Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 26. Januar 2005 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Inhaltsverzeichnis Einleitung...................................................................................................................... 4 1. Fakten ........................................................................................................................ 5 2. Die Makroangiopathie..................................................................................... 9 2.1. Nichtenzymatische Glykosilierung......................................................................... 10 2.2. Aktivierung der Proteinkinase C (PKC)................................................................. 10 2.3. Oxidativer Stress..................................................................................................... 10 2.4. Adhäsionsmoleküle ................................................................................................ 10 3. Insulinresistenz .................................................................................................. 11 4. Die Diabetische Neuropathie ..................................................................... 12 4.1. Periphere Polyneuropathie...................................................................................... 13 4.2. Autonome Polyneuropathie .................................................................................... 14 4.3. Kardiovaskuläre autonome diabetische Neuropathie (KADN) .............................. 15 4.3.1. Nächtliche Blutdruckerhöhung........................................................................ 18 4.3.2. Belastungsintoleranz und linksventrikuläre Dysfunktion................................ 18 4.3.3. Stumme Myokardischämie .............................................................................. 19 4.3.4. Diagnostische Aspekte .................................................................................... 19 4.3.5. Kausale Therapie ............................................................................................. 20 4.3.6. Symptomatische Therapie ............................................................................... 21 5. Die Diabetische Kardiomyopathie ......................................................... 22 5.1. Diagnose ................................................................................................................. 23 5.2. Therapie der diabetischen Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz ....................... 23 6. Ischämische Herzkrankheiten.................................................................. 24 6.1. Endotheliale Dysfunktion ....................................................................................... 24 6.2. Koronare Herzkrankheit und diabetestypische Besonderheiten ............................. 24 6.3. Epidemiologie des Myokardinfarktes..................................................................... 26 7. Studien .................................................................................................................... 27 7.1. Cards-Studie (2003)................................................................................................ 27 7.2. CARE-Studie (1996) .............................................................................................. 29 7.3. 4S-Studie (1994)..................................................................................................... 29 7.4. HPS Studie (2002) .................................................................................................. 29 7.5. Dresden-Studie ....................................................................................................... 30 7.6. UKPDS – Studie (1998) (Beginn 1977) ................................................................ 30 7.7. PROCAM-STUDIE (Beginn 1978)....................................................................... 31 7.8. Die Framingham Studie (Beginn 1948).................................................................. 31 Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 2 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7.9. Kumamoto Studie (1995) ....................................................................................... 32 7.10. DIGAMI Studie (1999) ........................................................................................ 32 7.11. Die STOP-NIDDM-Studie ................................................................................... 32 7.12. Die Monica-Studie (Beginn 1984) ....................................................................... 34 7.13. Kohorten-Studie.................................................................................................... 34 7.14. US-amerikanische Studie ..................................................................................... 34 7.15. Der stumme Herzinfarkt ....................................................................................... 35 7.16. Die Botnia-Studie ................................................................................................. 35 7.17. Fortlaufende Forschungen .................................................................................... 35 8. Zusammenfassung ........................................................................................... 36 9. Literaturhinweise: ........................................................................................... 38 Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 3 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Einleitung Der Diabetes mellitus erweist sich immer mehr als eines der gravierendsten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Die Prävalenz des Diabetes mellitus hat epidemische Ausmaße angenommen und steigt weiter an. Die Erkrankung wirft erhebliche klinische und sozialmedizinische Probleme auf. Vor allem kann der Diabetes das Leben jedes einzelnen betroffenen Menschen in gravierender Weise beeinflussen. Obwohl bei der möglichen Diabetesversorgung große Erfolge zu verzeichnen sind, ergibt sich für die eingehende Analyse der Ist-Situation eine große Variationsbreite der Versorgungsqualität der von Diabetes mellitus Betroffenen. Um die Versorgung und Behandlung von Diabetikern sowie die Prävention von Folgeschäden zu verbessern, haben die Deutsche und die Amerikanische Diabetes Gesellschaft evidenzbasierte Leitlinien erarbeitet. Das Erkennen von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit Diabetes mellitus ist häufig wegen der verminderten Schmerzempfindung bei Dysfunktion des autonomen Nervensystem erschwert. Hierdurch fehlt oftmals der charakteristische Vernichtungsschmerz beim akuten Myokardinfarkt. Die weniger spezifischen InfarktSymptome wie Luftnot, Übelkeit, Erbrechen, unklare Müdigkeit oder Schweißausbrüche werden häufig nicht mit der Möglichkeit eines Herzinfarktes in Zusammenhang gebracht. Die genannten Faktoren führen zu einer gefährlichen Verzögerung des Therapiebeginns. Die Krankenhausmortalität des Infarkt-Patienten mit Diabetes ist entsprechend doppelt so hoch wie die des Infarkt-Patienten ohne Diabetes. So ist besonders ein frühzeitiges Erkennen des Notfallgeschehens, sowie eine frühzeitig einsetzende Therapie für die Überlebenschance und evtl. zurückbleibende Schäden des Patienten von entscheidender Bedeutung. Da präklinische Symptome oft übersehen oder fehlgedeutet werden, bedarf es einer genauen rettungsdienstlichen Diagnostik bei Notfallereignissen von Diabetikern. Hierbei muss das Gesamtbild des Diabetes mellitus Patienten mit all seinen Folgeerkrankungen betrachtet werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Mechanismen und Möglichkeiten der klinischen Manifestation von kardiovaskulären Veränderungen bis hin zu kardiovaskulären Notfallereignissen. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 4 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 1. Fakten Zum Zeitpunkt der Diagnose „Typ-2-Diabetes“ weist jeder zweite Betroffene Zeichen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung auf! 1995 waren etwa 118 Millionen Menschen weltweit von Diabetes mellitus betroffen. Für das Jahr 2010 werden rund 221 Millionen Patienten erwartet. Besonders bedenklich ist die Tatsache, dass sich insbesondere die Häufigkeit des Typ-2-Diabetes innerhalb dieses Zeitraums von 115 Millionen (1995) auf etwa 215 Millionen (2010) nahezu verdoppeln wird und dieser doch eine seit Jahren ständig zunehmende Mortalität aufweist. Allerdings stellt der diagnostizierte Diabetes Typ 2 nur die Spitze eines Eisberges dar. USamerikanische Schätzungen zufolge liegt der Anteil der bisher nicht diagnostizierten Fälle in der Bevölkerungsschicht zwischen dem 20.