Kap. 1: Einleitung Dieses Buch handelt von den psychologischen und den physischen Kosten, die wir aufgrund allgegenwärtiger Achtlosigkeit verursachen, und, noch wichtiger, von den Vorteilen größeren Einflusses, gehaltvollerer Optionen und überschrittener Grenzen, die Achtsamkeit möglich macht. (S.2) Über Achtsamkeit und Achtlosigkeit nachzudenken verändert unsere Wahrnehmung und Einschätzung der Welt. Manchen fällt es leichter Risiken einzugehen und Veränderungen zu begrüßen, oder vor und nach Misserfolgen weniger Angstgefühle zu spüren; Andere sahen konkrete Einflussmöglichkeiten wo sie sich früher hilflos fühlten, oder freier wo sie sich früher begrenzt fühlten. (S.6) Kap. 2: Drei Definitionen von Achtlosigkeit When the Light's On and Nobody's Home .... ... Ist ein wunderschönes Bild / Metapher für Achtlosigkeit .... (Überschrift Kapitel 2, Seite 9) Drei Definitionen können uns Achtlosigkeit verständlich machen: (S.10-18) 1. Gefangen in Denkkategorien sein. 2. Automatisches Verhalten. 3. Aus einem einzigen Blickwinkel heraus handeln. zu 1. Das Schaffen neuer Kategorien ist eine achtsame Aktivität. Achtlosigkeit gewinnt Raum, wenn wir uns zu unbeweglich auf Kategorien und Unterscheidungen verlassen, die in der Vergangenheit entstanden sind - männlich/weiblich, alt/jung, Erfolg/Misserfolg.) zu 2. Automatisches Verhalten hat viele Gemeinsamkeiten mit Gewohnheiten. Gewohnheit oder die Tendenz ein Verhalten beizubehalten, das man über längere Zeit wiederholt hat, impliziert natürlich Achtlosigkeit, aber achtloses Verhalten kann auch ohne einer langen Geschichte von Wiederholungen auftreten, fast urplötzlich. zu 3. Eine enge Perspektive kann unser Denken völlig dominieren. Z.B. Wird Achtlosigkeit durch hoch spezifische Anweisungen ausgelöst. Sobald wir diese zulassen, schnappt unser Bewusstsein sein wie ein Hummer mit seinen Scheren auf Eis und lässt keine weiteren Signale mehr zu. Kap. 3: Die Wurzeln von Achtlosigkeit bzw. Unaufmerksamkeit Es gibt sechs Wurzeln von Achtlosigkeit bzw. Unaufmerksamkeit: 1. Wiederholung / Routine 2. Voreilige kognitive Festlegung (Vorurteile) 3. Glauben an begrenzte Mittel 4. Die Vorstellung einer linearen Zeit 5. Das eindimensionale Verfolgen von Ergebnissen 6. Der machtvolle Einfluss des Kontextes 1. Der achtlose "Experte". In nahezu jedem Beruf kann Wiederholung zu Achtlosigkeit führen. Wird eine häufig wiederholte Aufgabe auf ungewöhnliche Weise leicht verändert so schafft das der Anfänger leichter. Der Rhythmus des Vertrauten lullt uns in Achtlosigkeit. 2. Der gotteslästerliche Pudel. Wenn wir einen ersten Eindruck oder eine Information akzeptieren, weil es keinen Grund gibt sie kritisch zu prüfen, setzt sie sich im Unterbewusstsein fest bis ein ähnliches Signal aus der Außenwelt - ein Anblick, ein Geruch, ein Geräusch - ihn wieder aufruft. Bei dieser nächsten Gelegenheit mag der Eindruck oder die Information nicht mehr irrelevant sein, aber die meisten überlegen nicht was sie früher achtlos akzeptiert haben. Eine solche Denkart (mindset), speziell die in der Kindheit geformte, ist voreilig, weil wir nicht im Vorhinein die zukünftig möglichen Verwendungszwecke der Information kennen können. Deshalb bezeichnen wir diese Denkart als voreilige kognitive Festlegung (Vorurteil). Das achtlose Individuum ist auf einen vorbestimmten Verwendungszweck der Information festgelegt und andere mögliche Verwendungszwecke werden nicht exploriert. Die Art und Weise wie wir eine Information zum ersten Mal aufnehmen - achtsam oder achtlos bestimmt wie wir sie später verwenden werden. Achtlosigkeit unterscheidet sich erheblich vom Unbewussten. Achtlosigkeit ist bei weitem nicht so ein dramatisches Konzept wie das Unbewusste. Unbewussten Gedanken liegt ein "motiviertes Nichtwissen" (Freud) zugrunde. Bei unserer Achtlosigkeit sind die Gefühle nicht beteiligt. Während Ideen im Unbewussten von allem Anfang an nicht zur Verfügung stehen waren achtlose Ideen früher für eine achtsame Verarbeitung potenziell zugänglich. 3. Der Glauben an begrenzte Mittel (bzw. Nullsummenspiele) So lange wie sich Menschen an einen engen Glauben an begrenzte Ressourcen klammern, haben jene die das Glück haben von den bestehenden willkürlichen Regeln, z.B. Intelligenztest für Hochschulzulassung, begünstigt zu sein allen Grund den Status quo zu verteidigen. Jene, die nicht kriegen was sie wollen, könnten zum Schluss kommen dass sie Teil der teuren Wirklichkeitskonstruktion anderer zu sein. Geld wird immer als Beispiel für die "Tatsache" begrenzter Mittel angeführt. Warum ist reich sein besser? Wenn wir untersuchen was hinter unseren Wünschen steckt können wir normalerweise ohne Kompromisse bekommen was wir wollen: Liebe, Hilfe, Zuversicht, Respekt, Vergnügen. Kompromisse sind nur notwendig wenn wir etwas wollen was knapp ist. Werden die wertvollen Dinge im Leben nicht als begrenzt wahrgenommen dann werden wir auch nicht so beharrlich an unseren rigiden Kategorien festhalten. Beim Stichwort "begrenzte Mittel" denken wir oft an unsere eigenen Fähigkeiten. Aber auch diese Grenzen sind nicht wirklich bestimmbar. Auch bei Erschöpfung kann es sich um eine voreilige kognitive Festlegung handeln. 