Referat - Öffentliches Personal Schweiz

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Sinn und Unsinn von
Überwachung und Kontrolle in
Arbeitsorganisationen
Zentralverband Staats- und Gemeindepersonal Schweiz
Fachtagung Brunnen, 9./10.11.2006
FHNW
Fachhochschule Nordwestschweiz
Hochschule für Angewandte Psychologie
+41 (0) 848 821 011
[email protected]
www.fhnw.ch/ap
Prof. Dr. Toni Wäfler
Hochschule für Angewandte
Psychologie, FHNW
Inhalt
 Angewandte Psychologie an der FHNW
 Kontrolle: Begriffsbestimmung
 Kontrolle: Wirkungen allgemein
- Attribution
- Reaktanz
- Kognitive Dissonanz
 Kontrolle und Arbeit
- Menschenbild und Führung
- Motivation
 Zusammenfassung und Empfehlungen
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FH Nordwestschweiz, Olten
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Angewandte Psychologie an der FHNW
 Studiengang: Mensch und Arbeit
- Vertiefungsrichtungen:
• Leistungsmotivation und Systemzuverlässigkeit
• Gesundheit
• Kooperation und neue Medien
- Ausbildung mit hohem Anwendungsbezug
 Erweiterter Leistungsauftrag
- F&E, Weiterbildung, Dienstleistung
- Institute:
• Institut Mensch in komplexen Systemen (MikS)
• Institut für Kooperationsforschung und -entwicklung (IfK)
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Kontrolle: Instrumente
 Wer kontrolliert?
- Fremd- versus Selbstkontrolle
- Kontrolle durch über-/gleich-/unterstellte Person
 Was wird kontrolliert?
- Handlungsausführung
- Handlungsergebnis
- Allgemeines Verhalten
 Wie wird kontrolliert?
- Direkt versus vermittelt über technische und
-
organisatorische Systeme
Vollständig versus Stichproben
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Technische Kontrolle: Definition
 Konformität des Handelns ...
 .... mit bestehenden Handlungsanforderungen


und dahinter stehenden Erwartungen, Normen,
Zielen ...
... durch technische Mittel ...
... erreichen, sichern oder wiederherstellen.
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Technische Kontrolle: Häufigkeit
 Soziale Kontrolle: (American Management Association, 2001)
- 78% der befragten Firmen führen elektronische
-
Überwachungen durch;
62% überwachen die Internet-Nutzung
54% überwachen e-mail-Verkehr
 Handlungskontrolle
- Handlungs- und Entscheidungsunterstützung
- Workflow
- Automatisierungen
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Technische Kontrolle: Auswirkungen
 Elektronisch überwachte Mitarbeitende zeigen häufiger
Beanspruchungssymptome wie Kopfschmerzen, Erschöpfung und
Ängstlichkeit. (ILO, 1993)
 Elektronische Überwachung von Dateneingabetätigkeiten steigert
die Geschwindigkeit und die Fehler. (ILO, 1993)
 Vorgesetzte verwenden mehr elektronische Überwachung und
eher heimlich, wenn sie von ihren Mitarbeitern sehr abhängig sind
und kein Vertrauen in deren Leistung haben. (Alge et al., 2004)
 Mitarbeitende akzeptieren elektronische Anwesenheitsüberprüfungen in verteilten Arbeitssituationen, wenn ihre
Privatsphäre geschützt wird und sie die Nutzung als fair erleben.
(Zweig & Webster, 2002)
 Cyberloafing kommt häufiger vor, wenn Mitarbeitende sich in ihrer
Organisation nicht gerecht behandelt fühlen. (Lim, 2002)
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Formen sozialer Kontrolle
 Externe Kontrolle
- Persönliche Kontrolle, z.B. durch Vorgesetzte
- Unpersönliche Kontrolle durch technische und
organisatorische Massnahmen
 Innere Kontrolle durch verinnerlichte Normen
und Regeln
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Attribution
 Wie Menschen sich die Gründe für ihr eigenes

