographisches Profil Alter (Jahre) Anteil weiblicher Patienten (%) Body-Mass-Index (kg/m2) 65,1 21,7 27,7 66,6 a 26,3 a 28,7 a 66,6 a 42,2 a, b 28,8 a Klinische Parameter Arterielle Hypertonie (%) PAVK (%) Karotisstenosen (%) Früherer Apoplex (%) Neurolog. Funktionsstörungen (%) COPD (%) Nikotinabusus (%) 72,1 8,8 8,8 5,8 2,9 18,3 27,4 81,4 a 11,7 a 11,5 a 8,0 a 4,1 a 23,9 a 24,6 a 84,8 a, b 20,9 a, b 13,8 a, b 9,3 a, b 4,6 a, b 26,5 a, b 16,7 a, b 7,7 1,0 205,6 7,9 a 1,6 a 201,3 a 8,2 a, b 4,7 a, b 197,9 a Kardiale Parameter Instabile AP (%) Kürzlich Herzinfarkt (<90 d) (%) LVEF 30–50% (%) LVEF <30% (%) Kritischer Zustand (%) 13,5 13,9 29,0 3,7 1,2 13,5 11,9 a 37,0 a 5,6 a 1,5 a 10,6 a, b 10,9 a, b 38,6 a 6,7 a, b 3,4 a, b Angiographische Parameter Hauptstammstenose (%) LAD-Stenose (%) RCX-Stenose (%) RCA-Stenose (%) 20,0 87,4 66,2 69,0 17,9 a 88,5 71,5 a 74,2 a 17,1 a 89,6 70,2 a 76,6 a Tab. 2 Präoperative Basisdaten Laborparameter Leukozyten (Tsd/ll) Kreatinin >200 lmol/l (%) Cholesterin (mg/dl) a p < 0.05 versus kein DM p < 0.05 versus DM (oral) PAVK = periphere arterielle Verschlusskrankheit; COPD = chronic obstructive pulmonary disease; AP = Angina pectoris; LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion; LAD = left anterior descending = Ramus interventricularis anterior; RCX = Ramus circumflexus; RCA = right coronary artery b phischen, klinischen und angiographischen Charakteristika der nichtdiabetischen Koronarpatienten im Vergleich zu den oral therapierten Diabetikern und den insulintherapierten Diabetikern sind in Tabelle 2 aufgeführt. n Demographisches Profil und klinische Parameter Tabelle 1 zeigt die Verteilung der von uns untersuchten Patienten gemäß ihrer Diabetes-Diagnose bzw. ihrer antidiabetischen Therapieform. Die demogra- Parameter I/9 Die diabetischen Koronarpatienten sind signifikant älter als die Nichtdiabetiker, und die diabetischen Patientengruppen weisen einen signifikant höheren Body-Mass-Index auf. Der Frauenanteil unter den Patienten nimmt von Nichtdiabetikern über oral therapierte Diabetiker hin zu den insulintherapierten Diabetikern signifikant zu. Auch arterielle Hypertonie, periphere Durchblutungsstörungen, klinisch relevante Karotisstenosen, Schlaganfälle in der Vorgeschichte, neurologische Funktionsstörungen und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen sind gleichermaßen in signifikant ansteigender Weise über die untersuchten Patientengruppen verteilt. Nikotinabusus ist unter Diabetikern in geringerem Maße anzutreffen als unter nichtdiabetischen Koronarpatienten. n Laborparameter Diabetische Patienten weisen durchschnittlich höhere Leukozytenzahlen auf als nichtdiabetische Patienten, wobei die höchsten Werte unter den insulintherapierten Diabetikern anzutreffen sind. Der Gesamtcholesterinspiegel ist im Mittel niedriger als bei den untersuchten Nichtdiabetikern. Die Häufigkeit erhöhter Kreatininwerte (> 200 lmol/l) weist von Nichtdiabetikern über oraltherapierte Diabetiker hin zu insulintherapierten Diabetikern eine steigende Tendenz auf. n Kardiale Parameter und angiographische Befunde Diabetische Koronarpatienten werden signifikant häufiger mit bereits stark eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion in die Herzchirurgie eingewiesen als nichtdiabetische Patienten. Auch werden insulintherapierte Diabetiker weitaus häufiger in einem kritischen Zustand eingeliefert. Unter diesen Patienten finden wir hingegen