4. Die Vorstellung einer linearen Zeit In den verschiedenen Kulturen gibt es ganz verschiedene Vorstellungen von Zeit. Aber selbst in einem eindimensionalen Konzept der Zeit mag der Zeitstrahl nicht nur in eine Richtung weisen. Die Zukunft kann genauso die Gegenwart "verursachen" wie die Vergangenheit. "Die Gegenwart hat also verschiedene Dimensionen ... Die Gegenwart der vergangenen Dinge, die Gegenwart der gegenwärtigen Dinge und die Gegenwart der zukünftigen Dinge." (Augustinus) Kant stellt sich Zeit als ein Mittel Wahrnehmung zu organisieren - und nicht als etwas das die Welt "gibt" oder das auf sie "projiziert" würde. Unsere Vorstellung von Zeit zu verändern mag mehr sein als eine intellektuelle Übung. Der Physiker Ernst Mach: "Es ist völlig jenseits unserer Möglichkeiten Dinge in der Zeit zu messen. Im Gegenteil ist Zeit eine Abstraktion die durch die Veränderung von Dingen entsteht." 5. Frühkindliche Erziehung Ziele zu erreichen (Education for Outcome) In Schulen wird viel mehr auf Ergebnisse und Ziele geachtet als auf den Prozess sie zu erreichen. Dieser eindimensionale Fokus auf dieses oder jenes Ergebnis, von Schnürsenkel binden bis an einer renommierten Universität studieren, macht eine achtsame Einstellung zum Leben schwierig. Treten die Fragen "Schaffe ich das?" oder "Was, wenn ich es nicht schaffe?" in den Vordergrund, dann werden Neugier und Entdeckerlust von der Sorge und Beschäftigung mit Erfolg und Misserfolg verdrängt. Im Gegensatz dazu fragt eine Prozessorientierung "Wie kann ich es tun bzw. erreichen?" statt "Kann ich es (erreichen)?" und lenkt so die Aufmerksamkeit auf das Definieren der Schritte, die unterwegs nötig sind. Die Prozessorientierung ist durch das Leitprinzip gekennzeichnet: Es gibt keine Misserfolge, sondern nur unwirksame Lösungen. Vorläufige Ziele unterliegen einer laufenden Überprüfung. Ein prozessorientierter Mensch ist weniger in Gefahr kalt erwischt zu werden wenn sich die Umstände ändern. Ein Erziehungsstil, der sich auf Lernergebnisse konzentriert, stellt die Fakten in der Regel in unbedingter Weise dar. Dieser Ansatz begünstigt Achtlosigkeit. Wird etwas als akzeptierte Wahrheit präsentiert, dann kommen alternative Denkweisen gar nicht in Betracht. Durch das Lehren absoluter Fakten geben wir unsere Kultur von einer Generation zur anderen weiter. Das schafft Stabilität. Aber die Kosten dieser Stabilität können hoch sein. 6. Der große Einfluss des Kontexts Kontexte beeinflussen unser Verhalten und unsere Denkweise (mindset) beeinflusst wie wir jeden Kontext interpretieren. Viele der Kontexte die uns am tiefsten beeinflussen sind in der Kindheit erlernt. Wenn wir von Kontext reden unterläuft uns oft der Fehler zu glauben, dass er "irgendwo da draußen" wäre. Aber er existiert dort nicht ohne uns. Ein Kontext ist eine vorschnelle kognitive Festlegung, eine Denkweise. Der große Einfluss den Kontext über unsere Reaktionen und Interpretationen hat macht uns anfällig für sogenannte Kontextverwechslungen (Kontextkonfusion). Menschen verwechseln den Kontext der das Verhalten anderer Menschen beeinflusst mit dem Kontext der das eigene Verhalten beeinflusst. Die meisten Menschen nehmen typischerweise an dass die Motive und Absichten anderer dieselben sind wie ihre eigenen, obwohl dasselbe Verhalten sehr verschiedenartige Bedeutungen haben kann. Die verschiedenen Wurzeln von Achtlosigkeit - Wiederholung, vorschnelle kognitive Festlegung, Glauben an begrenzte Mittel, die Vorstellung von linearer Zeit, Erziehung Ergebnisse zu erzielen, der große Einfluss des Kontexts - beeinflussen uns täglich. Kap. 4: Der Preis, den wir für Achtlosigkeit zahlen Achtlosigkeit wurzelt tief. Wir kennen unsere Drehbücher auswendig. In der Routine des Alltags bemerken wir nicht was wir tun solange kein Problem auftaucht. Die Folgen von Achtlosigkeit reichen von trivial bis katastrophal. 1. Ein beschränktes (unbeirrbares) Selbstbild 2. Ungewollte Grausamkeit 3. Ungenutzter Einfluss 4. Angelernte Hilflosigkeit 5. Verkümmertes (unterentwickeltes) Potenzial 1. Ein unbeirrbares Selbstbild Ein eindimensionales Selbstbild kann sowohl Menschen als auch Unternehmen in erhebliche Schwierigkeiten bringen. (Hinweis auf Theodore Levitt's Klassiker "Marketing-Blindheit") Anm. Das zentrale Organisationsdilemma besteht genau darin: auf der einen Seite steht die notwendige Komplexitätsreduktion durch Hierarchie, Strategie und Kultur auf der anderen die kollektive Blindheit und die Gefahren der Gedankenlosigkeit. Ein Selbstbild, das auf vergangener Leistung (Misserfolgen wie Erfolgen) beruht, beschränkt. Es läßt uns allzu leicht annehmen, dass diese einen dauerhaften Charakterzug darstellen. Solange ein Mensch nicht seine von Misserfolgen abgeleitete Denkweise ändert, werden seine Bemühungen heute und morgen vermutlich auch erfolglos / fruchtlos bleiben. Anm. Mich fragen: Was will ich wirklich durch das Einüben von Achtsamkeit und das Einüben neuer Gewohnheiten ändern? Selbst Menschen, die sich ein starkes Kompetenzgefühl erworben haben sind nicht davor gefeit, dass dieses erodiert, wenn sie achtlos Rollen und Zuschreibungen akzeptieren. (z.B. nach einer Heirat). Phänomen der selbst hervorgerufenen Abhängigkeit. 