Bruno Cattero Lavorare alla Fiat - Arbeiten bei VW Technologie, Arbeit und soziale Regulierung in der Automobilindustrie Westfälisches Dampfboot, Münster 1988 Inhalt Vorwort von Horst Kern 9 Einleitung 18 Teil I: Rationalisierung, gesellschaftlicher Kontext, organisatorisches Handeln - ein Vergleich 21 1. Die Forschungsfragen 1.1 Die gesellschaftlichen Wurzeln der Rationalisierungsmodelle: die offenen Fragen des deutschen „virtuous circle“ 1.2 Die Rationalisierung bei Fiat: Integration ohne Professionalisierung? 1.3 Die Interdependenz zwischen Rationalisierung und gesellschaftlichem Kontext 22 22 25 28 2. Ein Unternehmensvergleich 1.2 Der vergleichende Ansatz des effet sociétal: eine kritische Analyse 1.2 Gesellschaftlicher Effekt und organisatorisches Handeln: ein anderer "Werkzeugkasten" für den Vergleich 1.4 Redundanzoptionen und gesellschaftlicher Kontext 40 47 Teil II: Die Rationalisierungskonzepte 51 3. Arbeit und Automatisierung bei Fiat - eine technokratische Parabel 3.1 Ein technokratisches Modell und seine Szenarien: der "technologische Handwerker" der 90er Jahre 3.2 Auf der Suche nach der Integration: Termoli als "Laboratorium" der Rationalisierung 3.3 Arbeiter und Techniker zwischen Automatisierung und Integration 3.4 Die Krise der Hierarchie und die "Integrierte Fabrik" 52 4. Arbeit und Automatisierung bei Volkswagen die unvollendete Integration 4.1 Technozentrischer Ansatz und betriebliche Regulierung: die Geburt des Anlagenführers 4.2 Die berufliche Kompetenz als Integrationsmittel: das integrierte Anlagenführungsteam 10 33 34 52 60 70 85 98 100 106 4.3 Berufliche Abgrenzungen, geteilte Organisation die unvollendete Integration 4.4 Vom "integrierten Team" zur "Gruppenarbeit" - Japanisierung des "deutschen Modells" oder "Eindeutschung" des japanischen? 115 132 5. Zwischenbilanz 137 III. Teil: Der gesellschaftliche Kontext der Rationalisierung 140 6. Berufliche Ausbildung und Qualifikation gesellschaftliche Unterschiede, betriebliche Realität 6.1 Berufsbildung und Qualifikationserzeugung: ein Makro-Vergleich 6.2 Fiat - "technologisches Anlernen" als Qualifizierungspolitik 6.3 Volkswagen - Segmentationsdilemma als Qualifizierungsengpaß? 6.4 Die Qualifikation der Arbeit zwischen Beruf und Organisation 141 141 149 154 158 7. Fehlende Regulierung, gewerkschaftlicher Niedergang – industrielle Beziehungen und Rationalisierung bei Fiat 7.1 "Taylor gegen Ford": das Abkommen vom 5. August 1971 7.2 Höhepunkt und Krise eines normativen Modells: die "Überwindung des Fließbandes" im Abkommen vom 7. Juli 1977 7.3 Die Verhandlung als "Inszenierung": die Abkommen über den Anlagenführer im Werk Termoli 7.4 Ein neuer Anfang? Integrierte Fabrik und industrielle Beziehungen 8. Die "Muttern" und "Bolzen" der Mitbestimmung industrielle Beziehungen und Rationalisierung bei Volkswagen 8.1 Handlungsfelder und Werkzeugkasten 8.2 Der Verhandlungsprozeß und seine Akteure 8.3 Gewerkschaftliches Handeln und Mitbestimmung 8.4 "Lehrende Regulierung"? - industrielle Beziehungen und Lean Production in der deutschen Automobilindustrie 167 168 171 178 187 193 194 199 204 212 IV. Teil: Bilanz und Ausblick 220 9. Unternehmen, Akteure und Institutionen in Zeiten des Umbruchs 9.1 Ergebnisse im Überblick 9.2 Unternehmenswandel und Globalisiereungsdynamik 221 221 223 Literatur Verzeichnis der Schaubilder, Tabellen und Übersichten Abkürzungen Anhang: Interviews (1989-1995) 232 244 246 247 11 Einleitung Seit zwanzig Jahren befindet sich die Automobilindustrie im Umbruch. Die Automatisierungswelle des letzten Jahrzehnts hat die Fabrik an vielen Stellen gründlich verändert und dabei das typische Bild der Automobilindustrie, die Handarbeit am Fließband, aufgelöst. Aber auch der technokratische Traum der "mannlosen Fabrik" platzte sehr bald und hinterließ vor allem eine bunte Vielfalt von Organisationsmodellen: Das, was ein Unternehmen mit Arbeitsgruppen produzierte, vertraute ein anderes Unternehmen Robotern an, während ein drittes Unternehmen hartnäckig der Fließbandarbeit treu blieb, wenn auch manchmal nicht mehr taktgebunden und vielleicht ein Stück weit "angereichert". Dort, wo man in einer Firma einen Anlagenführer vorfand, konnte man in einer anderen integrierte Produktionsteams beobachten, und so weiter. Die jüngere Hinwendung der Branche zur japanischen lean production hat das Bild nur teilweise geändert. Zwar ähneln die Organisationskonzepte einander mehr als noch vor wenigen Jahren, die "Business-Philosophie" ist durchaus einheitlicher geworden. Nicht aber die arbeitspolitischen Konzepte und ihre arbeitsorganisatorische Einbettung: "Teamarbeit" bedeutet nicht überall das Gleiche, und selbst in Japan spricht man schon von post lean production. Diese Vielfalt wirft zwei grundlegende Probleme auf: a) das Bestehen oder Nichtbestehen einer gemeinsamen Logik in den empirisch zu beobachtenden verschiedenen technisch-organisatorischen Veränderungen; b) das Erkennen der Variablen, die die Unterschiede zwischen den Unternehmen und/oder innerhalb desselben Unternehmens erklären. Diese beiden Probleme stellen den Ausgangspunkt und das Zentrum dieser Studie dar und werden auf der Grundlage einer diachronisch vergleichenden Untersuchung von Fiat und Volkswagen entwickelt. Beide Unternehmen haben in den zurückliegenden fünfzehn Jahren den gleichen Entwicklungspfad verfolgt: zunächst die Begeisterung für die technologische Lösung der Probleme der alten Massenproduktion und anschließend die Hinwendung zum japanischen Modell der "schlanken Produktion". Von Anfang an stellten sie dennoch innerhalb der erwähnten Vielfalt der Organisationsmodelle die beiden Pole dar: Bei Volkswagen und allgemeiner in der deutschen Automobilindustrie schienen sich "neue Produktionskonzepte" durchzusetzen, die auf der Reprofessionalisierung der Arbeitskraft beruhten (Kern/Schumann 1984), während bei Fiat eher das alte tayloristische Modell der Arbeitsteilung, wenn auch in einer technologischen Version aktualisiert, zu überleben und sich zu verewigen schien. Freilich war über Ausmaß, Ursachen und Konsequenzen dieser Unterschiede wenig bekannt. Von daher lassen sich die Ausgangsfragen dieser Studie folgendermaßen fassen: Warum waren - trotz vermutlich ähnlicher Probleme bei der organisatorischen Bewältigung der Einführung neuer Technologien - Arbeitsprozeß und Werkstatt offensichtlich anders organisiert? Worauf beruhte die "betriebliche Spezifizität" von Rationalisierung? Und, angesichts der "japanischen Herausforderung: Wie entwickelten sich beide Konzepte im Rahmen der Gesamtstrategie der Unternehmen, "schlank" zu werden"? In dieser Studie wird davon ausgegangen, daß die Rationalisierungskonzepte von Fiat und Volkswagen derselben produktiven und organisatorischen Logik entsprechen, gleichzeitig jedoch gesellschaftliche institutionelle Faktoren widerspiegeln. Letztere stellen Zwänge und Ressourcen für die jeweilige Unternehmensstrategie dar und beeinflussen als solche deren organisatorische Modelle. Ich gehe also von einer Kontextgebundenheit der Rationalisierungskonzepte aus, vermute aber keine einseitige Kontextabhängigkeit, sondern Interdependenz - und dadurch möglicherweise auch einen wechselseitigen Einfluß - zwischen Rationalisierungspraktiken im Unternehmen und institutionellen Faktoren. Insofern bewegt sich die Analyse zwischen Institutionen und 12 Akteuren - die Brücke dafür bilden einige Grundbegriffen der "Theorie des organisatorischen Handelns" von James D. Thompson (1967), deren Wert darin besteht, die Interaktion zwischen Unternehmen und Kontext von jeglichem Determinismus - sei es technischem oder gesellschaftlichem - frei zu halten (vgl. Kap. 2). Die Studie gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil geht es um den Aufbau des Vergleiches. Aus einer thematisch stark fokussierten Betrachtung der deutschen und italienischen Diskussion werden im ersten Kapitel die Ausgangsfragen der empirischen Untersuchung dargestellt. Im zweiten Kapitel geht es um den "Werkzeugkasten" des Vergleichs und die darauf aufbauenden Forschungshypothesen. Teil II und III sind jeweils den Rationalisierungskonzepten (Kapitel 3. bis 5.) und den untersuchten gesellschaftlichen Variablen (Kapitel 6. bis 8.) gewidmet. Die Darstellungsstruktur spiegelt sowohl die Anlage der Untersuchung als vergleichende Doppelfallstudie wider als auch die Absicht, die "gesellschaftliche Konstruktion" der Akteure, Prozesse und Beziehungen wiederzugeben. Daher habe ich eine "monographische" Darstellung gewählt und die vergleichenden Betrachtungen in diese Struktur integriert. Der größere Raum, der den industriellen Beziehungen im dritten Teil zukommt, spiegelt seinerseits das aus dem Vergleich der Rationalisierungskonzepte abgeleitete höhere Gewicht dieser Variable gegenüber Qualifikation und Berufsausbildung. Der vierte Teil enthält eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließend einen kurzen "Blick nach vorne": Ich diskutiere, wie weit das begriffliche Instrumentarium und der Interpretationsrahmen der vorliegenden Studie einen aufschlußreichen Zugang für eine Analyse der jüngeren Entwicklung (nicht nur) in der Automobilindustrie darstellen können und welche Forschungsfragen sich daraus ergeben. 13