signifikant seltener Patienten mit instabiler Angina pectoris oder frischen Myokardinfarkten als in den anderen Patientengruppen. Die diabetischen Patienten weisen signifikant weniger Hauptstammstenosen, dafür aber häufiger RCX- und RCA-Stenosen auf als die nichtdiabetischen Koronarpatienten. I/10 Clinical Research in Cardiology, Volume 95, Supplement 1 (2006) © Steinkopff Verlag 2006 Tab. 3 Operative Parameter Tab. 4 Postoperative Parameter Parameter Kein DM DM (oral) DM (Insulin) Parameter Kein DM DM (oral) DM (Insulin) Verwendung von LIMA (%) Verwendung von RIMA (%) Verwendung von Venen (%) Anzahl periph. Anastomosen Aortenklemmzeit (min) Bypasszeit (min) OP-Dauer (min) 93,4 6,2 88,3 3,1 55,3 86,9 199,7 93,8 3,2 a 91,5 3,2 a 57,3 a 89,3 a 202,0 93,2 1,9 a, b 92,2 3,2 a 57,3 a 87,8 a 199,4 Apoplex (%) Psychosyndrom (%) 1,9 5,2 2,1 7,3 a 3,2 a, b 10,5 a, b Reintubation (%) Beatmungsdauer (d) Intensivaufenthalt (d) 2,6 1,1 3,4 3,1 a 1,0 3,5 a 5,6 a, b 1,6 a, b 4,6 a, b 30-Tage-Mortalität (%) 1,1 1,6 a 1,8 a a p < 0.05 versus kein DM p < 0.05 versus DM (oral) LIMA = left internal mammary artery; RIMA = right internal mammary artery b n Operative Parameter (s. Tab. 3) In allen 3 Patientengruppen wird gleichermaßen häufig – standardmäßig – die linke A. mammaria interna (LIMA) verwendet. Die Verwendung der rechten A. mammaria interna (RIMA) erfolgte häufiger bei nichtdiabetischen Patienten als bei Diabetikern. Venengrafts kamen in allen 3 Patientengruppen gleichermaßen häufig zum Einsatz. Die durchschnittliche Anzahl peripherer Anastomosen liegt bei den diabetischen Patienten signifikant höher als bei den nichtdiabetischen Koronarpatienten. Entsprechend sind die Aortenklemmzeit und Bypasszeit in diesen Gruppen ebenfalls länger, während hinsichtlich der gesamten OP-Dauer keine signifikanten Unterschiede zu verzeichnen sind. n Postoperative Ergebnisse (s. Tab. 4) Im Verlauf koronarer Bypassoperationen ereignen sich Schlaganfälle bei insulintherapierten Diabetikern signifikant häufiger als in den anderen untersuchten Patientengruppen (kein DM 1,9% vs. DM oral 2,1% vs. DM Insulin 3,2%; p < 0,05). Postoperative Verwirrtheitszustände treten unter diabetischen Patienten häufiger auf als bei nichtdiabetischen Patienten, wobei die höchst Rate ebenfalls unter den insulintherapierten Patienten anzutreffen ist (kein DM 5,2% vs. DM oral 7,3% vs. DM Insulin 10,5%; p < 0,05). Insbesondere die insulintherapierten Diabetiker müssen im postoperativen Verlauf häufiger reintubiert werden (kein DM 2,6% vs. DM oral 3,1% vs. DM Insulin 5,6%; p < 0,05) und werden längere Zeit maschinell beatmet. Die Intensivdauer dieser Patienten ist entsprechend verlängert. Diabetische Koronarpatienten weisen eine signifikant erhöhte perioperative Mortalität auf, wobei die höchste Sterblichkeit in der Gruppe der insulintherapierten Diabetiker anzutreffen ist (kein DM 1,1% vs. DM oral 1,6% vs. DM Insulin 1,8%; p < 0,05). a b p < 0.05 versus kein DM p < 0.05 versus DM (oral) Diskussion Die Prävalenz diagnostizierten Diabetes mellitus in dem von uns untersuchten Patientenkollektiv herzchirurgischer Patienten beträgt 28,5%. Die Prävalenz oral therapierten Diabetes mellitus liegt bei 18,1% während mehr als ein Drittel der diabetischen Koronarpatienten (10,4%) mit Insulin therapiert werden. Abramov et al. berichten von einer beständigen Zunahme der Prävalenz des Diabetes unter koronaren Bypasspatienten im Verlauf der letzten Jahre von 