Abmahnung – das will gut überlegt sein!

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CHEFSACHE
Abmahnung – das will
gut überlegt sein!
Serie Arbeitsrecht Teil VIII – Die gelbe Karte: Abmahnung.
Von Sigrid Cloosters, Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte, Lünen
ZUR AUTORIN
Sigrid Cloosters ist Rechtsanwältin
und Fachanwältin für Arbeitsrecht
in der Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte. Die auf Unternehmen des
Gesundheitsmarktes spezialisierte
Kanzlei vertritt u.a. viele namhafte
Leistungserbringer und Hersteller
im Hilfsmittelsektor. Sigrid Cloosters berät Unternehmen u.a. im
kollektiven und Individualarbeits-
Wenn Chefs sich über Mitarbeiter ärgern, wird schnell eine Abmahnung
ausgesprochen. Der Mitarbeiter soll
nicht denken, er könne mit seinem
Verhalten „durchkommen“. Das ist
verständlich, aber man sollte doch
vorsichtig mit diesem Instrument umgehen. Die Abmahnung ist der erste
Schritt zur Trennung und auch zu diesem Zeitpunkt schon können Fehler
gemacht werden, die einen späteren
Kündigungsschutzprozess zum Scheitern verurteilen – ein unnötiges und
teures Lehrgeld.
G
rund für eine Abmahnung kann nur ein Fehlverhalten des Mitarbeiters sein, das er selbst
steuern und positiv
beeinflussen kann. Häufige Erkrankung oder ein Verhalten, das z. B. auf
krankhaften Alkoholkonsum zurückzuführen ist, kann nicht abgemahnt
werden, da der Arbeitnehmer sein
Verhalten nicht aktiv steuern und
verändern kann. Ist das Ziel der Zurechtweisung des Arbeitnehmers nur,
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recht, im Wettbewerbsrecht, insbesondere im Heilmittelwerberecht,
Medizinprodukterecht, im gewerblichen Rechtsschutz und allen zivilrechtlichen Fragestellungen. Die
mittlerweile sieben Rechtsanwälte/
innen bieten qualifizierte Rechtsberatung in allen, Unternehmen
im Gesundheitsmarkt tangierenden, Fragen.
dass dieser sich in Zukunft an seine
arbeitsvertraglichen Pflichten hält –
er ist z. B. ein hervorragender Außendienstler, der großen Umsatz einholt
– kann mit einer Abmahnung gerade
das Gegenteil erreicht werden. Reagiert er beleidigt, kann seine Motivation zur Arbeitsleistung erheblich zurückgehen, oder er orientiert sich sogar anderweitig und sucht sich einen
anderen Arbeitgeber. Hier kommt
es darauf an, dass der Anlass für die
Abmahnung auch schwerwiegend genug ist, um im Wiederholungsfall eine
Kündigung zu rechtfertigen.
In Kleinbetrieben (höchstens
zehn Arbeitnehmer) ist eine Abmahnung nicht zwingend Voraussetzung
für eine Kündigung. Soll das Arbeitsverhältnis nicht beendet werden,
erfüllt sie dennoch voraussichtlich
ihr Ziel, die Verhaltensänderung des
Mitarbeiters hervorzurufen.
Vorstufe Ermahnung
Vor Erteilung einer Abmahnung
sollte also geprüft werden, ob nicht
eine Ermahnung als milderes Mittel
ausreicht. Die Ermahnung ist eine
mündlich oder auch schriftlich geäußerte Rüge. Der Arbeitnehmer
soll lediglich zur Einhaltung seiner
arbeitsvertraglichen Pflichten angehalten werden. Es werden ihm keine
Konsequenzen für die Zukunft angedroht. Hat die Ermahnung nicht das
gewünschte Ergebnis, wiederholen
sich also dieselben Pflichtverstöße,
bleibt dem Arbeitgeber nur die Abmahnung zur Erwirkung der Verhaltensänderung.
Vier Fallgruppen der
Abmahnung
1. Störungen im Leistungsbereich
Ist die zu erfüllende Arbeitspflicht
betroffen, liegen Mängel im Leistungsbereich vor. Beispiele: beharrliche Arbeitsverweigerung, häufige
Unpünktlichkeit, verspätete Vorlage
von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Schlechtleistung. In diesem
Bereich kann in Betrieben, die mehr
als zehn Arbeitnehmer beschäftigen
und damit unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, eine Kündigung
nur dann erfolgen, wenn bereits zuvor abgemahnt wurde.
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2. Störungen im betrieblichen
Bereich
Wird die betriebliche Ordnung missachtet oder der Betriebsfrieden gestört, sollte ebenfalls eine Abmahnung vor der Kündigung ausgesprochen werden. In diesen Bereich fallen z.B. parteipolitische Betätigung
im Betrieb, rechtsextremistische,
ausländerfeindliche oder sonstige
diskriminierende Äußerungen im
Betrieb, Verstöße gegen ein betriebliches Rauch- oder Alkoholverbot
etc.
3. Störungen in Vertrauensbereich
Hier geht es um die Loyalität zum
Arbeitgeber. Regelmäßig sind die
Verfehlungen hier so schwerwiegend, dass es oft gar keiner Abmahnung vor einer Kündigung bedarf.
Handelt es sich um einen weniger
bedeutsamen, einzelnen Vorfall, sollte man zunächst lediglich abmahnen,
um sich von einem Gericht nicht
vorwerfen zu lassen, die Abmahnung
hätte auch ausgereicht. Sie sollten jedoch als Arbeitgeber genau das Für
und Wider der weiteren Beschäftigung des Mitarbeiters abwägen. Beispiele für Störungen des Vertrauensbereiches sind: Spesenbetrug, falsche
Reisekostenabrechnungen,
Diebstahl, Unterschlagung usw.
