Die Bedeutung der Fußchirurgie für den diabetisch

Werbung
Die Bedeutung der Fußchirurgie für den diabetischneuropathischen Fuß
Unter einem diabetischen Fuß versteht man sowohl die Folgen einer peripheren arteriellen
Verschlusskrankheit (PAVK) als auch einer Polyneuropathie (PNP) an der unteren Extremität.
Es handelt sich dabei um grundsätzlich unterschiedliche Krankheitsbilder, die isoliert aber
auch in Kombination vorkommen können. Die Pathogenese der PAVK ist leicht verständlich;
zusammengefasst besteht sie in einer Verminderung der Durchblutung, bedingt durch eine
Stenose oder einem Verschluss einer Arterie, wodurch letztendlich ein Untergang von
Gewebe resultiert. Für die Diagnostik und Therapie sind Radiologie, Angiologie und
Gefäßchirurgie verantwortlich. Standards und Möglichkeiten der Behandlung haben ein
hohes Niveau erreicht. Sofern weitere Entwicklungen erforderlich sind, fallen sie in den
Bereich der angesprochenen Fachgesellschaften.
Die pathogenetischen Zusammenhänge bei der PNP sind komplexer. Dabei lassen sich zwei
Muster unterscheiden, das des peripheren neuropathischen Fußes und das des
Charcotfußes. Beim peripheren neuropathischen Fuß wirken die Schädigung der
Muskelfunktion und die Minderungen der Sensibilität zusammen. Der muskuläre Ausfall
bedingt Zehenfehlstellungen, meist Hammer- bzw. Krallenzehen, mit der Folge eines
erhöhten Knochendrucks an der Zehenspitze, am Grundgliedkopf oder am Metatarsalekopf.
Aufgrund der Sensibilitätsstörung wird der erhöhte Knochendruck bei Belastung nicht als
Schmerz wahrgenommen, wodurch es zu Wunden, Ulzerationen, mit der Gefahr einer
Infektion kommt. Diese Wunden befinden sich im Bereich der Zehen und des Vorfußes,
selten an der Ferse.
Der Charcotfuß kommt seltener vor. Er beginnt mit einem Knochenödem, dem ein Verlust
von Knochengewebe folgt, lokalisiert meist im Bereich des Mittel- und Rückfußes. Über die
Ursachen wird noch diskutiert. Es entstehen Fehlstellungen, die extreme Ausmaße
annehmen können. Auch hier entwickeln sich Stellen mit hohem Knochendruck und
nachfolgenden Ulzerationen, die beim Charcot Fuß im Bereich des Mittel- und Rückfußes
oder des Sprunggelenks liegen. Aus den Wunden beim peripheren neuropathischen Fuß und
beim Charcotfuß können sich schwere Infektionen entwickeln, die eine Amputation
erforderlich machen können.
Seit Jahren sind verschiedene Fachrichtungen bestrebt, die Amputationszahlen zu
vermindern (St. Vincent-Erklärung). Dies ist auch bis zum gewissen Grade gelungen
(Bayerischer Staatsministerium für Gesundheit und Pflege „Diabetes bewegt uns“ 2014)). Es
ist aber erforderlich, die Amputationenszahlen weiter zu vermindern. Darüber hinaus
müssen auch die Behandlungszeiten verkürzt und die Heilungsresultate verbessert, d.h.
Fehlstellungen und Instabilitäten, vermindert werden. Das beinhaltet, auch die Zeiten der
Arbeitsunfähigkeit zu verkürzen und die Anzahl der Frühverrentungen zu verringern.
Die Voraussetzungen für eine qualifizierte Behandlung beim neuropathischen Fuß sind
gegenüber der Durchblutungsstörung wesentlich ungünstiger. Um die notwendigen
Verbesserungen für diese Patientengruppe zu erreichen, ist es erforderlich, verbreitete
falsche Annahmen zu beseitigen und strukturelle Verbesserungen herbeizuführen.
Diabetisch-neuropathischer Fuß | Seite 1 von 3 | 23. Juni 2014
Förderung durch das Bayerische Staatsministerium
für Gesundheit und Pflege
Die älteste falsche Annahme ist, dass der diabetischen Fuß grundsätzlich auf einer
Durchblutungsstörung beruht. Dies sollte eigentlich schon 20 Jahre überwunden sein. Die
genaue Verteilung von PAVK und PNP ist nicht bekannt. Wahrscheinlich nehmen die Folgen
einer PNP aber mehr als die Hälfte der Fälle ein. Aus der Fehlannahme folgt häufig, dass
Fußprobleme, die nicht mit einer Perfusionsverbesserung zu behandeln sind, nicht
sachgerecht therapiert, sondern häufig unberechtigterweise amputiert werden.
Noch weiter verbreitet ist die Überzeugung, dass die Behandlung der Folgen des
neuropathischen Fußes nur von Diabetologen, Podologen oder „Wundtherapeuten“ zu
erfolgen habe. Die Fußchirurgie fehlt in den Behandlungskonzepten. Daraus folgt, dass die
Möglichkeiten der konservativen und operativen Behandlung ungenutzt bleiben.