18,6% (1990) auf 26,7% (1998) [1]. Auch die herzchirurgischen Daten der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) zeigen eine steigende Tendenz der Prävalenz von Diabetikern in der Koronarchirurgie (2001: 28,3%; 2002: 28,7%; 2003: 29,3%). Die Gründe hierfür sind in demographischen Veränderungen und veränderten Zuweisungsmodalitäten zu suchen, lassen möglicherweise aber auch auf eine umfassendere präoperative Diagnostik in jüngeren Jahren schließen. n Demographisches Profil und klinische Parameter Die diabetischen Patienten weisen signifikant häufiger die bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren wie erhöhten BMI, höheres Lebensalter und arterielle Hypertonie auf. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Daten zahlreicher anderer Autoren, die in ihren Studien Koronarpatienten mit beeinträchtigtem Glukosestoffwechsel untersucht haben [18, 26, 27]. Der Frauenanteil unter den Koronarpatienten nimmt von Nichtdiabetikern über oral therapierte Diabetiker hin zu insulinpflichtigen Diabetikern signifikant zu – eine Beobachtung, welche auch in früheren Studien berichtet wurde [27]. Dass diabetische Koronarpatienten signifikant häufiger als nichtdiabetische Patienten unter peripheren Durchblutungsstörungen leiden, wird ebenfalls von anderen Autoren beschrieben [3, 8]. Schlaganfälle und neurologische Funktionsstörungen A. H. Lauruschkat et al. I/11 Erfahrungen mit Diabetikern in der Koronarchirurgie – Patienten mit einem besonderen Risikoprofil in der Vorgeschichte sind signifikant häufiger unter den Diabetikern anzutreffen. Das höhere Alter diabetischer Patienten ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, geht es doch einher mit zunehmender Atherosklerose, dem vermehrten Risiko embolischer Ereignisse sowie mit Veränderungen der zerebralen Gefäße und der Blutflussautoregulation [23]. Vom Gefäßstatus (PAVK, Karotisstenosen, früherer Apoplex) scheinen die oral therapierten Diabetiker tendenziell weniger vorbelastet zu sein als die insulintherapierten Koronarpatienten. Diese Befunde lassen sich durch eine kürzere Erkrankungsdauer dieser Patienten erklären, zumal eine Insulintherapie in der Regel erst nach einem Sekundärversagen oraler Antidiabetika aufgenommen wird. n Laborparameter Die signifikant erhöhten Leukozytenzahlen der von uns untersuchten diabetischen Patienten könnten die Hypothese unterstützen, dass chronische Entzündungsreaktionen den gemeinsamen Auslöser von Insulinresistenz, Diabetes mellitus und Arteriosklerose darstellen [10]. Erwiesenermaßen erhöhen chronische Enzündungsreaktionen und Infektionen das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit Diabetes Typ 2 [15, 24]. Der Gesamtcholesterinspiegel der diabetischen Patientengruppen ist im Mittel niedriger als bei nichtdiabetischen Koronarpatienten. Dieser Befund steht im Gegensatz zu den Ergebnissen anderer Autoren, die keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gesamtcholesterinwerten diabetischer und nichtdiabetischer Patienten feststellten [3]. Verstehen ließe sich dieses Ergebnis unter der Annahme, dass die diabetischen Patienten – gemäß den gängigen Richtlinien – eher mit Lipidsenkern therapiert werden als nichtdiabetische Patienten. Die von Nichtdiabetikern über oral therapierte Diabetiker hin zu insulintherapierten Diabetikern im Mittel ansteigende Häufigkeit erhöhter Retentionswerte lässt sich leicht dadurch erklären, dass mit zunehmender Erkrankungsdauer