-74. Lebensjahr nochmals mindestens genauso hoch. Berücksichtigt man die Vorstufe des Typ-2-Diabetes, auch die so genannte gestörte Glukosetoleranz ("impaired glucose tolerance", IGT), so muss man noch von einer viel höheren Dunkelziffer ausgehen: mehr als 10% aller Menschen weltweit. Gestörte Glukosetoleranz erhöht kardiovaskuläres Risiko Weithin anerkannt ist, dass ein manifester Typ-2-Diabetes mit einer erhöhten Rate kardiovaskulärer Folgeerkrankungen assoziiert ist. Weniger bekannt hingegen ist die Tatsache, dass bereits die gestörte Glukosetoleranz zu einer rapiden Prognoseverschlechterung führt. Angesichts des ständig steigenden Durchschnittsalters und der vermehrt verbreiteten Übergewichtigkeit der Bevölkerung ist ein Ende dieser Entwicklung nicht abzusehen. Bereits im Stadium der gestörten Glukosetoleranz entstehen makrovaskuläre Schäden. Dagegen treten mikrovaskuläre Gefäßalterationen erst nach der Diagnose des Typ-2-Diabetes auf. Die Prävention des Typ-2-Diabetes ist eine der wichtigsten Maßnahmen, um Endorganschäden zu vermeiden. Denn unter Anderem stellt der Diabetes in den Industrienationen die häufigste Ursache von Blindheit dar. (32) Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigsten Folgeschäden bei Diabetikern und erklären die hohe Morbidität und Mortalität dieser Patienten. Typ 2 Diabetes erhöht das kardiovaskuläre Risiko um einen Faktor von zwei bis vier. In den Industrieländern ist der Diabetes mellitus die vierthäufigste Todesursache, wobei kardiovaskuläre Erkrankungen bei Diabetikern für 75 Prozent der Gesamtmortalität verantwortlich sind. Die koronare Herzkrankheit (KHK) liegt mit großem Abstand an erster Stelle der Todesursachen. Aufgrund von Herzkrankheiten beträgt die jährliche Durchschnittsmortalität bei Personen mit Typ 2 Diabetes 5,4 Prozent und ist doppelt so Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 5 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse hoch wie bei altersgleichen Nichtdiabetikern. Die Lebenserwartung für Typ 2 Diabetiker ist deshalb im Schnitt um 5 bis 10 Jahre vermindert. Die Inzidenz von KHK ist bereits im Stadium des Prädiabetes (gestörte Glukosetoleranz, metabolisches Syndrom) erhöht. Dabei besteht unabhängig von anderen Risikofaktoren eine Dosis-Wirkung-Beziehung von Glukoseintoleranz und der KHK bei über 20jähriger Beobachtung. Nach den Daten der Augsburger MONICA-Studie ist die Inzidenz des Myokardinfarktes bei Männern mit Diabetes mellitus 3,7fach und bei diabetischen Frauen 5,9fach erhöht im Vergleich zu Nichtdiabetikern. Das Risiko für eine koronare Herzerkrankung nimmt sowohl bei Patienten mit Typ-1 als auch mit Typ-2 Diabetes mit der Länge der Diabetesdauer zu. Aufgrund der Daten einer finnischen prospektiven Studie wurde angenommen, dass bei Diabetikern ohne erkennbare Herz-Kreislauf-Krankheiten das kardiovaskuläre Risiko ebenso hoch ist wie bei Nichtdiabetikern nach einem Herzinfarkt (mehr als 20 schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen / 10 Jahre). In den amerikanischen Leitlinien wurde der Diabetes mellitus deshalb als ein HochrisikoÄquivalent eingestuft und Interventionsstrategien wie nach durchgemachtem Infarkt empfohlen. (39) Seit der Framingham-Studie ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2 Diabetes ein 2bis 5fach erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankung haben. (1) Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die Todesursache bei bis zu 75% der Patienten mit Typ-2 Diabetes. (5) In der Erwachsenenbevölkerung im Alter von 40 bis 74 Jahren sind (in den USA) bis zu 12% der Personen vom Typ-2 Diabetes mellitus betroffen. Die Erkrankung Diabetes mellitus stellt einen unabhängigen Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen dar. Menschen mit Diabetes und anderen Risikofaktoren haben höhere Sterbe- und Behinderungsraten aufgrund von Herzkreislauferkrankungen als Menschen, die die gleichen Risikofaktoren aufweisen, aber nicht an Diabetes leiden. (2) Jeder Zweite stirbt vorzeitig durch Herztod (80% aller Herzinfarkt-Patienten haben Diabetes oder IGT als metabolischen Hintergrund). Die Schlaganfallrate ist verdoppelt. Zwei von drei Amputierten sind Diabetiker. Zirka 40% aller Dialysezugänge sind Diabetiker. Etwa 30% aller neu Erblindeten sind Diabetiker. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 6 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Die direkten Krankheitskosten betragen allein in Deutschland jährlich zirka 20 Milliarden Euro. (17) Zunahme der KHK bei Frauen schon vor der Menopause. (16) Risiko für Herzinfarkt und kardiovaskulären Tod in Abhängigkeit von Infarkt-Vorgeschichte und Diabetes-Status. (6) Diabetes (+) Diabetes (-) Risiko für Herzinfarkt ohne bisherigen Infarkt nach Herzinfarkt 3,2% 7,8% 0,5% 3,0% Risiko für kardiovaskulären Tod ohne bisherigen Infarkt nach Herzinfarkt 2,5% 7,3% 0,3% 2,6% Quelle der Tabelle: Prof. Dr. H. Gohlke, Bad Krozingen. Wissenschaftliche Evidenz legt nahe, dass eine Kontrolle der Blutzuckerwerte das Risiko makrovaskulärer Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall verringern kann und dass Insulin als Therapie zur Senkung der Glukosewerte in besonderem Maße zu einer Verringerung des kardiovaskulären Risikos beiträgt. (3) Die Einschätzung des Diabetes als Risikofaktor oder Vorläufer einer koronaren Herzerkrankung hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Hierzu hat insbesondere eine prospektive, bevölkerungsweite Untersuchung in Finnland beigetragen, die das Auftreten von koronaren Ereignissen bei Patienten mit Typ-2 Diabetes mellitus analysierte. Die Teilnehmer waren bei dem zentralen Gesundheitssystem als Patienten registriert, die orale Antidiabetika einnahmen. Die Nachbeobachtung von 1.059 Patienten, denen 1.373 Personen ohne Diabetes mit vergleichbarem Alter gegenübergestellt wurden, lief über sieben Jahre. Bezogen auf die Endpunkte tödlicher/nicht tödlicher Herzinfarkt, tödlicher/nicht tödlicher Schlaganfall und kardiovaskuläre Todesrate ergab sich, dass Patienten mit Diabetes, aber ohne bisher abgelaufenen Infarkt, eine vergleichbare Ereignisrate hatten wie Koronarpatienten nach Herzinfarkt. (6) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 7 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Die Bemühung um die Risikofaktoreneinstellung sollte deshalb bei beiden Gruppen vergleichbar intensiv sein. Dies ist auch in die neuen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie eingegangen, wo dargelegt wird, dass bei Diabetes-Patienten die Risikofaktoreneinstellung vergleichbar intensiv sein muss wie bei Patienten mit KHK. (7) Typischer Veränderungen an Herz und Gefäßen bei Diabetes Mellitus Erkrankung großer Gefäße (Makroangiopathie) Erkrankung kleiner Gefäße (Mikroangiopathie) Herzmuskelerkrankung (diabetische Kardiomyopathie) Kardiale autonome diabetische Neuropathie (KADN) Diese Veränderungen bilden die Grundlage für das besondere kardiovaskuläre Risikoprofil des Diabetikers: Frühzeitige und beschleunigt verlaufende Arteriosklerose Erhöhtes Herzinfarktrisiko mit ungünstiger Prognose Häufiger stumme Herzinfarkte Risiko für Herzinsuffizienz erhöht. (16) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 8 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 2. Die Makroangiopathie Erkrankung der mittelgroßen und großen Arterien. Arteriosklerose bei Diabetes mellitus. (25) Diabetestypische Besonderheiten der Makroangiopathie Die Makroangiopathie tritt bei Diabetikern früher als bei Nicht-Diabetikern auf, zeigt eine rasche Progredienz und erreicht oft ein außergewöhnlich großes Ausmaß. Auffällig ist das diffuse Verteilungsmuster der arteriosklerotischen Plaques mit bevorzugtem Befall der distalen Koronargefäße und des Hauptstammes. Die wesentlichen Krankheitsbilder der diabetischen Makroangiopathie sind: KHK (koronare ischämische Herzkrankheit) und Herzinfarkt pAVK (periphere artierielle Verschlusskrankheit) und diabetische Gangrän Zerebrovaskuläre Sklerose und zerebrale Insulte (16) Beim Diabetes mellitus ist das Risiko für die Entwicklung einer Makroangiopathie erhöht. Der relative Schutz bei Frauen im gebärfähigen Alter gegenüber Männern bezüglich des Auftretens einer KHK ist bei Diabetikerinnen aufgehoben. Das makrovaskuläre Risiko steigt mit der Höhe der Blutzucker- bzw. HbA1cKonzentrationen an. Bei Typ-2-Diabetikern wurde wiederholt ein Zusammenhang zwischen Blutglukosewerten und dem Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, HerzKreislauf-Mortalität und Gesamtsterblichkeit nachgewiesen. Für den Typ 1-Diabetes gilt insbesondere die Nephropathie bzw. die Albuminurie als Prädiktor einer vorzeitigen Arteriosklerose. Dahinter verbirgt sich eine hyperglykämiebedingte endotheliale Schrankenstörung, die den Arterioskleroseprozess fördert und die vermutlich nicht nur in der Niere, sondern generalisiert vorliegt. So zeigte sich in einer großen, finnischen Langzeit-Studie das Risiko für KHK und Schlaganfall bei Typ-1-Diabetikern mit Nephropathie 10fach höher als bei nierengesunden Typ-1-Diabetikern. Hyperglykämie führt zu einer Reihe von Veränderungen an Gefäßwänden, Serum- und Gewebeproteinen Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 9 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 2.1. Nichtenzymatische Glykosilierung Über die nichtenzymatische Glykosilierung werden zirkulierende Proteine, Matrix-, Strukturproteine und Lipoproteine in ihrer Funktion verändert. Die glykosilierten Proteine unterliegen im Gewebe zum Teil weiteren chemischen Umwandlungsprozessen, die zur Entstehung von AGEs (Advanced Glycosylation Endproducts) führen. AGEs verursachen über Kollagenquervernetzungen, Makrophagenaktivierung und kovalente Bindung von Lipoproteinen eine Dysfunktion der Gewebe. Oxidativer Stress begünstigt die Entstehung von AGEs. 2.2. Aktivierung der Proteinkinase C (PKC) Hyperglykämie führt über die Erhöhung der Diazylglyzerol-Spiegel (DAG) zur Aktivierung der Proteinkinase C. Proteinkinase C spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung diabetischer Mikro- und Makroangiopathien. Eine Vielzahl unerwünschter Auswirkungen, die kardiovaskuläre Komplikationen fördern, werden durch die Proteinkinase C vermittelt. Hierzu gehören u.a. Effekte auf die Endothelfunktion, die Kontraktilität der glatten Gefäßmuskulatur, das Wachstum der Gefäßmuskulatur, die Gefäßdurchlässigkeit und die Angiogenese. 2.3. Oxidativer Stress Der oxidative Stress wird u. a. durch Lipidperoxide von Plasmalipoproteinen vermittelt. Oxidative Lipoproteine (z. B. LDL) akkumulieren in der Gefäßwand und fördern dort arteriosklerotische Prozesse. Über intrazellulären oxidativen Stress entstehen darüber hinaus reaktive Stoffwechselprodukte, die mit intrazellulären Proteinen interagieren. 