Forschungsgemeinschaft für Elektrische Anlagen und Stromwirtschaft e. V. Forschungsreport zum Schlussbericht des AiF-Forschungsvorhabens 12361 N Messung und Berechnung magnetischer Felder Die Verordnung über elektromagnetische Felder hat Grenzwerte für die magnetischen Feldstärken festgelegt, die durch Messung oder Berechnung nachzuweisen sind. Da Messgeräte in homogenen Magnetfeldern kalibriert werden, ist die Genauigkeit der Messergebnisse in den inhomogenen Feldern von Starkstromanlagen nicht bekannt. Für Berechnungsverfahren bestehen keine Kalibrierverfahren, ihre Genauigkeit hängt von der Eignung der in den Programmen verwendeten Rechenmodelle ab. Das Forschungsvorhaben hat sich zur Aufgabe gestellt, eine Referenzanordnung mit praxisnahen und mit ausreichender Genauigkeit bekannten Feldstärkewerten zu erstellen und für die Überprüfung von Messund Rechenverfahren zur Verfügung zu stellen. Das Vorhaben wurde aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) unter der Projektnummer 12361 N gefördert. Ausgangssituation Entsprechend den von der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) empfohlenen zulässigen Werten setzt die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder) Grenzwerte für niederfrequente Felder fest. Der Nachweis, dass eine felderzeugende Anlage den Bestimmungen der Verordnung entspricht, kann durch Messung oder Berechnung erbracht werden. Die ICNIRP-Werte beziehen sich auf eindimensionale, rein sinusförmige Felder. Ein Großteil der von Mittel- und Niederspannungsanlagen erzeugten Magnetfelder ist jedoch dreidimensional, der Vektor der magnetischen Feldstärke beschreibt einen Ellipsoid, dessen Lage im Raum abhängig von der Geometrie der Leiterführung ist. Diese Tatsache erfordert in der Mess- technik bzw. in den Berechnungsverfahren geeignete Ansätze für die Verfahren und die Interpretation der damit erzielten Ergebnisse. Beides beinhaltet Fehlermöglichkeiten und insbesondere bei mehrfachen Messungen oder Berechnungen in Streitfällen sind Diskussionen über die Genauigkeiten der Ergebnisse unvermeidbar. Forschungsziel Ziel des Projektes war, eine Referenzanordnung zur Verfügung zu stellen,deren Magnetfelder genau bekannt sind. An dieser Anordnung können in Diskussionsfällen die Ergebnisse aus Messungen oder Berechnungen Oktober 2002 • Leiteranordnung, die in etwa der in Schaltanlagen des Verteilungsnetzes entspricht, • Freiheit von unbekannten Streuströmen, die die Magnetfelder beeinflussen und in Berechnungen nicht berücksichtigt werden können, • Möglichkeit zur Erzeugung von Drehstromfeldern mit und ohne Nullsystem, • Möglichkeit zur Erzeugung von Magnetfeldern mit Oberschwingungen. Lösungsweg Als Referenzanordnung wurde eine quadratische Drehstromschleife mit einer Seitenlänge von 5 m und einem Leiterabstand von 0,2 m in etwa entsprechend einer 20-kV-Anlage gewählt. Die Strombelastbarkeit der Schleife sollte ebenfalls der einer üblichen Anlage entsprechen. Eingesetzt wurden Kupferleiter von 40 x 5 mm2. An Art und Aufstellungsort der Schleife waren drei grundlegende Bedingungen gestellt: • Die Anlage zur Stromerzeugung und die Leiterführung zur Referenzanordnung dürfen das Magnetfeld der Referenzanordnung nicht unzulässig beeinflussen. • Die durch die Umgebung verursachten magnetischen Feldstärken müssen gering sein. • Es dürfen keine merklichen Wirbelströme in der Umgebung fließen. Bei Nichterfüllung dieser