Originalien C. Kesch1 · J. P. Radtke1,2 · F. Distler1 · S. Boxler3 · T. Klein1 · C. Hüttenbrink1 · K. Hees4 · W. Roth5 · M. Roethke2 · H. P. Schlemmer2 · M. Hohenfellner1 · B. A. Hadaschik1 Urologe 2016 · 55:1071–1077 DOI 10.1007/s00120-016-0093-6 Online publiziert: 11. Mai 2016 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 1 Urologische Universitätsklinik Heidelberg, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland 2 Abteilung für Radiologie, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, Deutschland 3 Universitätsklinik für Urologie, Universität Bern, Bern, Schweiz 4 Institut für Medizinische Biometrie und Informatik, Heidelberg, Deutschland 5 Pathologisches Institut der Universität Heidelberg, Universität Heidelberg, Heidelberg, Deutschland Wertigkeit der multiparametrischen MRT und der MRT-TRUS-Fusionsbiopsie bei primär negativ biopsierten Patienten Hintergrund und Fragestellung Patienten, bei denen trotz negativer TRUS-gesteuerter Primärbiopsie ein persistierender Verdacht auf ein Prostatakarzinom (PCa) besteht, stellen eine besondere Herausforderung in der Praxis dar. Einerseits sollen insbesondere alle klinisch signifikanten Tumoren diagnostiziert werden, um so eine möglichst hohe Patientensicherheit zu erzielen, andererseits gilt es, unnötige multiple Wiederholungsbiopsien zu vermeiden. Das PCa ist die häufigste Krebsart und die dritthäufigste Krebstodesursache bei Männern in Deutschland [14]. Die Leitlinien der „European Association of Urology“ (EAU) und der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) empfehlen bei erhöhtem prostataspezifischem Antigen (PSA) und/oder suspekter digitalrektalerUntersuchung (DRU)eine 10-bis 12fache transrektal Ultraschall (TRUS)gesteuerte Prostatastanzbiopsie als diagnostischen Standard. Bei persistierendem Tumorverdacht nach primär negativer Biopsie wird eine Wiederholung der Biopsie empfohlen [13, 33]. Häufig erfolgt durch die klassische transrektale Prostatastanzbiopsie jedoch nur eine unzureichende Charakterisierung der PCa. Einerseits werden klinisch signifikante PCa nicht detektiert, ande- MRT navigierte Biopsien 10/201209/2015: 1319 Patienten, die eine ReBiopsie erhielten: 541 Patienten, die analysiert wurden: 287 Patienten mit externer MRT, die nicht gemäß PIRADS befundetwurde: 87 Patienten, die eine Biopsie bei V.a. ein Prostatakarzinomrezidiv erhielten: 34 Patienten, die eine Erstbiopsie erhielten: 744 Patienten unter Active Surveillance: 167 Abb. 1 9 Studienein- und Studienausschlüsse Der Urologe 8 · 2016 1071 Originalien Tab. 1 Sequenzprotokoll der mpMRT Parameter T1-TSE T2-TSE epi-2D TWIST TR (ms)/TE (ms) 792/11 5.120/143 3.100/52 4,42/2,2 Anregungswinkel (°) 90 90 90 15 ETL/Epi-Faktor 72 12 96 x Durchschnitte 2 4 5 x b-Werte x x 0, 50, 100, 150, 200, 250, 800 x Schichtdicke (mm) 5 3 3 1,5 FOV (mm) 320 300 280 400 Auflösung 1,1 × 1,0 0,8 × 0,7 2,2 × 2,2 1,6 × 1,6 Aufnahmezeit (min) 3:51 4:14 5:04 5:18 TR Repetitionszeit, TE Echozeit, ETL Echozuglänge, FOV Sichtfeld, epi echoplanare Bildgebung, TSE Turbo Spin Echo, TWIST „time-resolved angiography with interleaved stochastic trajectories“ rerseits werden auch höchstwahrscheinlich klinisch insignifikante Niedrigrisikotumoren nachgewiesen. Im Vergleich zum radikalen Prostatektomiepräparat wird ein Upgrading des GleasonScores in 44–50 % der Patienten beobachtet. Insbesondere kleine Tumorfoci und PCa der Transitionalzone werden häufig übersehen [4, 7, 27]. In der ersten TRUS-Wiederholungsbiopsie liegt die Detektionsrate