ABWASSER Verfahrenstechnik Susanne HEITHOFF; Sandra MANSKE; Prof. Dr.-Ing. Norbert RÄBIGER Passiert das Abwasser-Schlamm-Gemisch die Prallplatte und gelangt in die Reaktionszone, erfolgt hier die Ausbildung der zweiten Schlaufe nach dem Prinzip des Air-LiftReaktors. Das Wasser zirkuliert in diesen zwei Zonen aufgrund der Schlaufenströmungen im Reaktor und wird gleichzeitig über das gesamte Reaktorvolumen durch die Ausbildung der dritten Schlaufe immer wieder intensiv vermischt. Die dabei auftretenden großen Scherkräfte – vor allem an der Düse und in der unteren Strahlzone – sorgen für die Bildung kleinster Bakterienflocken und Gasblasen. Es entstehen so große Reaktionsoberflächen, die den Stoffaustausch intensivieren und eine effiziente Reinigungsleistung ermöglichen. Die Pilotanlage im Technikumsmaßstab ist modular aufgebaut. Sie besteht aus dem SZR als biologische Stufe und aus einer Ultrafiltrationsmembraneinheit, die für den Rückhalt der Biomasse sorgt. Die Kenndaten (Durchschnittswerte) der Technikumsanlage sind in Tabelle 1 dargestellt. Ressourceneffiziente Aufbereitung von Rottewasser Uni Bremen: Entwicklung eines Verfahrenskonzeptes zur Abwasserreinigung in Direkteinleiterqualität. D ie mechanisch-biologische Aufbereitung von Hausmüll bringt ein Abwasser hervor, das – aufgrund der vielschichtigen Zusammensetzung von Hausmüll – mit organischen Verbindungen, Schwermetallen und Stickstoffverbindungen hoch belastet ist. Bisher wird das Rottewasser in Sammeltanks gelagert, bevor es meist externe Anbieter auf „Indirekteinleiterqualität“ chemisch-physikalisch aufreinigen. Diese Entsorgung des Abwassers ist wegen der hohen organischen und anorganischen Belastung, der wechselnden Inhaltsstoffe und dem damit verbundenen hohen Bedarf an Chemikalien, sehr teuer. Das Ziel dieses Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines Verfahrenskonzepts, bei dem durch eine nachhaltige Behandlung das Abwasser auf Direkteinleiterqualität eingestellt werden kann. Es wird eine neue Verfahrensvariante angestrebt, in der zunächst eine biologische Vorreinigung die organischen und stickstoffhaltigen Komponenten aus dem Abwasser weitestgehend entfernt. In der nächsten Stufe, der chemisch-physikalischen Fällung, werden so Fällmittel und das bei diesem Prozess entstehende hoch belastete Schlammvolumen reduziert. Die biologische Vorreinigung des Wassers, erfolgt mittels eines Strahl-Zonen-Schlaufenreaktors (SZR) im Technikum des Instituts für Umweltverfahrenstechnik (IUV) der Universität Bremen. Aufgrund seiner Bauweise findet der Hochleistungsbioreaktor seine Hauptanwendungen in der Reduzierung von hohen CSB-Frachten und der Nitrifikation. Für stark belastetes Abwasser industrieller Herkunft ist die erfolgreiche Anwendung in der Vergangenheit hinreichend nachgewiesen worden. Nun wird erstmalig seine Eignung zum Stickstoffabbau durch vollständige Nitrifikation/ Denitrifikation untersucht. Dies soll durch eine der Aufgabenstellung angepasste Reaktionsführung ermöglicht werden. Zusätzlich wird der Abbau adsorbierbarer organischer Halogenverbindungen (AOX) und die Reduzierung von Schwermetallen, exemplarisch Zn, Cu, Ni und Pb, betrachtet. Das biologisch 22 Das Abwasser Das hier aufzureinigende Rottewasser ist mit einem pH-Wert von 7,8 schwach alkalisch, bei einer Säurekapazität von 170 mmol HCO3L -1. Das molare Nährstoffverhältnis C:N:P beträgt im Wasser 142:193:0,42. Das Versuchsprogramm Darstellung der Funktionsweise des SZR Bild 1 aufgereinigte