des Diabetes mellitus ein gehäuftes Auftreten diabetischer Nephropathie zu erwarten ist. n Kardiale Parameter und angiographische Befunde Die Daten der vorliegenden Studie belegen, dass Diabetiker häufiger eine verminderte linksventrikuläre Ejektionsfunktion aufweisen als nichtdiabetische Koronarpatienten. Diese Ergebnisse decken sich mit den Beobachtungen anderer Autoren [8, 27]. Bei Patienten mit längerer diabetischer Erkrankungsdauer sind häufiger Anzeichen diabetischer Neuropathie auszumachen, was wiederum dazu führen kann, dass Herzinfarkte schmerzlos oder atypisch verlaufen, sich als Herzinsuffizienz, kardialer Schock oder Arrhythmie äußern [13]. Hierdurch wird die Diagnose erschwert und häufig eine adäquate Therapie erst verzögert eingeleitet. Zarich et al. berichten, dass bei den von ihnen beobachteten Diabetespatienten mehr als 90% der ischämischen Episoden asymptomatisch abliefen [30]. Diese hohe Zahl asymptomatischer ischämischer Episoden kann dazu führen, dass diese Patienten später als nichtdiabetische Patienten einer Diagnostik zugeführt werden und dementsprechend in einem fortgeschritteneren Stadium der koronaren Herzerkrankung in die Herzchirurgie eingewiesen werden. Folglich finden wir unter den diabetischen Koronarpatienten auch signifikant häufiger Patienten mit koronaren 3-Gefäßerkrankungen. Die signifikant geringere Prävalenz von Hauptstammstenosen unter diabetischen Patienten deutet auf ein anderes koronares Befallsmuster als bei nichtdiabetischen Patienten hin. n Operative Parameter (s. Tab. 3) Die vorliegenden Daten belegen die Absicht, möglichst viele Patienten mit der A. mammaria interna sinistra zu versorgen. Die Ergebnisse großer internationaler Studien, die die ursachenspezifische Mortalität und die Effizienz der Koronarchirurgie bei Verwendung von arteriellen Grafts im Vergleich zu Venengrafts untersucht haben, lassen den Schluss zu, dass insbesondere Diabetes-mellitus-Patienten von der Verwendung arterieller Grafts profitieren [4, 21, 26]. Auf die Gewinnung der rechten A. mammaria interna als zusätzlichem arteriellen Graft wurde bei Diabetikern in dem erfassten Studienzeitraum möglichst verzichtet, da die beidseitige Präparation der A. mammaria interna nach damaliger Studienlage mit einem erhöhten Risiko sternaler Wundinfektionen einherging [11, 12]. Neuere Studien zeigen jedoch, dass unter Beachtung bestimmter Maßgaben (skelettierende Präparationstechnik, strenge postoperative Blutzuckerführung mittels kontinuierlicher intravenöser Insulininfusion) die beidseitige Verwendung der A. mammaria interna bei Diabetikern mit einer vergleichbar geringen Inzidenz sternaler Wundinfektionen wie bei nichtdiabetischen Patienten einhergeht [5]. n Postoperative Ergebnisse Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass neurologische Schäden und Verwirrtheitszustände im postoperativen Verlauf koronarer Bypassoperationen bei Diabetikern signifikant häufiger auftreten. Studien belegen, dass Diabetiker subklinische, jedoch I/12 Clinical Research in Cardiology, Volume 95, Supplement 1 (2006) © Steinkopff Verlag 2006 objektiv messbare Beeinträchtigungen der kognitiven Hirnfunktionen aufweisen [22], welche in Relation zur Dauer der Erkrankung stehen [16]. Im Rahmen herzchirurgischer Eingriffe sind diese Patienten besonderen Gefährdungen ausgesetzt. Wie andere Autoren berichten, so haben Diabetiker ein deutlich erhöhtes Risiko, im perioperativen Verlauf einer