CHEFSACHE Abmahnung – das will gut überlegt sein! Serie Arbeitsrecht Teil VIII – Die gelbe Karte: Abmahnung. Von Sigrid Cloosters, Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte, Lünen ZUR AUTORIN Sigrid Cloosters ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte. Die auf Unternehmen des Gesundheitsmarktes spezialisierte Kanzlei vertritt u.a. viele namhafte Leistungserbringer und Hersteller im Hilfsmittelsektor. Sigrid Cloosters berät Unternehmen u.a. im kollektiven und Individualarbeits- Wenn Chefs sich über Mitarbeiter ärgern, wird schnell eine Abmahnung ausgesprochen. Der Mitarbeiter soll nicht denken, er könne mit seinem Verhalten „durchkommen“. Das ist verständlich, aber man sollte doch vorsichtig mit diesem Instrument umgehen. Die Abmahnung ist der erste Schritt zur Trennung und auch zu diesem Zeitpunkt schon können Fehler gemacht werden, die einen späteren Kündigungsschutzprozess zum Scheitern verurteilen – ein unnötiges und teures Lehrgeld. G rund für eine Abmahnung kann nur ein Fehlverhalten des Mitarbeiters sein, das er selbst steuern und positiv beeinflussen kann. Häufige Erkrankung oder ein Verhalten, das z. B. auf krankhaften Alkoholkonsum zurückzuführen ist, kann nicht abgemahnt werden, da der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht aktiv steuern und verändern kann. Ist das Ziel der Zurechtweisung des Arbeitnehmers nur, 38 GESUNDHEITSPROFI 03/2014 recht, im Wettbewerbsrecht, insbesondere im Heilmittelwerberecht, Medizinprodukterecht, im gewerblichen Rechtsschutz und allen zivilrechtlichen Fragestellungen. Die mittlerweile sieben Rechtsanwälte/ innen bieten qualifizierte Rechtsberatung in allen, Unternehmen im Gesundheitsmarkt tangierenden, Fragen. dass dieser sich in Zukunft an seine arbeitsvertraglichen Pflichten hält – er ist z. B. ein hervorragender Außendienstler, der großen Umsatz einholt – kann mit einer Abmahnung gerade das Gegenteil erreicht werden. Reagiert er beleidigt, kann seine Motivation zur Arbeitsleistung erheblich zurückgehen, oder er orientiert sich sogar anderweitig und sucht sich einen anderen Arbeitgeber. Hier kommt es darauf an, dass der Anlass für die Abmahnung auch schwerwiegend genug ist, um im Wiederholungsfall eine Kündigung zu rechtfertigen. In Kleinbetrieben (höchstens zehn Arbeitnehmer) ist eine Abmahnung nicht zwingend Voraussetzung für eine Kündigung. Soll das Arbeitsverhältnis nicht beendet werden, erfüllt sie dennoch voraussichtlich ihr Ziel, die Verhaltensänderung des Mitarbeiters hervorzurufen. Vorstufe Ermahnung Vor Erteilung einer Abmahnung sollte also geprüft werden, ob nicht eine Ermahnung als milderes Mittel ausreicht. Die Ermahnung ist eine mündlich oder auch schriftlich geäußerte Rüge. Der Arbeitnehmer soll lediglich zur Einhaltung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten angehalten werden. Es werden ihm keine Konsequenzen für die Zukunft angedroht. Hat die Ermahnung nicht das gewünschte Ergebnis, wiederholen sich also dieselben Pflichtverstöße, bleibt dem Arbeitgeber nur die Abmahnung zur Erwirkung der Verhaltensänderung. Vier Fallgruppen der Abmahnung 1. Störungen im Leistungsbereich Ist die zu erfüllende Arbeitspflicht betroffen, liegen Mängel im Leistungsbereich vor. Beispiele: beharrliche Arbeitsverweigerung, häufige Unpünktlichkeit, verspätete Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Schlechtleistung. In diesem Bereich kann in Betrieben, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigen und damit unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, eine Kündigung nur dann erfolgen, wenn bereits zuvor abgemahnt wurde. CHEFSACHE 2. Störungen im betrieblichen Bereich Wird die betriebliche Ordnung missachtet oder der Betriebsfrieden gestört, sollte ebenfalls eine Abmahnung vor der Kündigung ausgesprochen werden. In diesen Bereich fallen z.B. parteipolitische Betätigung im Betrieb, rechtsextremistische, ausländerfeindliche oder sonstige diskriminierende Äußerungen im Betrieb, Verstöße gegen ein betriebliches Rauch- oder Alkoholverbot etc. 3. Störungen in Vertrauensbereich Hier geht es um die Loyalität zum Arbeitgeber. Regelmäßig sind die Verfehlungen hier so schwerwiegend, dass es oft gar keiner Abmahnung vor einer Kündigung bedarf. Handelt es sich um einen weniger bedeutsamen, einzelnen Vorfall, sollte man zunächst lediglich abmahnen, um sich von einem Gericht nicht vorwerfen zu lassen, die Abmahnung hätte auch ausgereicht. Sie sollten jedoch als Arbeitgeber genau das