2.4. Adhäsionsmoleküle Sowohl beim Typ1- als auch beim Typ 2-Diabetes finden sich im Blut vermehrt Zelladhäsionsmoleküle (z.b. ICAM-1, VCAM). Adhäsionsmoleküle spielen eine Schlüsselrolle bei der Initiierung von Arterioskleroseprozessen. Bereits bei Vorliegen einer pathologischen Glukosetoleranz ist das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht. Mögliche Ursachen hierfür sind: Eine gemeinsame Pathogenese bzw. gemeinsame Risikofaktoren bei Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Insulinresistenz, die häufig bei Typ-2-Diabetikern und bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz gefunden wird. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 10 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse (30) 3. Insulinresistenz Insulinresistenz bedeutet das verminderte Ansprechen der insulinabhängigen Zielgewebe auf endogenes oder exogen zugeführtes Insulin. Auf molekularer Ebene finden sich Störungen bei der intrazellulären Übertragung des Insulinsignals. Insulinresistenz ist in der Regel mit weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren wie Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und erhöhter Gerinnungsbereitschaft assoziiert. (16) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 11 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 4. Die Diabetische Neuropathie Nervenleiden – nichtentzündliche Nervenerkrankung - metabolisch (28) Die diabetische Neuropathie ist eine klinisch-manifeste oder subklinische Erkrankung der peripheren Nerven, die infolge Diabetes mellitus ohne andere Ursachen auftritt. Sie kann das somatische und / oder autonome Nervensystem betreffen. Es bestehen Assoziationen mit Diabetesdauer, Diabeteseinstellung, diabetischer Retinopathie und Nephropathie sowie Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Hyperlipidämien, Alkohol und Nikotin. Aufgrund klinischer Kriterien können unterschiedliche Verlaufsformen unterschieden werden: Subklinische Neuropathie (keine Symptome und klinischen Befunde, aber pathologische quantitative neurophysiologische Tests), chronischschmerzhafte Neuropathie (häufig) akut-schmerzhafte Neuropathie (eher selten) schmerzlose Neuropathie (häufig) diabetische Amyotrophie (selten) als Langzeitkomplikation das diabetische Fußsyndrom (19) Mehr als die Hälfte aller Diabetiker entwickeln eine Nervenschädigung (Polyneuropathie), wenn sie länger als zehn Jahre an Diabetes erkrankt sind. Sie beeinträchtigt die Wahrnehmung von Reizen und die Funktion von Organen. Die wesentliche Ursache ist ein schlecht eingestellter Diabetes mit langfristig erhöhten Blutzuckerwerten. Die Schädigung der Nerven setzt nicht erst ein, wenn die ersten Beschwerden bei den Patienten auftreten. Sie beginnt viel früher und verläuft so schleichend, dass die Diabetiker selbst lange nichts bemerken. Das Risiko einer Polyneuropathie lässt sich durch einen gut eingestellten Stoffwechsel verringern. Besonders gefährlich ist es, wenn die Nerven des Herzens geschädigt werden. Die Gefahr des plötzlichen Herztodes ist bei diesen Patienten um das Vierfache erhöht, da Herzinfarkte oft ohne Schmerzen ablaufen. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 12 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Bei rund 15 Prozent der Patienten findet sich eine Schädigung der Herznerven bereits dann, wenn der Diabetes zum ersten Mal festgestellt wird. Die Ursachen für die Nervenschädigung sind bislang nicht vollständig geklärt. Eindeutig ist aber, dass ein schlecht eingestellter Diabetes mit hohen Blutzuckerwerten die Nervenschädigung begünstigt. Wissenschaftler vermuten, dass Zuckereiweißverbindungen, die bei zu hohen Blutzuckerwerten entstehen, die Nervenzellfunktionen zunächst stören und dann zum unwiederbringlichen Verlust der Funktion führen. Möglicherweise sind auch Schädigungen der Blutgefäße, die Nerven versorgen, für die diabetische Polyneuropathie mit verantwortlich. Aufgrund der Nervenschädigung werden Reize aus der Umwelt nicht mehr richtig an das Rückenmark, Gehirn und das autonome Nervensystem weitergeleitet. Unter dem Begriff der diabetischen Neuropathie summiert man viele unterschiedliche Störungen, die jeden einzelnen Nerv des Körpers betreffen können. Es gibt zwei Hauptformen: Die periphere Polyneuropathie betrifft das durch den Willen beeinflussbare Nervensystem, beispielsweise die Nerven, die für die Muskelbewegung verantwortlich sind. Die autonome Polyneuropathie zieht das unwillkürliche, nicht dem eigenen Willen gehorchende Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus) in Mitleidenschaft. Es reguliert beispielsweise das wechselnde Tempo des Herzschlags oder die MagenDarmbewegungen bei der Verdauung. 4.1. Periphere Polyneuropathie Bei der peripheren Neuropathie treten die Beschwerden zunächst an den Füßen und Beinen, später manchmal auch an den Händen und Armen auf. Die Patienten klagen über brennende und stechende Schmerzen, die vor allem in Ruhe oder nachts auftreten sowie über Kribbeln und Taubheitsgefühl. Druck, Berührung, Schmerzen und Temperatur empfinden sie nur noch schwach und schließlich überhaupt nicht mehr. Durch das fehlende Schmerzempfinden kann unter Umständen ein diabetisches Fußsyndrom entstehen. Bei etwa 90 Prozent der Diabetiker betrifft die Nervenschädigung beide Körperseiten (distale symmetrische Neuropathie). Die Nerven der kleinen Muskeln des Fußes (Binnenmuskulatur) sind frühzeitig und häufig betroffen. Die Muskelkraft in den Armen und Beinen kann nachlassen. Es kann sogar zu Fehlstellung der Gliedmaßen, insbesondere des Fußgewölbes, kommen. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 13 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 4.2. Autonome Polyneuropathie Bis zu 50 Prozent der Diabetiker leiden nach 20-jähriger Krankheit an einer autonomen Polyneuropathie. Die Beschwerden sind davon abhängig, welche Organe des Körpers betroffen sind: Die Nervenfunktionen, die die Herzschlagfolge und den Blutkreislauf regulieren, sind häufig beeinträchtigt. Der Herzruhepuls kann erhöht sein oder der Herzpuls steigt unter Belastung nur unzureichend an. Außerdem besteht die Gefahr eines schmerzlosen Herzinfarktes. Beim Aufstehen kann der Blutdruck nicht mehr aufrechterhalten werden und dem Patienten wird schwindelig. Ist das Hormonsystem betroffen, bemerken die Diabetiker nicht, wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist (Hypoglykämie). Oft fehlen die typischen Symptome wie Schweißausbruch oder innere Unruhe. Ist der Magen-Darm-Trakt befallen, leiden die Patienten unter Schluckstörungen, Völlegefühl oder wechselweise Durchfall und Verstopfung. Die Beeinträchtigung der Magenentleerung ist ein Problem, das oft spät erkannt und zu wenig bedacht wird. Entleert der Magen die aufgenommene Nahrung nur mit stundenlanger Verspätung, können unter einer Insulintherapie Unterzuckerungen trotz Nahrungsaufnahme eintreten. Das gespritzte Insulin gelangt schneller in die Blutbahn als die Kohlenhydrate aus der Nahrung. Werden die Harn- und Geschlechtswege in Mitleidenschaft gezogen, haben die Diabetiker beispielsweise kein Gefühl mehr, wie stark die Harnblase gefüllt ist. Die Folge ist unkontrolliertes Wasserlassen. Bei Männern können Potenzstörungen auftreten. (20) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 14 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 4.3. Kardiovaskuläre autonome diabetische Neuropathie (KADN) Ungeachtet vieler therapeutischer Fortschritte ist die Lebenserwartung der Diabetiker immer noch deutlich stärker eingeschränkt, als dies aufgrund der bekannten Risikofaktoren zu erwarten ist. Als einer der dafür verantwortlichen Gründe ist erst in letzter Zeit die kardiovaskuläre autonome diabetische Neuropathie erkannt worden. Inzwischen stehen validierte Tests zur Verfügung, die eine sichere Früherkennung dieser Komplikation mit vertretbarem Aufwand erlauben und damit die Chance für eine wirksame vorbeugende Therapie eröffnen. Auch bei bereits vorliegender kardiovaskulärer autonomer Neuropathie stehen heute rationale Therapiekonzepte zur Verfügung. (21) Diabetes-Patienten entwickeln häufig bereits früh eine kardiovaskuläre autonome diabetische Neuropathie (KADN). Die Diagnose einer KADN ist mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden. Vermutlich erhöht die KADN das Risiko für eine koronare Herzerkrankung bzw. einen Herzinfarkt. Die Defekte der autonomen Nervenfunktion können zu Herzfrequenzsteigerungen und Arrhythmien (Vagusläsion) sowie im weiteren Verlauf auch zu einer orthostatischen Hypotonie (sympathische Läsion) führen. Letztere verursacht fast immer ein subjektives Krankheitsgefühl. Daneben ist die Schmerzwahrnehmung deutlich eingeschränkt, wodurch vermehrt stumme Ischämien und asymptomatische Myokardinfarkte auftreten. Einen diagnostischen Anhalt für das Vorliegen einer KADN bietet die herabgesetzte respiratorische Herzfrequenzvariabilität. (16) Die autonome diabetische Neuropathie (ADN) wird erst seit 1945 als klinische Entität aufgefasst. Ihr Einfluss auf die Morbidität und Mortalität des Diabetikers wird erst in letzter Zeit zunehmend erkannt. Man unterscheidet zwischen der subklinischen ADN, die nur durch Tests diagnostiziert wird, und der klinischen ADN, die mit Symptomen oder klinischen Zeichen einhergeht. Prinzipiell kann jedes autonom innervierte Organ von einer Funktionsstörung des peripheren autonomen Nervensystems betroffen sein. Die kardiovaskulären Störungen spielen eine besonders wichtige Rolle, da sie relativ häufig zu diagnostizieren und prognostisch bedeutsam sind. Die Prävalenz der mit Hilfe von autonomen Funktionstests nachgewiesenen kardiovaskulären autonomen diabetischen Neuropathie (KADN) beträgt etwa 25 Prozent bei Typ-I- und etwa 35 Prozent bei TypII-Diabetikern. Es besteht eine deutliche Beziehung zum Ausmaß der symmetrischen distalen Neuropathie, bei der in mehr als der Hälfte der Fälle mit einer KADN zu rechnen ist. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung des Typ-I-Diabetes liegt bei 9,2 Prozent der Patienten eine grenzwertige und bei 7,7 Prozent eine gesicherte KADN vor, deren weiterer Verlauf von der Güte der langfristigen Stoffwechseleinstellung abhängt. Die KADN kann somit nicht als Spätkomplikation des Diabetes aufgefasst werden. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 15 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass ihre subklinischen Stadien bereits frühzeitig im Verlauf des Diabetes vorliegen können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Frühdiagnostik mit dem Ziel einer Prävention dieser potentiell lebensbedrohlichen Komplikation. In mehreren prospektiven Studien wurde über die etwa fünffach erhöhte Mortalität der Patienten mit KADN gegenüber Diabetikern ohne KADN innerhalb von fünf bis zehn Jahren hingewiesen. Es werden zwei mutmaßliche Mechanismen der erhöhten Mortalität bei KADN diskutiert. Zum einen besteht möglicherweise eine Prädisposition für maligne ventrikuläre Arrhythmien in Zusammenhang mit der bei KADN nachweisbaren Verlängerung der QTDauer in Analogie zur QT-Verlängerung beim "idiopathischen langen QT-Syndrom". Dieses ist durch eine erhöhte Inzidenz des plötzlichen Herztodes infolge Kammerflimmerns charakterisiert. Interessanterweise konnte kürzlich eine Assoziation zwischen QT Verlängerung und plötzlichem Tod auch bei Patienten mit alkoholtoxischen Lebererkrankungen nachgewiesen werden. Die zweite Hypothese geht davon aus, dass nicht die abnormen kardiovaskulären Reflexe, sondern eine zentrale Fehlregulation der Atmung mit resultierendem respiratorischen Arrest zu der ungünstigen Prognose beiträgt. Diese Sicht wird durch Studien unterstützt, die über ein gehäuftes Vorkommen der Schlafapnoe sowie einen herabgesetzten Atemantrieb gegenüber zunehmender Hyperkapnie beziehungsweise Hypoxämie bei Patienten mit KADN berichten. (21) Die KADN gilt als Leiterkrankung der ADN und erlaubt eine Frühdiagnose vor Manifestation klinischer Symptome am kardiovaskulären System und anderen Organsystemen. Die Bedeutung dieses Sachverhaltes wird dadurch unterstrichen, dass eine Myokardischämie bei 6,4 Prozent der jüngeren und 26,3 Prozent der über 65jährigen Diabetiker asymtomatisch (stumm) verläuft. Eine Indikation zur Diagnostik einer möglichen KADN besteht bei einem oder mehreren der nachfolgend aufgelisteten Symptome und Erkrankungen: Orthostatische Hypotonie Unklare Schwindelzustände und Synkopen Unklare Tachykardien Präoperative Risikoeinschätzung Sensomotorische Neuropathie Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 16 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Frühestes Zeichen der KADN ist eine Verminderung der Herzfrequenzvariabilität (=HRV für heart rate variability) bzw. der respiratorischen Sinusarrhythmie. In einer Metaanalyse zeigte sich ein 2,3 fach erhöhtes Risiko für eine KADN bei Diabetikern mit einer Verlängerung der QTc-Dauer (um die Herzschlagrate korrigierte QT-Dauer). (18) Die Abnahme der Herzfrequenzvariabilität (HRV) beziehungsweise der respiratorischen Sinusarrhythmie kann im Verlauf zu einer nahezu kompletten Herzfrequenzstarre führen. Fortgeschrittene Stadien sind durch Ruhetachykardie (Vagusläsion) und orthostatische Hypotonie (Sympathikusläsion) gekennzeichnet. Im Rahmen der orthostatischen Hypotonie kommt es zu lageabhängigen systolischen Blutdruckabfällen von 30 mmHg und mehr, vereinzelt bis zu 90 mmHg. Typische Symptome umfassen Schwindel, Benommenheit, Schwächegefühl und manchmal Synkopen, wobei sich Hinweise auf eine Störung der cerebralen Autoregulation der Durchblutung ergeben haben. Eine häufig auftretende orthostatische Symptomatik wird bei gezieltem Befragen von zirka 10 Prozent der Diabetiker angegeben. Selten tritt eine postprandiale Hypotonie auf. Diese Symptome dürfen nicht als Nebenwirkungen von Pharmaka verkannt oder als Ausdruck einer Hypoglykämie fehlgedeutet werden. Manche Patienten können dadurch arbeitsunfähig oder sogar bettlägerig werden. Die orthostatische Hypotonie wird auf eine Schädigung der sympathischen Neurone mit konsekutiver Reduktion der Konzentration von Noradrenalin im Liegen mit inadäquatem Anstieg nach dem Aufstehen zurückgeführt (hypoadrenerge Form). Gleichzeitig kann eine Denervierungshypersensitivität gegenüber Katecholaminen vorliegen. Bei manchen Patienten ist der Noradrenalinspiegel im Liegen und nach dem Aufstehen jedoch erhöht (hyperadrenerge Form). In diesen Fällen kommen als pathophysiologische Mechanismen eine reduzierte Ansprechbarkeit der Gefäße gegenüber endogenem Noradrenalin und intravasale Volumenänderungen in Betracht. (21) Die wesentlichen klinischen Befunde der KADN sind: Reduzierte HRV (heart rate variability) Ruhetachykardie Gestörte circadiane Rhythmik von Herzfrequenz und Blutdruck Stummer Myokardinfarkt und Myokardischämie Orthostatische Hypotonie Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 17 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Denervierungshypersensitivität Belastungsintoleranz Assoziation mit linksventrikulärer Dysfunktion Perioperative Instabilität Abnorme Regulation kreislaufwirksamer Hormone Verlängerung der QTc-Dauer (18) 4.3.1. Nächtliche Blutdruckerhöhung Mit Hilfe der kontinuierlichen Registrierung der HRV und des Blutdrucks über 24 Stunden wurde bei Diabetikern mit KADN eine Umkehr der normalen zirkadianen Rhythmik mit relativer Prädominanz der nächtlichen sympathischen Aktivität in Verbindung mit erhöhtem nächtlichen Blutdruck nachgewiesen, die das zirkadiane Muster von akuten kardiovaskulären Ereignissen modifizieren und dadurch zu der beschriebenen erhöhten Inzidenz dieser Ereignisse während der Nacht beitragen könnte. Die Umkehr des zirkadianen Blutdruckrhythmus korreliert sowohl mit orthostatischer Hypotonie infolge einer KADN als auch mit der diabetischen Nephropathie. 4.3.2. Belastungsintoleranz und linksventrikuläre Dysfunktion Weiterhin lässt sich bei Diabetikern mit KADN ohne Hinweis auf koronare Herzkrankheit im Vergleich zu denen ohne KADN eine herabgesetzte Belastungstoleranz mit eingeschränktem Anstieg der Herzfrequenz und des Blutdrucks unter Belastung nachweisen. Darüber hinaus kann die linksventrikuläre Auswurffraktion in Ruhe und unter Belastung vermindert sein. Eine Störung der linksventrikulären diastolischen Füllung in Abhängigkeit vom Schweregrad der KADN wurde ebenfalls beschrieben. Die reduzierte Belastungstoleranz ist bei der Planung und Durchführung von körperlichen Trainingsprogrammen zu berücksichtigen. Bei Diabetikern mit KADN treten gehäuft Narkosezwischenfälle in Form hypotoner und bradykarder Phasen auf. Die erhöhte Instabilität intraoperativ sowie während der Intubation und Extubation erfordert häufiger die Gabe von vasopressorisch wirksamen Substanzen. Ein präoperatives Screening von Patienten mit Risikoindikatoren für eine KADN (periphere Neuropathie, Nephropathie, proliferative Retinopathie) ist zu empfehlen, um gezielt ein intensiveres perioperatives Monitoring zu veranlassen. (21) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 18 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 4.3.3. Stumme Myokardischämie Der seit langem postulierte, jedoch auch angezweifelte Zusammenhang zwischen KADN und stummer Myokardischämie wurde durch invasive Untersuchungen erhärtet. Unter Patienten mit stummer Myokardischämie finden sich deutlich häufiger Diabetiker. Eine Reduktion der 24-h-HRV ließ sich bei den Diabetikern mit stummer Ischämie, jedoch nicht bei Nichtdiabetikern mit stummer Ischämie nachweisen. Die Wahrnehmungsschwelle der Angina pectoris unter Belastung ist bei Diabetikern im Vergleich zu Nichtdiabetikern mit nachgewiesener koronarer Herzkrankheit insbesondere erhöht, wenn gleichzeitig eine KADN vorliegt. Eine solche Schwellenerhöhung führt dazu, dass bei fehlenden Warnzeichen (Schmerz) ausgeprägte Ischämieperioden toleriert werden. 4.3.4. Diagnostische Aspekte Die Funktionsprüfung des kardiovaskulären autonomen Nervensystems erfolgt indirekt durch Messung der autonomen Einflüsse auf die Funktion des Zielorgans mit Hilfe von Reflextests. Da die klinische Symptomatik der KADN vieldeutig ist und subklinische Formen sich einer klinischen Untersuchung entziehen, sind zuverlässige diagnostische Testverfahren erforderlich. Sie sollten: für Untersucher und Untersuchten einfach durchführbar sein, eine hohe Sensitivität und Spezifität zeigen und nicht invasiv und gut reproduzierbar sein. Die Diagnose der KADN sollte nicht auf der Grundlage eines einzelnen Tests gestellt werden, da ein abnormer Einzelbefund nicht notwendigerweise eine autonome Dysfunktion beweist. Die Untersuchung der HRV kann mit der Standardanalyse im Zeitbereich sowie mit Hilfe der Spektralanalyse im Frequenzbereich erfolgen. Mit der Spektralanalyse können die einzelnen Periodizitäten, aus denen sich biologische Rhythmen zusammensetzen, charakterisiert werden. Diese Methode erlaubt eine Auftrennung der HRV in ihre verschiedenen Komponenten, das heißt in sinusoidale Funktionen von unterschiedlicher Frequenz. Hierdurch kann der jeweilige sympathische und parasympathische Einfluß auf das Herz weitgehend getrennt quantifiziert werden. Das Leistungsspektrum der HRV besteht im wesentlichen aus drei Peaks, die im niedrigen, mittleren und hohen Frequenzbereich anzusiedeln sind. Das Leistungsspektrum im Niederfrequenzband wird überwiegend durch das sympathische Nervensystem beeinflußt. Die mittelfrequente HRV wird durch das parasympathische und sympathische System vermittelt, während die hochfrequente HRV parasympathisch beeinflußt wird. Da die spektralanalytische Untersuchung der HRV unter Ruhebedingungen durchgeführt wird, hat sie den Vorteil, dass sie keine aktive Mitarbeit seitens des Patienten erfordert. Bei der Beurteilung der HRV sind physiologische Einflussgrößen wie Alter, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck, Gewicht, Körperposition, Tageszeit und