Bypassoperation Schlaganfälle und transiente ischämische Attacken zu erleiden, in dauerhaftes Koma zu fallen oder in der Folge von Schlaganfällen oder hypoxischer Enzephalopathie zu versterben [20, 23]. Als mögliche Ursache kommen eine bei Diabetikern unter der extrakorporalen Zirkulation beeinträchtigte zerebrovaskuläre Autoregulation und eine generalisierte Atherosklerose unter Einbeziehung der Aorta, der Karotiden und der Zerebralarterien in Betracht. Auffällig ist die signifikant verlängerte durchschnittliche Beatmungsdauer und die häufigere Anzahl von Reintubationen vor allem der insulinpflichtigen Patienten im postoperativen Verlauf. Diese Ergebnisse lassen sich erklären, wenn man auch die Lunge als Zielorgan diabetischer Mikroangiopathie in Betracht zieht [9]. In pathologischen Studien fanden sich bei Diabetikern Basal-Lamina-Verdickungen sowohl des Alveolarepithels als auch des Kapillarendothels [29]. Pulmonale Funktionseinschränkungen – die unter normalen Bedingungen noch klinisch unauffälig sind – könnten durch das „capillary leak“ und andere pathophysiologische Bedingungen, welche sich nach Einsatz der extrakorporalen Zirkulation entwickeln, quasi demaskiert werden. Die von uns beobachtete erhöhte Hospitalmortalität diabetischer Patienten wird auch von anderen Autoren berichtet [27]. Bemerkenswerterweise ist die höchste Sterblichkeit in der Gruppe der insulintherapierten Diabetiker anzutreffen. Zu bedenken ist, dass diese Patienten – wie in Tabelle 2 zu ersehen – ein charakteristisches Risikoprofil mit hoher Komorbidität aufweisen. Aufgrund der Patientenzuweisung aus allen Teilen des Bundesgebietes und Patientencharakteristika, die im Wesentlichen mit denen anderer deutscher Herzzentren übereinstimmen, ist davon auszugehen, dass es sich bei den beobachteten Auffälligkeiten nicht um regionale Besonderheiten handelt, sondern diese weitgehend als repräsentativ für herzchirurgische Patienten in westlichen Industrienationen anzusehen sind. Im Laufe der letzten Jahre wurden zunehmend ältere Patienten mit einer erhöhten Komorbidität in die Herzchirurgie eingewiesen [1]. Immer häufiger werden Operateure mit Patienten konfrontiert, die eine Vielzahl von bekannten Risikofaktoren für eine erhöhte perioperative Mortalität und Morbidität aufweisen. Doch auch die operativen Verfahren der Herzchirurgie haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die vermehrte Anwendung von Blutkardioplegie ermöglichte gefahrlos längere Ischämiezeiten zum Zwecke einer möglichst vollständigen Revaskularisation. Die vermehrte Anwendung arterieller Grafts führte nachweislich zu besseren Überlebensraten im Langzeitverlauf [17], und mit minimalinvasiven Verfahren der Graft-Gewinnung konnte die Wundfläche deutlich vermindert werden. Zunehmend werden Operationen am schlagenden Herzen – unter Vermeidung der extrakorporalen Zirkulation und ihrer spezifischen Risiken – durchgeführt, und durch die strenge Blutzuckerstoffwechselführung im frühpostoperativen Verlauf konnte das Risiko von Wundheilungsstörungen signifikant vermindert werden [6]. Dank der zunehmenden Erfahrung mit der anspruchsvollen Klientel diabetischer Koronarpatienten kann die koronare Bypassoperation in spezialisierten Zentren heutzutage als eine sichere Therapieoption angesehen werden, die auch für diese Patienten mit einer geringen Morbidität und Mortalität einhergeht. Literatur 1. 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