Wasser wird in 1 m3-Behältern (IBC 1000) gesammelt und zum Projektpartner, der Firma Nehlsen GmbH & Co. KG, Niederlassung Nehlsen-Plump, verbracht. Hier erfolgt die weitere Aufbereitung in einer chemisch-physikalischen Behandlungsanlage (CPA) bis zur endgültigen Erreichung der Direkteinleiterqualität. Die Versuchsanlage Der Hochleistungsbioreaktor arbeitet nach dem Prinzip der Schlaufenströmung, die einmal separat in zwei Zonen und zusätzlich über den gesamten Reaktorraum ausgebildet wird. Durch eine bodennah eingebaute, zentrierte Zweistoffdüse in einem mittig im SZR eingesetzten Vermischungsrohr, wird Rottewasser und Druckluft (O2-Versorgung) in das untere Einsteckrohr in Richtung Boden gedüst. Durch den von der Düse erzeugten Impuls bildet das Wasser-Gas-Bakterien-Gemisch entlang dem unteren Einsteckrohr die erste Schlaufe aus (Bild 1). Für die Optimierung der biologischen Vorreinigungsstufe mit dem Schwerpunkt der vollständigen Stickstoffelimination werden im SZR zwei Reaktionsführungsstrategien erprobt. Zum einen die alternierende Belüftung, um über den Wechsel von aeroben und anoxischen Phasen die Nitrifikation und die Denitrifikation nacheinander (intermittierend) ablaufen zu lassen. Als Zweites wird durch limitierte Sauerstoffzufuhr eine simultane Nitrifikation und Denitrifikation angestrebt. Die intermittierende Denitrifikation ist ein in der Klärtechnik bereits seit langem etabliertes Verfahren. Es lässt sich, aufgrund des Bedarfs von nur einem Reaktionsraum, gut auf den SZR übertragen. Unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus der Klärpraxis Kenndaten der Pilotanlage (Durchschnittswerte) Tab. 1 Kenndaten Größe SZR-Volumen (L) Reaktorkreislauf Volumenstrom (Lh-1) Membranfeed Volumenstrom (Lh-1) Membrankreislauf Volumenstrom (Lh-1) Filtratvolumenstrom (Lh-1) Transmembraner Druckunterschied (bar) Zulauf (L) Raumbelastung CSB (kgm-2d-1) Raumbelastung TN (kgm-2d-1) Düsendruck (bar) Gasrohrdruck (bar) 10/2012 200 2.800 450 15.550 35 1,5 2,5 1,7 0,5 0,5 0,2 Verfahrenstechnik Versuchsprogramm für die alternierende Luftzufuhr Tab. 2 Versuch Nitrifikation Denitrifikation 1.1 30 Minuten 30 Minuten 1.2 180 Minuten 180 Minuten 1.3 180 Minuten 180 Minuten + C-Quelle Hintergrund Mindestens ein Wechsel von aerob/anaerob pro Stunde (SBR-Verfahren), 24 Zyklen/Tag Pause und Begasungszeit sind gleich lang zu wählen Pause und Begasungszeit sind gleich lang zu wählen, eine zusätzliche C-Quelle soll die Denitrifikationsrate erhöhen Behandlungsplan des Rottewassers der Fa. Nehlsen-Plump für halbtechnische Versuche Anweisung/Bemerkung 2 m³ 1 m³ 1L ca. 10 L ca. 3 kg 4L 8 – 10 kg vorlegen zufügen, rühren zufügen, rühren zufügen bis pH 3 erreicht, dabei rühren wenn notwendig gemäß Arbeitsschein zugeben, rühren, mit Teststäbchen prüfen rühren bis pH 11, bis 30 min nach Zugabe muss pH konstant bleiben 10/2012 hohe Bedarf soll durch die Vorreinigung verringert werden. Ergebnis der biologischen Vorreinigung im SZR Durch die hier erprobten Reaktionsführungsstrategien konnten die Schadstofffrachten im Abwasser stark reduziert werden (Bild 2). Beim SND-Verfahren wird der CSB-Abbau, im Vergleich zur alternierenden Belüftung, 100 % 80 70 Abbaugrad für Längsbecken /3, 4/ ergibt sich das Versuchsprogramm für den Reaktor in Hochbauweise (Tab. 2). Die zweite Strategie, das SND-(Simultane Nitrifikation Denitrifikation via Nitrit) Verfahren empfiehlt sich, da es für hoch belastete Abwasser mit schlechtem C:N Verhältnis und hohen