Bedingungen würden Rechenverfahren von vornherein nicht korrekte Werte für diese Anordnung liefern können und die sachgerechte Überprüfung dieser Verfahren wäre unmöglich. Bild 1 zeigt die Referenzanordnung an ihrem als geeignet gefundenen Aufstellungsort. Die Stromzuführung geschieht an einer Ecke der Schleife mit eng zusammengeführten Leitern, so dass sich die Magnetfelder der einzelnen Leiter an den Messorten auf der der Stromeinspeisung gegenüber liegenden Seite gegenseitig aufheben. Die Erzeugung eines Stromes bis zu 400 A geschieht durch drei getrennt einstellbare Stromquellen, so dass beliebige Magnetfelder erzeugt werden können. Die Referenzanordnung bietet die Möglichkeit, abhängig vom Beobachtungsort, zwei- oder dreidimensionale Magnetfelder zu überprüfen. Durch Vergleich von Messungen mit verschiedenen Messsystemen mit Ergebnissen von Rechenprogrammen sollen die für diese Anordnung zutreffenden Werte der magnetischen Felder bestimmt werden, die dann für eine später duchzuführende Überprüfung zugrundegelegt werden können. Bild 1 Ansicht der Referenzanordnung zur Erzeugung von magnetischen Feldern am endgültigen Aufstellungsort Forschungsergebnis Drehstromsysteme erzeugen elliptische oder rotationselliptische Dreh-Magnetfelder. Bild 2 zeigt hierfür ein Beispiel, aus dem die grundlegenden, beim Vergleich von Messung und Berechnung zu beachtenden Prinzipien entnommen werden können. In der Nähe der Leiter hat das Drehfeld einen ausgeprägten elliptischen Charakter. Mit steigendem Abstand von den Leitern nimmt diese Eigenschaft ab, und bei großen Abständen wird das Magnetfeld praktisch eindimensional und gleicht einem Feld eines einzelnen Leiters. 2 Bild 2 Beispiele von elliptischen DrehMagnetfeldern eines lang gestreckten Leitersystems für unterschiedliche Verhältnisse der Entfernung x zu den Leitern zum Leiterabstand d ωt 1 Rel. y-Komponente überprüft werden, wobei die aus den Prinzipien der Messtechnik oder der Berechnungverfahren resultierenden Voraussetzungen berücksichtigt werden. Hieraus ergeben sich die folgenden Anforderungen an die Referenzanordnung: B̂ B(t ) 0 -1 -2 -2 -1 0 1 2 Rel. x-Komponente x/d = 0,5 x/d = 1 x/d = 2 Für elliptische Felder gilt der Zusammenhang zwischen Scheitelwert und Effektivwert von √2 nicht mehr, auf den sich die Grenzwerte beziehen. Der Effektivwert ist definiert als Beff = T 1 B( t ) 2 dt T ∫0 (1) und kann für den Extremfall einer kreisförmigen Ellipse gleich dem Scheitelwert werden. Forschungsreport Für die Berechnung der magnetischen Feldgrößen stellen diese Zusammenhänge keine Probleme dar. Für Messgeräte bedeutet diese Definition jedoch, dass zur Bestimmung des Effektivwertes des magnetischen Feldes die zeitlichen Messwerte der drei räumlichen Komponenten quadriert und addiert und anschließend aufsummiert werden müssen. Dies erfordert digitale, auf die Netzfrequenz ausreichend genau synchronisierte Messgeräte. Zum Zeitpunkt der Normung von Messgeräten zur Messung der magnetischen Feldstärke war die Gerätetechnik nicht ausreichend fortgeschritten, um solche digitalen Verfahren in tragbaren Instrumenten zu verwirklichen. Sie legte daher fest, • die magnetischen Feldstärken in den drei räumlichen Komponenten x, y und z zu messen, • die Scheitelwerte der drei Komponenten zu bestimmen, • den Effektivwert aus diesen Scheitelwerten zu berechnen: Beff = 1 B̂ x2 + B̂ 2y + B̂ z2 2 Bild 4 zeigt die Abweichungen der Messwerte