Verhalten und das Verhalten anderer erklären
Zusammenfügen von Informationsbruchstücken
- Sinnvoller Erklärungen
- Einsichten über Kausalzusammenhängen
 Internale Attribution: Kontrollierbar
- Gründe für ein Verhalten liegen in der Person
(Einstellung, Charakter, Persönlichkeit, etc.)
 Externale Attribution: Nicht kontrollierbar
- Gründe für ein Verhalten liegen ausserhalb der
Person (Situation, Umwelt, etc.)
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Attribution: Dimensionen
Kontrollierbarkeit
Stabilität
kontrollierbar
stabil
instabil
nicht kontrollierbar
Fähigkeit
Schwierigkeit
Anstrengung
Glück / Pech
Zufall
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Attribution: Besonderheiten
 Selbstwertschützende Attribution
- Erfolg: Internal-stabile Attribution
- Misserfolg: External-instabil Attribution
 Selbst- vs. Fremdattribution
- Fremdattribution: Tendentiell internal
- Selbstattribution: Tendentiell external
 Fundamentaler Attributionsfehler
- Tendenz, das Verhalten anderer Menschen
ausschliesslich anhand von Persönlichkeitsmerkmalen zu erklären und dabei die Macht des
sozialen Einflusses zu unterschätzen.
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Attribution und Kontrolle
 Kontrolle beeinflusst die Attribution und damit
das Handeln
- Kontrolle begünstigt externale Selbstattribution
- Externale Selbstattribution führt eher zu Passivität
und Verantwortungsablehnung
 Fundamentaler Attributionsfehler verleitet zu
stärkerer Kontrolle
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Reaktanz
 Reaktanz: unangenehmer Zustand
 Die wahrgenommenen Bedrohung von Freiheit


(zu denken oder zu handeln wie man will)
verursacht Reaktanz
Reaktanz kann gemindert werden, indem die
bedrohte Handlung ausgeführt wird
Reaktanz und Kontrolle
- Kontrolle fördert Reaktanz
- Kontrolle kann sich kontraproduktiv auswirken
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Kognitive Dissonanz
 Gefühl des Unbehagens
-
Hervorgerufen durch eine Handlung,
.... die dem (üblicherweise positiven) Selbstbild widerspricht,
… für die keine externe Rechtfertigung (Attribution) besteht,
… die damit das Selbstbild bedroht
 Mensch ist motiviert, kognitive Dissonanz zu
reduzieren, durch …
-
Veränderung des Verhaltens
Rationalisierungen:
• Uminterpretation dissonanter Kognitionen
• Hinzufügen konsonanter Kognitionen
 Ziel: Erhalt der Selbstachtung
• Nicht rational
• Sondern rationalisierend
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Kognitive Dissonanz und ...
 Anstrengung
- Je härter man für etwas arbeitet, desto grösser wird
die Zuneigung dazu
 Rechtfertigung
- Je mehr externe Rechtfertigung für ein Verhalten,
desto geringer die Dissonanz
 Bestrafung
- Je höher die Bestrafung, desto geringer die
Dissonanz bzgl. des bestraften Verhaltens (hohe
Strafen schaffen externe Rechtfertigungen)
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Kognitive Dissonanz und Kontrolle
 Kontrolle schafft externale Rechtfertigungen


(d.h. externale Attributionsmöglichkeiten)
Es entsteht weniger kognitive Dissonanz
Eine Übereinstimmung von Handlungen und
Einstellungen wird damit nicht gefördert
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(McGregor, 1970)
Menschenbild und Führung: Theorie X
 der Mensch ...
-
hat eine angeborene Abneigung gegen Arbeit
versucht der Arbeit aus dem Weg zu gehen (ist arbeitsscheu)
hat wenig Ehrgeiz
will an die Hand genommen werden
drückt sich vor Verantwortung
will vor allem Sicherheit
 der Führende muss den MA ...
-
zum Arbeiten zwingen und mit Nachdruck Leistung fordern
bei der Arbeit führen, lenken und kontrollieren
mit Sanktionen drohen
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(McGregor, 1970)
Der Teufelskreis der Theorie X
bestätigt
Theorie X
Verantwortungsscheu,
keine Initiative
führt zu
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daraus
folgt
strenge Vorschriften
und Kontrolle
passivem
Arbeitsverhalten
führt zu
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(McGregor, 1970)
Menschenbild und Führung: Theorie Y
 der Mensch ...