2. Ungewollte Grausamkeit - Verweis auf die berühmten Experimente von Stanley Milgram (1974) Geht man kleine Schritte dann denkt man nach dem ersten Schritt nicht mehr daran das weitere Verhalten in Frage zu stellen, bis man rückblickend sehen kann wie weit man unbemerkt gekommen ist. Wenn man in eine Routine verfällt statt immer wieder Entscheidungen zu treffen, dann mag das zu Handlungen verführen zu denen man sonst nicht bereitwäre. Achtlosigkeit erlaubt uns unbequeme Gedanken abgetrennt zu halten. 3. Verringerter bzw. ungesehener / ungenutzter Einfluss Achtlosigkeit beschränkt unseren Einfluss indem sie uns davon abhält intelligent zu wählen. Ein wichtiger Mechanismus wie wir unsere Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten beschränken besteht darin alle unsere Schwierigkeiten einem einzigen Grund zuschreiben. Beispiel: Menschen, die das Scheitern ihrer Ehe dem Ex-Partner zuschreiben, leiden länger als jene, die viele mögliche Erklärungen für ihre Situation sehen. Alkoholiker, die ihre Krankheit als genetisch bezeichnen, geben damit ihren Einfluss auf ihre Gesundung verloren. 4. Angelernte Hilflosigkeit (als Variante von "ungenutztem Einfluss") Ein weit schädlicherer Verlust an Einfluss und Wahlmöglichkeiten wir durch wiederholten Misserfolg ausgelöst. Diese angelernte Hilflosigkeit übt dann ihre schädliche Wirkung auch in solchen Situationen aus, wo die Person tatsächlich objektiv Einfluss ausüben könnte. Selbst wenn Lösungen zur Verfügung stehen hält ein achtloses Gefühl der Vergeblichkeit die Person davon ab die konkrete Situation zu überdenken. Die Person verharrt angesichts einer Situation in Passivität auch wenn diese ohne unangemessene Schwierigkeiten bewältigt werden könnte. 5. Ungenutztes Potenzial William James behauptete, dass fast alle Menschen nur den winzigsten Bruchteil ihres Potenzials nutzen. Nur unter ganz bestimmten Umständen konstruktiven Stresses oder in bestimmten Gemütszuständen - große Liebe, religiöser Eifer oder Mut im Kampf - beginnen wir die Tiefe und den Reichtum unserer schöpferischen Ressourcen oder die unglaublichen Reserven an Lebensenergie anzuzapfen, die in uns schlummern. Frühzeitige kognitive Festlegungen (z.B. Vorstellungen über das Alter) sind Fotografien vergleichbar in denen Sinn bzw. eine Meinung festgehalten sind, aber keine Bewegung. Eine neue Einstellung ist schwer zu gewinnen. Psychologen folgen gerne den Wegen die mutige Schriftsteller vor ihnen begangen haben. (zitiert Charles Dickens) Anm.: Fazit. - In meiner Arbeit / unseren Ansätzen immer wieder das Potenzial betonen, nicht eventuelle Defizitbeschreibungen und -beschwörungen; - nicht zögern, das Vorauswissen und die Klugheit von Künstlern (Buchheim Museum!) und Schriftstellern zu zitieren; Kap. 5: Das Wesen der Achtsamkeit Blinde Besessenheit bzw. die Dominanz starker Gefühle führen zwangsläufig zu Achtlosigkeit. Achtsamkeit findet sich in fünf zentralen Qualitäten: 1. Das Schaffen neuer Denkkategorien 2. Das Begrüßen neuer Informationen (face reality) 3. Perspektivenvielfalt (Offenheit für mehr als eine Sichtweise) 4. Kontextkontrolle 5. Prozess hat Vorrang vor Ergebnis. Zu 1. Schaffen neuer Kategorien: So wie Achtlosigkeit das rigide sich Verlassen auf alte Kategorien ist, bedeutet Achtsamkeit das kontinuierliche Schaffen neuer Denkkategorien. Das Kategorisieren und anders Kategorisieren, Etikettieren und Umetikettieren sind Prozesse, die für Kinder ganz natürlich sind. Das ernste Re-kreieren des Kindes kann die spielerische Recreation des Erwachsenen werden. Aber als Erwachsene werden wir zögerlich beim Erfinden neuer Kategorien. Unsere Ergebnisorientierung verleitet dazu einen spielerischen Zugang abzutöten. Ohne den Anstoß durch eine Psychotherapie oder durch eine Krise, wird die Vergangenheit selten rekategorisiert bzw. neu gerahmt. In achtsamer Weise neue Kategorien zu bilden heißt der konkreten Situation und dem Kontext Aufmerksamkeit zu widmen. Die meisten festen Meinungen (z.B. die Einschätzung von Menschen, die wir zutiefst nicht mögen) beruhen auf globalen Kategorien. Eine achtsame Einstellung mag nicht alle Erfordernisse Kompromisse einzugehen verhindern können, aber vielleicht doch. Jedenfalls kann sie die Bandbreite für Konflikte wesentlich reduzieren. Zu 2. Neue Informationen begrüßen. Unsere Wahrnehmung hat eine Tendenz kleine inkonsistente Signale auszufiltern. Ein Verhalten, das aus achtsamem Zuhören oder Beobachten gespeist ist, ist natürlich eher effektiv. Offen sein für Hinweise oder andere Ansichten führt zu einem Feedbackkreislauf der eine Partnerschaft, eine Ehe oder ein Team ausbalanciert wie die Messinstrumente eines Flugzeugs. Zu 3. Perspektivenvielfalt. Offenheit, nicht