Nahrungsaufnahme zu berücksichtigen. Als pathophysiologische diabetesunabhängige Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 19 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Einflussfaktoren sind Stresszustände, Dehydratation, Genussmittel (Kaffee, Nikotin), Herz-Kreislaufwirksame Pharmaka (zum Beispiel Antihypertensiva, a-, b-Blocker, Antidepressiva), kardiale Erkrankungen (KHK, Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz) sowie primäre und sekundäre Formen der autonomen Dysfunktion (Alkoholismus, Urämie, Vitamin B12-Mangel, Malignome, AIDS) zu beachten. Um akute Einflüsse auszuschalten, sollten vor Durchführung der autonomen Funktionsdiagnostik innerhalb von acht Stunden keine Hypoglykämie und innerhalb der letzten fünf Tage keine ketotische Stoffwechselentgleisung vorgelegen haben. Zur Prüfung der HRV stehen heute Computersysteme zur Verfügung, die alle Anforderungen an eine zuverlässige Messung der R-R-Intervalle einschließlich der Spektral- und Vektoranalyse zur Diagnostik der KADN hinreichend erfüllen. Die altersabhängigen Normgrenzwerte wurden publiziert. Eine gesicherte KADN wird als das Vorhandensein von >3 pathologischen Befunden unter diesen sieben Indizes definiert. Eine grenzwertige beziehungsweise beginnende KADN kann im Falle von > 2 abnormen Befunden angenommen werden. Neuerdings kann als nuklearmedizinisches Verfahren die Metajodobenzylguanidin (MIBG)-Szintigraphie zur direkten Quantifizierung der kardialen sympathischen Innervation bei der KADN eingesetzt werden. MIBG partizipiert als nicht-metabolisiertes Analogon von Noradrenalin um dessen Aufnahme in die postganglionären sympathischen Neurone. Die MIBG-Szintigraphie ist im Vergleich zu den herkömmlichen indirekten autonomen Funktionstests offensichtlich eine sensitivere Methode zur frühen Erfassung der KADN. Dieses Verfahren ist derzeit aber noch wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten. 4.3.5. Kausale Therapie Der primäre Ansatz zu einer kausalen Therapie basiert auf der Ausschaltung des ätiologischen Faktors Hyperglykämie durch möglichst normnahe Stoffwechseleinstellung. Im Diabetes Control and Complications Trial (DCCT) trat eine kardiale autonome Dysfunktion innerhalb von fünf Jahren unter konventioneller Insulintherapie bei 8,7 Prozent und unter intensivierter Insulintherapie bei lediglich 4,3 Prozent der Typ-I Diabetiker auf. Nach neun Jahren war jedoch bei einem Teilkollektiv (sekundäre Interventionsgruppe) kein Unterschied in der HRV zwischen intensiviert und konventionell behandelten Patienten festzustellen. Dies hängt offensichtlich damit zusammen, dass nur bei wenigen Patienten unter intensivierter Insulintherapie ein normaler HbA1c-Wert erreicht wurde. Langzeitstudien bei Patienten mit fortgeschrittener kardialer Neuropathie konnten zeigen, dass die weitere Progression der Neuropathie unter normnaher Stoffwechseleinstellung verlangsamt wird, jedoch in der Regel frühestens nach mehr als zwei Jahren. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 20 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 4.3.6. Symptomatische Therapie Eine ausgeprägte Sinustachykardie kann mit kardioselektiven b-Rezeptorenblockern behandelt werden. Es wird angenommen, dass Diabetiker mit einer kardiovaskulären autonomen diabetischen Neuropathie (KADN) von b-Blockern besonders im Sinne einer sekundären Prävention der kardiovaskulären Mortalität profitieren. Zu beachten ist, dass bei Patienten mit KADN die Wahrnehmung von Warnsymptomen einer Hypoglykämie eingeschränkt sein kann. Die medikamentöse Behandlung der orthostatischen Hypotonie gestaltet sich häufig schwierig, da die Blutdrucknormalisierung im Stehen häufig mit deutlichem Blutdruckanstieg im Liegen erkauft werden muss. Diese Problematik wird insbesondere bei Patienten mit diabetischer Nephropathie offenbar. Die Situation wird zusätzlich durch die komplexe Pathogenese der orthostatischen Hypotonie erschwert. Der erste therapeutische Schritt sollte zunächst stets in der Ausschöpfung physikalischer Maßnahmen bestehen (Tragen von elastischen Kompressionsstrumpfhosen, vorsichtiges körperliches Training, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, langsames Aufstehen sowie Fuß- und Beingymnastik nach Bettruhe). Auch Manöver wie das Kreuzen der Beine im Stehen und eine hockende Position können günstige zirkulatorische Effekte entfalten und unmittelbar zu einer Besserung der orthostatischen Symptomatik führen. Falls keine Kontraindikation vorliegt, kann die Kochsalzzufuhr um 2 bis 6 Gramm pro Tag zusätzlich erhöht werden. Substanzen wie Diuretika und Psychopharmaka sollten möglichst gemieden werden. Wenn die orthostatische Hypotonie mit Hilfe von physikalischen Maßnahmen nicht zu beherrschen ist, hat sich in letzter Zeit in mehreren kontrollierten Studien der a-Rezeptorenagonist Midodrin als effektiv erwiesen. Die Substanz führt zu einer Vasokonstriktion der Arteriolen und der venösen Kapazitätsgefäße und entfaltet keine direkten kardialen oder zentralnervösen Effekte. Ihr Vorteil besteht in einer relativ langen Wirkdauer. Die Dosierung sollte einschleichend erfolgen, beginnend mit zweimal 2,5 Milligramm pro Tag bis maximal dreimal 10 Milligramm pro Tag. Das Mineralokortikoid Fludrokortison (9-a-Fluorohydrokortison) hat sich ebenfalls bewährt. Als Nebenwirkungen müssen jedoch vor allem eine Flüssigkeitsretention und die Ausbildung von peripheren Ödemen beachtet werden. (Cave: Herzinsuffizienz, Hypertonie, Hypokaliämie). Die Dosierung beträgt initial einbis zweimal 0,1 Milligramm pro Tag p.o.. Sie wird im weiteren Verlauf individuell angepasst mit dem Ziel einer Minderung der Orthostasesymptomatik bei gleichzeitiger Vermeidung der Ausbildung von Ödemen, einer ausgeprägten Hypertonie im Liegen oder einer Herzinsuffizienz. Die Erhaltungsdosis liegt in der Regel bei 0,1 bis 0,3 Milligramm pro Tag p. o. und damit deutlich unter den Dosierungen, die zur Therapie der idiopathischen orthostatischen Hypotonie benötigt werden. Kürzlich wurde über Erfolge unter einer sechs- bis neunwöchigen Behandlung mit Erythropoietin (dreimal 50 IE/kg KG/Woche s.c.) bei Diabetikern mit reduziertem Hämatokrit, die nicht hinreichend auf Fludrokortison ansprachen, berichtet. Die Effekte und Nebenwirkungen einer Langzeittherapie sind jedoch nicht bekannt. (21) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 21 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 5. Die Diabetische Kardiomyopathie Erkrankung des Herzmuskels, die mit kardialer Dysfunktion einhergeht. (25) Die diabetischen Herzerkrankungen werden maßgeblich bestimmt durch die koronare Herzkrankheit, die ihrerseits durch Dyslipoproteinämie, Hypertonie, Hyperglykämie und Rauchen gefördert wird. Small vessel disease Die Kardiomyopathie ohne Koronarsklerose beruht vorwiegend auf einer Mikroangiopathie (small vessel disease Durchblutungsstörung des Herzmuskels infolge Erkrankung der kleinen Koronararterienäste. (25)), und auf Schädigung durch den gestörten – diabetischen- Stoffwechsel. Die Prävalenz von koronarer Herzkrankheit ist bei diabetischen Erwachsenen mit 55 % zu veranschlagen. Die Einjahres-Mortalität nach Infarkt beträgt bei Nicht-Diabetikern 10 %, bei Diabetikern hingegen 25 %. (22) Die diabetische Kardiomyopathie gilt als eine Ursache der bei Diabetikern deutlich erhöhten Komplikationsrate nach Myokardinfarkt. Typischerweise finden sich bei der Herzmuskelerkrankung Basalmembranverdickungen der Arteriolen und Kapillaren (small vessel disease), hypertrophe Myozyten und eine interstitielle Fibrose. Die diabetische Kardiomyopathie mündet schließlich in eine Herzinsuffizienz. So können auch Diabetiker herzinsuffizient werden, die weder eine signifikante koronare Herzerkrankung noch einen Bluthochdruck oder einen Herzklappendefekt aufweisen. Insgesamt tritt die Herzinsuffizienz bei Diabetikern deutlich häufiger auf als bei NichtDiabetikern auf. Die Ursache der diabetischen Kardiomyopathie ist noch nicht geklärt. Vermutet werden Stoffwechselstörungen und eine Mikroangiopathie. Eine synergistische Beziehung zur arteriellen Hypertonie ist wahrscheinlich. Eine klinisch relevante Linksherzinsuffizienz manifestiert sich 2fach häufiger beim Diabetiker nach überlebtem Myokardinfarkt. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 22 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 5.1. Diagnose Frühe Befunde der diabetischen Kardiomyopathie sind diastolische Funktionsstörungen bei normaler Größe der linken Herzkammer mit verminderter frühdiastolischer Füllung, reduziertem enddiastolischen Volumen und Anstieg des linksventrikulären enddiastolischen Druckes. Nichtinvasiv kann die diastolische Dysfunktion mittels Dopplerechokardiographie am veränderten transmitralen Einstromprofil nachgewiesen werden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung entwickelt sich zusätzlich eine systolische Funktionsstörung - zunächst unter Belastung, später auch unter Ruhebedingungen. Letztere mündet schließlich in einer Dilatation des linken Ventrikels und des linken Vorhofs. (16) 5.2. Therapie der diabetischen Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz Es ist nicht bewiesen, aber naheliegend, dass intensivierte Diabeteseinstellung und die Behandlung der diabetischen Kardiomyopathie ohne Linksherzinsuffizienz den Verlauf positiv beeinflussen. Die Behandlung der systolischen linksventrikulären Funktionsstörung sowie der akuten und chronischen Herzinsuffizienz sollte beim Diabetiker mit den etablierten Therapieformen wie beim Nichtdiabetiker erfolgen, auch wenn vergleichbare Therapieerfolge nicht für alle Stoffgruppen in der Behandlung beim Diabetiker belegt sind. Diabetiker profitieren durch die Behandlung mit ACE-Hemmern stärker als Nichtdiabetiker. Im fortgeschrittenem Stadium der Herzinsuffizienz sind die linksventrikuläre Stimulation, mechanische