Für und Wider der weiteren Beschäftigung des Mitarbeiters abwägen. Beispiele für Störungen des Vertrauensbereiches sind: Spesenbetrug, falsche Reisekostenabrechnungen, Diebstahl, Unterschlagung usw. 4. Störungen auf Grund außerdienstlichen Verhaltens Außerdienstliches Verhalten ist regelmäßig im Arbeitsverhältnis nicht abmahnfähig. Ausnahmen bestehen für ein Verhalten, das sich direkt auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Beispiele: Verletzungen der Geheimhaltungspflichten oder Nebentätigkeit während einer Arbeitsunfähigkeit. Schritte zur wirksamen Abmahnung Die Abmahnung muss drei Funktionen erfüllen: Dokumentationsfunktion, Warnfunktion und Ankündigungsfunktion. Das Fehlverhalten muss schriftlich festgehalten, genau beschrieben und deutlich gerügt werden. Das richtige Verhalten soll beschrieben und es muss unmissverständlich angekündigt werden, dass bei wiederholtem Verstoß das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. 1. Zuerst sollte – obwohl nicht gesetzlich vorgeschrieben – der Mitarbeiter angehört werden. Damit können die Einwendungen des Mitarbeiters berücksichtigt und ggf. bestehende Fehlinformationen ausgeräumt werden. 2. Nicht zu lange warten. Eine Frist muss jedoch nicht eingehalten werden. 3. Das dem Mitarbeiter zur Last gelegte Verhalten ist genau zu beschreiben mit Datum, Uhrzeit, Ort, betroffenen Personen, Schäden oder Störungen des Betriebsablaufs, Zeugen. 4. Zu ordnungsgemäßem Verhalten auffordern. „Wir fordern Sie ausdrücklich auf, das vorgenannte Verhalten zu unterlassen und zukünftig Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.“ 5. Auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen hinweisen: „Bei erneutem, gleichartigem Pflichtverstoß müssen Sie damit rechnen, dass wir Ihnen eine Kündigung aussprechen.“ 6. Immer schriftlich abmahnen. 7. Nur der Berechtigte darf abmahnen. Das ist der Arbeitgeber oder ein kündigungsbefugter Mitarbeiter, z.B. Prokurist, Personalleiter, Betriebsleiter etc. Der Kreis der Abmahnungsberechtigten sollte jedoch klein sein, um die Fehlerquote gering zu halten. 8. Die Abmahnung muss dem Abgemahnten zugehen, d.h. er muss das Schreiben erhalten. Sicher sind nur zwei Wege: die Übergabe unter Zeugen im Betrieb oder die Zustellung durch einen Boten. Das sollte ein Mitarbeiter des Unternehmens sein, der den Inhalt des Briefes kennt und ihn auch in den Briefumschlag gesteckt hat– niemals jedoch der Arbeitgeber selbst. Er ist im Prozess Partei und kann nicht Zeuge sein. Es muss ein datiertes Übergabeprotokoll erstellt und von dem Boten unterschrieben werden. Nicht erforderlich ist, dass der Abgemahnte den Empfang bestätigt. 9. Die Abmahnung wird in die Personalakte des Mitarbeiters aufgenommen. Reaktionsmöglichkeiten des abgemahnten Mitarbeiters ■ Einsichtnahme in die Personalakte verlangen: Dieses Arbeitneh- merschutzrecht kann ihm nicht verweigert werden. ■ Der Abmahnung mit einer Gegenvorstellung widersprechen, wenn er von einer zu Unrecht erteilten Abmahnung ausgeht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diese Gegendarstellung in die Akte aufzunehmen. ■ Die Entfernung aus der Personalakte verlangen, notfalls sogar Klage auf Entfernung der Abmahnung einreichen. ■ Er kann aber auch einfach nichts tun. Dadurch verliert der Mitarbeiter nicht das Recht, in einem späteren Kündigungsschutzverfahren sich auf alle Einwände zu berufen, die die Abmahnung unwirksam machen könnten. Fazit Sie als Arbeitgeber sollten darauf achten, dass in Abmahnschreiben der konkrete Vorwurf der Pflichtverletzung ausführlich beschrieben ist und auf die Folgen eines wiederholten Verstoßes hingewiesen wird. Auch muss das Schreiben von einer zur Kündigung – und damit auch zur Abmahnung – berechtigten Person unterschrieben und dem Mitarbeiter auch nachweislich übergeben werden. Fehler können dazu führen, dass ein Kündigungsrechtsstreit mit den für Arbeitgeber schmerzlichen, finanziellen Folgen verloren wird. Übrigens: Entgegen weitverbreiteter Auffassung muss nicht vor einer Kündigung dreimal abgemahnt GP worden sein! DIE GP-SERIE „ARBEITSRECHT“ IM ÜBERBLICK ■ Das 1x1 der Wettbewerbsverbote ■ Die gelbe Karte: Abmahnung ■ Die Kündigung ■ Kündigung besonderer Personengruppen ■ Einsatz von freien Mitarbeitern ■ Gute Fahrt mit dem Dienstwagen ■ Provisionsmodelle ■ Am Puls der Zeit: Weiter- und Fortbildung ■ Personalentwicklung: Einstellungsgespräche und Absagen ■ Das 1x1 der Arbeitsverträge ■ Endlich Urlaub 03/2014 GESUNDHEITSPROFI 39