nur für neue Informationen, sondern auch für andere Perspektiven und Meinungen ist ebenso ein wichtiges Element von Achtsamkeit. Sobald wir achtsam auch andere Ansichten als unsere eigenen erkennen, wird zunehmend klarer dass es so viele Sichtweisen gibt wie Beobachter. Ein solches Erkennen kann sehr befreiend wirken. Wenn wir an unsere eigene Sicht und Meinung (vehement) festhalten, mag uns die Wirkung auf andere entgehen. Es ist leicht zu sehen, dass jede Geste, Bemerkung, oder Handlung zwischen Menschen zumindest zwei Interpretationen zulassen. Jede Idee, Person oder jeder Gegenstand ist potenziell gleichzeitig abhängig von der Perspektive des Beobachters. (Beispiel: Kuh) Und jedes Verhalten kann unter ungünstigerem oder vorteilhafterem oder schmeichelhaftem Licht erscheinen. Verschieden Perspektiven auszuprobieren hat wichtige Konsequenzen. Erstens gewinnt man mehr Optionen zu antworten. Ein unbeirrbares Etikett produziert eine automatische Reaktion, was unsere Optionen reduziert. Die Erkenntnis, dass andere Menschen nicht so sehr verschieden sind, erlaubt uns Empathie und vergrößert unser Repertoire an Antworten. Zweitens wird Veränderung leichter möglich, wenn wir diese offene, unvoreingenommene Einstellung auch gegenüber unserem eigenen Verhalten anlegen. Die Wahl zwischen zwei positiven Alternativen ist leichter als sich ein negatives Verhalten abzugewöhnen. (siehe Beispiel KAIROS: der Wert / Nutzen bzw. Die besondere Qualität einer geringen Ausprägung einer Dimension!) Zu 4. Kontextkontrolle. (Reframing) Der größere Einfluss den größere Achtsamkeit möglich macht kann uns auch helfen Kontexte zu verändern, umzudeuten. Selbst die eindeutigsten und anscheinend auch unveränderliche Situationen können beeinflusst werden, wenn man sie achtsam betrachtet. Beispiel des "Birdman of Alcatraz": Langeweile kann auch nur ein Gedankenkonstrukt sein, eines das keineswegs sicherer ist als das Gedankenkonstrukt der Freiheit. Zu 5. Prozess vor Ergebnis. Die Sorge bzw. übermäßige Beschäftigung mit dem späteren Ergebnis kann uns achtlos machen. Umgekehrt kann man Prozessorientierung als Achtsamkeit verstehen und schätzen. Die Beachtung des Prozesses wie wir unterwegs immer wieder real wählen verringert die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns im Nachhinein schuldig fühlen. Wenn wir (immer erst) später die realen Konsequenzen einer Wahl erfahren mögen wir uns wünschen anders entschieden zu haben, aber werden höchstwahrscheinlich nicht allzu streng mit uns ins Gericht gehen bzw. weniger Neigung verspüren uns (zeitverschwenderisch) zu rechtfertigen, wenn wir wissen warum wir taten was wir taten. Eine Prozessorientierung zu praktizieren bedeutet sich bewusst sein, dass jedem Ergebnis ein Prozess vorangegangen ist. Eine Prozessorientierung schärft nicht nur unsere Urteilskraft, sondern gibt uns auch eine freundlichere Selbsteinschätzung. Eine reine Ergebnisorientierung raubt Lebensfreude. Im Spiel können wir unschwer verstehen dass Prozess - wenn nicht alles - das ist, was wirklich zählt. Kap. 6: Achtsam altern Langer beschreibt hier sehr beeindruckende Beispiele ihrer Forschungsprojekte in Pflege- und Altersheimen wie sich mehr Achtsamkeit auswirkt - mit eindeutigem, verallgemeinerbarem Fazit: Wer (für sich) Verantwortung übernimmt und entscheidet lebt länger und gesünder, ist weniger depressiv, unabhängiger und zuversichtlicher, wacher und differenzierter in dem, was sie wählen. Tagebuchschreiben: Wer über die Wahlakte (das Gewählte und das Ausgeschlossene) in den täglichen Aktivitäten Tagebuch führt steigert seine Achtsamkeit auf effektive Weise. Die Gelegenheit zu wählen steigert unsere Motivation. In den meisten unserer täglichen Aktivitäten sind allerdings die Optionen / Wahlmöglichkeiten, die einmal bestanden haben, schon lange vergessen. (Der tägliche Frühstückskaffee) Eine sinnvolle Option zu wählen schließt immer eine gewisse Bewusstheit der anderen Alternativen, die nicht gewählt wurden, ein. Durch dieses Bewusstsein lernen wir etwas über uns selbst und unsere Präferenzen. Auch gut gemeinte Sorge und Fürsorge untergräbt schrittweise jede Autonomie. Vorstellungen über Alter beinhalten unausgesprochen eine Art von Inkompetenz. Es ist interessant zu beobachten, dass der Begriff Entwicklung selten auf Veränderung in den späten Jahren bezogen wird. Diese werden typischerweise als Altern bezeichnet. Altern betont die dunklere Seite des Älterwerdens. Wer achtsam lebt sieht alle Arten von Optionen und schafft neue Endpunkte. Achtsames Engagement in jeder Episode von Entwicklung macht uns freier unseren eigenen Kurs zu entwerfen. Unser mentales Bild von Alter, das auf hunderten kleinen voreiligen kognitiven Festlegungen beruht, prägt das Leben das wir in unseren späten Erwachsenentagen führen. Kap. 7: Schöpferische Ungewissheit Viele, wenn nicht alle, Qualitäten, die eine achtsame Einstellung ausmachen sind charakteristisch für kreative, schöpferische Menschen. Wenn wir uns mit der Welt rational auseinandersetzen