eines PCa nur noch bei 20 % und nach einmaliger Rebiopsie sogar bei ≤10 % [8]. Als diagnostische Ergänzung wird daher die Durchführung einer multiparametrischen MRT (mpMRT) empfohlen [13, 33]. Die optimale Biopsiemethode nach erfolgter mpMRT wird aktuell diskutiert. In Kombination mit einer MRT-TRUSFusionsbiopsie bietet die mpMRT der Prostata verglichen mit konventionellen TRUS-gestützten Biopsien höhere Detektionsraten signifikanter PCa [19, 24, 25, 31]. Zusätzlich konnte eine akkurate Charakterisierung der Lokalisation, Ausdehnung und Aggressivität verglichen mit dem radikalen Prostatektomiepräparat gezeigt werden [2, 6]. Siddiqui et al. zeigten, dass alleinige gezielte Biopsien (gB) verglichen mit der 12-fach TRUS-Biopsie 30 % mehr aggressive (Gleason-Score ≥ 4 + 3) und 17 % weniger Niedrigrisikokarzinome detektierten [28]. Dies stimmt überein mit dem von Valerio et al. durchgeführtem Literatur-Review, in dem gezeigt wird, dass gB verglichen mit Standardbiopsietechniken mehr signifikante Tumoren entdecken [32]. Arsov et al. hingegen demonstrierten an einer Subgruppe 104 primär 1072 Der Urologe 8 · 2016 negativ biopsierter Männer, dass kein signifikanter Unterschied in der Detektionsrate signifikanter Tumoren zwischen gB und einer 12fach-3D-TRUS-Biopsie besteht [1]. Unsere eigene Arbeitsgruppe hat kürzlich an einer Subgruppe 108 initial negativ biopsierter Patienten gezeigt, dass durch alleinige gB sogar im Vergleich zu tranperinealen Sättigungsbiopsien als Referenztest keine signifikanten PCa übersehen wurden [25]. Analog empfehlen die englischen Leitlinien des „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) bei unauffälligem MRT-Befund nach primär negativer Biopsie auf eine Rebiopsie zu verzichten [11]. Andere Arbeitsgruppen postulieren jedoch eine Kombination aus systematischer Biopsie (sB) und gB, da gB bis zu 20 % signifikante PCa nicht detektieren [5, 19]. Ziel dieser Studie war es daher, prospektiv die Wertigkeit der mpMRT und rigider MRT-TRUS-Fusionsbiopsien im Rahmen der Rebiopsie zu ermitteln und durch den Vergleich der Detektionsraten zu klären, inwieweit systematische Biopsien entfallen könnten. Studiendesign und Untersuchungsmethoden Studienpopulation 287 Männer mit primär negativer Biopsie und persistierendem Tumorverdacht (. Abb. 1) erhielten zwischen 10/2012 und 09/2015 konsekutiv eine mpMRT der Beckens in der Abteilung für Radiologie des Deutschen Krebsforschungs- zentrums und anschließend eine MRTTRUS-Fusionsbiopsie in der Urologischen Universitätsklinik Heidelberg. Der prospektiven Datenerhebung war zuvor durch die Ethikkomission der Universität Heidelberg zugestimmt worden (S-280/2012). Teile des Patientenkollektivs wurden bereits zuvor analysiert [25]. Bildgebung Die mpMRT (T2w, diffusionsgewichtete Sequenzen [DWI], Kontrastmitteldynamik [DCE]) erfolgte mit einem 3-TeslaSystem ohne Endorektalspule (Siemens, Erlangen; . Tab. 1). Die Befundung der mpMRT erfolgte gemeinsam durch einen radiologischen Assistenzarzt und einen erfahrenen Radiologen (MR, HPS) entsprechend des 2012 erstellten „prostate imaging reporting and data systems“ (PIRADS-Version 1, [3]). MRT-TRUS-Fusionsbiopsie Alle Patienten erhielten eine softwareassistierte, rigide MRT-TRUS-Fusionsbiopsie (BiopSee , MedCom, Darmstadt). Die Biopsie wurde unter total-intravenöser Anästhesie mit Verwendung einer Larynxmaske durchgeführt. Patienten, die mit der Larynxmaske nicht sicher beatmet werden konnten, wurden intubiert. Es erfolgte die Durchführung einer