Ammoniumkonzentrationen bereits erfolgreich getestet wurde /5/. Kennzeichnend für dieses Verfahren ist die direkte Bildung von elementarem Stickstoff aus Nitrit, die Nitratbildung entsprechend NH4+ + 1,4 O2 ­ NO2- ­ 0,5 N2 Nitritation/Denitrifikation unterbleibt. Weitere Vorteile dieses Verfahrens sind die Reduzierung der Überschussschlammproduktion, die durch die Anwendung des SZR als Reaktionsraum zusätzlich unterstützt wird, sowie die unterdrückte Inhibition der Nitrifikation durch zu hohe Nitritwerte /6/. Zur Realisierung wird hier im Gegensatz zum klassischen Verfahren der Reaktor mit einem niedrigeren O2-Gehalt von 2 mgL -1 beaufschlagt. Die Nitrifikanten verbrauchen den Sauerstoff in der Stofftransportzone sofort, so dass der obere Reaktorraum bei einem O2-Gehalt von 0,25 – 0,5 mgL -1 anoxisch ist. Die Nitrifikation und die Denitrifikation können durch die hohe Umwälzrate im Reaktor und die limitierte Luftzufuhr somit simultan ablaufen. Bei der anschließenden chemisch-physikalischen Reinigung werden durch Zugabe von Chemikalien über Fällung und Flockung gelöste Stoffe aus dem Wasser entfernt. Bei der Firma Nehlsen findet das Ferro-Kalkmilch-Verfahren (kurz: FerroKalk-Verfahren) Anwendung, das neben Schwermetallen auch organische Stoffe bindet. Bei Rottewasser ohne biologische Vorbehandlung kann ein Chemikalienbedarf von ca. 8,6 kg m-3 Aktivkohle, 41,2 kg m-3 Weißkalkhydrat, 22,2 kg m -3 Eisen(III) chlorid und 20,0 kg m-3 Salzsäure für die Aufreinigung angenommen werden. Dieser 60 50 40 Versuch 1.1 Versuch 1.2 Versuch 1.3 limitierte Luftzufuhr 30 Versuch 1.1 20 Versuch 1.2 Versuch 1.3 limitierte Luftzufuhr 10 0 CSB TN Erreichte Abbauraten von CSB und TN Bild 2 100 % AOX Cu Pb Ni Zn 80 70 Reduktionsrate Prozesswasser Rottewasser Entschäumer HCl (16 – 18 %ig) Amidosulfonsäure FeCl3-Lösung Ca(OH)2 Tab. 3 Menge durch die kontinuierliche Luftzufuhr begünstigt. So konnte, trotz eines örtlich limitierten Sauerstoffangebots, eine 77 %ige Reduktion der größtenteils schwer abbaubaren organischen Verbindungen realisiert werden. Auch die Stickstoffelimination im SZR wurde durch die Anwendung des SND-Verfahrens optimiert. Es konnten Abbaugrade von bis zu 81 % erreicht werden. Über den Versuchszeitraum belegt der durchschnittliche Abbaugrad von 74 % eine Verbesserung der Denitrifikationsleistung um 50 % im Vergleich zur alternierenden Belüftung. Die hohe Ammoniumbelastung konnte in beiden Betriebsweisen nahezu vollständig oxidiert werden. Die während der einzelnen Betriebsphasen des SZR erreichten AOX- und Schwermetallreduktionen sind nachfolgend dargestellt (Bild 3). Sie zeigen für den Parameter AOX eine 60 %ige Eliminierung mit Hilfe der limitierten und 50 % mittels der alternierenden Luftzufuhr. Bei den Schwermetallen konnte durch die Vorschaltung des SZRs die Konzentration bei drei der vier exemplarisch ausgewählten Parameter reduziert werden, so dass im gesamten Reinigungsprozess eine Elimination von bis zu 90 % erreicht wurde. Die Reduktion von Blei mit 70 % 60 50 40 30 20 10 0 Betrieb: alternierende Luftzufuhr Betrieb: limitierte Luftzufuhr Erreichte AOX- und Schwermetallreduktionen in den Betriebsphasen Bild 3 wwt-online.de 23 ABWASSER Verfahrenstechnik durch die Betriebsweise der alternierenden Begasung ist gegenüber 62 % durch die Variante des limitierten Sauerstoffeintrags höher, jedoch liegt bei diesem Verfahren die Zinkreduzierung weit über der Rate, die durch alternierende Begasung möglich ist. Ergebnis der CP-Reinigung