- hat ein natürliches Bedürfnis nach Leistungverfügt über ungenutzte
Potentiale
- ist fähig zur Selbstdisziplin und Selbstkontrolle, je nach Engagement
- strebt nach nach Selbstschätzung und nach Anerkennung
- will seine Fähigkeiten nutzen
- will etwas dazulernen
- möchte Verantwortung übernehmen
der Führende muss ...
- den MA helfen, Ziele realistisch zu formulieren und konsequent zu
verfolgen
- organisationale und persönliche Ziele beachten
- ein Klima des Vertrauens schaffen
- MA an Entscheidungen beteiligen
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(McGregor, 1970)
Die verstärkende Wirkung
der Theorie Y
Theorie Y
verstärkt
Initiative und
Verantwortungsbereitschaft
führt zu
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Engagement für
die Arbeit
daraus
folgt
Handlungsspielraum,
Selbstkontrolle
ermöglicht
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Menschenbild
 Das Bild, das man sich macht
- von anderen Menschen
- von sich selbst
 Muss nicht wahr sein
 Ist aber immer wirklich
- d.h., es bestimmt das eigene Verhalten
 Hat eine starke Tendenz, sich selbst zu
bestätigen
- „Der erste Eindruck täuscht nicht.“
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Motivation
 Motivation ist die Mobilisierung des Leistungswillens.
 Motivation entsteht aus dem Zusammenspiel von
Motiven des Menschen und den wahrgenommenen
Anregern der Situation.
Person
Motiv
z.B. Antrieb, Bedürfnis
Trieb
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Situation
X
Anreger
z.B. Aufgabe,
Geld, Karriere
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(Maslow, 1954)
Motivationspyramide
Selbstverwirklichung
Wachstums-Motive
Ich-Motive (Anerkennung,
Status, Prestige, Achtung)
Soziale Motive (Kontakt, Liebe,
Zugehörigkeit)
Sicherheitsmotive (Schutz, Vorsorge, Angstfreiheit)
Defizit-Motive
Physiologische Bedürfnisse (Hunger, Durst, Atmung, Schlafen)
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(Herzberg et al., 1959)
Zwei-Faktoren Theorie
 Motivatoren
-
Tätigkeit selbst
Möglichkeit etwas zu leisten
Möglichkeit sich weiterzuentwickeln
Verantwortung bei der Arbeit
Aufstiegsmöglichkeiten
Anerkennung
Motivieren
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 Hygienefaktoren
-
Arbeitsbedingungen
Beziehung zu den Arbeitskollegen
& Vorgesetzten
Firmenpolitik und Administration
Entlöhnung und Sozialleistungen
Sicherheit des Arbeitsplatzes
Motivieren nicht
Demotivieren,
wenn nicht erfüllt
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(Herzberg et al., 1959)
Zwei-Faktoren Theorie
 Motivatoren
-
s
i
s
n
i
r
t
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ch
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c
is
 Hygienefaktoren
Tätigkeit selbst
Möglichkeit etwas zu leisten
Möglichkeit sich weiterzuentwickeln
Verantwortung bei der Arbeit
Aufstiegsmöglichkeiten
Anerkennung
-
Arbeitsbedingungen
Beziehung zu den Arbeitskollegen
& Vorgesetzten
Firmenpolitik und Administration
Entlöhnung und Sozialleistungen
Sicherheit des Arbeitsplatzes
s
n
ri
t
x
e
je geringer die intrinsische
Motivieren
Motivieren nicht
MotivationDemotivieren,
wennnötig
nicht erfüllt
desto mehr Kontrolle
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(Ulich, 2001)
Vollständige Aufgabe
 Ziele selbständig setzen.
 Handlungen selbständig vorbereiten
(Planungsfunktion).
 Mittel und erforderliche Interaktionen
selbständig auswählen.
 Handlung selbständig ausführen
(inkl. Fortschrittsfeedback).
 Ergebnisse der eigenen Handlungen
selbständig prüfen (d.h. Resultatfeedback).
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Kontrolle und intrinsische Motivation
 Die Aufgabenerfüllung selbst wirkt hinreichend
motivierend, dass keine externe (persönliche
oder unpersönliche) Kontrolle nötig ist, um
Zielerreichung sicherzustellen.
 aber:
„Blindes Vertrauen“ möglich?
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Auswirkungen externer Kontrolle
 Negativ: Ausdruck von Misstrauen; Reduktion

!
innerer Kontrolle
Positiv: Unterstützung bei der Zeilerreichung,
wenn Kontrolle als konstruktive Rückmeldung
genutzt werden kann.
Voraussetzung: Handlungskontrolle im Sinne
von angemessenen Einflussmöglichkeiten des
Kontrollierten.
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Gestaltungsempfehlungen
 Je höher das Qualifikations- und Erfahrungsniveau,
desto weniger externe Kontrolle und nur auf
Handlungsergebnis bezogen.
 Je komplexer die Arbeitsaufgabe, desto mehr externe
Kontrolle auch auf Handlungsausführung bezogen als
Unterstützung nötig.
 Je weniger vorhersehbar und je innovativer der
Arbeitsprozess, desto stärker innere Kontrolle fördern.
 Nur so viel externe Kontrolle, wie zur angemessenen
Unterstützung des Arbeitsprozesses nötig.
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Besten Dank für
Ihre Aufmerksamkeit
[email protected]
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