MARX lesen! - Thesen für ein Seminar Zeitschrift „exit!“ Rosa-Luxemburg-Club Heilbronn 1. Beginn: Samstag 3. September 2016 15 Uhr Roswitha Scholz, Ernst J. Schnell Heinz Deininger Die aktuelle Weltkrise ist in aller Munde und betrifft so gut wie jeden Lebensbereich und auch fast sämtliche Länder und Regionen dieser Erde. Die Ökonomie, die Gesellschaft, die Kultur, die Politik, die Wissenschaft, ja ab und an sogar das Militär: überall kriselt es, fehlt es an Geld und an Zukunftsperspektiven! Trotzdem sind von denjenigen Teilen bürgerlicher, parlamentarisch- demokratischer Meinungs- und Verantwortungsträger/inne/n, die sich noch um Gesellschaftliches kümmern, hierzulande nur unbefriedigende Erklärungen und sowieso keinerlei realistische Lösungsansätze zu hören. 2. Angesichts dieser Krise und der Dringlichkeit ihrer Lösung bzw. Aufhebung verharrt die große Mehrheit der marxistischen Welterklärer/innen trotz alledem in alten und längst als unzureichend erwiesenen Eigentums-, Macht-, Gerechtigkeits- und Ausbeutungskategorien und will – oder kann – nicht mehr zur Kenntnis nehmen, dass auf diese ihre Weise lediglich verkürzte Erklärungen möglich sind. Diese Art des Marxismus ist schon seit vielen Jahren zum Dogma erstarrt und bietet nur noch alten (und manchmal auch jungen) Betonköpfen theoretische Anreize. 3. Eine tiefgreifende, radikale Analyse und Kritik der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse und ihrer fundamentalen Krise ist also weder mit den Mitteln bürgerlicher Wissenschaften und Politik, noch mit denen des traditionellen Marxismus und all seiner Varianten zu haben. Die theorieskeptischen Teile derjenigen engagierten Menschen, die irgendwie „links“ sind, haben ebenfalls damit aufgehört, sich um radikale Gesellschaftskritik zu scheren. Sie begnügen sich mit lauten Klagen über Gier, Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Umweltzerstörung und ähnliches. Auch hin und wieder aufkommende Utopien oder sogenannte Alternativmodelle zur existierenden gesellschaftlichen Realität sind zu vernehmen und werden als Teil einer Transformation der Gesellschaft gepriesen, obwohl sie genau besehen nicht nur über die bestehenden Verhältnisse nicht hinausgehen, sondern sogar von einer Krisenverwaltung instrumentalisiert werden können. 4. Wenn sich aber die Traditionsmarxist/inn/en und andere Marxolog/inn/en dennoch beharrlich auf den großen alten Karl Marx berufen und notorisch keine plausiblen Erklärungen der heutigen Zustände aufbieten können: ist Marx dann passé und obsolet? In gewisser Weise mag dies zutreffen. Aber, so schreibt Robert Kurz in seinem Buch „Marx lesen!“ schon 2006, „[E]s gibt auch noch den ganz anderen Marx einer viel tiefer gehenden Kapitalismuskritik, die auf den basalen Formzusammenhang des modernen warenproduzierenden Systems zielt; und das ist eigentlich der verschollene Marx, den es jenseits von »Arbeiterbewegung« und »Modernisierung« aus der Versenkung hervorzuholen gilt.“ Genau das möchten wir in dieser Seminarreihe versuchen! 5. Der Weg zu dieser Erkenntnis eines, wie wir es nennen „esoterischen“ Marx, also eines Marx‘, der eine viel tiefer gehende Kapitalismuskritik formuliert als der pragmatische, „exoterische“ Marx, führt über mindestens zwei nicht wirklich triviale Hürden: http://www.exit-online.org/ http://www.bw.rosalux.de/ MARX lesen! - Thesen für ein Seminar Zeitschrift „exit!“ Rosa-Luxemburg-Club Heilbronn a. Beginn: Samstag 3. September 2016 15 Uhr Roswitha Scholz, Ernst J. Schnell Heinz Deininger Es muss eingeräumt werden, dass mit den Begriffen der Politischen Ökonomie (von Marx) nicht die gesamte heutige Gesellschaft und ihre Krisenhaftigkeit erfasst werden kann, sondern das „abgespaltene Weibliche“ (Roswitha Scholz) kategorisch hinzutreten muss. Was dieses Abgespaltene sein soll, das wird ein Thema in dem Seminar sein. b. Nur die kritische Untersuchung der gesellschaftlichen Totalität eröffnet den Weg zur begrifflichen Erfassung aller Einzelheiten und natürlich der gesamten Gesellschaft. 6. Die Bereitschaft, das heute schon fast zum Mainstream gewordene Abstraktionstabu innerhalb des Zusammenhangs linker und kritischer Menschen zu überwinden, muss unseres Erachtens gefördert werden. Auch dazu soll das Seminar einen Beitrag leisten. 7. Dem reinen Positivismus, also einer Herangehensweise, die nur noch einer Unmenge an Fakten und empirischen Daten huldigt, aber keinerlei Denk- und Abstraktionsleistung mehr erbringen möchte, treten wir ebenso entgegen wie all den phantasiereichen oder zuweilen auch phantasielosen Utopien und Gegenmodellen, die ohne jegliche gedankliche Substanz daherkommen und nur auf Betroffenheit und Gerechtigkeitsgefühlen aufgebaut sind. 8. Zum Verständnis der aktuellen Krise sind zahlreiche Begriffe zu klären, die bei Marx eine wichtige Rolle spielen: Geld, Kapital, prozessierender Widerspruch, Fetischkonstitution, automatisches Subjekt, Arbeit, Wert, Wertverwertung – um nur einige zu nennen. Daneben müssen aus heutiger Sicht auch neue Begriffe hinzugefügt werden, z. B. derjenige vom „Abgespaltenen“. Es ist also auch eine Menge an Gedankenarbeit zu leisten. 9. Das Buch „Marx lesen! Die wichtigsten Texte von Karl Marx für das 21. Jahrhundert“ von Robert Kurz (Frankfurt am Main 2006) bildet zur Erreichung der oben genannten Zwecke eine gute und fruchtbare Basis. Deswegen wird das Seminar auf diesem Buch aufbauen. 10. Das Seminar ist für Leute gedacht, die „etwas Neues lernen, also auch selbst denken wollen“. (Aus dem Vorwort zur ersten Auflage des Kapital I, Marx 1867). Die Erkenntnisse aus dem Seminar werden nicht direkt in die politische Alltagspraxis umsetzbar sein oder zur Gewinnung neuer Wähler taugen. Anmeldungen für das Seminar bitte per eMail an [email protected] http://www.exit-online.org/ http://www.bw.rosalux.de/