transperinealen sB volumenbasiert mit einer softwareassistierten automatisierten Verteilung der Stanzzylinder in Anlehnung an die Empfehlungen der „Ginsburg Study Group“ [15]. Patienten mit einer MRT-Läsion PIRADS ≥ 2 erhielten zusätzlich, gemäß der „standards for reporting for MRI-targeted biopsy studies“ (START-)Kriterien, gB aus diesen suspekten Arealen, wobei diese streng unabhängig von den sB geplant und entnommen wurden (Median n = 3 pro Läsion, [21]). Alle Läsionen wurden unter Live-TRUS-Visualisierung biopsiert (CK, JPR, FD, SB, TK, CH). ® Pathologische Aufarbeitung Die histologische Befundung der Stanzen erfolgte unter Aufsicht eines erfahrenen Uropathologen (WR) gemäß den Emp- Zusammenfassung · Abstract Urologe 2016 · 55:1071–1077 DOI 10.1007/s00120-016-0093-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 C. Kesch · J. P. Radtke · F. Distler · S. Boxler · T. Klein · C. Hüttenbrink · K. Hees · W. Roth · M. Roethke · H. P. Schlemmer · M. Hohenfellner · B. A. Hadaschik Wertigkeit der multiparametrischen MRT und der MRT-TRUS-Fusionsbiopsie bei primär negativ biopsierten Patienten Zusammenfassung Hintergrund. Die multiparametrische MRT (mpMRT) gewinnt in der Prostatakarzinomdiagnostik an Bedeutung und wird u. a. bei primär negativ TRUS-biopsierten Männern mit persistierendem Tumorverdacht empfohlen. Die optimale Biopsiemethode nach erfolgter mpMRT wird aktuell diskutiert. Ziel der Arbeit. Die vorliegende, prospektive Arbeit analysiert PIRADS- und START-konform den Stellenwert von mpMRT- und MRT-TRUSFusionsbiospie im Rahmen der Rebiopsie und vergleicht die Detektionsraten von gezielten Biopsien (gB) und systematischen transperinealen Sättigungsbiopsien (sB). Material und Methoden. Bei 287 zuvor negativ TRUS-biopsierten Männern wurden von 10/2012–09/2015 Software-assistierte, rigide MRT-TRUS-Fusionsbiopsien durchge- führt. Neben sB (Median n = 24) wurden bei Patienten mit MRT-suspekten Arealen (PIRADS ≥ 2) gB (Median n = 4 pro Patient, n = 3 pro Läsion) entnommen. Die Biopsiemethoden wurden mittels McNemar-Test miteinander verglichen. Ergebnisse. Von 287 Patienten hatten 148 (52 %) ein Prostatakarzinom (PCa), 108/287 (38 %) ein signifikantes PCa (Gleason-Score [GS] = 3 + 3 und PSA ≥ 10 ng/ml oder GS ≥ 3 + 4)] und davon wiederum 43/287 (15 %) GS ≥ 4 + 3 Tumoren. Transperineale sB übersahen 8/148 (5,4 %) PCa und 6/108 signifikante PCa (5,5 %), während alleinige gB 48 (32,4 %) PCa (p < 0,0001) und 22 (20,4 %) signifikante PCa (p = 0,0046) übersahen. Insgesamt 11 der durch gB verfehlten signifikanten PCa hatten einen GS ≥ 3 + 4 (10,3 %), 5 PCa davon einen GS = 4 + 3. Durch die MRT wurden 5 der signifikanten PCa auf Patientenebene nicht detektiert. 17 der signifikanten Tumoren wurden durch die Fusionsbiopsiezylinder verfehlt. Schlussfolgerungen. Bei unauffälliger MRT (PIRADS < 3) besteht ein Risiko von 11 %, signifikante PCa zu übersehen. Bei tumorsuspekter MRT bietet die Kombination beider Biopsiemethoden die höchste Detektionsrate und das genaueste lokale Staging. Schlüsselwörter Bildfusion · Magnetresonanztomographie, multiparametrische · Prostatabiopsie · Prostatakarzinom · Rebiopsie Multiparametric MRI and MRI-TRUS fusion biopsy in patients with prior negative prostate biopsy Abstract Background. Multiparametric MRI (mpMRI) plays an increasingly important role in prostate cancer (PCa) diagnostics and is recommended in men with previously negative TRUS biopsy. The optimal biopsy method after mpMRI is under discussion. Objective. Prospective, PIRADS- and