Das Abwasser konnte in 11 Chargenansätzen mit dem Ferro-Kalk-Verfahren erfolgreich behandelt werden. Die für den Labormaßstab erstellten Behandlungspläne, exemplarisch in Tabelle 3 dargestellt, wurden 1:1 auf die großtechnischen Verhältnisse übertragen. Fazit Mit der geprüften Verfahrenskombination SZR/ CPA ist nach Abschluss der Versuche die Indirekteinleitung nach dem EOG Bremen /2/ möglich. Die durch Anhang 23 der AbwV /1/ manifestierten Grenzwerte von 200 mgL -1 CSB und 70 mgL -1 TN für die Direkteinleitung wurden noch nicht erreicht. Hier bedarf es weiterführender Versuche, um die guten Ergebnisse zur biologischen Vorreinigung auszubauen. Die neu erprobte Reaktionsführung im SZR wurde erfolgreich umgesetzt und damit Einsparpotenzial für Fällmittel im CP-Verfahren ermöglicht. Durch die geringe Überschussschlammproduktion im Reaktor wurde ein, im Vergleich zur reinen chemisch-physikalischen Aufbereitung, wesentlich geringeres umweltbelastendes Schlamm- 24 volumen erzeugt. Dies wurde zudem durch die gezielt eingestellte, geringe Raumbelastung unterstützt. Ebenso als Erfolg zu werten ist die erreichte Denitrifikationsleistung durch die Umsetzung des SND-Verfahrens. Angesichts der extrem hohen Ammonium-Zulaufkonzentration von über 2000 mgL -1 und dem schlechten Nährstoffverhältnis zeigen sich hier in besonderem Maße die Vorteile des SZRs gegenüber herkömmlichen biologischen Abwasserreinigungsverfahren. Ammonium wurde nahezu vollständig oxidiert, bei gleichzeitiger Eliminierung teils schwer abbaubarem CSB von bis zu 77 % und TN von bis zu 81 %. Die vollständige Stickstoffelimination ist durch weitere zu erprobende Maßnahmen erreichbar. Hier ist eine zweite, energiearme biologische Stufe zur verbesserten Denitrifikation unter Ausnutzung des Rest-CSB aus der ersten biologischen Aufbereitungsstufe ein denkbarer Ansatz. Die Kompetenzen des Hochleistungsbioreaktors liegen bisher im aeroben Abbau von Schmutzfrachten. In diesem Projekt konnte gezeigt werden, dass der SZR, unter Einsatz angepasster Reaktionsführung, ebenso für anoxische bzw. aerob-anoxische Abbauprozesse eingesetzt werden kann. Das Projekt wurde durch das Land Bremen aus dem Förderprogramm Angewandte Umweltforschung (AUF), unterstützt durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung EFRE 2007-2013, gefördert. L I T E R AT U R /1/ Abwasserverordnung Anhang 23: Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2002 Teil I, Nr. 23 /2/ Entwässerungsortsgesetz Bremen. In der Fassung der Bekanntmachung vom 3. 7. 2002, Brem.GBl. S. 289, zuletzt geändert am 14. Dezember 2010, Brem.GBl. S. 663 /3/ Hosang, W.; Bischof, W. (1998): Abwassertechnik. B.G. Teubner Stuttgart, überarbeitete und erweiterte Auflage, Leipzig /4/ Schreff, D. (2007): SBR-Anlagen – Funktion und Betrieb. Vortrag beim Lehrer-Obmann-Tag der DWA Nachbarschaften Landesverband Sachsen/ Thüringen, Jena, März 2007 /5/ Wang, J.; Ning, Y. (2003): Partial nitrification under limited dissolved oxygen conditions. Process Biochemistry, 39, S. 1223–1229 /6/ Wang, J.; Peng, Y.; Wang, S.; Gao, Y. (2008): Nitrogen Removal by Simultaneous Nitrification and Denitrification via Nitrit in a Sequence Hybrid Biological Reactor. Chinese Journal of Chemical Engineering, Nr. 16, Heft 5, S. 778–784 K O N TA K T Universität Bremen Institut für Umweltverfahrenstechnik Susanne Heithoff Leobener Straße Gebäude UFT | 28359 Bremen Tel.: 0421/218-63336 | Fax: 0421/218-4947 E-Mail: [email protected] www.iuv.uni-bremen.de 10/2012