Ein heikler Aspekt sind die hygienischen Probleme, die mit den chronischen Wunden
verbunden sind. Die Richtlinien zur Infektionsvermeidung sind zweifelsohne einzuhalten.
Das darf aber nicht dazu führen, dass Ärzte und Krankenhäuser sich der Behandlung von
Patienten mit Problemwunden entziehen, um sich den Anforderungen der Hygiene zu
entziehen.
Schließlich wird zu wenig bedacht, dass eine Polyneuropathie nicht nur im Zusammenhang
mit einem Diabetes mellitus, sondern auch aufgrund von anderen Ursachen vorkommt. Nach
unserer Erfahrung trifft das etwa auf ein Viertel der Neuropathiepatienten zu. Diese
Patienten müssen sehr häufig besonders lange auf die richtige Diagnose und auf die
korrekte Therapie warten. Entsprechend sind die Schädigungen am Fuß weiter
fortgeschritten, wenn die Diagnose schließlich gestellt wird. Ein zusätzliches Ärgernis ergibt
sich regelmäßig, weil von den Kostenträgern die Hilfsmittel, die den Patienten mit
diabetischer PNP zustehen, denen mit nicht-diabetischer PNP verweigert werden. Die relativ
häufigen Amputationen in dieser Patientengruppe erscheinen in keiner Statistik.
Welche Konsequenzen sind zu ziehen?
Patienten mit Neuropathie sollten regelmäßig von erfahrenen Ärzten, in erster Linie von
Diabetologen mit zertifizierten Fußambulanzen, auf wesentliche Veränderungen an den
Füßen hin untersucht werden. Dann können frühzeitig die notwendigen therapeutischen
Schritte eingeleitet werden. Die Fußchirurgie muss in die Behandlung des neuropathischen
Fußes eingebunden werden. Nahezu alle konservativen Fächer haben ein chirurgisches
Pendent, z.B. Neurologie und Neurochirurgie, Kardiologie und Herzchirurgie. So gehört die
Fußchirurgie in das Gesamtkonzept der Behandlung des neuropathischen Fußes, wie das
übrigens in den USA seit langem der Fall ist. Es müssen nicht nur die konservativen
Mediziner die Möglichkeiten zu operativen Korrekturen kennen und anerkennen, sondern
auch die Fußchirurgen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst werden. Das beginnt mit
der Diagnostik. Viele unnötige und damit zeitverschwendende Untersuchungen könnten
durch Fußchirurgen vermieden werden, die in der Thematik zu Hause sind.
Die konservative Behandlung durch orthopädische Schuhe und Orthopädietechnik bedarf
hinsichtlich Indikation, Ausmaß und Dauer der Anwendung der fußchirurgischen Expertise.
In der operativen Therapie steht ein breites Spektrum von wirksamen Techniken an Sehnen,
Knochen und Gelenken zur Verfügung. Für alle chirurgischen Maßnahmen bestehen
definierte Indikationen, die von dem Ausmaß der Problematik, aber auch von der
Lokalisation der Veränderungen und dem Allgemeinzustand abhängen.
Diabetisch-neuropathischer Fuß | Seite 2 von 3 | 23. Juni 2014
Förderung durch das Bayerische Staatsministerium
für Gesundheit und Pflege
Für fortgeschrittene Stadien, wie schwere Infekte und ausgedehnte Fehlstellungen, müssen
Spezialisten mit entsprechenden Abteilungen zur Verfügung stehen. Erforderlich ist eine
eingespielte Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen v.a. mit der Diabetologie, den
orthopädischen Schuhmachern, Orthopädietechnikern. Zusammenarbeit
heißt die
gegenseitige Ergänzung, um die Gesamtheit den Anforderungen an eine zeitgemäße
Versorgung zu genügen. Sie bedeutet auch regelmäßigen Erfahrungsaustausch z.B. in
Qualitätszirkeln.
Spezialabteilungen
müssen
die
Behandlungsmöglichkeit
von
den
häufigen
Begleiterkrankungen z.B. auf dem Gebiet der Kardiologie, Nephrologie, Angiologie aber auch
die Intensivmedizin gewährleisten. Grob geschätzt sollte für 4 -5 Millionen Einwohnern eine
Spezialabteilung zur Verfügung stehen.
Bezüglich der Dokumentation sollte vorgeschrieben sein, konsequent zwischen einem
neuropathischen und einem angiopathischen Fuß zu unterscheiden. Die die bislang
praktizierte unspezifische Bezeichnung „diabetischer Fuß“ ist zu vermeiden. Nur bei Kenntnis
der Häufigkeiten von PNP und PAVK ist die notwendige Spezialisierung zu planen.
Prof. Dr. Sigurd Kessler
Schön-Klinik Harlaching
Diabetisch-neuropathischer Fuß | Seite 3 von 3 | 23. Juni 2014
Förderung durch das Bayerische Staatsministerium
für Gesundheit und Pflege
Herunterladen