STARTconform analysis of the relevance of mpMRI and MRI-TRUS fusion biopsy in patients with prior negative TRUS biopsy and comparison of the detection rates of fusion-targeted biopsies (tB) and systematic transperineal saturation biopsies (sB). Materials and methods. Between 10/2012 and 09/2015, 287 patients with prior negative TRUS biopsy underwent mpMRI and software- fehlungen der „International Society of Urogenital Pathology“ (ISUP 2005, [9]). Datenanalyse Alle Patientendaten wurden prospektiv in einer START-konformen Datenbank gesammelt und deskriptiv ausgewertet (. Tab. 2; [21]). Ein signifikantes PCa wurde definiert als PCa mit einem Gleason-Score (GS) ≥ 3 + 4 oder ein PCa mit GS = 3 + 3 und gleichzeitigem PSA assisted, rigid MRI-TRUS fusion biopsy. In addition to and strictly separated from sB (median cores n = 24), tB (median cores per patient n = 4, per lesion n = 3) were performed in case of suspicious MRI lesions (PIRADS ≥ 2). Both biopsy methods were compared by using McNemar’s test. Results. Of the 287 patients, 148 (52 %) had positive biopsies. Of these, 108/287 (38 %) had significant PCa (Gleason Score [GS] = 3 + 3 and PSA ≥ 10 ng/ml or GS ≥ 3 + 4) and again 43/287 (15 %) had a GS ≥ 4 + 3 PCa. sB failed to diagnose 8/148 PCa (5.4 %) and 6/108 significant PCa (5.5 %), whereas tB failed to diagnose 48 (32.4 %) PCa (p < 0.0001) and 22 (20.4 %) significant PCa (p = 0.0046). Of the ≥ 10 ng/ml [20]. Die Detektionsraten von sB, gB sowie der Kombination aus sB und gB wurden mittels McNemar-Test verglichen. Für die Differenz der Detektionsraten wurde ein 95 %-Konfidenzintervall für gepaarte Stichproben nach Tango berechnet [30]. Alle statistischen Tests wurden zweiseitig mit einem Signifikanzlevel von 5 % durchgeführt. Prädiktoren für ein signifikantes Prostatakarzinom wurden untersucht, indem Odds Ratios, Sensitivität, Spezifität, positive und negati- PCa missed by tB, 11 had a GS ≥ 3 + 4 and 5 of these a GS = 4 + 3. On a per patient basis, MRI failed to detect 5 significant PCa, whereby 17 of the significant PCa were missed by fusiontargeted cores alone. Conclusions. In men with unsuspicious MRI (PIRADS < 3), there is a 11 % risk of significant PCa. In case of suspicious MRI lesions, the combination of both biopsy approaches offers maximum tumor detection. Keywords Image fusion · Multiparametic magnetic resonance imaging · Prostate biopsy · Protstate cancer · Re-biopsy ve prädiktive Werte für PSA, DRU und PIRADS-Scores berechnet wurden. Die Auswertung erfolgte mittels IBM SPSS Statistics 22 (IBM, Armonk, USA) und R Version 3.2.2 (R Foundation for Statistical Computing, Vienna, Austria). Ergebnisse Zwischen 10/2012 und 09/2015 erhielten 287 Patienten mit negativer Primärbiopsie eine softwareassistierte transperineale Der Urologe 8 · 2016 1073 Originalien Tab. 2 Studienpopulation Männer, die analysiert wurden (n) 287 Medianes Alter in Jahren (IQR) 66,0 (60,0–72,0) Medianes Präbiopsie-PSA-Level (IQR; ng/ml) 9,7 (7,0–13,9) Tastsuspizium in der DRU (≥ T2), (n [%]) 51 (17,8) Medianes Prostatavolumen (IQR), (ml) 52,0 (35,9–75,2) Mediane Anzahl an Vorbiopsien (IQR) 1,0 (1,0–2,0) Männer mit einer negative Vorbiopsien (n) 168 Männer mit zwei negativen Vorbiopsien (n) 80 Männer mit mehr als zwei negativen Vorbiopsien (n) 39 Mediane Anzahl an Stanzen in der Vorbiopsie (IQR) 12 (10–23) Männer mit PIRADS 2–5 Läsion in der mpMRT, (n [%]) 234 (81,5) Anzahl an PIRADS 2–5 Läsion 307 Mediane Anzahl an PIRADS 2–5 Läsionen pro Patient (IQR) 1,0 (1,0–1,0) PIRADS 2, n (% aller PIRADS 2–5 Läsionen) 50 (16,3) PIRADS 3, n (% aller PIRADS 2–5 Läsionen) 112 (36,5) PIRADS 4, n (% aller PIRADS 2–5 Läsionen) 75 (24,4) PIRADS 5, n (% aller PIRADS 2–5 Läsionen) 70 (22,8) Biopsien pro Patient, Median (IQR) 28 (25–30) Systematische Biopsien pro Patient, Median (IQR) 24 (23–26) Gezielte Biopsien pro Patient und pro Läsion, Median (IQR) 4 (2–5), 3 (2–4) Gesamte Detektionsrate an Prostatakarzinomen, (n [%]) 148 (51,6) Männer mit signifikantem Prostatakarzinom (Gleason-Score ≥ 7 oder Gleason-Score 6 + P SA ≥ 10 ng/ml), n (% aller Tumoren) 108 (73,0) Prostatakarzinom nur in der systematischen Biopsie (n) 48 Signifikantes Prostatakarzinom nur in der systematischen Biopsie (n) 22 Prostatakarzinom nur in der gezielten Biopsie (n) 8 Signifikantes Prostatakarzinom nur in der gezielten Biopsie (n) 6 Gleason-Score 6 (3 +3), n, (% aller Tumoren) 61 (41,2) Nur in systematischen Biopsien (n = 38), nur in gezielten Biopsien (n = 6) Gleason-Score 7 (3 + 4), n, (% aller Tumoren) 44 (29,7) Nur in systematischen Biopsien (n = 5), nur in gezielten Biopsien (n = 1) Gleason-Score 7 (4 + 3), n, (% aller Tumoren) 30 (20,3) Nur in systematischen Biopsien (n = 5), nur in gezielten Biopsien (n = 1) Gleason-Score 8 (4 + 4), n, (% aller Tumoren) 6 (4,1) Nur in systematischen Biopsien (n = 0), nur in gezielten Biopsien (n = 0) Gleason-Score 9 (4 + 5 oder 5 + 4), n, (% aller Tumoren) 7 (4,7) Nur in systematischen Biopsien (n = 0), nur in gezielten Biopsien (n = 0) Gleason-Score 10 (5 + 5), n, (% aller Tumoren) 0 (0) Nur in systematischen Biopsien (n = 0), nur in gezielten Biopsien (n = 0) Prozentsatz systematischer Stanzen mit klinisch signifikantem Prostatakarzinom 6,7 (468/6986) Prozentsatz gezielter Stanzen mit klinisch signifikantem Prostatakarzinom 21,1 (221/1049) Mittlere Anzahl an systematischen Stanzen für die Diagnose eines signifikanten Prostatakarzinoms 14,93 Mittlere Anzahl an gezielten Stanzen für die Diagnose eines signifikanten Prostatakarzinoms 4,75 mpMRT multiparametrische Magnetresonanztomographie, PSA prostataspezifisches Antigen, DRU digital rektale Untersuchung, PIRADS „prostate imaging-reporting and data system“, IQR Interquartilabstand, n Anzahl 1074 Der Urologe 8 · 2016 Fusionsbiopsie. Das mediane Patientenalter lag bei 66 Jahren, das mediane Serum-PSA bei 9,7 ng/ml und das mediane Prostatavolumen bei 52 ml. 51 Patienten hatten eine auffällige DRU. Im Median erfolgte die Entnahme von 28 Biopsien (24 sB, 4 gB). Insgesamt 148 Patienten (52 %) hatten ein PCa und 108 (73 %) von diesen ein signifikantes PCa. 43 Patienten (40 %) davon hatten aggressive Tumoren mit einem GS ≥ 4 + 3. Neben 53 unauffälligen mpMRT-Untersuchungen wiesen 234 Patienten mindestens eine Läsion in der mpMRT auf. Die Verteilung auf die PIRADS-Scores 2–5 lag dabei bei 16,3 %, 36,5 %, 24,4 % bzw. 22,8 % (. Tab. 2). Mittels sB wurden 6 (5,5 %) der 108 signifikanten PCa und insgesamt 8 (5,4 %) PCa nicht detektiert. Alleinige MRT-gezielte Biopsien dagegen übersahen insgesamt 48 (32,4 %) aller und 22 (20,4 %) der signifikanten Tumoren (. Abb. 2). Die Detektionsraten der beiden Biopsiemethoden unterschieden sich signifikant für alle Tumoren (p < 0,0001) und für signifikante Tumoren (p = 0,0046). Daraus kann gefolgert werden, dass alleinige gB dem Referenzstandard der transperinealen Sättigungsbiopsie unterlegen sind (. Tab. 3). Von den 22 signifikanten Tumoren, die durch die gB nicht diagnostiziert wurden, hatten 11 einen GS = 3 + 3 mit jeweils 2-mal