halten wir sie mit Hilfe von in der Vergangenheit gebildeten Denkkategorien konstant. Durch Intuition andrerseits begreifen wir die Welt als Ganzes, ständig in Fluss. Aus einer intuitiven Erfahrung der Welt entsteht ein kontinuierlicher Fluss neuartiger Unterscheidungen. Wenn unsere Gedanken sich auf eine Sache oder auf eine Art etwas zu tun beziehen dann löschen wir die Intuition und verfehlen der gegenwärtigen Welt um uns herum. Das ruhige Auge. Intuition und Achtsamkeit gleichen sich in ihrer relativen Anstrengungslosigkeit. Beide erreicht man indem man dem schweren, unbeirrt gerichteten Streben entkommt, das die meiste Zeit unseres Lebens bestimmt. In einem intuitiven oder achtsamen Zustand erlaubt man neuen Informationen den Zugang zum Bewusstsein, so wie ein Komponist zulässt. Diese neue Information kann voller Überraschungen sein und muss nicht immer "Sinn machen". Respekt für Intuition und für Information, die auf unerklärliche Weise auftaucht, ist jedenfalls ein wichtiger Teil jeder schöpferischen Aktivität. "Wenn ein Mensch sein Potenzial voll und verbunden mit der Zuversicht die seinen Kräften entspricht ausschöpfen soll, dann kann dies nur in Anerkennung der Wichtigkeit und Kraft intuitiver Methoden knallen Feldern des Erkundens geschehen - in Literatur und Mathematik, Dichtkunst und Linguistik." (Bruner/Chlingy, zit. Langer, Seite 119) In den meisten Erziehungssituationen werden die "Fakten" des Lebens als unbedingte Wahrheiten präsentiert, obwohl es angemessener wäre sie als Wahrscheinlichkeitsstatements einzuordnen, die in manchen Kontexten wahr sind aber in anderen nicht. Experimente haben gezeigt, dass Unsicherheit mehr kreative Lösungen hervorgebracht haben als Gewissheit. Wer Optionen hat bzw. sieht, fühlt sich mehr verantwortlich für das was er tut. Vergleiche anzustellen zwingt uns achtsame Unterscheidungen zu treffen. Das begünstigt einen bedingten Blick, einen Sinn für Möglichkeiten. In Analogien zu denken ist für Kreativität und Achtsamkeit gleichermaßen wichtig. Indem wir eine Analogie herstellen wenden wir ein Konzept, das wir in einem Kontext gelernt haben, auf einen anderen. Eine solche geistige Operation ist per se achtsam. Kap. 8: Achtsamkeit in der Arbeit Ermüdung, Konflikt und Burn-Out können daraus entstehen, dass jemand in alten Denkkategorien versumpft und von alten Denkgewohnheiten gefangen ist. Sowohl für Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter kann Achtsamkeit zu mehr Flexibilität, Produktivität, Innovation, Führungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit führen. Nachdem die meisten von uns fast den ganzen Tag und fast die ganze Woche entweder zur Arbeit fahren, Arbeiten, sich über die Arbeit Sorgen machen oder die bevorstehende Arbeit planen sind die Anwendungsmöglichkeiten von Achtsamkeit auf Arbeitssituationen besonders nützlich. Den Fehler und die Störung begrüßen. Ein altes Sprichwort rät: "Wende die Gefahr ab, die noch nicht aufgetaucht ist." Um die frühen Anzeichen kommenden Ärgers aufzufangen müssen wir aufnahmebereit für neue Informationen und für subtile Abweichungen im gewohnten Lauf der Dinge sein. Größere Probleme können als anfänglich kleinen, unbeachteten Veränderungen entstehen. Mit einer achtsamen Einstellung haben Menschen eine größere Chance solche Probleme wahrzunehmen bevor sie ernst und gefährlich teuer werden. Die "Schatten der Überalterung" (Theodore Levitt), die frühen Anzeichen einer Veränderung sind Warnsignale und - für den Achtsamen - neue Chancen. Das Geschäft und der Arbeitsplatz sind voller unerwarteter Stolpersteine, die die Produktivität hemmen. Für eine achtsame Führungskraft oder einen achtsamen Mitarbeiter werden sie zu Bausteinen. Sie behindern nicht den Fortschritt, weil sie als Teil eines fortlaufenden Prozesses gesehen werden und nicht als unerwünschte Abweichungen einer Prozedur, die in der Vergangenheit ihren Sinn hatte. Zweite Luft. Müdigkeit und Sättigung treten nicht notwendigerweise zu festgesetzten Zeitpunkten auf. In hohem Maße dürfte mentale und physische Erschöpfung durch voreilige kognitive Festlegungen ausgelöst sein; in anderen Worten, diktieren unhinterfragte Erwartungen ob und wann unsere Energie absackt. Der Wechsel des Kontexts bringt erneuerte Energie. Neue Energie in einem neuen Kontext wird als "zweite Luft" (second wind) bezeichnet. Achtsame Individuen nutzen das Phänomen des zweiten Windes zu ihrem eigenen Vorteil um latente Energie anzuzapfen indem sie die Mentalität der Erschöpfung abschütteln. Achtsamkeit ist in sich selbst belebend und erfrischt. Sie ist nie ermüdend. Eine eigeninitiative, selbständige Mitarbeiterin kann selbst dafür sorgen, die Mentalität der Erschöpfung, des AusgelaugtSeins abzuschütteln, eine achtsame Führungskraft kann dies für andere ermöglichen. Die Herausforderung für das Management besteht darin im Rahmen der zu bewältigenden Arbeitsbelastung immer wieder Kontextänderungen zu initiieren. Eine andere Art von Mentalität (mindset), die Erschöpfung auslösen kann, ist die Art