4. Störungen auf Grund
außerdienstlichen Verhaltens
Außerdienstliches Verhalten ist regelmäßig im Arbeitsverhältnis nicht
abmahnfähig. Ausnahmen bestehen
für ein Verhalten, das sich direkt auf
das Arbeitsverhältnis auswirkt. Beispiele: Verletzungen der Geheimhaltungspflichten oder Nebentätigkeit
während einer Arbeitsunfähigkeit.
Schritte zur wirksamen
Abmahnung
Die Abmahnung muss drei Funktionen erfüllen: Dokumentationsfunktion, Warnfunktion und Ankündigungsfunktion. Das Fehlverhalten
muss schriftlich festgehalten, genau
beschrieben und deutlich gerügt
werden. Das richtige Verhalten soll
beschrieben und es muss unmissverständlich angekündigt werden, dass
bei wiederholtem Verstoß das Arbeitsverhältnis gekündigt wird.
1. Zuerst sollte – obwohl nicht gesetzlich vorgeschrieben – der Mitarbeiter angehört werden. Damit
können die Einwendungen des
Mitarbeiters berücksichtigt und
ggf. bestehende Fehlinformationen ausgeräumt werden.
2. Nicht zu lange warten. Eine Frist
muss jedoch nicht eingehalten
werden.
3. Das dem Mitarbeiter zur Last
gelegte Verhalten ist genau zu
beschreiben mit Datum, Uhrzeit,
Ort, betroffenen Personen, Schäden oder Störungen des Betriebsablaufs, Zeugen.
4. Zu ordnungsgemäßem Verhalten
auffordern. „Wir fordern Sie ausdrücklich auf, das vorgenannte
Verhalten zu unterlassen und zukünftig Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.“
5. Auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen hinweisen: „Bei erneutem, gleichartigem Pflichtverstoß
müssen Sie damit rechnen, dass
wir Ihnen eine Kündigung aussprechen.“
6. Immer schriftlich abmahnen.
7. Nur der Berechtigte darf abmahnen. Das ist der Arbeitgeber oder
ein kündigungsbefugter Mitarbeiter, z.B. Prokurist, Personalleiter,
Betriebsleiter etc. Der Kreis der
Abmahnungsberechtigten sollte
jedoch klein sein, um die Fehlerquote gering zu halten.
8. Die Abmahnung muss dem Abgemahnten zugehen, d.h. er muss
das Schreiben erhalten. Sicher
sind nur zwei Wege: die Übergabe unter Zeugen im Betrieb oder
die Zustellung durch einen Boten.
Das sollte ein Mitarbeiter des Unternehmens sein, der den Inhalt
des Briefes kennt und ihn auch in
den Briefumschlag gesteckt hat–
niemals jedoch der Arbeitgeber
selbst. Er ist im Prozess Partei und
kann nicht Zeuge sein. Es muss
ein datiertes Übergabeprotokoll
erstellt und von dem Boten unterschrieben werden. Nicht erforderlich ist, dass der Abgemahnte den
Empfang bestätigt.
9. Die Abmahnung wird in die Personalakte des Mitarbeiters aufgenommen.
Reaktionsmöglichkeiten des
abgemahnten Mitarbeiters
■ Einsichtnahme in die Personalakte verlangen: Dieses Arbeitneh-
merschutzrecht kann ihm nicht
verweigert werden.
■
Der Abmahnung mit einer Gegenvorstellung
widersprechen,
wenn er von einer zu Unrecht erteilten Abmahnung ausgeht. Der
Arbeitgeber ist verpflichtet, diese
Gegendarstellung in die Akte aufzunehmen.
■
Die Entfernung aus der Personalakte verlangen, notfalls sogar
Klage auf Entfernung der Abmahnung einreichen.
■ Er kann aber auch einfach nichts
tun. Dadurch verliert der Mitarbeiter nicht das Recht, in einem
späteren Kündigungsschutzverfahren sich auf alle Einwände zu
berufen, die die Abmahnung unwirksam machen könnten.
Fazit
Sie als Arbeitgeber sollten darauf
achten, dass in Abmahnschreiben
der konkrete Vorwurf der Pflichtverletzung ausführlich beschrieben
ist und auf die Folgen eines wiederholten Verstoßes hingewiesen wird.
Auch muss das Schreiben von einer
zur Kündigung – und damit auch zur
Abmahnung – berechtigten Person
unterschrieben und dem Mitarbeiter auch nachweislich übergeben
werden. Fehler können dazu führen,
dass ein Kündigungsrechtsstreit mit
den für Arbeitgeber schmerzlichen,
finanziellen Folgen verloren wird.
Übrigens: Entgegen weitverbreiteter Auffassung muss nicht vor einer Kündigung dreimal abgemahnt
GP
worden sein!
DIE GP-SERIE „ARBEITSRECHT“ IM ÜBERBLICK
■ Das 1x1 der Wettbewerbsverbote
■ Die gelbe Karte: Abmahnung
■ Die Kündigung
■ Kündigung besonderer
Personengruppen
■ Einsatz von freien Mitarbeitern
■ Gute Fahrt mit dem Dienstwagen
■ Provisionsmodelle
■ Am Puls der Zeit:
Weiter- und Fortbildung
■ Personalentwicklung:
Einstellungsgespräche und Absagen
■ Das 1x1 der Arbeitsverträge
■ Endlich Urlaub
03/2014 GESUNDHEITSPROFI 39
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