Unterstützungssysteme und die Herztransplantation als mögliche Therapieoptionen zu berücksichtigen. (28) Normales Herz (links) und vergrößertes Herz (rechts) bei dilatativer Kardiomyopathie (29) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 23 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 6. Ischämische Herzkrankheiten 6.1. Endotheliale Dysfunktion Die endotheliale Dysfunktion ist eine funktionelle Störung der Gefäßwände bzw. des Gefäßendothels. Das Endothel spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Tonus, Durchlässigkeit und Wachstum der Gefäße. Es bildet sowohl vasokonstriktorische wie auch vasodilatatorische Substanzen und beeinflusst die Monozytenadhäsion an der Gefäßwand, die Thrombozytenaggregation und die Gerinnung. Bei chronischen Störungen der Endothelfunktion geraten diese Mechanismen ins Ungleichgewicht mit der Folge, dass eine beschleunigte Arteriosklerose-Entwicklung begünstigt wird. Tatsächlich ist die endotheliale Dysfunktion eine der ersten Veränderungen im Arterioskleroseprozess. Bei Patienten mit arterieller Hypertonie, Hypercholesterinämie und mit Diabetes mellitus finden sich regelmäßig funktionelle Störungen des Gefäßendothels. Typischerweise ist die endothelvermittelte Vasodilatation abgeschwächt, die einen wichtigen Adaptationsmechanismus bei vermehrtem Blutstrom durch z. B. Stress oder körperliche Belastung darstellt. Die Erweiterung der Blutgefäße erfolgt hier über Substanzen, die vom Endothel der Gefäßwände freigesetzt werden (z. B. Prostazyklin und Endothelium Derived Relaxing Factor = EDRF bzw. NO). Eine weitere Störung des Gefäßendothels beim Diabetiker betrifft die Durchlässigkeit der Gefäßwand. Diese kann pathologisch erhöht sein durch mechanische (Scherkräfte), immunologische und entzündliche Reize oder durch Hämostase-Prozesse. Als Folge dringen vermehrt Leukozyten in die Gefäßwand ein und initiieren die Bildung arteriosklerotischer Plaques. Zusammen mit weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren wird so ein Arterioskleroseprozess unterhalten, der über Jahrzehnte schließlich in einer hämodynamisch relevanten Koronarsklerose münden kann oder - wie beim akuten Myokardinfarkt - bei Plaqueruptur zu einem plötzlichen Gefäßverschluss führt. 6.2. Koronare Herzkrankheit und diabetestypische Besonderheiten Als koronare Herzkrankheit (KHK) wird die mehr als 50%ige Diametereinengung eines Hauptastes der Koronargefäße bezeichnet. Grundlage der KHK ist die Arteriosklerose. Unabhängig vom Ausprägungsgrad der KHK besteht häufig gleichzeitig eine endotheliale Dysfunktion (s.o.). Die koronare Herzkrankheit bei Diabetikern weist im Vergleich zu Nicht-Diabetikern einige klinische Besonderheiten auf: Prävalenz und Inzidenz der KHK sind erhöht: So zeigt die Framingham-Studie mit einer Beobachtungszeit von 20 Jahren eine 2- bis 3fach höhere KHK-Inzidenz. Ebenso steigert das Vorliegen eines Diabetes die KHK-Morbidität um das Zweibis Dreifache. Zunahme der KHK bei Frauen schon vor der Menopause. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 24 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Ungünstigere Prognose der koronaren Herzkrankheit mit erhöhter Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und plötzlicher Herztod. In der Whitehallstudie lag die altersangepasste KHK-Sterblichkeitsrate pro 100 Männer und 10 Jahre bei 6,1 für Typ-1-Diabetiker und 8,3 für Typ-2-Diabetiker. Nicht-Diabetiker lagen im Vergleich bei 3,9. Erhöhte Komplikations- und Sterblichkeitsrate nach Herzinfarkt. Schlechtere Akut- und Langzeitergebnisse nach revaskularisierenden Maßnahmen wie perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA), aorto-koronare BypassOperation oder Stentimplantation. Das morphologische Bild der Koronarsklerose zeigt beim Diabetiker eine eher diffuse Form mit bevorzugt distaler Lokalisation. Auch die klinische Symptomatik ist beim Diabetiker durch einige Besonderheiten gekennzeichnet: Störung der Angina-Pectoris-Wahrnehmungsschwelle (ca. 32% der Diabetiker und 25% der Nicht-Diabetiker sind betroffen). Anstieg der Zahl stummer Myokardischämien. Der Myokardinfarkt geht bei Diabetikern oft mit weniger Allgemeinsymptomen einher und kann schmerzarm ablaufen. Als Ursache wird ein Zusammenhang mit der kardialen diabetischen Neuropathie angenommen. Aufgrund der fehlenden oder nur gering ausgeprägten Schmerzen kann der Infarkt übersehen und eine notwendige Therapie verzögert werden. Höhere Gefahr ischämisch getriggerter Rhythmusstörungen (insbesondere bei gleichzeitiger autonomer Neuropathie). Erhöhte Herzfrequenz (insbesondere bei gleichzeitiger autonomer Neuropathie). Häufiger Verlängerungen des QTc-Intervalls. Vermehrt Übergang der koronaren Herzkrankheit in eine linksventrikuläre Funktionseinschränkung mit Herzinsuffizienz. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 25 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 6.3. Epidemiologie des Myokardinfarktes Eine wesentliche lebensbedrohliche Komplikation des Diabetes mellitus ist der Herzinfarkt. Der Myokardinfarkt des Diabetikers weist einige Besonderheiten auf, die in der Summe mit einer deutlichen Reduktion der Überlebensrate in dieser Patientengruppe verknüpft sind. Akute Myokardinfarkte treten bei Diabetikern häufiger auf und zeigen eine deutlich eingeschränkte Prognose bei erhöhter Klinikmortalität. Auch die Langzeitprognose des Myokardinfarktes ist bei Diabetikern schlechter im Vergleich zu Nicht-Diabetikern. Sowohl für die Hospital- als auch für die Langzeitmortalität zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Diabetikerinnen weisen nach akutem Herzinfarkt eine jeweils höhere Mortalitätsrate auf. So steigt bei Frauen die kardiovaskuläre Mortalität um den Faktor 4 gegenüber Nicht-Diabetikerinnen und um den Faktor 2 gegenüber männlichen Diabetikern an. Grundlage der erhöhten Todesrate bei Diabetikern ist nicht nur die höhere Herzinfarkt-Inzidenz, sondern auch das vermehrte Auftreten kardialer Komplikationen wie Postinfarktangina, Re-Infarkt und Linksherzinsuffizienz. Dabei entwickeln sich Linksherzinsuffizienz, Lungenödem oder ein kardiogener Schock häufiger, als es die Infarktgröße - gemessen am Verlauf der Kreatinkinasewerte - erwarten lassen würde. Die koronare Herzkrankheit verläuft beim Diabetiker häufig asymptomatisch. Herzinfarkte können als schmerzarme bzw. stumme Infarkte auftreten. Die Herzinfarktgröße, gemessen am Anstieg und Verlauf der Kreatinkinase, ist hingegen nicht erhöht bzw. in manchen Studien sogar vermindert. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 26 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7. Studien Hypertonie und Fettstoffwechselstörung des Typ-2-Diabetikers sind entscheidende Prognosefaktoren. Die Ergebnisse der United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) haben gezeigt, dass die Dyslipidämie des Diabetikers den wichtigsten Risikofaktor für das Auftreten der koronaren Herzkrankheit darstellt. Antihypertensive und lipidsenkende Therapie beim Diabetiker wurden aber über Jahrzehnte sträflich vernachlässigt. Subgruppenauswertungen von Endpunktstudien wie CARE, 4S und HPS ergaben, dass Statine ähnlich wie beim nicht diabetischen Patienten beim Diabetiker das kardiovaskuläre Risiko deutlich absenken. Ein Manko dieser Subgruppenauswertungen war, dass die Gruppe der Diabetiker häufig sehr klein und die Befunde deshalb mit Vorbehalt zu interpretieren waren. Mit CARDS liegt nun die erste ausschließlich bei Diabetikern durchgeführte Endpunktstudie mit einem Statin vor. Die Ergebnisse bestätigen überzeugend, was angesichts der Befunde in Untergruppen anderer Studien schon zu erwarten war: Statine vermindern kardiovaskuläre Ereignisse bei Typ-2-Diabetikern. 7.1. Cards-Studie (2003) Collaborative Atorvastatin Diabetes Study Rate der kardiovaskulären Ereignisse wurde um 37 Prozent vermindert Das Schlaganfallrisiko wurde um 48 % vermindert Teilnehmer hatten Diabetes plus einen Risikofaktor In Großbritannien und Irland sind in diese Studie gezielt 2838 Patienten mit Typ-2Diabetes aufgenommen worden. Alle Teilnehmer hatten außer einem Diabetes mindestens noch einen weiteren kardiovaskulären Risikofaktor (Rauchen, Hypertonie, Retinopathie, Mikro- oder Makroalbuminurie). Aufgenommen wurden nur Diabetiker, bei denen noch keine koronaren oder zerebrovaskulären Ereignisse aufgetreten waren. Die LDL-Cholesterinspiegel der Studienteilnehmer lagen zu Beginn mit einem medianen Wert von 118mg/dl (Placebogruppe) oder 119mg/dl (Atorvastatin-Gruppe) noch unter dem Durchschnittswert in der Bevölkerung. Geprüft wurde die Hypothese, dass eine primärpräventive Behandlung mit täglich 10mg Atorvastatin (Sortis®) die Inzidenz von Koronarereignissen (Koronartod, Myokardinfarkt, Revaskulariation, instabile Angina Pectoris) und Schlaganfällen (Primärer kombinierter Endpunkt) im Vergleich zu Placebo signifikant senkt. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 27 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Diese Hypothese ist durch CARDS früher als erwartet bestätigt worden: zwei Jahre vor ihrem geplanten Ende ist die Studie im Juni 2003 wegen des klaren Nutzens von Atorvastatin vorzeitig gestoppt worden. Zum Zeitpunkt des Studienabbruchs betrug die Inzidenzrate für den primären kombinierten Endpunkt nach fast knapp vierjähriger Behandlungsdauer in der Placebogruppe neun Prozent. Mit nur 5,8 Prozent war diese Rate in der ArtorvastatinGruppe signifikant um 37 Prozent niedriger, so das Hauptergebnis der Studie. Diese präventive Wirkung ist auf Basis einer Senkung des LDL-Cholesterins um 40 Prozent durch den CSE-Hemmer im Vergleich zu Placebo erzielt worden. Die Rate für Schlaganfälle wurde durch Atorvastatin um 48 Prozent gesenkt (Inzidenzrate 1,5 versus 2, 8 Prozent). Die Rate für die Gesamtsterblichkeit nahm im Vergleich zu Placebo um 27 Prozent ab - ein Unterschied, der die statistische Signifikanz vermutlich auf Grund des vorzeitigen Studienendes - nur knapp verfehlt hat. Bei Diabetikern mit manifester Koronarerkrankung gilt der Nutzen der Statine als gesichert. Weniger klar ist, ob diese Lipidsenker auch bei bislang koronar gesunden Diabetikern KHK-Ereignissen vorbeugen. Diese Erkenntnislücke sollte durch die CARDS-Studie geschlossen werden. (33, 34) Die Effekte einer knapp vierjährigen Therapie mit täglich 10 mg Atorvastatin auf den primären Endpunkt in der CARDS-Studie. (35) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 28 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7.2. CARE-Studie (1996) Cholesterol and Recurrent Events In der CARE-Studie wurde durch die Therapie mit Pravastatin das relative Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um 32% reduziert. Die Mehrzahl der in dieser Studie untersuchten Patienten erhielt zudem Thrombozytenaggregationshemmer, sodass von einem additiven Effekt von Statinen ausgegangen werden kann. Pathophysiologisch scheint hierfür in erster Linie eine verminderte Progressionsrate der Karotisatherosklerose und die Plaquestabilisierung verantwortlich zu sein. Die positiven Auswirkungen einer Statintherapie galten für Patienten mit höheren Cholesterinausgangswerten, Patienten mit niedrigen Cholesterinspiegeln schienen nicht zu profitieren. (37) 7.3. 4S-Studie (1994) Scandinavian Simvastatin Survival Study Auch bei der 4S-Studie wurden die Ergebnisse dahingehend überprüft, ob die Behandlung mit Simvastatin das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, senken kann. Es wurde vergleichbar mit den Ergebnissen bei der CARE-Studie – eine 28%ige Reduktion von zerebrovaskulären Ereignissen aufgezeigt. (37) 7.4. HPS Studie (2002) "Heart Protection Study" HPS ist das bisher größte klinische Forschungsprojekt zur medikamentösen Cholesterinsenkung. Dass Cholesterinsenkung grundsätzlich Leben retten kann, haben vorangegangene Studien - darunter auch die 4S-Studie mit Simvastatin - hinlänglich belegt. Doch nicht für alle Patientengruppen. Dafür etwa, ob auch Frauen oder Diabetiker von einer Statintherapie profitieren, konnten retrospektive Subgruppenanalysen der bisherigen Studien zwar positive Anhaltspunkte, aber keine sicheren Beweise liefern. Diese Klärung sollte die HPS-Studie herbeiführen. In diese Studie sind in Großbritannien insgesamt 20 536 Patienten aufgenommen worden. Sie alle erfüllten das Kriterium, dass bei ihnen aufgrund einer vorliegenden Erkrankung von einem hohen Risiko für klinische Koronarereignisse auszugehen war. So war bei vielen Patienten in der Vorgeschichte schon ein Herzinfarkt oder zumindest eine Koronarintervention dokumentiert. 3288 Patienten wurden aufgrund eines zerebrovaskulären Ereignisses und 5963 aufgrund eines Diabetes mellitus in die Studie aufgenommen, 6748 hatten eine arterielle Verschlusskrankheit. Die Zahl der Patientinnen war mit 5082 weitaus höher als in jeder anderen Lipidstudie. Über 9500 Teilnehmer Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 29 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse waren zu Studienbeginn über 65 Jahre, etwa 6000 sogar über 70 Jahre alt. Gemeinsam war allen teilnehmenden Patienten, dass bei ihnen keine klare Indikation, aber auch keine Kontraindikation für eine Statintherapie bestand. Und gerade deshalb sind sie in der HPSStudie etwa fünf Jahre lang mit Simvastatin (40 mg/Tag) oder Placebo behandelt worden. Ihr durchschnittlicher LDL-Cholesterinwert zu Studienbeginn lag bei 130 mg/dl. Simvastatin senkte das LDL-Cholesterin im Schnitt um etwa 40 mg/dl. Unter der Simvastatin-Therapie wurde auch die Schlaganfallinzidenz signifikant verringert, und zwar von 6 Prozent (Placebo) auf 4,4 Prozent. Das Risiko, im Studienverlauf von einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer revaskularisierenden Intervention betroffen zu sein, nahm von 25,4 Prozent (Placebo) auf 19,9 Prozent (Simvastatin) ab - eine signifikante relative Reduktion um 24 Prozent. (36, 38, 39) 7.5. Dresden-Studie Prävalenz koronarer Risikofaktoren bei Typ 2-Diabetikern Prävalenz Hyperlipoproteinämie (1) Hypertriglyzeridämie Hypercholesterinämie „mixed HLP“ Hypertonie (2) Rauchen (3) Adipositas (4) (1) (2) (3) (4) Normalbevölkerung Typ 2-Diabetiker 7,6 3,4 3,7 0,5 17,3 30,3 8,2 17,6 2,3 x häufiger 11,3 3,3 x häufiger 3,5 2,8 5,6 x häufiger 53,0 3 x häufiger 34,0 49,0 6 x häufiger Triglyzeride > 250 mg/dL und/oder Cholesterin >300mg/dL Blutdruck > 160/95 mmHg Tabak > 1g/Tag Broca-Index: Männer >1,2 / Frauen >1,3 (42) 7.6. UKPDS – Studie (1998) (Beginn 1977) United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) Die bisher größte und am längsten dauernde Studie an Typ-2-Diabetikern, die mit einer Intensivtherapie (einer Kombination aus Diät und körperlicher Bewegung, häufigen Selbstkontrollen und täglichen Insulininjektionen) behandelt wurden. Die UKPDS hat ergeben, dass jede Senkung des HbA1c-Wertes um einen Prozentpunkt mit einer Verringerung des Risikos eines Myokardinfarkts um 14 % verbunden war. (8) In der UKPDS waren ca. 90% der Übersterblichkeit durch kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Ursachen bedingt. (16) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 30 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7.7. PROCAM-STUDIE (Beginn 1978) Prospektive Cardiovaskuläre Münster (PROCAM) Studie Herzinfarktrate und Risikofaktoren Risikofaktor Herzinfarkte pro 1000 Personen in 4 Jahren Ohne Hypertonie Diabetes mellitus Hypertonie und Diabetes Hypercholesterinämie Hypercholesterinämie und Diabetes und/oder Hypertonie 6 14 15 48 96 114 (42) Die prospektive kardiovaskuläre Münster (PROCAM)-Studie hat 1978 begonnen. Sie hat 30 000 Teilnehmer, ein Drittel Frauen, zwei Drittel Männer im Alter von 16 bis 65 Jahren, alle waren Arbeitnehmer von 52 Großbetrieben. Bei der Aufnahme wurden sie untersucht und es wurde die Anamnese erhoben, außerdem wurde der Blutdruck bestimmt, ebenso das Ruhe-EKG und eine Nüchternblutprobe wurde entnommen. Aus den Proben werden inzwischen mehr als 30 Parametern bestimmt. Alle Befunde erhalten die Hausärzte, die Forscher der Studie geben keine TherapieEmpfehlungen. Alle zwei Jahre erhalten die Teilnehmer einen Fragebogen. Sie werden nach sechs bis sieben Jahren nachuntersucht. (42, 43) 7.8. Die Framingham Studie (Beginn 1948) Diabetes and cardiovascular disease In der Framingham Studie wurde die Auswirkung der kardiovaskulären Krankheiten zwischen Diabetikern und Nichtdiabetikern verglichen. Die Ausdehnung der kardiovaskulären Krankheiten unter zuckerkranken Männern war zweimal so hoch, als unter nicht-zuckerkranken Männern. Die Ausdehnung der kardiovaskulären Krankheiten unter zuckerkranken Frauen war dreimal so hoch als unter nicht-zuckerkranken Frauen. (24) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 31 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7.9. Kumamoto Studie (1995) An dieser Studie waren 110 Typ-2-Diabetiker aus Japan beteiligt, die randomisiert einer agressiven Behandlungsform oder einer konventionellen Behandlung zugewiesen wurden. Die Studie ergab eine Gesamtverringerung des makrovaskulären Risikos um 50 %, bei den Teilnehmern der Gruppe mit aggressiverer Behandlung. (9) Obwohl die Evidenz dieser großen Studien sehr nahelegt, dass eine Senkung des Blutzuckers bei Diabetes das Risiko von Herzkreislauferkrankungen verringert, so ist sie doch in keiner Studie zwingend, was zum großen Teil darauf zurückzuführen ist, dass diese Studien nicht auf die Untersuchung des makrovaskulären Risikos als ein Hauptergebnis angelegt waren. (10, 11) 7.10. DIGAMI Studie (1999) Diabetes Mellitus Insulin Glucose Infusion in Acute Myocardial Infarction (DIGAMI) Diese Studie untersuchte die Auswirkungen der Insulingabe bei 620 Diabetikern (Typ 1 oder 2) mit Verdacht auf Myokardinfarkt. Die Teilnehmer wurden randomisiert einer intensiven Insulinbehandlung oder einer Kontrollgruppe zugewiesen. Die durchschnittlichen HbA1c-Werte nach drei Monaten waren in der Gruppe, die eine intensive Insulinbehandlung erhielt, siginifikant niedriger. Außerdem kam es in dieser Gruppe auch zu einer signifikanten Senkung der Sterberate (30 Prozent) nach bis zu 3,5 Jahren. Diese Ergebnisse legen nahe, dass pro neun behandelte Patienten, ein Leben gerettet werden konnte. (12) 7.11. Die STOP-NIDDM-Studie In der internationalen STOP-NIDDM-Studie wurde untersucht, ob die Gabe von Acarbose (Glucobay®) bei Patienten mit gestörter Glukosetoleranz die Manifestation des Typ-2-Diabetes verzögern oder gar vorbeugen kann. 1368 Patienten wurden bis zu über vier Jahre entweder mit Plazebo oder mit bis zu dreimal 100 mg Acarbose täglich behandelt. Primärer Endpunkt der Studie war die Diagnose eines Typ-2-Diabetes. Im Behandlungszeitraum konnte mit Hilfe von Acarbose die Inzidenz des Typ-2-Diabetes um 24,8% reduziert werden. Basis für die Diagnose war ein positiver OGTT. Noch deutlicher fielen die Ergebnisse aus, wenn man zur Bestätigung einen zweiten OGTT durchführte. Dadurch offenbarte sich eine stärkere Reduktion der Diabetes-Manifestation um mehr als 10% auf insgesamt 36,4%. Bereits nach einem Jahr Behandlungszeit zeigte sich ein signifikanter Effekt der Acarbose-Behandlung. Diese Ergebnisse waren unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Körpergewicht der Patienten. Über die Reduktion der Diabetesinzidenz hinaus zeigte sich auch eine Verbesserung der Blutzuckerhaushaltes. So konnte in fast 30% der Fälle eine Normalisierung der Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 32 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Glukosespiegel erzielt werden. Auch dieser Unterscheid zwischen Acarbose und Plazebo war signifikant. Glucobay® erwies sich in der Studie als sehr gut verträglich, relevante Interaktionen mit anderen Medikamenten