Superhydrophobe Titanoberflächen für Anti-Eis

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O BERFLÄCHEN
Superhydrophobe Titanoberflächen
für Anti-Eis-Anwendungen im Flugzeugbau
Von Loreen Wermuth, München
Bei Flugzeugen führen Oberflächen, die das Entstehen von Vereisungen unterdrücken, zu einer deutlichen Steigerung der Sicherheit
sowie zu einer Reduzierung der Kosten. Auf Titan können durch Anodisation offenporige Oxidstrukturen erzeugt werden, bei denen die
Poren 60 nm bis 70 nm Durchmesser und etwa 650 nm Länge besitzen. Durch eine anschließende organische Beschichtung entstehen
superhydrophobe Oberflächen, die zudem ihre Eigenschaften über einen weiteren Temperaturbereich beibehalten. Erste Anwendungen bei Kanten der Tragflächen in Kombination mit einer Heizeinrichtung zeigen vielversprechende Einsatzmöglichkeiten.
Superhydrophobic Titanium Surfaces for Anti-Ice Applications in Aircraft Construction
In aircraft manufacture, use of surfaces with anti-icing (icephobic) properties are valuable in increasing operating safety and cost-reduction. Anodising of titanium creates an open-pored oxide structure, such pores being typically 60 to 70 nm in diameter and some
650 nm deep. After application of a subsequent organic coating, a superhydrophobic surface results capable of retaining this function
over a wide range of temperatures. Initial applications have been on the leading edges of wing surfaces combined with integral heating facilities, a combination which appears extremely promising.
Da Fluggesellschaften einem stetig zunehmenden wirtschaftlichen Druck unterliegen, erhöhen sich deren Anforderungen an
moderne Flugzeuge. Im Fokus stehen dabei die Steigerung der Effizienz, die Erhöhung des Komforts sowie die Reduzierung
der CO2-Emmisionen der eingesetzten Systeme. Dabei ist die Problematik der Eisbildung (Abb. 1) seit vielen Jahren eine stark
diskutierte Thematik, da diese einerseits
zur Veränderung der Aerodynamik und andererseits zur Beeinträchtigung der Funktion von Instrumenten führen kann.
1 Vereisung – Kosten
zur Gefahrenminderung
Dies hat zur Folge, dass es zu einer Zunahme des Flugzeuggewichts, einer Reduzierung des Auftriebskoeffizienten und somit
zu einer Erhöhung des Widerstandskoeffizienten kommen kann. Hierbei stellen vor
allem die Start- und Landephase die größte Gefahr der Eisbildung dar, da zu diesen
Zeitpunkten Luftmassen durchflogen werden, die unterkühlte Wassertropfen beinhalten, die auf den Instrumenten oder Tragflächen gefrieren können. Deshalb wurden
bereits verschiedene De-Icing- (zur Eisentfernung) und Anti-Icing-Methoden (zur
Verhinderung der Eisbildung) entwickelt,
die sowohl in der in der Luft als auch am
Boden eingesetzt werden. Allerdings bietet
keines der derzeit verwendeten Systeme
einen 100-prozentigen Schutz. Außerdem
führen die zusätzlichen Installationen von
Systemen im Flugzeug und die Enteisung
am Boden (Abb. 2) zu zusätzlichen Kosten. Aus diesem Grund müssen neue Konzepte und Technologien zur Vermeidung
der Eisbildung entwickelt werden. Deshalb
sollte unter Betrachtung der genannten
Aspekte die Entwicklung von innovativen
Abb. 1: Vereiste Flügelvorderkante
Quelle: Aviation Education Multimedia Library
Enteisungssystemen auf Basis von intelligenten, langzeitbeständigen Oberflächen,
welche die Eisbildung in Kombination mit
aktiven Enteisungssystemen vermeiden
und zusätzlich die Effizienz von Flugzeugen
erhöhen, im Vordergrund stehen.