einer unauffälligen MRT, 3-mal einem PIRADS = 2, 4-mal einem PIRADS = 3 und 2-mal einem PIRADS = 4 Befund, 6 einen GS = 3 + 4 mit jeweils 3-mal einer unauffälligen MRT und 3-mal einem PIRADS = 3 Befund und 5 ein GS = 4 + 3 PCa mit 4-mal einem PIRADS = 3 und einmal einem PIRADS = 5 Befund. Somit wurden in 5 dieser Fälle keine gB durchgeführt, da die MRT keine suspekte Läsion zeigte. Wären nur Männer mit PIRADS ≥ 3 Läsionen biopsiert worden, hätte die MRT 10 signifikante Tumoren übersehen. Dies entspricht einer negativen prädiktiven Wahrscheinlichkeit für signifikante Tumoren von 89 % für PIRADS < 3. 48 (77 %) der Patienten mit PIRADS = 5 Läsion hatten ein signifikantes PCa. Bezogen auf die einzelnen PIRADS-Werte steigt die Detektionsrate der gB sowohl für alle als auch für signifikante PCa an (. Tab. 4). Abb. 2 9 Tumor, der durch alleinige Fusionsbiopsiezylinder verfehlt wurde Als Prädiktor für ein signifikantes PCa zeigt die mpMRT (PIRADS ≥ 4) verglichen mit PSA-Wert und DRU die höchste Sensitivität bei gleichzeitig hoher Spezifität (. Tab. 5). Diskussion 52 % der hier untersuchten Patienten hatten trotz vorrausgegangener negativer TRUS-Biopsie ein PCa, 38 % sogar ein signifikantes PCa entsprechend NCCNKriterien [20]. Diese Detektionsraten stimmen mit denen anderer Gruppen zu MRT-gezielten Rebiopsien [29, 32] überein und verdeutlichen die Notwendigkeit einer verbesserten Diagnostik verglichen mit der klassischen 12fachTRUS-gestützten Wiederholungsbiopsie. Um die diagnostische Wertigkeit und Sicherheit der mpMRT, sowie die optimale Biopsiemethode nach erfolgter mpMRT beurteilen zu können, müssen neben der Kenntnis der eigenen Ergebnisse mehrere Aspekte diskutiert werden. Eine Fragstellung thematisiert dabei die Genauigkeit der mpMRT. Die negativen bzw. positiven prädiktiven Werte der mpMRT für das Vorliegen eines signifikantenPCa liegeninderLiteraturbei 63–98 % bzw. 34–68 % [10]. Analog dazu stellt die mpMRT in der hier untersuchten Kohorte primär negativ biopsierter Männer verglichen mit den klinischen Standardparametern PSA und DRU den besten positiven Prädiktor für das Vorliegen eines signifikanten PCa dar. Die NICE-Leitlinien empfehlen sogar bei unauffälliger mpMRT nach primär negati- ver Biopsie auf eine Rebiopsie zu verzichten [11]. Wäre in unserem Kollektiv mit mpMRT am Deutschen Krebsforschungszentrum im Falle einer komplett unauffälligen mpMRT auf eine Biopsie verzichtet worden, hätten insgesamt 53 (18 %) der Biopsien vermieden werden können. Gleichzeitig wären 5 signifikante Tumoren übersehen worden. Das Risiko bei unauffälliger mpMRT ein signifikantes PCa zu übersehen liegt damit bei 9 % (5/53). Für Männer mit PIRADS < 3 Befund liegt es entsprechend bei 11 % (10/91). Ob dieses Risiko zugunsten des Verzichtes auf einen weiteren invasiven Eingriff getragen werden kann, sollte im individuellen Fall mit dem Patienten diskutiert werden. Die Präzision der gB ist eine weitere entscheidende Fragestellung. In der untersuchten Kohorte wurden 17 signifikante Tumoren durch alleinige gB mit einem Median von 3 Zylindern pro Läsion verfehlt. Dieser Wert liegt über den von Delongchamps [6], Baco [2] und Panebianco et al. [22] publizierten Fehlerraten, erscheint aber im Hinblick auf die Daten von Pokorny [23], Siddiqui [28], Sonn [29] und Arsov et al. [1] plausibel. In der bisher wichtigsten Arbeit zur Fusionsbiopsie, konnten die Kollegen um Peter Pinto die Überlegenheit der gB gegenüber der klassischen 12fachTRUS-gesteuerten Standardbiopsie zur Detektion signifikanter PCa an einer Kohorte von 1003 Patienten zeigen [28]. Im Vergleich zur konventionellen Standardbiopsie als Vergleichsarm zeigt die in der vorliegenden Arbeit angewandte Referenz der 24fachen Saturationsbiopsie jedoch eine deutlich höhere Detekti- onsrate. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sowohl sB als auch insbesondere gB signifikante PCa übersehen und die Kombination beider Methoden eine signifikante Überlegenheit besitzt. Dies entspricht den Publikationen von Le und Radtke et al. [16, 25]. Allerdings muss angemerkt werden, dass in der Subgruppe der primär 12fach-TRUSgesteuert negativ biopsierten Patienten in der Arbeit von Radtke et al., keine signifikanten PCa durch die gB übersehen worden waren [25]. Im Unterschied hierzu beschreibt die vorliegende Kohorte ein wesentlich größeres prospektives Studienkollektiv. Warum letztendlich durch gB 17 signifikante Tumoren verfehlt wurden kann, mehrere Gründe haben. Bei der Verwendung rigider MRT-TRUSFusionssysteme werden Fehlpunktionen durch nicht vermeidbare Gewebeverschiebungen (Verformung der Prostata durch den Schallkopf, Atemexkursion, Eindringen der Biopsienadel) begünstigt. Weitere Gründe können in der Durchführung der Biopsien durch mehrere Operateure mit unterschiedlicher klinischer Erfahrung liegen. Auch war die Zahl der zu entnehmenden Biopsien pro Läsion zu Beginn der Datenerhebung dem einzelnen Operateur freigestellt, so dass denkbar ist, dass die Detektionsraten der gB durch eine standardisiert größere Anzahl an Biopsien pro Läsion deutlich erhöht werden könnte. Außerdem wurde in der vorliegenden Arbeit nicht explizit untersucht, ob die Lokalisation der Indexläsion durch die radiologische mpMRT-Befundung immer hinreichend korrekt wiedergegeben wurde. Einen weiteren Diskussionspunkt Der Urologe 8 · 2016 1075 Originalien Tab. 3 Vergleich der systematischen und gezielten Biopsien Detektionsraten in % Unterschiede in Prozentpunktena, Schätzwert (95 %-KI) p-Wertb ® Detektionsrate für alle PCa (n = 148) Systematische Biopsie vs. gezielte Biopsie 94,6 vs. 67,6 27,0 (18,0/35,8) <0,0001 Systematische und gezielte Biopsie vs. gezielte Biopsie 100,0 vs. 67,6 32,4 (25,4/40,3) <0,0001 Systematische und gezielte Biopsie vs. systematische Biopsie 100,0 vs. 94,6 5,4 (2,7/10,3) 0,0133 Systematische Biopsie vs. gezielte Biopsie 94,4 vs. 79,6 14,8 (5,6/24,5) 0,0046 Systematische und gezielte Biopsie vs. gezielte Biopsie 100,0 vs. 79,6 20,4 (13,9/28,9) <0,0001 Systematische und gezielte Biopsie vs. systematische Biopsie 100,0 vs. 94,6 5,6 (1,9/11,6) 0,0412 Detektionsrate für signifikante PCa (n = 108) KI Konfidenzintervall, PCa Prostatakarzinom a Basierend auf Tango (1998) b McNemar Test Tab. 4 Detektion in Abhängigkeit des PIRADS-Scores PIRADS PIRADS <2 =2 (n = 53)a (n = 38) a PIRADS =3 (n = 76)a PIRADS =4 (n = 58) a PIRADS =5 (n = 62)a Detektion aller PCa Systematische und gezielte Biopsie 14 10 37 35 52 Systematische Biopsie 14 10 33 33 50 Gezielte Biopsie 0 2 19 30 49 5 5 21 29 48 Detektion signifikanter PCa Systematische und gezielte Biopsie Systematische Biopsie 5 5 19 27 46 Gezielte Biopsie 0 2 11 26 47 PCa Prostatakarzinom, PIRADS „prostate imaging-reporting and data system“, n Anzahl, GS Gleason-Score a Anzahl der Indexläsionen Tab. 5 Prädiktoren für ein signifikantes Prostatakarzinom Odds Ratio Sensitivität Spezifität in % in % 1076 + prädiktiver Wert in % – prädiktiver Wert in % PSA > 10 ng/ml p < 0,001* 5,22 70,4 68,7 57,6 79,4 DRU + p < 0,001* 5,47 33,3 91,6 70,6 