wie wir eine Aufgabe definieren. Die Aufgabe mag uns solange als mühelos erscheinen solange wir im Prozess engagiert sind und Unterscheidungen geschaffen werden. Führen wir die Aufgabe achtlos aus, dann verlassen wir uns auf Unterscheidungen die schon früher getroffen wurden. Nähert sich die Aufgabe ihrem Ende, dann fokussieren wir typischerweise mehr auf das Ergebnis und erwarten, dass Müdigkeit aufkommt. Müdigkeit kann dadurch abgewendet werden, dass man einen Kontextwechsel einleitet bevor dieser Punkt erreicht ist. Das funktioniert nicht einfach so und selbstverständlich, sondern der Wechsel muss schon als ein neuer Kontext erlebt werden. Innovation. Das Wechseln des Kontextes generiert sowohl Vorstellungskraft und Kreativität als auch neue Energie. In Bezug auf Problemlösungen wird dies oft als Reframing bezeichnet. (Musikerbeispiel) Kontextwechsel ist nur einer der Wege zu Innovationen. Neue Denk- und Nutzenkategorien schaffen, vielfältige Perspektiven explorieren und sich auf den Prozess konzentrieren erhöhen gleichermaßen die Chance, dass ein neuartiger Zugang zu einem Problem erfunden werden wird. Auch ein Akzeptieren und Ertragen von Unsicherheit seitens des Management wirkt ermutigend. Ist eine Führungskraft fähig dazu, Abweichungen von der gewohnten Art die Dinge zu regeln zu riskieren, dann blühen kreative Mitarbeiter/innen auf und liefern wertvollere Beiträge. Sind Mitarbeiter/innen nicht gezwungen ein Produkt nur immer besser zu machen, können sie auch Mittel und Wege finden ein anderes besseres Produkt zu machen. Strategie. Enge Definitionen der Wettbewerber gehen Hand in Hand mit engen Vorstellungen über das Produkt. Die Kraft der Unsicherheit für Führungskräfte. Unter all den Qualitäten einer Führungskraft die für Innovationen und konstruktive Initiativen dienlich sind, könnte (die Bereitschaft und Fähigkeit) ein gewisses Maß von Unsicherheit (auszuhalten) die allerwirkungsvollste sein. Ist ein Führungskraft zuversichtlich aber unsicher zuversichtlich, dass die Arbeit gut erledigt werden wird, aber ohne sicher zu sein was genau die beste Art und Weise sein wird sie zu erledigen - haben Mitarbeiter mehr Freiraum kreativ, aufmerksam und eigeninitiativ zu arbeiten. Wenn jemand für bzw. mit einer zuversichtlichen aber unsicheren Führungskraft arbeitet, wird er/sie eher seltener Wissen vortäuschen oder Fehler verschweigen, was ja allgegenwärtige Praktiken sind, die Organisationen sehr teuer zu stehen kommen. Stattdessen denken wir wahrscheinlich; "Wenn er nicht sicher ist, schätze ich, dass auch ich nicht immer recht haben muss." Risiko zu übernehmen wird so weniger riskant. Eine Untersuchung ergab, dass jene Führungskräfte, die zuversichtlich aber relativ unsicher waren, von ihren Mitarbeitern so eingeschätzt wurden, dass sie wahrscheinlicher eine selbständige Meinung und eine generell größere Handlungsfreiheit zulassen würden. Weil Menschen, die als intelligent und kenntnisreich gelten, eher zu Führungskräften ernannt werden, ist die Annahme, dass der Chef die richtigen Antworten hat, weit verbreitet, und Fragen zu stellen ist für Mitarbeiter/innen ein eher beängstigendes Unterfangen. Machen Führungskräfte demgegenüber klar, dass sie Gewissheit als eher verwegen einschätzen, wird es für Mitarbeiter/innen leichter Fragen zu stellen, die aus ihrer eigenen Unsicherheit kommen. Fragen liefern wichtige Informationen für Führungskräfte. Mehr noch. Holen Führungskräfte Informationen von ihren Mitarbeitern ein um diese Fragen zu beantworten, dann werden beide wahrscheinlich achtsamer und innovativer. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Wird einerseits Arbeit oft genug, unterfüttert mit einer Art von Gewissheit und Sicherheit, achtlos ausgeführt, so ist Spielen fast immer eine achtsame Aktivität. Im Spiel engagieren sich Menschen und übernehmen Risiken. Man stelle sich vor, dass ein Spiel zur Routine wird - es wäre nicht mehr ein Spiel. Im Spiel gibt es keinen Grund keine Risiken einzugehen. Tatsächlich würde das Vergnügen, das mit Meisterschaft verbunden ist, verschwinden, wenn damit nicht auch ein Risiko verbunden bleibt. Im Spiel verhalten wir uns tendenziell mehr abenteuerlustig weil es Sicherheit gibt. Wir hören auf, uns dauernd selbst zu bewerten. Ein Spiel kann man natürlich ernst nehmen, aber es ist das Spiel und nicht wir selbst, was wir ernst nehmen - sonst ginge es gar nicht mehr um Spiel. Diese Erkenntnis sollte eigentlich nahelegen, das Büro zu einem Ort zu machen in dem mit Ideen gespielt wird, wo zu Fragen ermutigt wird, und wo niemand entlassen wird, wenn die Würfel ungünstig fallen. Andrerseits werden manche Führungskräfte unsicher und ängstlich, wenn sie sich mit Fragen konfrontiert sehen auf die es keine leichten Antworten gibt. Charisma. Eine gewisse geistige Offenheit scheint sowohl die Überzeugungskraft (von Verkäufern im Experiment) als auch das Charisma zu fördern. Achtlosigkeit im Geschäft ist die Anwendung der Lösungen von gestern auf die Probleme von heute. Achtsamkeit ist die