2 Technologien gegen Eisbildung
Neben den bereits erwähnten Systemaspekten spielen in modernen Passagierflugzeigen ebenfalls moderne Werkstoffe
und Materialien, wie kohlenfaserverstärkte
Kunststoffe, eine wichtige Rolle. Als Beispiel
können hier der Airbus 350 XWB und die
Boeing 787 angeführt werden, deren Struktur bereits aus über 50 Prozent kohlenfaserverstärktem Kunststoff gefertigt wird.
Da an Verbindungsstellen zu metallischen
Komponenten die galvanische Kompatibilität eine entscheidende Rolle spielt, wird
zunehmend auf den korrosionsbeständigen
Abb. 2: Enteisung eines Flugzeugs am Boden
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Quelle: Fraport AG
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Werkstoff Titan zurückgegriffen. Außerdem
wird im Bereich der Flügelvorderkante der
Einsatz dieses sehr erosionsbeständigen
Werkstoffs diskutiert.
Fokus der Untersuchungen war, eine langzeitbeständige, superhydrophobe TiO2Nanoröhren-Oberfläche zu entwickeln, die
die Eisbildung beziehungsweise Eishaftung
auf Titanoberflächen reduziert.
Für diese Untersuchung wird der durch die
Lotusblume bekannte Effekt der geringen
Benetzbarkeit für die superhydrophoben
Titandioxid-Nanoröhren ausgenutzt. Hierfür besitzen die Lotusblumenblätter eine
noppenartige Mikrostruktur, die mit einer
dünnen, wasserabweisenden Beschichtung
überzogen ist. Für den Effekt der geringen
Benetzbarkeit sind zwei wichtige Komponenten erforderlich: Einerseits muss die
Oberfläche eine ausgeprägte Mikro- beziehungsweise Nanostruktur aufzeigen, andererseits muss die Oberfläche mit einer wasserabweisenden Beschichtung überzogen
sein. Durch das Zusammenspiel dieser beiden Komponenten wird die Kontaktfläche,
zu erzeugen, hat sich der Anodisierprozess als ein besonders effektives Verfahren
herausgestellt, da sich durch das anodische
Oxidieren die wirksame Oberfläche deutlich vergrößern lässt.
3 Nanostrukturierte Titanoberflächen
Das zu behandelnde Bauteil wird beim Anodisierprozess im Stromkreis als Anode geschaltet. Durch die Prozessparameter, wie
Spannung, Stromdichte, Temperatur und
Elektrolytzusammensetzung, ist es möglich, die Eigenschaften der zu erzeugenden Oxidschicht zu variieren und entsprechend einzustellen [1]. Beim Anodisieren
in einer sauren oder neutralen Elektrolytlösung wird in der Regel eine relativ kompakte Oxidschicht erzeugt. Werden in die
Elektrolytlösung allerdings Komplexbildner,
wie in den hier genannten Untersuchungen
in Form von Fluoridzusätzen, zugegeben,
kann sich durch eine gleichzeitige Auflösung und Neubildung der Oxidschicht eine
selbstorganisierende Nanoröhrenschicht
ausbilden (Abb. 3) [2]. In Abbildung 4 ist die
4 Bildung von
superhydrophoben Oberflächen
Um eine superhydrophobe Oberfläche aus
den hydrophilen Nanoröhren zu generieren, müssen die Proben beziehungsweise
Bauteilkomponenten mit einem wasserabweisenden Beschichtungssystem nachbehandelt werden. Die in der Untersuchung analysierten Beschichtungssysteme
wurden mittels einer Tauchbeschichtung
appliziert. Dabei weisen die zwei untersuchten Beschichtungssysteme eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung
auf, wobei Coating 1 auf einem Fluoralkylsilan und Coating 2 auf einem Perfluorpolyether basiert. Bei der Funktionalisierung erfolgt die Anbindung der beiden
Beschichtungssysteme an die Metalloberfläche über chemische Wechselwirkungen. Hierbei reagieren die Hydroxylgruppen auf der Metalloberfläche, die durch
den Anodisierprozess ausgebildet wurden,
mit den funktionellen Gruppen des jeweiligen Beschichtungssystems. Die superhydrophoben Eigenschaften sind demnach das
Ergebnis aus der Kombination der nanostrukturierten Oxidschicht mit einer hydrophoben Beschichtung.