von den berechneten Werten, wobei diese als Bezugsgröße gewählt wurden, positive Abweichungen also höhere Messwerte bedeuten. Die Streuung der Abweichungen macht zwei in der Wahl der Messsonde liegende Probleme deutlich: • Die Messsonde mit dem in der Normung festgelegten Querschnitt von 100 cm2 hat einen Durchmesser von etwa 0,11 m. Die korrekte Positionierung des Sondenmittelpunktes auf den Messpunkt erfordert große Sorgfalt. • Im Nahbereich der Leiter ist das Magnetfeld sehr inhomogen und haupsächlich von der vertikalen Komponente bestimmt. Da die Spulen die induzierte Spannung verwenden, entspricht der Messwert in diesem Bereich dem Mittelwert der Induktion über die gesamte Fläche. Dieser Mittelwert ist stets höher als der Wert im Mittelpunkt der konzentrischen Spulen. (2) Es kann mathematisch nachgewiesen werden, dass die Effektivwerte nach den Gleichungen (1) und (2) gleich sind. Die Ermittlung eines Scheitelwertes durch Multiplikation des Effektivwertes mit √2 führt jedoch zu höheren Werten als tatsächlich vorhanden, insbesondere wenn der elliptische Charakter des Feldes ausgeprägt ist. Aus diesem Grunde werden im folgenden ausschließlich die Effektivwerte des magnetischen Feldes betrachtet. Für die Messung der magnetischen Felder wurde hauptsächlich das Gerät EFA-3 der Firma Wandel & Goltermann mit der 100-cm2-Präzisionsmesssonde entsprechend der Normung verwendet. Diese Sonde besitzt drei kreisförmige, konzentrische Spulen mit je 100 cm2 Fläche für die drei Komponenten und arbeitet nach dem oben genannten Prinzip. Für die praktische Verwendung der Referenzanordnung zur Überprüfung von Messgeräten oder Rechenprogrammen ist der Bereich außerhalb der Anordnung von höherer Bedeutung. In diesem Bereich wurden daher die Abweichungen zwischen Messung und Rechnung mit hoher Sorgfalt bei der Positionierung der Messsonde bestimmt. Bild 5 zeigt die dabei erzielten Ergebnisse. Sie belegen, dass die Abweichungen in größeren Abständen in allen Fällen klein sind, da hier das Magnetfeld im Vergleich zu den Sondenabmessungen praktisch homogen ist. Abweichung Messung von Rechnung in % Die Berechnungen des magnetischen Feldes wurden von der Forschungsgesellschaft für Energie- und Umwelttechnologie GmbH mit dem eingeführten Programm WinField vorgenommen. 120 100 Induktion in µT Bild 3 zeigt den Verlauf der magnetischen Feldstärke der Referenzanordnung entlang der Mittelsenkrechten zur Seitenlinie. Außerhalb der Anordnung zeigt das Magnetfeld in einem Abstand zwischen 2,1 m und 2,5 m, d.h. in Abständen zwischen 0,1 m und 0,5 m von den Stromleitern, ein ausgeprägtes elliptisches Drehfeld, welches bei größeren Abständen nahezu völlig in ein reines Wechselfeld übergeht. Wie theoretisch zu erwarten, besteht das Magnetfeld bei größeren Abständen nahezu ausschließlich aus der Komponente in Messrichtung senkrecht zur Schleifenseite. 80 60 40 20 0 8 6 4 2 0 -2 -4 0 1 2 3 4 5 6 Abstand vom Mittelpunkt in m Rechnung Messung Bild 3 Abhängigkeit der magnetischen Induktion vom Abstand des Messortes zum Mittelpunkt der Referenzanordnung Messachse mittig senkrecht zur Seitenlinie in Höhe des mittleren Leiters Forschungsreport 0 1 2 3 4 5 Abstand vom Mittelpunkt in m 1. Messung Wiederholungsmessung Bild 4 Abweichung zwischen Messung und Berechnung des magnetischen Feldes. Bedingungen wie in Bild 3 6 Abweichung Messung von Rechnung in % 20 15 10 5 0 1,5 2 2,5 3 3,5 Abstand von Mittelpunkt