Einstellung auf die Erfordernisse von heute um die Schwierigkeiten von morgen zu vermeiden. Kap. 9: Vorurteile verringern, Unterscheidungen vermehren Spezifische Unterscheidungen statt globalen vorzunehmen kann sehr hilfreich dabei sein die Denkart des Vorurteils einzudämmen. Dennoch: kategorisieren und typisieren ist eine grundlegende und natürliche Aktivität von Menschen. Auf diese Weise lernen wir die Welt kennen. Außenseiter in einer Organisation zu sein kann Achtsamkeit steigern. In einer Gesellschaft für die eher Ergebnis als Prozess der primäre Wert darstellt - definitionsgemäß eine eher achtlose Gesellschaft - führen Abweichung vom "Normalen" und (z.B. körperliche) Einschränkungen leicht zu geringerem Selbstwertgefühl. Abweichung als Kategorie kann nur im Vergleich zu einer anderen Kategorie "normal" definiert werden. Die beiden Kategorien schließen sich gegenseitig aus. Kap. 10: Achtsamkeit und Gesundheit "Is there a split between mind and body, and if so, which is it better to have?" (Woody Allen) Lange bevor wir irgendeinen Grund haben die Trennung zwischen Körper und Geist in Frage zu stellen ist sie schon tief und in vielfältigste Weise in uns verankert. Es ist eines unserer stärksten Denkmodelle - eine gefährliche voreilige kognitive Festlegung. Aristoteles ist sich noch ganz sicher, dass der Körper und sein Denken eine einzige Existenz darstellen. In den Neurowissenschaften scheint ein neuer Dualismus in Form der Geist/HirnUnterscheidung wieder an die Oberfläche zu kommen. Eine starre Vorstellung eines Geistes der vom Körper getrennt wäre hat ernste Konsequenzen. Eine verwandte Form von Dualismus, die auch potenziellen Schaden in sich birgt, ist die Unterscheidung zwischen Gedanke und Gefühl (Kognition und Affekt). Sie stattdessen als Teil einer total simultanen Reaktion zu verstehen, die übrigens in verschiedenster Weise gemessen werden kann, könnte mehr Klarheit schaffen. So könnte z.B. ein Intelligenztest genauso als Maß des individuellen Wohlbefindens zum Zeitpunkt der Testdurchführung gesehen werden wie als Bewertung des IQ. Ein Reiz, der emotional provokant ist, muss zuerst in irgendeiner Weise gedacht sein. Eine Löwen fürchten ist identisch mit einen Löwen furchtvoll denken, ein Pferd bewundern ist ein Pferd bewundernd denken. Gedanke und physische Reaktion erscheinen gemeinsam. Etwas sehen oder hören heißt etwas von etwas anderem unterscheiden. Kontexte sind gelernt. Deshalb ist das meiste was Emotion auslöst gelernt. Und diese emotionalen Kontexte werden im Allgemeinen in eindimensionaler Weise gelernt. Emotionen beruhen auf frühzeitigen kognitiven Festlegungen. Wir erleben sie ohne uns bewusst zu sein, dass sie auch ganz anders sein könnten, ohne uns bewusst zu sein, dass wir genau so, wenn auch passiv, die Erfahrung konstruiert haben. Ohne genauer hinzusehen und zu bemerken, dass derselbe Reiz in einem anderen Kontexten ein anderer Reiz ist, machen wir uns zum Opfer der Assoziationen, die wir selbst konstruiert haben. Unsere Wahrnehmungen und Interpretationen beeinflussen die Art wie unsere Körper reagieren. Wenn der "Geist" in einem Kontext ist, dann ist der "Körper" genauso in diesem Kontext. Um einen anderen physiologischen Zustand zu erreichen brauchen wir manchmal nur unseren Geist in einen anderen Kontext zu versetzen. Wenn es dem Geist gelingt sich nicht auf z.B. Kopfweh zu beziehen scheint es zu verschwinden. (meine Kinoerlebnisse als Jugendlicher in Wien.) Umgekehrt: wenn der Geist wieder zum Schmerz zurückkehrt tut es der Körper auch (nach Kinoschluss). Kontext kann sogar die Schärfe unserer Sinne beeinflussen. (Pilotenexperiment) Nachdem wir über den Kontext einigen Einfluss haben, ist die laufende Klärung dieser Verbindungen zwischen psychologischen Zuständen und Krankheit sehr hilfreich. Krankheiten, die als rein physiologisch und unheilbar gelten, können folgsamer auf individuellen Einfluss reagieren als bisher gedacht. Ein achtsamer Süchtiger kann seine Sucht aus mehreren verschiedenen Perspektiven sehen, z.B. dass jede Sucht auch positive Aspekte aufweist. Falls diese positiven Aspekte auch in anderer Weise bedient werden können, sollte die Sucht leichter abzuschütteln sein. Auch wenn es nicht leicht ist die positiven Gründe einer Sucht zu finden und ersetzen, sollte allein der Versuch dabei helfen achtsamere Wege zu finden, wie man destruktive Gewohnheiten brechen kann. Das aktive Placebo. Es ist vorstellbar, aktiv die Unterstützung des Geistes für Veränderungen und Gesundung zu gewinnen. Wann immer wir versuchen uns selbst zu heilen und diese Verantwortung nicht ganz an Ärzte abtreten, ist jeder Schritt ein achtsamer. Zum Beispiel stellen wir destruktive Kategorien von Krankheiten (wie das Bild von Krebs als Todesurteil) in Frage. Wir begrüßen neue Informationen, ob direkt vom Körper oder aus Büchern. Wir schauen auf unsere Krankheit aus mehr als einer Perspektive, z.B. der medizinischen. Wir arbeiten daran den Kontext zu ändern, sei es einen stressigen Arbeitsplatz, oder ein depressives