5 Eigenschaften der superhydrophoben TiO2-Nanoröhren
Abb. 3: Entstehung der Oxidschichten beim anodischen Oxidieren von Titan in Abhängigkeit
vom verwendeten Elektrolyt (nach Macak et al. [3])
beispielsweise für einen Wassertropfen,
deutlich minimiert, sodass dieser dann einfach abperlen beziehungsweise abrollen
kann.
Damit dieser Effekt auf eine Flügelvorderkante aus Titan übertragen werden kann,
muss zunächst eine nanostrukturierte
Oberfläche erzeugt werden. Hierfür gibt
es für die Vorbehandlung beziehungsweise
Konditionierung von Titan und Titanlegierungen eine Vielzahl bereits entwickelter
Prozesse. Um eine nanostrukturierte Oxidschicht auf komplex geformten Bauteilen
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Morphologie einer solchen TiO2-Nanoröhrenschicht dargestellt.
Bei einer Anodisierspannung von 30 V weisen die Nanoröhren einen Röhrendurchmesser von 60 nm bis 70 nm und eine
Schichtdicke zwischen 635 nm und 650 nm
auf. Durch diese Nanostrukturierung werden eine vergrößerte Oberflächenstruktur
und eine erhöhte Nanorauigkeit erzeugt.
Allerdings sind sie Nanoröhren in diesem
Zustand hydrophil und zeigen einen Kontaktwinkel von circa 6°.
Wie die Funktionalisierung mit den Beschichtungssystemen die Morphologie der
TiO2-Nanoröhren verändert, wurde mittels
Rasterelektronenmikroskopie untersucht.
Dabei hat sich gezeigt, dass die Morphologie der TiO2-Nanoröhren, wie in Abbildung 4 gezeigt, nicht durch das jeweilige
Beschichtungssystem verändert oder in
irgendeiner Weise beeinflusst wird. Um die
genaue Dicke der Beschichtungssysteme zu
bestimmen, wurden mittels Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) Tiefenprofile aufgenommen. Die Tiefenprofile lassen
erkennen, dass die auf den Nanoröhren abgeschiedene, wasserabweisende Schicht
nur wenige Nanometer dick ist mit Werten
zwischen 5 nm und 15 nm.
Bei der dynamischen Kontaktwinkelmessung weisen die neu entwickelten, superhydrophoben Oberflächen Kontaktwinkel
zwischen 150° und 155° bei einer Kontaktwinkelhysterese von < 3,5° auf. Damit
zählen die Schichten zu denen mit hervorragenden, superhydrophoben Eigenschaften, da diese mit einem Kontaktwinkel von
> 150° und einer Kontaktwinkelhysterese
< 10° definiert sind. Zusätzlich wurde der
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a)
zu 53 %) gegenüber einer nur alkalisch gebeizten Oberfläche (Abb. 5).
b)
Abb. 4: Auf- (a) und Seitenansicht (b) von TiO2-Nanoröhren, hergestellt durch Anodisation von Titan bei
30 V in einem fluoridhaltigen Elektrolyt
Kontaktwinkel bei einer Temperatur von
-15 °C gemessen, da die Oberflächen auch
hinsichtlich ihrer Anti-Eis-Anwendung untersucht werden sollten. Bei diesen Versuchen lag der Kontaktwinkel immer noch
bei 152°. Dies bedeutet, dass die erzielten,
superhydrophoben Eigenschaften bei tieferen Temperaturen erhalten bleiben.
Um die Beständigkeit und Stabilität in Bezug auf den Einfluss der Luftfeuchtigkeit
der superhydrophoben Oberflächen zu untersuchen und zu beurteilen, wurden Auslagerungsversuche durchgeführt. Hierfür
wurden die Proben bei 47 ± 9 % r. F. und
25 ± 1 °C bis zu 1000 h ausgelagert. Dabei
zeigten sich kein Einfluss und keine Beeinträchtigung der superhydrophoben Eigenschaften. Daraus kann geschlussfolgert
werden, dass die entwickelten, superhydrophoben Oberflächen in feucht/warmen
klimatischen Bedingungen stabil sind.