in m Höhe oberer Leiter Höhe mittlerer Leiter Höhe unterer Leiter Mit kleiner werdenden Abständen von den Leitern werden die Magnetfelder immer inhomogener und die Abweichungen zwischen Messung und Rechnung aus den beiden oben genannten Gründen immer gößer und können bei Abständen unter 0,5 m mehrere % betragen. In der praktischen Anwendung sind jedoch Messungen in solcher Nähe zu den spannungsführenden Leitern höchstens in Ausnahmefällen von Bedeutung. Die Mehrzahl der Anwendungen wird Abstände von den spannungsführenden Leitern größer als 1 m betreffen. Für diesen Bereich stimmen Rechnung und Messung überein. Die Abweichungen voneinander betragen weniger als 1 %. Da Messung und Berechnung der magnetischen Felder unabhängig voneinander sind, kann somit geschlossen werden, dass eine Referenzanordnung zur Verfügung steht, bei der für Drehstromfelder in weiten Bereichen eine Unsicherheit in der Angabe der Feldstärke von weniger als 5% besteht. Diese Unsicherheit setzt sich zusammen aus • der festgestellten Abweichung zwischen Messung und Rechnung, wobei der tatsächlich zutreffende Wert nicht bekannt ist, • der Unsicherheit, ob eine Stromabhängigkeit in der Referenzanordnung besteht und • Bild 5 Abweichung zwischen Messung und Berechnung des magnetischen Feldes im Bereich außerhalb der Anordnung der Unsicherheit in der korrekten Stromeinstellung und –messung Diese Werte sind im Vergleich zu den vor Ort vorhandenen Einflussmöglichkeiten gering. So konnte nachgewiesen werden, dass Wirbelströme in Baustahlmatten, wie sie in Betongebäuden verwendet werden, die magnetische Feldstärke bis zu 20 % verringern können. Diese Einflüsse können in Berechnungen nur berücksichtigt werden, wenn Art und Lage der Matten genau bekannt sind. Dies ist in der Regel nicht der Fall. Allerdings ergeben die Berechnungen stets höhere, also auf der sicheren Seite liegenden Werte. Die Magnetfelder von Strömen mit Oberschwingungen können nur dann richtig gemessen und bewertet werden, wenn der Oberschwingungsgehalt der Ströme bekannt ist und das verwendete Messgerät die Magnetfelder der Bedingungen wie in Bild 3, jedoch mit verschiedenen Höhen des Bezugspunkts einzelnen Oberschwingungen trennen kann. Auch hier hat sich gezeigt, dass selbst dann mit Unsicherheiten in den Messergebissen von mehreren % zu rechnen ist. Ausblick Das Forschungsprojekt hat als Ergebnis eine Referenzanlage der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, mit der gemessene oder berechnete Magnetfelder bei Bedarf auf ihre Genauigkeit hin überprüft werden können. Die erzielten Unsicherheiten in der Angabe der tatsächlichen Feldstärke können gegenüber den Unsicherheiten in den Bedingungen vor Ort als gering bezeichnet werden, so dass die Anordnung für die gestellte Aufgabe als geeignet angesehen werden kann. Weitergehende Untersuchungen werden nicht für notwendig erachtet. Weitere Informationen Für weitere Informationen steht Ihnen zur Verfügung: Dr.-Ing. K.-H. Weck Telefon 0621/8047-200 Bezugsquellen Der Schlussbericht kann auf Anfrage bei der FGH angefordert werden Impressum Herausgeber Forschungsgemeinschaft für Elektrische Anlagen und Stromwirtschaft e. V. Hallenweg 40, 68219 Mannheim Tel. 0621/80 47-101, Fax 0621/80 47-113 Internet: http://www.fgh-ma.de E-Mail: [email protected] Verantwortlich: Dr.-Ing.W.H. Wellßow Mitglied der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen Forschungsreport