statt einem positiven Blick auf das Krankenhaus. Und schließlich bringt uns der Versuch gesund zu bleiben konsequenterweise dazu mehr auf den Prozess zu achten als auf zukünftige Ergebnisse. Kap. 11: Jenseits von Achtsamkeit (Epilog) FAQ's sind unausweichlich die folgenden: Wie sollen es Menschen schaffen die ganze Zeit achtsam zu sein? Ist das nicht zu aufwändig? Wenn wir immer nur achtsam neue Unterscheidungen treffen, wie kommen wir da je dazu zu entscheiden? Manchmal versuche ich es dann mit Metaphern: Um zu verstehen, dass es keineswegs nötig ist die ganze Zeit allen Themen Achtsamkeit zuzuwenden, stellen Sie sich das Gehirn als großes Unternehmen mit einem Vorstandsvorsitzenden vor. Der VV ist verantwortlich das Gesamtfunktionieren der Organisation zu überwachen, aber nicht alles, sicher nicht z.B. das Heizungssystem in der Zentrale. Die effektive Person stellt - wie der VV ihre Achtsamkeit klug bereit, sie wählt wo und wann sie achtsam agiert. Der effektive VV muss auch in Bezug auf seine Aufgabe achtsam sein. In einer Krisensituation wird der VV, der achtlos Routinelösungen anwendet, die er in einem MBA-Lehrgang gelernt oder bei früheren Gelegenheiten angewandt hat, sich in dieser Krisensituation nicht bewähren, sich nicht dieser Herausforderung angemessen stellen. Der achtsame VV kann auf zwei Ebenen achtsam sein: die Krise in einer achtsamen Art auflösen oder sie als eine Chance für Innovationen nutzen. Die Achtsamkeit zweiter Ordnung, nämlich zu wählen worauf man seine Achtsamkeit besonders richtet, ist etwas was jeder von uns immer tun kann. Auch wenn wir weder auf alles gleichzeitig achten können oder sollen, können wir immer auf etwas besonders achtsam sein. Die wichtigste Aufgabe für jeden VV, und alle anderen Menschen, ist zu wählen worauf die Achtsamkeit zu richten ist. Der achtsam achtsame VV. Ist es nicht notwendig einige Dinge außer Acht zu lassen um zu einer Entscheidung zu kommen? Der rationale Zugang zum Entscheiden beruht auf der (achtlosen) Annahme, dass wir dann nicht zu einer (guten) Entscheidung kommen, wenn wir unvollständige Daten haben. Demgegenüber anerkennt die Achtsamkeit zweiter Ordnung, dass es die richtige Antwort nicht gibt. Entscheiden ist unabhängig von Informationssammlung. Daten produzieren keine Entscheidung, Menschen tun es entweder mit Leichtigkeit oder unter Schwierigkeiten. Ambivalenzen in einem Entscheidungsprozess oder in Bezug auf einen Menschen - Freund, Liebhaber, Ehefrau/-mann - werden zum Problem, wenn wir überzeugt sind, dass mehr Informationen die Ambivalenz in die eine oder andere Richtung auflösen können. Mehr Fragen zu generieren werden nicht weiterhelfen, weil es keinen logischen Haltepunkt gibt. Man kann genauso gut an einem willkürlichen Moment aufhören Fragen zu stellen und eine "Bauchentscheidung" treffen. Und danach daran arbeiten die Entscheidung richtig zu machen statt von der Vorstellung getrieben zu sein die richtige Entscheidung treffen zu müssen. Mehr Unterscheidungen einzuführen wird nicht zu absolut richtigen Entscheidungen führen. In einem achtsamen Zustand zu leben und arbeiten kann mit dem Leben in einem transparenten Haus verglichen werden. Auch wenn es richtig ist, dass wir nicht an alles gleichzeitig denken können, kann alles zur Verfügung gehalten werden. Auf diese Weise wach und geistesgegenwärtig zu sein, offen für neue Perspektiven und neue Informationen, ist nicht anstrengend. Was Energie kosten mag ist den Wechsel von einem achtlosen in einen achtsamen Modus zu bewerkstelligen, so wie in der Physik es Energie erfordert den Kurs eines bewegten Körpers zu verändern und es Energie erfordert einen ruhenden Körper in Bewegung zu versetzen. Eine achtsame Wahrnehmung verschiedener Optionen gibt uns mehr Einfluss. Dieses Gefühl, mehr Einflussmöglichkeiten zur Verfügung zu haben ermutigt uns andrerseits achtsamer zu sein. Achtsamkeit ist keine langweilige Routine, sondern fordert uns heraus in einer kontinuierlichen, kraftvollen Dynamik mitzuwirken. Ein Grund, warum Achtsamkeit anstrengend erscheinen mag, könnte dem Schmerz negativer Gedanken geschuldet sein. Wenn Gedanken unbequem und unangenehm sind, möchte man sie gerne löschen oder wegkriegen. Der Schmerz resultiert jedoch nicht aus einer achtsamen Wahrnehmung dieser Gedanken, sondern aus einem einseitigen Verständnis des schmerzvollen Ereignisses. Eine achtsame neue Perspektive würde diesen Schmerz effektiver löschen. In ähnlicher Weise hat ängstliches Denken der Achtsamkeit zu einem schlechten Image verholfen. Angst oder Furcht verspüren hat nichts mit Achtsamkeit zu tun, und Achtlosigkeit ist nicht entspannend, wie oft geglaubt. Hingegen sind stressige Ereignisse wahrscheinlich weniger stressig, wenn es gelingt sie aus verschiedenen Perspektiven zu bedenken. Achtsamkeit kann, genauso wenig wie ein Bach, eingefangen werden, kann nicht ein für alle Mal analysiert werden. Beim Versuch sie zu quantifizieren oder auf eine Formel zu reduzieren riskieren wir das ganze Phänomen aus den Augen zu verlieren.