6 Effizienz beim De-Icing
Zur Untersuchung des Enteisungsverhaltens
der superhydrophoben TiO2-Nanoröhren
wurden in dem von Airbus Group Innovations entwickelten Eis-Windkanal Versuche zur Bestimmung der Eishaftung auf der
Probenoberfläche durchgeführt. Hierbei
erfolgte zunächst die Vereisung der Proben
im Eis-Windkanal. Um dabei möglichst reale Vereisungsbedingungen zu erzeugen,
können Prozessparameter wie Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit der Luft
und Größe der in den Kanal eingebrachten
Wassertropfen gezielt eingestellt werden.
Nach der Vereisung der Proben werden
diese durch Verwendung eines Permanentschwingerregers angeregt, um ein Abplatzen des Eises von der Probenoberfläche zu initiieren. Anschließend kann durch
eine von Strobl et al. [4] entwickelte Gleichung die daraus resultierende Adhäsionskraft über die Grenzflächenschubspannung
berechnet werden.
Die Kombination einer nanostrukturierten
Oberfläche und einer superhydrophoben
Beschichtung führt diesen Untersuchungen zufolge zu einer signifikanten Reduzierung der Eisadhäsion (Reduzierung um bis
Um die Effizienz der neu entwickelten, superhydrophoben Oberfläche beim De-Icing
zu untersuchen, wurden zyklische Enteisungsversuche unter realen Strömungsund Vereisungsbedingungen durchgeführt.
Hierfür wurde ein Flügelprofil, das in der
Flügelvorderkante eine Kohlefaserheizmatte besitzt, eingesetzt. Die zyklischen
Enteisungsversuche zeigen, dass die Kombination einer superhydrophoben Oberfläche, basierend auf TiO2-Nanoröhren, mit
einem elektrischen Heizsystem zu einer
Leistungsersparnis von bis zu 66 Prozent
gegenüber konventionellen, elektrischen
Enteisungssystemen ohne superhydrophobe Oberflächen führen kann.
Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass durch die Kombination von einer nanostrukturierten Oberfläche mit
einer superhydrophoben Beschichtung die
Eisadhäsion signifikant reduziert und der
Leistungsbedarf zum Enteisen von Flugzeugen gesenkt werden kann. Die neu entwickelte Oberfläche bietet die Möglichkeit,
zukünftige Flugzeuge noch sicherer, energiesparender und umweltverträglicher zu
gestalten.
Die Ergebnisse und Erkenntnisse hinsichtlich Vereisung und Eishaftung können neben dem Bereich der Luft- und Raumfahrt
auch auf andere Industriezweige, wie etwa
Energieerzeugung- und transport (Flügelvereisung, Windenergieanlagen, Vereisung
von Stromleitungen), übertragen und dort
genutzt werden.
Literatur
[1] D. M. Brunette, P. Tengvall, M. Textor, P. Thomsen: Titanium in medicine: material science,
surface science, engineering, biological responses, and medical applications; Berlin, Heidelberg, New York, Springer, 2001
[2] P. Roy, S. Berger, P. Schmuki: TiO2-Nanoröhren:
Synthese und Anwendungen; Angew. Chem.,
123(13), S. 2956–2995, 2011
[3] J. M. Macák, H. Tsuchiya, A. Ghicov, K. Yasuda,
R. Hahn, S. Bauer, P. Schmuki: TiO2 nanotubes:
Self-organized electrochemical formation,
properties and applications; Current Opinion
in Solid State and Materials Science, 11(1-2),
S. 3–18, 2007
[4] T. Strobl, D. Raps, D. Paulus, M. Hornung:
Evaluation of Roughness Effects on Ice Adhesion; 5th AIAA Atmospheric and Space Environments Conference, American Institute of
Aeronautics and Astronautics, 2013
Abb. 5: Reduzierung der Eisadhäsion durch superhydrophobe Oberflächen
DOI: 10.7395/2015/Wermuth1
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