traten nicht auf. Zum ersten Mal ist es gelungen, den Diabetes Typ 2 vorzubeugen, indem man bereits die gestörte Glukosetoleranz konsequent behandelt. Die Experten forderten daher, dass der Erfolg der STOP-NIDDM-Studie in Leitlinien zur Identifizierung und Behandlung der herabgesetzten Glukosetoleranz umgesetzt werden müsse. Diese seien Grundlage für eine weitere Verbesserung der Diabetesprävention und -behandlung. (32) Acarbose - bewährtes Medikament mit neuer Relevanz Bereits 1978 wurde auf dem Kongress der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Düsseldorf ein Vortrag zum Thema "Wirkung des Alpha-Glukosidasehemmers Bay-g-5421 auf die Stoffwechsellage sulfonylharnstoffbehandelter und insulinpflichtiger Diabetiker" gehalten. Mittlerweile hat sich die Acarbose einen festen Platz in der deutschen wie in der internationalen Diabetestherapie gesichert. Dies umso mehr, als nach Veröffentlichung der STOP-NIDDM-Studie (Lancet 2002) spannende neue Ergebnisse zur Therapie mit diesem bewährten Medikament diskutiert werden. Nicht zuletzt waren es diese Ergebnisse, die die Acarbose zum Kandidaten und letztlich Gewinner des "Urban & Vogel Award Robert-Koch 2003" machten, der im Rahmen eines Symposiums in der Hörsaalruine der Charité am 24. Januar 2003 in Berlin verliehen wurde. In seiner Laudatio begründete Prof. Thomas Unger von der Charité in Berlin die Auswahl des Preisträgers. Mit den Ergebnissen aus der STOP-NIDDM-Studie zeichne sich nicht nur eine graduelle Verbesserung der Diabetikerversorgung ab, sondern ein Paradigmenwechsel, der zu einer für die meisten Kliniker unerwarteten Neubewertung der gestörten Glukosetoleranz als Frühform des Diabetes führe, erklärt Unger. Im Vergleich bei mehr als 1400 Patienten im prädiabetischen Stadium, die über einen Zeitraum von drei Jahren entweder Acarbose oder Plazebo erhielten, zeigte sich in der Acarbosegruppe eine Reduktion der Inzidenz an manifestem Diabetes um 36%, der Fälle mit weiterhin verminderter Glukosetoleranz um 35,3%, der Patienten mit kardiovaskulären Komplikationen um 49% (von den 21 dokumentierten Herzinfarkten traten 19 in der Plazebogruppe auf), des Auftretens eines Hochdrucks um 34%. Die Ergebnisse bedeuten, dass bei diesen - nach früherer Auffassung ja klinisch noch gar nicht erkrankten - Personen durch die Gabe von Acarbose über einen Zeitraum von fünf Jahren bei 24 Behandelten sich eine kardiovaskuläre Komplikation verhindern lässt. Außer den bekannten, zu Beginn der Therapie subjektiv störenden, gastrointestinalen Nebenwirkungen (die sich bei einschleichender Gabe zumindest minimieren lassen) zeigt die Acarbose als lokal im Darm ansetzende Substanz ein sehr gutes Nutzen-Risiko-Profil bewiesen im Einsatz über zehn Jahre an mehreren Millionen Patienten in mehr als 120 Ländern. (17) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 33 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7.12. Die Monica-Studie (Beginn 1984) In der großen Augsburger MONICA- Studie war das Herzinfarktrisiko bei diabetischen Männern um das 3.7-fache und das der Frauen sogar um das 5,9-fache gegenüber nichtdiabetischen Probanden erhöht. Die 28-Tage-Sterblichkeit bei der Diabetiker war um 50 % (Frauen) bis 70% (Männer) erhöht. Die Autoren schließen, dass eine aktive Prävention der Risikofaktoren bereits im prädiabetischen Stadium- insbesondere bei positiver Diabetes-Familienanamnese- einsetzen sollte, um die klinische Manifestation des Diabetes mellitus zu verzögern und kardiovaskulärer Komplikationen möglicherweise auf diese Weise zu verhindern. (22) 7.13. Kohorten-Studie In der Kohorten-Studie sind 25.958 Männer und 22.900 Frauen, die an Diabetes erkrankt (überwiegend Typ-2) und mindestens 19 Jahre alt waren, über einen medianen Zeitraum von 2,2 Jahren beobachtet worden. Insgesamt traten 935 Herzversagen auf (Männer: 516, Frauen: 419). Nach Korrektur für verschiedene Risikofaktoren konnte ermittelt werden, dass jeder Anstieg des HbA1c um einen Prozentpunkt das Risiko für Herversagen um acht Prozent steigert. Im Vergleich zu einem HbA1c kleiner sieben ist ein HbA1c von zehn oder darüber mit einem 1,56-fachen Risiko für Herzversagen assoziiert. Die Assoziation war bei Männern stärker als bei Frauen, die Pathogenese des Herzversagens und die Höhe des Bluthochdrucks hatten jedoch keinen Einfluss. (14) 7.14. US-amerikanische Studie In einer Studie mit 16.180 Mitgliedern einer US-amerikanischen Gesundheitsorganisation sind Prävalenzen von kardiovaskulären Erkrankungen und Kosten für die medizinische Versorgung untersucht worden. Die Autoren verglichen Patienten mit Typ 2-Diabetes und zugeordnete Kontrollpersonen, die hinsichtlich Geburtsjahr und Geschlecht übereinstimmten. Bei den Diabetes-Patienten waren alle Typen der kardiovaskulären Erkrankungen häufiger zu finden und meistens schwerer ausgeprägt. Außerdem wiesen häufiger bereits jüngere Patienten die Herzerkrankungen auf. Hatten die Patienten zu ihrer Zuckerstoffwechsel- auch eine kardiovaskuläre Erkrankung, stiegen die Kosten für ihre Versorgung bereits früher an. (15) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 34 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 7.15. Der stumme Herzinfarkt Die EKGs von 1269 Patienten mit Typ 2 Diabetes wurden im Rahmen einer australischen Studie über 7 Jahre beobachtet. Ein stummer Infarkt wurde durch das Vorhandensein von signifikanten Q-Wellen ohne Anamnese von Herzbeschwerden definiert und fand sich in 3.9 % der Diabetiker. In dieser Gruppe fanden sich mehr Frauen, weniger Raucher, und Patienten mit höherem HDL und Blutdruck im Vergleich zu den Patienten mit symptomatischer KHK. Nach einer 7 Jährigen Beobachtungsperiode zeigten die Patienten mit stummem Infarkt im Gegensatz zu den symptomatischen Patienten kein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Ein im EKG erkennbarer „stummer Infarkt“ ist daher bei Typ 2 Diabetikern häufig, aber im Vergleich zu Diabetikern ohne EKG-Veränderungen nicht mit einem höheren Mortalitätsrisiko assoziiert. (23) 7.16. Die Botnia-Studie (40) 7.17. Fortlaufende Forschungen Die ORIGIN - Studie ist die erste breitangelegte Studie zur Untersuchung der Frage, ob die einmal tägliche Gabe eines Basalinsulin-Analogons die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse bei Menschen senken kann, die sich in einem frühen Diabetes- oder VorDiabetesstadium befinden und ein hohes Risiko kardiovasuklärer Erkrankung haben. (13) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 35 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 8. Zusammenfassung Die globale Zunahme des Diabetes mellitus ist gleichzeitig mit einer höheren Morbidität und Mortalität an kardiovaskulären Folgeerkrankungen verbunden. Studien haben zu einer verbesserten medikamentösen Diabetikerversorgung geführt, die mit einer Senkung des kardiovaskulären Risikos verbunden ist. Hier nehmen Statine einen großen Stellenwert ein. Auch bei der Vorbeugung des Diabetes mellitus können dank der STOP-NIDDM-Studie Erfolge durch Acarbose verzeichnet werden. Jedoch stellt das kardiovaskuläre Notfallereignis oftmals ein diagnostisches Problem für den Rettungsdienst dar. Die Bedeutung des Sachverhaltes wird dadurch unterstrichen, dass eine Myokardischämie bei 26,3 % der über 65-jährigen Diabetiker stumm verläuft. Bei unklaren diabetischen Notfällen sollten immer kardiale wie auch cerebrale Folgeerkrankungen in Betracht gezogen werden. Auch chirurgische Notfälle benötigen durch die Polyneuropathie und Opiatbehandlungen genauere Diagnostik. Der Diabetes mellitus Patient muss als Hochrisikopatient eingestuft werden, dessen Gefährdungspotenzial gleichzusetzen ist mit dem von Nichtdiabetikern nach durchgemachten Herzinfarkt. Summary The global increase of diabetes mellitus is at the same time connected with a higher morbidity and mortality at cardiovascular subsequent illnesses. Studies led to an improved medicamentous supply of Diabetic, which is connected with a lowering of the cardiovascular risk. Here Statine take a large value. Also with the prevention of diabetes mellitus successes could be registered by Acarbose owing to the STOP – NIDDM - study. However the cardiovascular emergency event often represents a diagnostic problem for the emergency service. The meaning of circumstances is underlined by the fact that a Myokardischaemie runs with 26,3 % over 65-years of age the Diabetic mutely. With unclear diabetic emergencies should be considered always cardiale like also cerebrale subsequent illnesses. Also surgical emergencies need more exact diagnostics by the Polyneuropathie and Opiat- treatment. The diabetes mellitus patient must as a high risk patient be classified, their danger to have an emergency to equate is with of not diabetic after gone through cardiac infarct. Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 36 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Diplomarbeit für den EEMSP Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse Christian Eißler Dieselstraße 3 73491 Neuler IncentiveMED Akademie für Gesundheitspädagogik Karlruherstraße 14 76287 Rheinstetten-Forchheim www.incentive-med.de Ich versichere, dass ich die Arbeit selbständig und nur mit den angegebenen Quellen und Hilfsmitten angefertigt und dass ich alle Stellen der Arbeit, die aus anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, kenntlich gemacht habe. Neuler, den 24. Januar 2005 Christian Eißler Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 37 Diabetes mellitus und kardiovaskuläre Ereignisse 9. Literaturhinweise: 1. 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Simple Scoring Scheme for Calculating the Risk of Acute Coronary Events Based on the 10-Year Follow-Up of the Prospective Cardiovascular Münster (PROCAM) Study "Circulation" (105, 2002, 310) Diplomarbeit für den EEMSP von Christian Eißler 40