69,5 PIRADS ≥ 2 p < 0,001* 7,55 95,4 26,8 44,0 90,6 PIRADS ≥ 3 p < 0,001* 8,1 90,7 45,3 50,0 89,0 PIRADS ≥ 4 p < 0,001* 7,86 71,3 76,0 64,2 81,4 PIRADS ≥ 5 p < 0,001* 9,43 44,4 92,2 77,4 73,3 *Exakter Fisher-Test Der Urologe 8 · 2016 stellt der Zugangsweg der Fusionsbiopsie an sich dar. Verglichen mit anderen Fusionssystemen unterscheidet sich das hier verwendete System (BiopSee , MedCom, Darmstadt) im Wesentlichen durch die transperineale und nicht transrektale Entnahme der Proben. In Anbetracht der bereits oben beschriebene Detektions- und Fehlerraten anderer Arbeitsgruppen [1, 23, 28, 29] gibt es keinen Hinweis darauf, dass durch den Zugangsweg die diagnostische Präzision relevant beeinflusst wird, wobei ein unmittelbarer Vergleich einzelner Systeme bisher aussteht. Bei gleichzeitigem Anstieg multiresistenter Escherichiacoli-Keime der Darmflora und teilweise schweren septischen Komplikationen nach transrektaler Prostatabiopsie [17, 18] scheint der transperineale Zugang mit vernachlässigbaren Sepsisraten [12] und insgesamt guter Verträglichkeit (Wadhwa et al., Manuskript in Druck, Asian Journal of Andrology) unserer Ansicht nach vorteilhaft. Zusammenfassend bietet im Rahmen der Re-Biopsie die Kombination aus sB und gB die höchste Detektionsrate und das genaueste lokale Staging. Die sichere Diagnose von Niedrigrisikotumoren ermöglicht die zuverlässige Implementierung von Active-Surveillance-Regimen [24]. Limitationen dieser Studie ergeben sich durch die im klinischen Alltag übliche fehlende Verblindung von Radiologen und Pathologen. Die verwendete Definition des signifikanten PCa ist ebenfalls diskutabel [34]. Des Weiteren wurde die mpMRT nicht von mindestens zwei radiologischen Oberärzten im Konsens nach dem für die Mammakarzinomdiagnostik üblichen Vieraugenprinzip beurteilt. Die erzielte Sensitivität von 95 % für alle signifikanten PCa ist jedoch auch ohne Konsensbeurteilung sehr gut und vergleichbar mit aktuellen Publikationen [2, 26]. Eine letzte Limitation sind der erhöhte Zeitaufwand und die Kosten der Fusionsbiopsie. Die akkurate Detektion eines signifikanten PCa in einer einzigen Rebiopsiesitzung kann jedoch im Verlauf weitere serielle Biopsien und damit konsekutiv Kosten einsparen. Fazit für die Praxis 4 38 % primär negativ TRUS-biopsierte Männer mit persitierendem Tumorverdacht haben ein signifikantes PCa. 4 Bei unauffälliger MRT (PIRADS < 3) besteht bei Verzicht auf eine Rebiopsie ein Risiko von 11 % ein signifikantes PCa zu übersehen. 4 Alleinige fusionsgezielte Biopsien sind der systematischen transperinealen Sättigungsbiopsie unterlegen. 4 Die Kombination beider Biopsiemethoden bietet die höchste Patientensicherheit. Korrespondenzadresse Dr. med. C. Kesch Urologische Universitätsklinik Heidelberg, Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg, Deutschland [email protected] Danksagung. B.A. Hadaschik erhielt Fördermittel für dieses Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. C. Kesch, J. Radtke, F. Distler, S. Boxler, T. Klein, C. Hüttenbrink, K. Hees, W. Roth, M. Roethke, H.P. Schlemmer, M. Hohenfellner und B.A. Hadaschik geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor. Literatur 1. Arsov C, Rabenalt R, Blondin D et al (2015) Prospective randomized trial comparing magnetic resonance imaging (MRI)-guided in-bore biopsy to MRI-ultrasound fusion and transrectal ultrasoundguided prostate biopsy in patients with prior negative biopsies. Eur Urol 68:713–720 2. 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